Urteil des BPatG vom 21.10.2015

Zivilrechtliche Ansprüche, Vergleich, Wirkung Ex Tunc, Patentanwalt

BPatG 152ni_adler
07.12
BUNDESPATENTGERICHT
5 ZA (pat) 31/15
und
5 ZA (pat) 32/15
5 Ni 64/11 (EP)
KoF 6/14
und
KoF 7/14
_______________________
(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Patentnichtigkeitssache
- 2 -
betreffe
nd das europäische Patent …
(DE …)
(hier: Erinnerung gegen die Kostenfestsetzung)
hat
der
5. Senat
(Nichtigkeitssenat)
des
Bundespatentgerichts
am
21. Oktober 2015 durch die Vorsitzende Richterin Klante sowie die Richter
Schwarz und Dipl.-Ing. Gottstein
- 3 -
b e s c h l o s s e n :
1.
Die Erinnerungen der Klägerinnen zu 1), 2) und 4) sowie die
Erinnerung der Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbe-
schluss vom 13. März 2015 werden zurückgewiesen.
2.
Die Kosten der Erinnerungsverfahren werden jeweils gegen-
einander aufgehoben.
3.
Der Gegenstandswert für die Erinnerung der Klägerinnen zu
1) und 2) sowie für die Erinnerung der Klägerin zu 4) werden auf
jeweils 87.295,20
€, der Gegenstandswert für die Erinnerung der
Beklagten auf 385.191,01
€ festgesetzt.
G r ü n d e
I .
Mit Urteil des 5. Senats des Bundespatentgerichts vom 6. November 2013 wurden
die Kosten des Rechtsstreits der Beklagten auferlegt. Der Streitwert für das Nich-
tigkeitsverfahren vor dem Bundespatentgericht wurde mit Beschluss vom
4. Dezember 2013 auf 23.750.000,00 Euro festgesetzt. Grundlage der Entschei-
dung waren dabei die vom Senat unter Führung des Verfahrens 5 Ni 64/11 mitei-
nander verbundenen Klagen der Klägerinnen zu 1) und 2), welche unter dem Ak-
tenzeichen 5 Ni 64/11 (EP) geführt wurde, der Klägerin zu 3), das zunächst unter
dem Verfahren 5 Ni 68/12 (EP) geführt wurde, sowie der Klägerin zu 4), welches
unter dem Aktenzeichen 5 Ni 94/12 (EP) geführt wurde.
Die Klägerinnen zu 1) und 2) sowie die Klägerin zu 4) haben mit jeweils getrenn-
ten Anträgen die Kostenfestsetzung beantragt, welche unter den Az. KoF 6/14
- 4 -
(Klägerinnen zu 1) und zu 2) und KoF 7/14 (Klägerin zu 4) geführt werden. Die
Klägerinnen zu 1) und 2) haben dabei einen zu erstattenden Betrag von
408.786,61 Euro (KoF 6/14) zuzüglich verauslagter Gerichtskosten in Höhe von
20.052,00 Euro und die Klägerin zu 4) einen Erstattungsbetrag von
365.158,79 Euro
(KoF 7/14)
zuzüglich
Gerichtskosten
in
Höhe
von
110.780,00 Euro geltend gemacht.
Die Rechtspflegerin hat beide Anträge mit dem angefochtenen Kostenfest-
setzungsbeschluss vom 13. März 2015 einheitlich beschieden und die von der
Beklagten an die Klägerinnen zu 1) und 2) insgesamt zu zahlenden Kosten auf
385.191,01 Euro und die an die Klägerin zu 4) insgesamt zu zahlenden Kosten auf
421.213,19 Euro festgesetzt. Dabei wurden die von den Klägerinnen zu 1) und 2)
einerseits und von der Klägerin zu 4) andererseits jeweils getrennt geltend ge-
machten Terminsgebühren in Höhe von jeweils 87.295,20 Euro für die Tätigkeit
des Patentanwalts, welcher die Klägerinnen zu 1) und 2) einerseits sowie die Klä-
gerin zu 4) andererseits gemeinsam im Termin vertreten hatte, nur einmal ange-
setzt. Zugunsten der Klägerinnen zu 1) und 2) wurden Kosten in Höhe von
43.647,60
€ (anteilig zu ½), mithin 21.823,80 € jeweils für die Klägerin zu 1) und
die Klägerin zu 2) berücksichtigt, zugunsten der Klägerin zu 4) andererseits jeweils
zur Hälfte anteilig Kosten in Höhe von insgesamt 43.647,60 Euro.
