Urteil des BPatG vom 09.09.2014

Stand der Technik, Schalter, Elektrische Leitung, Erfindung

BPatG 253
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
4 Ni 9/13 (EP)
(Aktenzeichen)
URTEIL
Verkündet am
9. September 2014
In der Patentnichtigkeitssache
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betreffend das europäische Patent 1 371 954
(DE 503 11 933)
hat der 4. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche
Verhandlung vom 9. September 2014 durch die Richterin Friehe als Vorsitzende
sowie die Richterin Kopacek und die Richter Dipl.-Phys. Univ. Dr. Müller,
Dipl.-Ing. Veit und Dipl.-Ing. Univ. Schmidt-Bilkenroth
für Recht erkannt:
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
III.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 %
des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für das Hoheitsge-
biet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 371 954
(Streitpatent), das am 7. Juni 2003 unter Inanspruchnahme der Prioritäten der
deutschen Patentanmeldungen 102 26 770 vom 14. Juni 2002 und 103 08 804
vom 27. Februar 2003 angemeldet wurde. Das Streitpatent wurde in der Verfah-
renssprache Deutsch veröffentlicht und wird beim Deutschen Patent- und Marken-
amt unter der Nr. 503 11 933 geführt. Es betrifft eine Waage und umfasst nach
dem durchgeführten Einspruchs- und Einspruchsbeschwerdeverfahren neun Pa-
tentansprüche, die sämtlich angegriffen sind.
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Patentanspruch 1 lautet in der geltenden Fassung nach der B2-Schrift:
Hinsichtlich der auf Patentanspruch 1 unmittelbar oder mittelbar rückbezogenen
Patentansprüche 2 bis 9 wird auf die Streitpatentschrift EP 1 371 954 B2 (mit
neuem Deckblatt B8) Bezug genommen.
Die Klägerin ist der Ansicht, der Gegenstand von Patentanspruch 1 des Streitpa-
tents in der geltenden Fassung beruhe nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Pa-
tentanspruch 1 sei darüber hinaus unzulässig geändert und damit erweitert, da
das Merkmal 7 (Elektrode ist unter der Tragplatte angeordnet) nicht ursprünglich
offenbart sei. Die Erfindung sei auch nicht so deutlich und vollständig offenbart,
dass ein Fachmann sie ausführen könne.
Die Klägerin hat folgende Schriften vorgelegt:
K8
DE 201 10 961 U1
K9
WO
96/13098
A1
(internationale
Offenlegungsschrift
zur
EP 0 795 233)
K10
DE 695 27 646 T2 (Übersetzung der europäischen Patentschrift
EP 0 795 233 B1)
K11
WO 01/38841 A1
K12
US 5 572 205
K13
DE 31 19 495 A1
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K15
DE 103 08 804 A1
K16
DE 38 15 626 A1
K17
DE 203 21 745 U1
K19
DE 41 24 368 A1
K21
EP 1 371 954 A2
K25, K25a
K26-2
US 4 932 487
K26-3
DE 299 20 733 U1
K26-4
DE 295 21 593 U1
K26-6
EP 0 967 468 A1
Zur Begründung ihres Angriffs hat sie geltend gemacht, der Gegenstand von Pa-
tentanspruch 1 des Streitpatents ergebe sich für den Fachmann naheliegend aus
einer Kombination der K8 mit der K9/K10 oder mit der K12. Aus der K13 sei zu er-
sehen, dass im Stand der Technik häufig Näherungsschalter mit Berührungs-
schaltern gleichgesetzt würden. Maßgeblich seien die Druckschriften K8 und
K9/K10, die weiteren vorgelegten Druckschriften seien als Hintergrundwissen ge-
nannt.
Die Merkmale der Unteransprüche seien aus der K11 bekannt (Ansprüche 2
bis 4), nahe liegend (Anspruch 5), in der K10 beschrieben und nahe liegend (An-
spruch 6), aus der K12 bekannt (Anspruch 7), nahe liegend aus einer Zusammen-
schau der K8 mit der K11 oder der K9/K10, selbstverständlich und aus den Anla-
gen K9/K10, K12, K11 bekannt (Anspruch 9).
Die K16 stehe der DE 103 08 804 (Prioritätsschrift) patenthindernd entgegen, die
K16 und die K19 dem mit dem Streitpatent in der erteilten Fassung inhaltsgleichen
Gebrauchsmuster K17. Daraus ergebe sich, dass auch das Streitpatent nicht auf
erfinderischer Tätigkeit beruhe.
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Die Klägerin beantragt,
das europäische Patent 1 371 954 mit Wirkung für das Hoheitsge-
biet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen; sie hält den Gegenstand des
Streitpatents für patentfähig, nicht unzulässig erweitert und für ausreichend offen-
bart.
Der Senat hat den Parteien einen qualifizierten Hinweis nach § 83 Abs. 1 PatG
zugeleitet. Auf Bl. 199 ff. der Akten wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet, und war deshalb abzuweisen. Der
Senat konnte nicht feststellen, dass einer der von der Klägerin geltend gemachten
Nichtigkeitsgründe des Art. II § 6 Abs. 1 Nrn. 1, 2 und 3 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1
a, b und c und Art. 56 EPÜ gegeben ist.
