Urteil des BPatG vom 29.01.2016

Überprüfung, Form, Patentanspruch, Link

BPatG 253
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
5 Ni 44/13 (EP)
(Aktenzeichen)
URTEIL
An Verkündungs Statt
zugestellt am
29. Januar 2016
In der Patentnichtigkeitssache
- 2 -
betreffend das europäische Patent 1 027 635
(DE 698 29 403)
hat der 5. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der
mündlichen Verhandlung vom 21. Oktober 2015 durch die Vorsitzende Richterin
Klante sowie die Richter Schwarz, Dipl.-Ing. Gottstein, Dipl.-Ing. Univ. Musiol und
Dipl.-Ing. Univ. Albertshofer
f ü r R e c h t e r k a n n t :
I.
Das europäische Patent 1 027 635 wird mit Wirkung für das
Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland im Umfang der
Patentansprüche 3 bis 5 teilweise für nichtig erklärt.
II.
III.
des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreck-
bar.
T a t b e s t a n d
Die Beklagte ist seit 6. August 2015 eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung
für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen
Patents 1 027 635 (Streitpatent), das aufgrund der internationalen Anmeldung
PCT/FI1998/000784, in der die Priorität aus der finnischen Anmeldung FI 973990
vom 17. Oktober 1997 in Anspruch genommen wird und die am 29. April 1999 als
WO 1999/021066 veröffentlicht worden ist, am 7. Oktober 1998 eingetragen wor-
den ist. Gegen das Streitpatent, das in der Verfahrenssprache Englisch veröffent-
- 3 -
licht worden ist und beim Deutschen Patent- und Markenamt unter dem Aktenzei-
chen DE 698 29 403 geführt wird, fand ein Einspruchsverfahren vor dem Europä-
ischen Patentamt statt, aufgrund dessen es beschränkt aufrechterhalten wurde.
Das Streitpatent, das
die Bezeichnung „METHOD AND DEVICE FOR VERIFYING
THE WORKABILITY OF A SAFETY
DEVICE“ (in deutscher Übersetzung laut
Streitpatentschrift: „METHODE UND VORRICHTUNG ZUR FESTSTELLUNG
DER BETRIEBSFÄHIGKEIT EINER SICHERHEITSVOR-
RICHTUNG“) trägt, um-
fasst in der aufgrund des Einspruchsverfahrens beschränkt aufrecht erhaltenen
Fassung, die als EP 1 027 635 B2 veröffentlicht wurde, 5 Patentansprüche, von
denen mit der am 5. November 2013 erhobenen Nichtigkeitsklage die (Vorrich-
tungs-) Ansprüche 3 bis 5 angegriffen werden.
Ursprüngliche Anmelderin war die Fa.
N…, die am
31. Dezember 1999 mit einem weiteren Rechtsträger im Wege der Verschmelzung
durch Neugründung auf die hierbei neu ent
standene Fa. N1…,
die zum 1. Januar 2001 ih
re Firma in „M…“, auf die auch das
Streitpatent im Patentregister eingetragen war, geändert hat, verschmolzen wurde.
Aus dem letztgenannten Rechtsträger, der seine Firma nachfolgend zum
10. April
2015 in „V…“ änderte, wurden zum 28. Februar 2015
Vermögensteile, zu denen auch das Streitpatent gehört, auf die bereits seit dem
1. Oktober 2014 existierende Fa.
„M1…“ abgespalten. Die Um-
schreibung des Streitpatents auf die neue Patentinhaberin ist im Patentregister am
6. August 2015 erfolgt und am 17. September 2015 veröffentlicht worden.
In der mündlichen Verhandlung vom 21. Oktober 2015 hat die neue Patentinhabe-
rin mit Zustimmung der Klägerin das Verfahren anstelle der bis zum
5. August 2015 noch im Register eingetragenen früheren Beklagten übernommen.
Die mit der Nichtigkeitsklage angegriffenen Patentansprüche 3 bis 5 lauten:
3. Device for the verification of a safety device comprising mova-
ble parts, comprising
- 4 -
- a control unit for activating the safety function,
- links for controlling said control unit directly by a high level safety
system of the plant;
- electronics for performing diagnostics while the standby state of the
safety system is fully maintained;
- means for enabling, in an emergency situation, the safety system to
bypass the diagnostics electronics,
characterised by
the fleld unit including
- a control unit (7) for activating the safety function,
- adapted to said control unit (7), an electronics unit (19) for per-
forming diagnostics without unconditionally activating the safety de-
vice if a malfunction is observed,
- a communication interface (3),
- links (5, 10) for controlling the control unit directly by the high level
safety system (18).
4. Device according to claim 3, characterised by a field unit (2) pro-
vided on the device, a monitoring unit (1) situated elsewhere, and a
communication link (5) between said units, the signals from the elec-
tronics unit (19) and the signals from the safety system (18) being
transmitted in said communication link.
5. Device according to claim 3 or 4, characterised by the safety de-
vice comprising an actuator and a valve.