Begründet ist dies zum einen damit, dass in dem Termin zur mündlichen Ver-
handlung für den Patentanwalt, der die Klägerinnen 1), 2) und 4) gemeinsam ver-
treten hatte, nur ein einheitliches Verfahren und somit eine Angelegenheit vorge-
legen habe, für die der Patentanwalt die Gebühren auch nur einmal fordern könne.
Darauf, ob die Interessen der Klägerinnen verschieden seien, komme es nicht an.
Zum anderen sei die Kostenfestsetzung ungeachtet des Antrags der Beklagten
vom 20. August 2014 vorzunehmen, mit dem diese geltend gemacht habe, dass
wegen eines außergerichtlichen Vergleichs zwischen den Klägerinnen zu 1) und
2) und der Beklagten der Kostenfestsetzungsantrag der Klägerinnen zu 1) und 2)
- 5 -
zurückzuweisen sei. Denn die Kostenfestsetzung finde aufgrund eines zumindest
vorläufig vollstreckbaren Titels statt, hier also des rechtskräftigen Urteils des
5. Senats des Bundespatentgerichts. Das Urteil sei weder aufgehoben oder abge-
ändert noch sei die Zwangsvollstreckung aufgrund einstweiliger Anordnung, etwa
gemäß § 769 ZPO eingestellt, so dass das Urteil für die Kostenfestsetzung bin-
dend sei.
Gegen diesen Beschluss der Rechtspflegerin vom 13. März 2013 haben sowohl
die Beklagte, deren Verfahrensbevollmächtigten der Beschluss am 25. März 2015
zugestellt worden ist, am 8. April 2015 als auch die Klägerinnen zu 1) und 2) sowie
die Klägerin zu 4), deren Verfahrensbevollmächtigten der Beschluss jeweils am
10. April 2015 zugestellt worden ist, mit Schriftsätzen vom 17. April 2015 (Klägerin
zu 4) und 21. April 2015 (Klägerinnen zu 1) und 2) Erinnerung eingelegt.
Die Klägerinnen zu 1) und 2) sowie zu 4) machen geltend, dass die Terminsge-
bühr für die Klägerinnen zu 1) und 2) einerseits und für die Klägerin zu 4) anderer-
seits jeweils gesondert in Höhe von 87.296,20
€ angefallen sei. Dass beide „zufäl-
lig“ denselben Patentanwalt zum Vertreter bestellt hätten, bedeute nicht, dass eine
einheitliche Tätigkeit vorgelegen habe; denn da der beauftragte Patentanwalt
„funktional völlig andere Aufgaben“ für jede der Klägerinnen wahrgenommen ha-
be, was sich aus den unterschiedlichen Entgegenhaltungen und der unter-
schiedlichen Inanspruchnahme der Klägerinnen im Verletzungsprozess ergebe,
lägen unterschiedliche Prozessrechtsverhältnisse vor. Zumindest sei aber, selbst
wenn nur eine Terminsgebühr angefallen sei, diese auf der Grundlage der addier-
ten Einzelstreitwerten aller Nichtigkeitsverfahren, an denen die Klägerinnen betei-
ligt seien, zu berechnen. Das bedeute, da nach § 22 Abs. 2 RVG die Obergrenze
von 30 Millionen Euro nicht greife, dass vorliegend ein Streitwert von
47.500.00,00 Euro (23.750.000 Euro x 2) anzusetzen sei, woraus sich eine Ter-
minsgebühr (1,2) in Höhe von 173.055,60 Euro errechne, hälftig mithin
86.527,80
€ für die Klägerin zu 4).
- 6 -
Die Klägerinnen zu 1) zu 2) sowie die Klägerin zu 4) beantragen übereinstimmend,
1. den Kostenfestsetzungsbeschluss des Bundespatentgerichts
zum Az. 5 Ni 64/11 (EP) vom 13. März 2015 dahingehend abzu-
ändern, dass die von der Beklagten zu erstattende Terminsgebühr
des Patentanwalts auf 87.295,20 EUR festgesetzt wird,
hilfsweise,
den Kostenfestsetzungsbeschluss des Bundespatentgerichts zum
Az. 5 Ni 64/11 (EP) vom 13. März 2015 dahingehend abzuändern,
dass die von der Beklagten zu erstattende Terminsgebühr des Pa-
tentanwalts auf 86.527,80 EUR festgesetzt wird,
2. sowie sinngemäß,
die Erinnerung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
1.
den
Kostenfestsetzungsbeschluss
vom
13. März 2015
(KoF 6/14) hinsichtlich Ziffer 1) aufzuheben und festzustellen,
dass im Verhältnis zwischen den Klägerinnen zu 1) und 2) und der
Beklagten jede Partei ihre eigenen Kosten trägt.
2. die Erinnerungen der Klägerinnen zu 1), 2) und 4) zurückzuwei-
sen.
Die Beklagte macht gegenüber der Erinnerung der Klägerinnen zu 1), 2) und 4)
geltend, dass die Voraussetzungen für eine separate Terminsgebühr hier nicht
gegeben seien.
Im Hinblick auf ihre eigene Erinnerung trägt die Beklagte vor, Kosten zugunsten
der Klägerinnen zu 1) und 2) hätten nicht festgesetzt werden dürfen, da sie bereits
- 7 -
vor Urteilserlass einen außergerichtlichen Vergleich mit diesen Klägerinnen ge-
schlossen habe. Darin sei zum einen vorgesehen, dass sich die Beklagte zur
Rücknahme der Patentverletzungsverfahren gegen die Klägerinnen verpflichtet.
Des Weiteren sei vorgesehen, dass die Klägerinnen das Patentverletzungsverfah-
ren 5 Ni 64/11 (EP) für den Fall einer Einigung
der Beklagten mit dem T…
Konzern, an welche die Klägerinnen ihre Patente verkauft hätten, zurücknehmen
und jede Partei ihre eigenen Kosten selbst tragen solle. Die Einigung zwischen
den T…-Konzern und der Beklagten sei im Juni 2014 erfolgt, so dass die
Bedingung des Vergleichs eingetreten sei. Aufgrund der Entscheidung des OLG
München NJW 1969, 2149 sei eine Kostenfestsetzung damit aufgrund des ge-
schlossenen Vergleichs vorliegend ausgeschlossen.
Die Klägerinnen zu 1) und 2) sind der Erinnerung der Beklagten entgegen getre-
ten. Ihrer Auffassung nach wird das vorliegende Verfahren von dem von der Be-
klagten vorgelegten Vergleich nicht erfasst. Denn dieser sehe eine Rücknahme
nur der Nichtigkeitsverfahren vor, welche bei Eintritt der Bedingung, also der Eini-
gung zwischen T… und der Beklagten, noch anhängig gewesen seien. Bei
Eintritt der Bedingung sei das vorliegende Verfahren aber bereits abgeschlossen
gewesen, so dass es nicht unter den Vergleich fallen könne. Darüber hinaus fehle
es auch an einer Zuständigkeit des Bundespatentgerichts, denn der Vergleich se-
he ausdrücklich nur den Gerichtsstand der New Yorker Gerichte vor. Unabhängig
davon sei die Erinnerung aber auch deshalb unbegründet, weil materiell-rechtliche
Einwendungen, wie der BGH erst in der Entscheidung BGH NJW-RR 2010, 718
ausdrücklich festgestellt habe, außerhalb des Kostenfestsetzungsverfahrens gel-
tend zu machen seien.
Die Rechtspflegerin hat den Erinnerungen mit Beschluss vom 29. Mai 2015 nicht
abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
- 8 -
II.