In deutscher Übersetzung laut Streitpatentschrift lauten sie:
3. Vorrichtung zum Verifizieren einer Sicherheitsvorrichtung aufwei-
send bewegliche Teile, aufweisend:
- eine Regeleinheit zum Aktivieren der Sicherheitsfunktion,
- 5 -
- Verbindungen zum direkten Regeln der Regeleinheit durch ein Si-
cherheitssystem auf hohem Niveau der Anlage,
- eine Elektronik zum Durchführen von Diagnosen, während der
Standby-Zustand des Sicherheitssystems vollständig aufrechterhal-
ten ist;
- eine Einrichtung, die in einer Notfallsituation es dem Sicherheits-
system ermöglicht, die Diagnoseelektronik zu umgehen,
gekennzeichnet durch eine Feldeinheit (2), die direkt an die Sicher-
heitsvorrichtung angepasst ist, wobei die Feldeinheit einschließt
- eine Regeleinheit (7) zum Aktivieren der Sicherheitsfunktion,
- eine an die Regeleinheit (7) angepasste Elektronikeinheit (19) zum
Durchführen von Diagnosen ohne ein bedingungsloses Aktivieren
der Sicherheitsvorrichtung, falls eine Fehlfunktion beobachtet wird,
- eine Kommunikationsschnittstelle (3),
- Verbindungen (5, 10) zum Regeln der Regeleinheit direkt durch das
Sicherheitssystem (18) auf hohem Niveau.
4. Vorrichtung nach Anspruch 3,
gekennzeichnet durch eine auf der Vorrichtung vorgesehene Feldein-
heit (2), eine andernorts angeordnete Überwachungseinheit (1), und
eine Kommunikationsverbindung (5) zwischen diesen Einheiten,
wobei die Signale von der Elektronikeinheit (19) und die Signale von
dem Sicherheitssystem (18) über die Kommunikationsverbindung
übertragen werden.
5. Vorrichtung nach Anspruch 3 oder 4,
dadurch gekennzeichnet,
dass die Sicherheitsvorrichtung einen Aktuator und ein Ventil auf-
weist.
- 6 -
Die Klägerin ist der Ansicht, dass der mit ihrer Klage angegriffene Gegenstand des
Streitpatents wegen mangelnder Patentfähigkeit und unzulässiger Erweiterung für
nichtig zu erklären sei.
Hierzu trägt sie zunächst vor, dass die gesamte Technologie ihres eigenen Stel-
lungsreglers FoxboroEckardt SRD 991, der Gegenstand des zwischen den Par-
teien derzeit vor dem O
… zum Aktenzeichen … anhängigen
Verletzungsverfahrens ist ,- vor dem Fachpublikum bereits vor dem Prioritätszeit-
punkt des Streitpatents der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sei. Zum
Beweis hierfür benennt die Klägerin als Zeugen die Herren
N2… und
S…
Darüber hinaus stützt sie ihre Klage u. a. auf die folgenden Druckschriften (Num-
merierung und Kurzzeichen nach Klageschriftsatz):
NK2
atp - Automatisierungstechnische Praxis, Heft 6, 1996, S. 77,78,
NK3
Vorlage des Handouts des Vortrags vor Fachleuten der BASF,
gehalten am 7. September 1995 von Herrn S
…,
NK4
EICHELBERGER, Klaus: ACHEMA 97: Stellgeräte für die Ver-
fahrenstechnik. in: atp - Automatisierungstechnische Praxis 39,
1997, S. 39, 40, 42 - 44, 53 u. 54,
NK5
PANDIT, M [et al.]: Ein kommunikationsfähiger elektropneumati-
scher
Stellungsregler“, in: atp - Automatisierungstechnische Pra-
xis, Heft 7, 1993, Seiten 408
– 413,
NK6
BRAS, Ir. G.; deGroot, Ir. L.A.: TRENDS IN CONTROL VALVES
NOISE and CONTROL. published by holland elektronika,
23. März 1995
– ISBN 90-71306-83-6,
NK15
Inbetriebnahme-
und
Wartungsanleitung
SRD991
vom
September 1997,
NK16
Gegenüberstellung der Blockschaltbilder,
NK17
Ausd
ruck Wikipedia „Symmetrische Signalübertragung“,
NK18
Untersuchung SRD960,
- 7 -
NK20
ANSI/ISA-84.01-1996 - Application of Safety Instrumented Sys-
tems for the Process Industries, Approved 15 March 1997,
ISBN: 1-55617-590-6
NK21
Ausführungsbeispiel Figur D.2 der Anlage NK20 im Vergleich
mit Merkmalen von Anspruch 3 des Streitpatents gemäß der
Merkmalsanalyse von Anlage NK19, ANSI/ISA-S84.01-1996,
NK22
HUK, Matthias: INTERKAMA 92: Stellgeräte für verfahrenstech-
nische Anlagen (Hervorhebung ergänzt). in: atp
– Automatisie-
rungstechnische Praxis 35, 1992, Seiten 138
– 145.
NK23
NO152314C
NK23a
NK24
WO 99/21066 A1
NK25
EP 1 027 635 B1
NK26
EP 1 027 635 B2
NK27
Inbetriebnahme-
und
Wartungsanleitung
SRD991
vom
Februar 1997,
NK29
Kurzbeschreibung SRD991 (mit Druckdatum „10.96“)
NK30
Typenblatt SRD991 vom November 1996.
Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung Patentanspruch 3 des Streitpa-
tents nur noch in der Fassung des mit Schriftsatz vom 9. September 2015
(Bl. 267 GA)
eingereichten „Hilfsantrag 1“ verteidigt. Dieser Patentanspruch 3 hat
danach folgenden Wortlaut erhalten:
- 8 -
In der von der Beklagten vorgelegten deutschen Übersetzung lautet der
geänderte Patentanspruch 3 nunmehr:
- 9 -
Die Klägerin beantragt,
das europäische Patent 1 027 635 B2 mit Wirkung für das Ho-
heitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland im Umfang der An-
sprüche 3 bis 5 für nichtig zu erklären.
- 10 -
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
die Klage insoweit abzuweisen, als das Streitpatent die Fassung laut dem
Hilfsantrag 1, überreicht mit Schriftsatz vom 9. September 2015, als neuen
Hauptantrag einschließlich der derzeit geltenden Patentansprüche 4 und 5
erhält.
Hilfsweise verteidigt sie das Streitpatent mit dem Hilfsantrag 1, überreicht
als „Hilfsantrag 2“ mit Schriftsatz vom 9. September 2015 (Bl. 267 GA), so-
wie mit den derzeit geltenden Patentansprüchen 4 und 5.
Die Beklagte tritt der Argumentation der Klägerin entgegen und hält den Gegen-
stand des Patentanspruchs 3 wenigstens in einer der verteidigten Fassungen für
patentfähig.
Der Senat hat den Parteien einen qualifizierten Hinweis vom 28. Juli 2015
zukommen lassen.
Zum Wortlaut der Hilfsanträge der Beklagten sowie zu weiteren Unterlagen, ins-
besondere zu weiteren Entgegenhaltungen, sowie der Auseinandersetzung der
Beteiligten über deren Relevanz wird auf die Akte verwiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
A.
Die (Teilnichtigkeits-) Klage ist zulässig. Sie richtet sich nunmehr an die im Patent-
register eingetragene neue Patentinhaberin als neue Beklagte, nachdem diese
das Verfahren anstelle der bisherigen Beklagten gemäß § 265 Abs. 2 ZPO wirk-
sam (BGH GRUR 1992, 430
– Tauchcomputer) mit Zustimmung der Klägerin
übernommen hat. Die Zustimmungserklärung war dabei erforderlich, weil der
Übergang des Streitpatents infolge der Abspaltung von Vermögensteilen (Abspal-
- 11 -
tung durch Aufnahme) auf die Beklagte als jetzt eingetragene Patentinhaberin auf
einem Rechtsgeschäft beruht, da auch in den Fällen, in denen sich die Vermö-
gensübertragung im Wege der Gesamtrechtsnachfolge vollzieht, wie bei der Ab-
spaltung, der übertragende Rechtsträger fortbesteht, so dass ein gesetzlicher In-
haberwechsel ausscheidet (vgl. zum parallelen Beteiligtenwechsel im Einspruchs-
verfahren Benkard/Schäfers/Schwarz, 11. Aufl., § 74 Rn. 64).
Die Teilnichtigkeitsklage ist auch im beantragten Umfang begründet.
Da die Beklagte das Streitpatent hinsichtlich des angegriffenen Patentanspruch 3
nur noch in eingeschränkter Form nach Maßgabe des früheren Hilfsantrags 1
verteidigt, ist es ohne jede Sachprüfung bereits insoweit teilweise für nichtig zu
erklären, als es über die nur noch verteidigte Fassung hinausgeht (BGH, GRUR
1996, 857, 858
– Rauchgasklappe; BGH GRUR 2007, 404, 405 – Carvediol II).
Aber auch darüber hinaus ist das Streitpatent in dem von der Klägerin begehrten
Umfang der Patentansprüche 3 bis 5 in der aufgrund der wirksamen Beschrän-
kung des Patentanspruchs 3 nunmehr geltenden Fassung nach Art. II § 6 Abs. 1
S. 1 Nr. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 I a) iVm Art. 52 bis 57 EPÜ teilweise für
nichtig zu erklären, da der Gegenstand des Patentanspruchs 3 sowohl in der
nunmehr beschränkt als auch in der hilfsweise verteidigten Fassung nicht patent-
fähig ist. Die von der Klägerin aufgeworfene Frage, ob auch der Nichtigkeitsgrund
der unzulässigen Erweiterung (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 PatÜbkG i. V. m. Art. 138
Abs. 1 c) EPÜ) vorliegt, kann daher auf sich beruhen.
I. Zum Gegenstand des Streitpatents
1.
Das Streitpatent bezieht sich ausweislich der Beschreibungseinleitung auf
die Wartung von Sicherheitsvorrichtungen, insbesondere auf die Verifizierung der
korrekten Arbeitsweise von aktuatorgeregelten Sicherheitsvorrichtungen mit be-
weglichen Teilen, speziell sogenannten Notfall-Abschaltventilen und ihren Steuer-
vorrichtungen, in einer Weise, dass weder die Produktionskontinuität noch der Be-
reitschaftszustand der Vorrichtungen beeinträchtigt werden (vgl. Absatz [0001]).
- 12 -
Der größte Nachteil in den gegenwärtigen Systemen sei, dass eine auftretende
Fehlfunktion - beispielsweise eine festsitzende mechanische Komponente - nicht
notwendigerweise beobachtet werde, wenn das System sich in seinem Bereit-
schaftszustand befinde, und in einer Notfallsituation das System beeinträchtigen
oder unwirksam machen könne. Um eine ordnungsgemäße Betriebsweise zu veri-
fizieren, sei es üblich, beispielsweise Abschaltventile in einer Weise zu testen, bei
der eine reale Notfallsituation simuliert werde. Diese Praxis könne tatsächlich er-
hebliche Risiken zur Folge haben, da die Arbeitsfähigkeit des Abschaltventilsys-
tems zeitweise blockiert werde, und falls das Gerät nicht ordnungsgemäß aktiviert
werde, könne diese Situation dauerhaft bleiben (vgl. Absätze [0002] und [0003]).