Die Erinnerungen der Klägerinnen zu 1), 2) und 4) sowie der Beklagten sind zwar
jeweils zulässig, in der Sache aber unbegründet.
1.
Die Erinnerung der Klägerinnen zu 1), 2) und 4), mit der sie jeweils den Ansatz
einer zweiten Terminsgebühr für den sie gemeinsam in der mündlichen Verhand-
lung vertretenden Patentanwalt geltend machen, ist unbegründet, weil sie im
Rahmen der Kostenfestsetzung nur eine Terminsgebühr für den gemeinsamen
Patentanwalt ersetzt verlangen können. Die Beklagte hat diese jeweils nur zur
Hälfte gegenüber der aus den Klägerinnen zu 1) und 2) bestehenden Kläger-
gruppe einerseits und gegenüber der Klägerin zu 4) andererseits zu erstatten.
a)
erstattungsfähig, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder
Rechtsverteidigung notwendig waren (§ 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Da eine Gebüh-
renregelung für die Tätigkeit von Patentanwälten nicht existiert, sind im Rahmen
der Kostenfestsetzung die Vorschriften des RVG entsprechend anzuwenden.
Nach § 7 RVG erhält ein Rechtsanwalt, der in derselben Angelegenheit für meh-
rere Auftraggeber tätig ist, die Gebühren nur einmal. Nach § 15 Abs. 2 RVG kann
der Rechtsanwalt die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern.
Die Voraussetzung der analog anzuwendenden § 7 Abs. 1 und § 15 Abs. 2 RVG
sind vorliegend erfüllt, weil es sich bei der Vertretung der Klägerinnen im Termin
um „dieselbe Angelegenheit“ im Sinne dieser Vorschrift handelte. Unter Angele-
genheit im gebührenrechtlichen Sinn ist das gesamte Geschäft zu verstehen, das
der Rechtsanwalt für den Auftraggeber besorgen soll (BGH, Urteil vom
8.5.2014 - IX ZR 219/13, in: NJW 2014, 2126, 2127 Rn. 14).
Der Begriff der „An-
gelegenheit“ ist dabei von demjenigen des „Gegenstandes“ zu trennen (vgl.
- 9 -
Schneider/Wolf, AnwK RVG, 7. Aufl., § 7 Rn. 21 unter Hinweis auf OLG Köln, Be-
schl. v. 20.5.2010
– 17 W 80/10 - juris). Nichts Anderes besagt auch die von den
Klägerinnen zitierte Entscheidung BGH NJW 2014, 2126. Denn Ausgangspunkt
dieser Entscheidung ist
es, dass der Begriff der „Angelegenheit“ von demjenigen
des „Gegenstandes“ zu trennen ist, so dass die Verschiedenheit der dabei behan-
delten Gegenstände der Annahme nur einer Angelegenheit grundsätzlich nicht
entgegensteht, wie der BGH ausdrücklich betont (vgl. den von den Klägerinnen
zitierten ersten Satz in BGH NJW 2014, 2126, 2127 Rn. 15 [nicht Rn. 14, wie
die Klägerinnen irrtümlich angeben]). Wie der BGH weiter in der von den Klägerin-
nen zitierten Stelle (BGH NJW 2014, 2126, 2127 Rn. 15) ausdrücklich hervorhebt,
reicht es für die Annahme nur einer Angelegenheit auch bei Verschiedenheit der
Gegenstände grundsätzlich aus, dass diese in einem einheitlichen Verfahren be-
handelt werden, weil verschiedene Gegenstände bereits dann einen inneren Zu-
sammenhang aufweisen, wenn mit ihnen in demselben Verfahren derselbe Erfolg
erstrebt wird. Dieselben Grundsätze gelten dabei, wie der BGH nachfolgend dar-
legt (vgl. NJW 2014, 2126, 2127 Rn. 16), auch bei der Beauftragung durch meh-
rere Mandanten; auch hier reicht es, dass deren Zielsetzungen weitgehend iden-
tisch sind.