Es wird daher eine Vorrichtung vorgeschlagen, die eine Verifizierung der unge-
störten Betriebsweise einer mechanischen Sicherheitsvorrichtung ermöglichen
soll, während der Bereitschaftszustand des Sicherheitssystems vollständig auf-
recht erhalten wird (vgl. Absatz [0006]).
Die Vorrichtung nach dem verteidigten Anspruch 3 umfasst folgende Merkmale
(mit eingefügter Merkmalsgliederung):
- 13 -
2.
Das Streitpatent wendet sich seinem sachlichen Inhalt nach an einen
Diplom-Ingenieur der Prozess- und Regelungstechnik mit universitärer Ausbil-
dung, der mit der Wartung und Überwachung von prozessgesteuerten Industriean-
lagen beschäftigt ist.
Dieser Fachmann ordnet den Begrifflichkeiten im streitig gestellten Anspruch 3,
soweit sie durch eine Funktionsangabe nicht bereits selbsterklärend sind, folgen-
den Bedeutungsinhalt zu:
- 14 -
-
(Steuereinheit)
Der Begriff wird in der deutschen Übersetzung einmal als Steuerein-
heit, ein andermal als Regeleinheit wiedergegeben. Unter einer Regeleinheit wird
gemeinhin ein System mit Rückkopplung verstanden. Die (7) ist dem-
gegenüber funktional dadurch beschrieben, dass sie die Sicherheitsvorrichtung
steuert (vgl. Anlage BM3, Abs. [0016]). Die Beklagte hat in der mündlichen Ver-
handlung den in der deutschen Anspruchsfassung enthaltenen Begriff "Regelein-
heit" daher dahingehend klargestellt, als mit diesem Begriff, der auf einem Über-
setzungsfehler zurückzuführen sei, tatsächlich eine Steuereinheit gemeint sein
soll. Im weiteren werden daher die Begriffe
„Regeleinheit“ und „regeln“ sinngemäß
durch die Begriffe
„Steuereinheit“ und „steuern“ ersetzt.
-
(Sicherheitssystem auf hohem Niveau)
Zur körperlichen Ausgestaltung eines Sicherheitssystems auf hohem Niveau
macht die Patentschrift keine Angaben, so dass das allgemeine fachliche Ver-
ständnis anzusetzen ist. Ein Sicherheitssystem besteht in der Regel aus aktiven
und/oder passiven Anlagenkomponenten, die technische Anlagen für den Men-
schen sicher machen sollen. Unter ein Sicherheitssystem auf hohem Niveau sub-
sumiert der Fachmann ein Sicherheitssystem, welches äußerst verlässlich und
fehlersicher ausgelegt ist. Diese Vorgaben erfüllt insbesondere ein Sicherheits-
system, bei dem für eine Eingriffsmöglichkeit bei einer Notsituation oder Fehlfunk-
tion eine redundante Kombination mehrerer unterschiedlicher Sicherheitskompo-
nenten vorgehalten wird.
-
(Elektronik
zum Durchführen von Diagnosen/Diagnoseelektronik)
Eine Diagnose ist im allgemeinen eine bewertende Zustandsanalyse. Bei der Dia-
gnoseelektronik handelt es sich im streitpatentlichen Sinne vordergründig um eine
elektronische Einrichtung, mit der Fehlfunktionen eines Ventils ermittelt werden
können (vgl. SP, Fig.3 i. V. m. Absätzen [0015] und [0016]).
- 15 -
-
(Kommunikationsschnittstelle)
Bezüglich der Komponente (Kommunikationsschnitt-
stelle) macht der Anspruch zunächst keine Angaben, wie diese funktional oder
verbindungsmäßig in die Vorrichtung eingebunden ist. In der hilfsweise verteidig-
ten Fassung wird das (Kommunikationsschnittstelle)
dann funktional durch eine direkte Verbindung von der Kommunikationsschnitt-
stelle zur Steuereinheit verortet.
Gemäß der Beschreibung im Streitpatent trennt die Kommunikationsschnittstelle
die von der Kommunikationsverbindung (5) übermittelten Signale in eine direkte
Verbindung (10) zur Steuereinheit (7) und in eine Verbindung (25) zur Elektroni-
keinheit (19) (Sp. 4, Z. 26-29), die aber nicht Gegenstand der jeweiligen Fassun-
gen des Anspruchs 3 ist.
Zusammenfassend lehrt der Patentanspruchs 3, dass im Falle einer Notfallsitua-
tion das Sicherheitssystem - unter Umgehung der übrigen Komponenten - die
Steuereinheit veranlasst, die Sicherheitseinrichtung zu aktivieren.