Danach lag im vorliegenden Nichtigkeitsverfahren für die Anwaltstätigkeit (hier
also für die Terminsgebühr) nach der Prozessverbindung nur noch eine einzige
Angelegenheit vor, weil die Klägerinnen zu 1), 2) und 4) nunmehr denselben Er-
folg
– das ist im Nichtigkeitsverfahren allein die Nichtigerklärung des Streitpa-
tents - in demselben Verfahren anstrebten. Dies ergibt sich daraus, dass mehrere
Verfahren, die, solange sie nebeneinander geführt werden, selbst dann, wenn sie
denselben Gegenstand betreffen, zwar verschiedene Angelegenheiten darstellen
(vgl. Schneider/Wolf, AnwK RVG, 7. Aufl., § 15 Rn. 86; v. Seltmann, in: Beck'scher
Online-Kommentar RVG, 29. Edition [Stand: 15.07.2015], § 15 Rn. 5 unter Hin-
weis auf BGH NJW 2011, 2591), nach einer Verbindung für die weitere Anwaltstä-
tigkeit aber zu einer einzigen Angelegenheit werden (vgl. Schneider/Wolf, AnwK
RVG, 7. Aufl., § 15 Rn. 88 und 175 f.).
- 10 -
Im Ergebnis stimmt dies auch mit der patentrechtlichen Rechtsprechung des Bun-
desgerichtshofs überein, der zufolge bei Erhebung einer Nichtigkeitsklage durch
mehrere Kläger, die durch einen gemeinsamen Prozessbevollmächtigten mit ei-
nem gemeinsamen Schriftsatz gegen dasselbe Streitpatent, demselben Klagean-
trag und wegen derselben Nichtigkeitsgründe erhoben worden ist, ein einheitli-
cher Klagegegenstand und nur ein Prozessrechtsverhältnis vorliegt (vgl. BGH,
GRUR 1987, 348 - Bodenbearbeitungsmaschine). Soweit die Klägerinnen in die-
sem Zusammenhang auf die Entscheidung des 5. Nichtigkeitssenats vom
20. September 2012 (BPatGE 53, 182
– Bitratenreduktion) verweisen, die der Se-
nat in anderer Besetzung zur Frage der Anzahl der bei Klägermehrheit einzu-
zahlenden Gebühren getroffen hatte, führt dies zu keinem anderen Ergebnis.
Denn zum einen kann an dieser der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung (vgl.
Nr. B. Abs. 1 des Gebührenverzeichnisses des PatKostG, der bei Antragsteller-
mehrheit gesonderte Gebühren nur für die Gebührentatbestände in den
Nr. 400 000 bis 401 300, nicht aber für den die Nichtigkeitsklage betreffenden Ge-
bührentatbestand der Nr. 402 100 vorsieht, der damit im zwingenden Umkehr-
schluss hiervon ausdrücklich ausgenommen ist) widersprechenden Entscheidung
nicht festgehalten werden. Und zum anderen kann die hierin behandelte Frage der
Anzahl der einzuzahlenden gebührenfür die hier zu entscheidende Frage
der gebühren keine Aussage treffen, da die gesetzlichen Voraussetzungen
für beide Gebührentatbestände unterschiedlich sind.
Vorliegend kann mithin dahinstehen, ob der die Klägerinnen zu 1) und 2) sowie die
Klägerin zu 4) in der mündlichen Verhandlung gemeinsam vertretende Patentan-
walt in unterschiedlichem Umfang tätig wurde. Insbesondere können entgegen der
Ansicht der Klägerinnen weder der Umstand, dass die einzelnen Klägerinnen teils
verschiedene Entgegenhaltungen zur Grundlage ihrer Klagen gemacht haben
noch das Anlass für ihre Nichtigkeitsklagen war, dass sie in unterschiedlichem
Umfang vom Streitpatent betroffen waren, Grundlage für die Annahme sein, dass
es sich um verschiedene Angelegenheiten im Sinne des § 7 Abs. 1 RVG handeln
würde. Ob aus den von den Klägerinnen vorgetragenen Gründen möglicherweise
- 11 -
verschiedene Gegenstände verfahrensgegenständlich waren, bedarf daher keiner
Vertiefung. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass die Frage, ob und in welchem
Umfang die einzelnen Kläger vom angegriffenen Streitpatent betroffen sind, für die
Bestimmung des Streitgegenstandes im Nichtigkeitsverfahren ohne Bedeutung ist.
Gegenstand des als Popularklage ausgestalteten verwaltungsgerichtlichen (so
Meier-Beck, GRUR 2015, 929, 930) Nichtigkeitsverfahrens ist nach der gesetzli-
chen Ausgestaltung nur die Nichtigerklärung des Streitpatents im All-
gemeininteresse mit Wirkung ex tunc, selbst wenn der Kläger
– etwa bei Erhebung
einer Teilnichtigkeitsklage
– hierbei seinen Angriff nur auf die Patentansprüche
konzentriert, die Grundlage der gegen ihn erhobenen Verletzungsklage sind.
Schließlich spielt auch der mit der gemeinsamen Vertretung verbundene Mehr-
aufwand für die Anwendung des § 7 Abs. 1 RVG keine Rolle (BGH MDR 1994,
414).
Soweit die Klägerinnen mit ihrer Erinnerung daher zwei getrennte Terminsgebüh-
ren für ihren sie gemeinsam in der mündlichen Verhandlung auftretenden Patent-
anwalt geltend machen, ist diese mithin unbegründet.
b)
Addition der Einzelstreitwerte der verbundenen Verfahren, an denen sie beteiligt
waren, erweist sich als unbegründet.
Zwar ist nach Verbindung mehrerer, zunächst verschiedene Angelegenheiten dar-
stellenden Klagen dem Gebührentatbestand der anwaltlichen Tätigkeit der neue
Gesamtstreitwert der verbundenen Klagen zugrunde zu legen (vgl. Schnei-
der/Wolf, AnwK RVG, 7. Aufl., § 15 Rn. 176 m. w. N.). Bei der Patentnichtigkeits-
klage besteht allerdings die Besonderheit, dass die Verbindung
– anders als im
Zivilverfahren, in denen mehrere Kläger unterschiedliche zivilrechtliche Ansprüche
gegen den Beklagten einklagen
– sich gebührenrechtlich nicht auswirkt. Denn im
Patentnichtigkeitsverfahren ist für die Berechnung des nach § 2 Abs. 2 Satz 4
PatKostG i. V. m. § 51 GVG nach billigem Ermessen zu bestimmenden Streitwerts
- 12 -
nach ständiger Rechtsprechung der gemeine Wert des Streitpatents bei Erhebung
der Klage zuzüglich des Betrags der bereits gerichtlich rechtskräftig zuerkannten
oder der gerichtlich oder außergerichtlich geltend gemachten Schadensersatzfor-
derungen maßgeblich (BGH, GRUR 1957, 79; GRUR 2007, 175
– Sachverstän-
digenentschädigung IV; GRUR 2009, 1100
– Druckmaschinen-Temperierungs-
system III). Für die Bestimmung des gemeinen Wertes des Streitpatents kommt es
dabei
– anders als bei der zivilprozessualen Verfolgung mehrerer zivilrechtlicher
Ansprüche - nicht auf die Anzahl der Kläger und die dem Patetinhaber im Falle
des Unterliegens entstehenden Kosten an, weil die Anzahl der Kläger den (Ge-
samt-)Wert des Streitpatents nicht erhöht (vgl. BPatG, Beschluss vom
20. August 2013, Az. 3 Ni 15/08, BeckRS 2013, 17891, m. w. N.). Zwar fließen in
den als Streitwert zugrunde zu legenden Wert des Streitpatents die Einzelwerte
der vom Patentinhaber betriebenen Verletzungsverfahren ein, da diese bei der
Streitwertbemessung für das Nichtigkeitsverfahren als dessen Mindestbetrag zu
addieren sind (vgl. grundsätzlich zur Bedeutung des Verletzungsstreitwerts für den
Streitwert
des
Nichtigkeitsverfahrens
BGH
GRUR
2011,
757 - Nichtigkeitsstreitwert). Dieser sich aus der Addition mehrerer Verletzungs-
verfahren resultierende Gesamtwert des angegriffenen Patents ist aber von An-
fang an Grundlage für die Streitwertbemessung jeder einzelnen Nichtigkeitsklage.