II. Zum geltend gemachten Nichtigkeitsgrund der fehlenden Patentfähigkeit
1. Zum Hauptantrag
Die Druckschrift NK20 betrifft einen Standard für die Anwendung sicherheits-
technischer Systeme (SIS) in der prozesstechnischen Industrie. Im Einzelnen er-
hält der Fachmann durch den Standard Hinweise, welche zwingenden Maß-
nahmen im Hinblick auf eine störungslose und sichere Prozessführung unter dem
Aspekt verschiedener Sicherheitsstufen (SIL) zu ergreifen sind (vgl. S. 15,
1. SCOPE ff.).
Die Sicherheitsanforderungen allgemein sind geprägt durch die vorgeschriebene
Sicherheitsstufe (SIL) für jede Sicherheitsfunktion, die Anforderung an die Feh-
lerdiagnose, Wartung und Überprüfung um die geforderte Sicherheitsstufe zu er-
reichen und die Zuverlässigkeitsanforderungen, wenn störende Schaltpunkte ge-
fährlich werden könnten. (vgl. S. 28, 5.4 Safety integrity requirements ff.). Um die
- 16 -
Leistungsfähigkeit des Sicherheitssystems noch zusätzlich zu erhöhen, wird au-
ßerdem die Einführung von zusätzlicher Redundanz, häufiges Überprüfen, die
Anwendung von Fehlerdiagnosen sowie der Einsatz diverser Sensoren und Stell-
glieder empfohlen (vgl. S. 25, 4.2.5 ff.).
Hinsichtlich der Überprüfung der Anlage fordert der Standard, dass das Design so
auszulegen ist, dass das gesamte System überprüft werden kann. Insbesondere
soll die Möglichkeit bestehen, die Stellbewegungen eines Stellglieds in Abhängig-
keit der Arbeitsweise eines Messgebers zu überprüfen. Übersteigt dabei die erfor-
derliche Zeit für die funktionale Überprüfung die eingeplante Abstellzeit, müssen
Möglichkeiten für eine online Überprüfung, also eine Überprüfung während des
regulären Betriebs der Prozessanlage, geschaffen werden (vgl. S. 35, 7.9.1). Dies
hat zur Folge, dass auch während der online-Überprüfung sämtliche Sicherheits-
systeme in Bereitschaft gehalten werden um bei einer Fehlfunktion sofort anspre-
chen zu können. Im Hinblick auf Abschaltventile wird der Fachmann insbesondere
auf die Maßnahme verwiesen, die Beweglichkeit der Abschaltventile in Teilberei-
chen zu überprüfen (vgl. S. 40, 9.7.5.2 b)).
Neben den weitgehend allgemein beschriebenen grundlegenden Maßnahmen im
eigentlichen Standard wird dem Fachmann im Hinblick auf eine mögliche prakti-
sche Umsetzung eines sicherheitstechnischen Systems (SIS) in einer prozess-
technischen Anlage im Annex B ein beispielhaftes Entwurfsverfahren vorgestellt
(vgl. S. 55, erster Absatz:
), bei dem auch diagnostische Prüfverfahren miteinge-
bunden werden (vgl. S. 71, B9.2 Diagnostic tests ff.), die periodisch automatisch
wiederholt werden, um verborgene Fehlfunktionen zu entdecken (vgl. S. 70,
B9.1.1). Im weiteren Kontext wird auf Seite 73 unter B10.1.3 b) insbesondere die
bereits im Standard selbst angesprochene Maßnahme, die Beweglichkeit der Ab-
schaltventile in Teilbereichen zu überprüfen (vgl. einmal mehr S. 40, 9.7.5.2 b))
dahingehend konkretisiert, den Durchfluss oder ähnliche Variablen mit der gewob-
belten Ventilstellung zu vergleichen (diese Maßnahme ist dem Fachmann unter
dem Fachbegriff "partial stroke test" geläufig). Für die technische Umsetzung wer-
den auf Seite 88 unter D.4.2 und insbesondere im Vorgriff auf den Entwurf in Fi-
- 17 -
gur D.2 auf S. 90, D5.1.1 i) Grenztaster an den Ventilen vorgeschlagen, mit deren
Hilfe die Ventilstellungen mit dem Signal des Logiksystems verglichen werden,
wobei bei Nichtübereinstimmung ein Fehlerzustand angezeigt wird.
Der Fachmann enthält mithin nicht nur durch den Standard selbst, sondern auch
durch den beispielhaften Entwurfsvorschlag (vgl. S. 89, D.5 Conceptual design
(6.0) ff.) eines sicherheitstechnischen Systems konkrete Hinweise, die Funktion
von Ventilen durch eine Bewegung der Ventile in Teilbereichen zu diagnostizieren,
eine besonders hervorgehobene technische Vorgabe, die der Fachmann selbst-
verständlich auch bei der Betrachtung des vorläufigen Entwurfs eines Sicherheits-
konzepts nach der Figur D.2 als immanent realisiert voraussetzen wird.