Da somit der Wert des Streitpatents bei im Wesentlichen gleichzeitiger Erhebung
allen Nichtigkeitsklagen - unabhängig von der Anzahl der Nichtigkeitskläger - stets
gleich ist, kann er sich durch die Verbindung der einzelnen Verfahren zu einem
einheitlichen nicht mehr erhöhen, da sich infolge der Verbindung der Wert des
Streitpatents nicht weiter erhöhen kann.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der von den Klägerinnen genannten
Entscheidung des 5. Nichtigkeitssenats vom 20. September 2012 (BPatGE 53,
182
– Bitratenreduktion), denn diese Entscheidung, an der, wie bereits ausgeführt,
nicht festgehalten werden kann, betrifft allein die Frage der Anzahl der einzuzah-
lenden gebührenund kann daher für die hier zu entscheidende Frage,
aus welchem diese Gebühren zu berechnen sind, keine Rolle spielen.
- 13 -
Da somit sowohl allen Einzelklagen als auch dem nach der Verbindung fortbeste-
henden einheitlichen Verfahren stets der vom Senat mit Beschluss vom
4. Dezember 2013 festgesetzte Streitwert in Höhe von 23.750.000,00 Euro zu-
grunde lag, ist die Terminsgebühr allein hieraus, wie von der Rechtspflegerin zu-
treffend vorgenommen, zu berechnen. Damit kann aber auch dem Hilfsantrag der
Klägerinnen kein Erfolg beschieden sein.
Da sich sowohl der Haupt- als auch der Hilfsantrag der Klägerinnen somit als un-
begründet erweisen, sind die Erinnerungen der Klägerinnen zurückzuweisen.
2.
Auch die zulässige Erinnerung der Beklagten ist in der Sache ohne Erfolg.
Nach § 84 Abs. 2 Satz 2 PatG i. V. m. §§ 104, 103 Abs. 1 ZPO findet aus einem
vollstreckbaren Urteil die Kostenfestsetzung statt. Soweit
– was hier der Fall und
von der Beklagten nicht bestritten ist
– die Voraussetzungen dieser Vorschriften
gegeben sind, gibt es mangels gesetzlicher Grundlage keinen Grund, einen nach
diesen Vorschriften zulässigen Kostenfestsetzungsantrag zurückzuweisen. Dies
gilt auch für den hier von der Beklagten geltend gemachten
Vergleich. Denn aus diesem kann der hierin Berechtigte allenfalls zivilrechtliche
Ansprüche gegen den hierin Verpflichteten geltend machen, mithin materiell-recht-
liche Einwendungen nach den allseits bekannten, sich aus der gesetzlichen Aus-
gangslage zwingend ergebenden Grundsätzen des Kostenfestsetzungsrechts nur
außerhalb des Kostenfestsetzungsverfahrens verfolgen oder dem Kostenfest-
setzungstitel entgegenhalten (vgl. hierzu etwa die zutreffend von der Beklagten
zitierte Entscheidung BGH NJW-RR 2010, 718). Dies gilt auch für die Abwehr der
(Zwangs-) Vollstreckung aus einem danach erlassenen Kostenfestsetzungsbe-
schluss, wofür das Vollstreckungsrecht bekanntlich geeignete rechtliche Instru-
mente
– soweit deren Voraussetzungen gegeben sind – zur Verfügung stellt.
- 14 -
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der von der Beklagten zitierten Ent-
scheidung des OLG München, NJW 1969, 2149. Denn Gegenstand dieser Ent-
scheidung ist allein die Frage, ob die Parteien Eintritt der Rechtskraft einer
gerichtlichen Kosten(grund)entscheidung eine hiervon abweichende Kostenver-
einbarung im Wege des Vergleiches treffen können, und ob statt der
gerichtlichen streitigen Entscheidung nunmehr allein diese vergleichsweise Ver-
einbarung die einzige (neue) Grundlage des Kostenfestsetzungsverfahrens sein
kann. Die Entscheidung beschränkt sich also darauf, dass die gerichtliche streitige
Entscheidung über die Kosten der Kostenfestsetzung auf der Grundlage des ge-
richtlichen Vergleichs nicht entgegensteht, da der gerichtliche Vergleich, bei dem
es sich um einen Vollstreckungstitel handelt (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), in gleicher
Weise wie die Kostengrundentscheidung im vorausgegangenen Urteil Grundlage
der Kostenfestsetzung sein kann. Entgegen der Auffassung der Beklagten lässt
sich diese ausdrücklich nur Vergleiche betreffende Entscheidung nicht
auf (wie hier) Vergleiche übertragen. Denn wesentliche Voraus-
setzung für die vom OLG München bejahte Rechtsfolge, dass allein noch die Kos-
tenregelung des gerichtlichen Vergleichs Grundlage der Kostenfestsetzung sein
soll, ist, dass es sich beim gerichtlichen Vergleich um einen eigenständigen Voll-
streckungstitel handelt. Diese Voraussetzung erfüllt der außergerichtliche Ver-
gleich aber nicht, denn ohne ein vorausgegangenes neues gerichtliches Erkennt-
nisverfahren ist der außergerichtliche Vergleich nicht vollstreckungsfähig, so dass
ein auf ihn allein gestützter Kostenfestsetzungsantrag als unzulässig zurückzuwei-
sen wäre. Die sich aus dem außergerichtlichen Vergleich möglicherweise erge-
benden materiell-rechtlichen Einwendungen können daher nur außerhalb des auf
der gerichtlichen Kostengrundentscheidung beruhenden Kostenfestsetzungsver-
fahrens geltend gemacht werden.
- 15 -
Damit bedarf es keiner Erörterung mehr, ob der von der Beklagten genannte Ver-
gleich überhaupt wirksam ist und die von ihr behauptete, von den Klägerinnen zu
1) und 2) bestrittene Rechtsfolge enthält.
Da somit der von der Beklagten genannte außergerichtliche Vergleich selbst für
den Fall, dass er die von ihr behauptete Regelung enthielte, dem Kostenfest-
setzungsantrag der Klägerinnen zu 1) und 2) von vornherein nicht entgegen ste-
hen kann, ist die hierauf gerichtete Erinnerung der Beklagten als unbegründet zu-
rückzuweisen.
III.
1.
Die Kosten des Erinnerungsverfahrens waren gegeneinander aufzuheben, da so-
wohl die Klägerinnen als auch die Beklagte in etwa zu gleichen Teilen unterlegen
sind, wobei die Kosten der Klägerinnen hälftig anfallen (§§ 84, Abs. 2, 599 Abs. 1
PatG i. V. m. 592 Abs. 1 ZPO). Der Wert des Erinnerungsverfahrens folgt gewöhn-
lich der Höhe des streitigen Betrags.
2.
Der vorliegende Beschluss ist unanfechtbar. Denn nach § 84 Abs. 2 PatG i. V. m.
§ 574 Abs. 1 ZPO ist die Rechtsbeschwerde in Kostenfestsetzungsverfahren vor
dem Bundespatentgericht, da das Gesetz sie nicht ausdrücklich vorsieht, nur er-
öffnet, wenn das Bundespatentgericht sie zugelassen hat (vgl. zur Möglichkeit der
Rechtsbeschwerde im Kostenfestsetzungsverfahren vor dem Bundespatentgericht
BGHZ 196, 52; GRUR 2013, 427; Mitt. 2013, 145 - Doppelvertretung im
Nichtigkeitsverfahren). Für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 99
Abs. 1 PatG i. V. m. § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO sieht der Senat aber keinen Anlass,
weil die vorliegende Entscheidung keine Rechtsfragen aufwirft, die eine Klärung
durch den Bundesgerichtshof erfordern würde; insbesondere weicht sie soweit
- 16 -
ersichtlich weder von dessen Rechtsprechung noch von Entscheidungen anderer
Senate des Bundespatentgerichts ab.
Klante
Schwarz
Gottstein
Bb