Figur
der Instrumentensymbolik und Kennzeichnung gemäß dem Amerikanischen Stan-
dard ISA 5.1 eine Prozessanlage, bei der ein Tank 1-101 über zwei Abschaltven-
tile LV1 und LV2 mit einer Flüssigkeit befüllt wird. Um den sicherheitstechnischen
Anforderungen hinsichtlich einer Überfüllung zu genügen, ist der Tank mit zwei
Füllstandsmessern LT1 und LT2 ausgestattet, wobei der erste Füllstandsmesser
LT1 dem Steuerkreis LY2B (mit den Einzelkomponenten LIC1, LY, S und Drei-
wegeventil) signalisiert, dass 80% des Tankvolumens erreicht sind (vgl. S. 87,
D.3.2.3) und der Steuerkreis in Reaktion darauf das Abschaltventil in den Schließ-
zustand versetzt. Greift diese Abschaltung nicht, ist ein zweiter Füllstandsmesser
LT2 vorgesehen, welcher der programmierbaren Benutzerschnittstelle I signali-
siert, dass 90% des Tankvolumens erreicht sind und in Reaktion darauf sämtlich
Zuführungen zum Tank geschlossen werden (vgl. S. 87, D.3.2.2). Dieser maxi-
male Befüllungszustand wird zusätzlich durch den Alarmgeber LAHH angezeigt,
wodurch der Bediener offensichtlich, wenn auch die Notabschaltung durch die Be-
nutzerstelle I versagt, in einem letzten Schritt der Sicherheitshierarchie veranlasst
wird, eine manuelle Abschaltung durch Aktivierung des Handschalters HS auszu-
lösen (vgl. S. 88, D3.2.10 und S. 90, D5.1.1 k)). Die vorstehend aufgezeigten
Komponenten für eine abgestufte maschinell gesteuerte Abschaltung der Flüssig-
keitszufuhr und eine zusätzliche alles übersteuernde Abschaltung durch den Be-
diener repräsentieren mithin ein Sicherheitssystem auf hohem Niveau, welches
- 18 -
die Steuereinrichtung LY2B veranlasst, das Abschaltventil LV1 in den Schließzu-
stand zu versetzen.
In der figürlichen Darstellung ist, wie die Beklagte zu Recht einwendet, zwar keine
Diagnoseeinrichtungen ausgewiesen. Dies ist allerdings dem Umstand zuzu-
schreiben, dass aus Gründen der Übersichtlichkeit in der Figur ausschließlich
Komponenten berücksichtigt sind, welche für die unmittelbare Sicherheit des Be-
füllungsprozesses maßgebend sind. Die für die Durchführung von Diagnosen er-
forderlichen Komponenten sind daher nicht explizit dargestellt, für den Fachmann
aber immanent vorhanden, da im dazugehörigen Kontext in D.4.2 und D5.1.1 i)
ausdrücklich mitgeteilt ist, dass Abschaltventile mit Grenztastern zur Anwendung
kommen, um die Ventilstellung mit dem Signal des Logiksystems (
Auswerte-
elektronik) vergleichen zu können, damit bei Nichtübereinstimmung die Bedien-
person benachrichtigt werden kann (bspw. durch einen Alarm und/oder einen
Drucker), dass eine Fehlfunktion der Ventile aufgetreten ist. Der Fachmann wird
daher bei fachlicher Betrachtung der Figur D.2 davon ausgehen, dass es sich bei
den Abschaltventilen LV1 und LV2 um Ventile handelt, die für eine Fehlerdiagnose
(bspw. Festsitzen, vgl. hierzu S. 74, B10.4.1 f.) und S. 64 Table B 5.1, 3. Spalte
FINAL ELEMENT mit dazugehörigen Einträgen in 4.Spalte) mit den explizit er-
wähnten Grenztastern ausgestattet sind, deren Signale einer Auswerteelektronik
(
Diagnoseelektronik) zugeführt werden, für deren Verortung sich dem Fach-
mann in der Figur D.2 zwanglos die als Programmierbare Steuerung konzipierte
Bedienerschnittstelle I () anbietet.
Aus der Figur D.2 der NK20 ist folglich eine Vorrichtung zum Verifizieren einer
Sicherheitsvorrichtung in Form eines aktuatorgeregelten Abschaltventils
;vgl. Abschaltventil LV1 mit darüber ersichtlichen Aktuatorsymbol) bekannt,
welches selbstredend bewegliche Teile aufweist (Merkmal M3.1).
Die Figur D.2 weist auch eine Steuereinheit () aus (LY2B mit den
Einzelkomponenten LIC1, LY, S und Dreiwegeventil), die, wie vorstehend darge-
legt, für den Fall, dass der Füllstandssensor LT2 das Erreichen des Maximalfüll-
- 19 -
stands signalisiert, entweder durch die Bedienerschnittstelle I oder durch den
Handschalter HS1 angesteuert, das Abschaltventil schließt und so die Sicher-
heitsfunktion aktiviert (;Merkmal
M3.2), wodurch eine gefährliche Überfüllung des Tanks verhindert wird.
Die Steuereinheit ist dabei ersichtlich mit den die Sicherheitsfunktion steuernden
Komponenten HS1 und I direkt verbunden (
Merkmal M3.3).
Aufgrund der im Standard geforderten Diagnosemaßnahmen und in Verbindung
mit der im Entwurfsvorschlag konkretisierten technischen Umsetzung in Form von
Ventilen mit Grenztastern und der dazugehörigen Diagnoseelektronik liegt es für
den Fachmann auf der Hand, dass auch eine Elektronik zum Durchführen von
Diagnosen im Online-Betrieb der Anlage in einer Weise zu implementieren ist (vgl.
einmal mehr S. 35, 7.9.1; S. 40, 9.7.5.2 b) und S. 73, B10.1.3 b)), damit die Be-
reitschaft des Sicherheitssystems nicht beeinträchtigt wird. Damit offenbart die
NK20 mit der Figur D.2 in Verbindung mit der fachlichen Würdigung der im
dazugehörigen Kontext enthaltenen Verifizierungsvorgaben (siehe auch vorste-
hende Ausführungen zu Grenztastern an LV1 und zu in I implementierter Diagno-
seelektronik) zur Überzeugung des Senats eine Elektronik zum Durchführen von
Diagnosen unter vollständiger Aufrechterhaltung des Bereitschaftszustands des
Sicherheitssystems (
Merkmal M3.4).
In diese Richtung zielt nicht zuletzt auch die in der NK20 empfohlenen Diagnose-
maßnahme die Beweglichkeit der Abschaltventile in Teilbereichen zu überprüfen
(vgl. S. 40, 9.7.5.2 b)), wobei dafür auf Seite 73 unter B10.1.3 b) konkret vorge-
schlagen wird, den Durchfluss oder ähnliche Variablen mit der gewobbelten Ven-
tilstellung zu vergleichen. Diese Vorgehensweise basiert bei fachlicher Lesart ge-
nau darauf, dass das Abschaltventil nicht vollständig aktiviert wird, dennoch aber
eine korrespondierende Änderung in der Stellung des Abschaltventils innerhalb
einer definierten Zeitverzögerung beobachtet und festgestellt werden kann, ob das
Ventil innerhalb einem definierten Zeitintervall in seinen Anfangszustand zurück-
- 20 -
gekehrt ist. Damit ist dem Fachmann auch die mit dem Merkmal M3.6.2 bean-
spruchte Diagnosemaßnahme durch die NK20 offenbart.
Als Einrichtung, die in einer Notfallsituation es dem Sicherheitssystem ermöglicht,
die Diagnoseelektronik zu umgehen (
), fällt spontan der
Handschalter HS1 ins Auge, der direkt mit der Steuereinrichtung LY2B (dort Sol-
enoid S) verbunden ist und damit jegliche Diagnoseeinrichtung, auch die in der
Bedienerschnittstelle I verortete Diagnoseelektronik und die die am Ventil befindli-
chen Grenztaster umgeht (Merkmal M3.5).
Die in der verteidigten Anspruchsfassung mit dem Merkmal M3.6.3 beanspruchte
Kommunikationsschnittstelle () ist funktionell nicht in ei-
nen Prozessablauf miteinbezogen und hat daher nur aggregatorischen Charakter.
Unabhängig davon sieht der Fachmann die bloße Existenz der wie auch immer
gearteten Kommunikationsschnittstelle in der Figur D.2 zwanglos durch die als
Programmierbare Steuerung konzipierte Bedienerschnittstelle I repräsentiert.
Soweit im Anspruch die Steuereinheit, die Verbindungen und die Kommunikati-
onsschnittstelle einer Feldeinheit () zugeschlagen werden (Merkmale M3.6
bis M3.6.4), ist dies insofern bedeutungslos, als die Lokalisierung der einzelnen
Komponenten keinen Einfluss auf die beanspruchten funktionalen Zusammen-
hänge nimmt. Sie ist daher in das Belieben des Fachmanns gestellt, der abhängig
von den jeweiligen örtlichen Gegebenheiten für den Betrieb der Prozessanlage
und der Art der durchzuführenden Prozessschritte darüber entscheidet, an wel-
chen Stellen die funktionalen Subsysteme einer Prozessanlage optimal verortet
werden.
Der Einwand der Beklagten, der Gegenstand des Patentanspruchs 3 werde aus-
gehend von der Figur D.2 rückschauend unter Heranziehung geeigneter Textstel-
len des Standards entwickelt, kann nicht greifen. Allein schon die Tatsache, dass
mit der NK20 ein wichtiger Industriestandard vorgelegt wird, verpflichtet den
Fachmann im Hinblick auf eine normgerechte Auslegung einer Prozesssteuerung,
sich vollumfassend und sorgfältig mit den im Standard beschriebenen Maßnah-
- 21 -
men auseinanderzusetzen. Dem wird eine oberflächliche Auseinandersetzung mit
einem aus dem Gesamtzusammenhang willkürlichem Herausgreifen von Einzel-
aspekten nicht gerecht. Der Fachmann wird beim pflichtgemäßem Studium der
NK20 vielmehr schrittweise vorgehen und sich so die vorgeschriebenen sicher-
heitstechnischen Maßnahmen und deren zielgerechte Anwendung auf eine Pro-
zesssteuerung erarbeiten. Da für die Erfassung des tatsächlichen Sinngehalts der
Figur D.2 folglich das pflichtgemäße Studium des Normungstextes und des Textes
des Entwurfsvorschlags als vorausgegangen zu unterstellen ist, wird der Fach-
mann die Figur D.2 auch im Lichte der ihm gegenwärtigen technischen Sicher-
heitsaspekte und Diagnosemöglichkeiten betrachten und entsprechend bei einer
technischen Würdigung der Figur D.2 auch berücksichtigen.
Der Gegenstand des Patentanspruchs 3 in der verteidigten Fassung ist dem
Fachmann zur Überzeugung des Senats durch die NK20 nahe gelegt.
2. Zum Hilfsantrag
Der mit Hilfsantrag verteidigte Patentanspruch 3 lautet (mit eingefügten Gliede-
rungszeichen, Änderungen gegenüber Hauptantrag unterstrichen):
- 22 -
Der Patentanspruch 3 gemäß Hilfsantrag enthält die Merkmale des Patentan-
spruchs 3 gemäß Hauptantrag und unterscheidet sich von diesem darin, dass
nunmehr eine mechanische Sicherheitsvorrichtung in Form eines aktuatorgere-
- 23 -
gelten Abschaltventils, aufweisend bewegliche Teile beansprucht wird (Merkmal
M3.1
H
).
Eine mechanische Sicherheitsvorrichtung ist zweifellos auch durch das Abschalt-
ventil LV1 in der Figur D.2 vorgegeben.
Weiterhin soll die Elektronik zur Durchführung von Diagnosen die Verarbeitungs-
funktionen während eines normalen Prozesszustandes nicht stören (Merkmal
M3.4
H
).
Der Fachmann entnimmt diesem Merkmal bei fachlicher Lesart eine Online-Über-
prüfung, also eine Überprüfung der Anlage oder ihrer Subsysteme während des
regulären Betriebs, ohne diesen in irgend einer Art und Weise störend zu beein-
flussen. Eine derartige Vorgehensweise wird auch durch den Standard NK20 aus-
drücklich empfohlen (vgl. einmal mehr S. 35, 7.9.1) und durch konkret aufgezeigte
Diagnosemöglichkeiten für Abschaltventile, wie die Überprüfung der Beweglichkeit
der Abschaltventile in Teilbereichen (vgl. einmal mehr S. 40, 9.7.5.2 b)) und Ver-
gleich des Durchflusses oder ähnliche Variablen mit der gewobbelten Ventilstel-
lung (vgl. einmal mehr S. 73, B10.1.3 b)) untermauert.
Mit den Merkmalen M3.6
H
und M3.6.6
H
wird nun die Verbindung der Feldeinheit,
respektive der darunter zusammengefassten Komponenten, mit der Sicherheits-
vorrichtung über Kommunikationsverbindungen beansprucht.
In der NK20 wird auf Seite 76, B11.1.1.6 die Arbeitsweise einer Bedienerschnitt-
stelle, die sich in der Figur D.2 in Form des User Interface I wiederfindet, dahinge-
hend zusammengefasst, dass neben der Aufzeichnung von Diagnosen aufgaben-
gemäß automatisch sicherheitsrelevante Ereignisse aufzuzeichnen und Alarm-
funktionen bereitzustellen sind. Die in der Figur D.2 wiedergegebene Bediener-
schnittstelle I - im klassischen Sinn ein communcation interface - ist dabei zum
einen über eine Übertragungsleitung () mit dem Füllstands-
geber LT2, zum anderen direkt über eine Übertragungsleitung (
) mit der Steuerung LY2B verbunden. Sinn und Zweck dieser Verdrahtung ist
erkennbar, den weiteren Zufluss zum Tank sofort zu stoppen, wenn der Füll-
- 24 -
standssensor LT2 ein Überschreiten des kritischen Maximalpegels signalisiert. Da
in einem Notfall die unverzügliche Einleitung von Notmaßnahmen stets höchste
Priorität hat, ist es für den Fachmann selbstverständlich, alle übrigen im User In-
terface I implementierten weiteren Funktionalitäten, wie die Durchführung einer
Diagnose, zu übersteuern respektive die dazugehörige elektronischen Schaltungs-
komponenten zu umgehen.
Damit sind auch die neu hinzugekommenen Merkmale dem Fachmann durch die
Lehre der NK20 vorgegeben.
3. Zu den Unteransprüchen
Die in den verteidigten Fassungen jeweils gleichlautenden Unteransprüche 4 und
5 waren ebenfalls für nichtig zu erklären, da weder geltend gemacht wurde noch
ersichtlich ist, dass deren Merkmale dem Gegenstand des Anspruchs 3 etwas hin-
zufügen würden, was insgesamt eine erfinderische Tätigkeit begründen könnte.
B.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO, die
Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m.
§ 709 ZPO.
- 25 -
C.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung gegeben.
Die Berufungsschrift, die auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe der
Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesgerichtshof und
Bundespatentgericht (BGH/BPatGERVV) vom 24. August 2007 (BGBl. I S. 2130)
eingereicht werden kann, muss von einer in der Bundesrepublik Deutschland zu-
Rechtsanwältin oder Patentanwältin
Rechtsanwalt oder Patentanwalt
zeichnet oder im Fall der elektronischen Einreichung mit einer qualifizierten elek-
tronischen Signatur nach dem Signaturgesetz oder mit einer fortgeschrittenen
elektronischen Signatur versehen sein, die von einer internationalen Organisation
auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes herausgegeben wird und sich
zur Bearbeitung durch das jeweilige Gericht eignet. Die Berufungsschrift muss die
Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklä-
rung enthalten, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde. Mit der Beru-
fungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen
Urteils vorgelegt werden.
innerhalb eines Monats
richtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe eingereicht oder als elektronisches
Dokument in die elektronische Poststelle des Bundesgerichtshofes (www.bundes-
gerichtshof.de/erv.html) übertragen werden. Die Berufungsfrist beginnt mit der
Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem
Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist ist nur gewahrt, wenn die
Berufung vor Fristablauf beim Bundesgerichtshof eingeht.
Klante
Schwarz
Gottstein
Musiol
Albertshofer
Hu