II.
1.
Waagen mit einer Tragplatte zur Aufnahme einer zu wiegenden Masse und mit
einer elektrischen Schaltvorrichtung zur Aus- oder Anwahl einer Funktion der
Waage. Danach ist es im Stand der Technik bekannt, Personenwaagen mit einem
Kontaktschalter auszurüsten, der von der Person mit einem Fuß bedient werden
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kann. Dieser Kontaktschalter hat die Nachteile, dass er aufwändig zu verkabeln ist
wie auch erfordert, dass der Benutzer zur Schalterbetätigung exakt auf den
Kontaktschalter zielen muss. Als Alternative ist im Stand der Technik ein
Akustikschalter bekannt, der aber den Nachteil aufweist, dass er nicht nur auf eine
beabsichtigte Aktion des Benutzers reagiert, sondern unkontrolliert und
unerwünscht auch auf Fremdgeräusche. Die Streitpatentschrift weist ferner darauf
hin, dass ständig in Betrieb befindliche Messsysteme bekannt sind, die jedoch
eine ständige Stromaufnahme und damit einen hohen Energiebedarf aufweisen
wie auch Näherungssensoren oder Näherungsdetektoren allgemein bekannt sind.
2.
Waage der eingangs genannten Art zu schaffen, die eine einfache
Schaltmöglichkeit von hoher Funktionssicherheit bei gleichzeitig niedrigen
Herstell- und Betriebskosten aufweist.
3.
Vorrichtung mit folgenden Merkmalen vor (Merkmalsgliederung hinzugefügt):
M1
wiegenden Masse und
M2
oder Anwahl einer Funktion der Waage (1),
dadurch gekennzeichnet, dass
M3
schalter
M4
38, 44)
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M5
rode (18, 38, 44) aufweist,
M6
Material besteht und
M7
ist und
M8
Aus- oder Anwahl einer Funktion im Einschalten der Waage
besteht.
4. Fachmann
Als Fachmann berufen sieht der Senat einen Ingenieur der Elektrotechnik mit
Fachhochschulabschluss mit mehrjähriger Erfahrung auf dem Gebiet der Ent-
wicklung von Waagen an.
III.
1. Unzulässige Erweiterung des Inhalts der Anmeldung
Die vorgenommene Beschränkung stellt keine unzulässige Erweiterung oder un-
zulässige Änderung des Inhalts der Anmeldung dar, da die Merkmale M7 und M8,
wonach die zum Einschalten dienende Elektrode unter der Tragplatte angeordnet
ist, durch die ursprüngliche Offenbarung gedeckt sind.
Zur Beschaffenheit und Anordnung der Elektrode sind in den ursprünglichen Un-
terlagen (EP 1 371 954 A2) folgende Hinweise zu finden:
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In den Figuren sind außerdem zwei Ausführungsbeispiele dargestellt:
Das in den Figuren 1 und 2 dargestellte erste Ausführungsbeispiel weist eine erste
Elektrode 18 auf, die nach Fig. 2 aus einer unter der Tragplatte aufgebrachten,
elektrisch leitenden Druckschicht 32 besteht (vgl. Absatz [0015]), sowie eine
zweite Elektrode 28, die aus einer Bedampfungsschicht 34 besteht (vgl. Ab-
satz [0016]).
Das in der Figur 3 dargestellte zweite Ausführungsbeispiel weist als Elektrode 38
ein unter der Tragplatte angeklebtes elektrisch leitendes Metallelement auf (vgl.
Absatz [0017]).
- 9 -
Somit sind in den ursprünglichen Unterlagen verschiedene Elektroden offenbart,
die allesamt unter der Tragplatte angeordnet sind und entweder aus einer
elektrisch leitenden Druckschicht, einer elektrisch leitenden Bedampfungsschicht
oder einem aufgeklebten Metallteil bestehen. Daraus entnimmt der Fachmann,
dass die Ausbildung der Elektrode auf der unteren Fläche der Tragplatte grund-
sätzlich nicht eingeschränkt ist und dass es sich somit allgemein um eine Elekt-
rode beliebiger Beschaffenheit handeln kann. Dies wird durch die Angabe im Ab-
satz [0007], wonach die Ausbildung der Elektrode nicht beschränkt ist, nochmals
ausdrücklich bestärkt.
2. Fehlende Ausführbarkeit für den Fachmann
Die Erfindung ist so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie
ausführen kann. Für das Funktionieren der Waage spielt es keine Rolle, ob die
Elektrode direkt an der Tragplatte oder etwas davon entfernt angebracht ist. Denn
hierdurch wird lediglich die Empfindlichkeit reduziert oder der Stromverbrauch et-
was erhöht, unabhängig davon, ob die Waage batteriebetrieben ist oder eine an-
dere Stromquelle vorgesehen ist. Auch die Anordnung der Elektronik der Sen-
soreinheit relativ zur Elektrode spielt für die Funktion der Waage keine Rolle, da
Sensoreinheit und Elektrode durch eine elektrische Leitung verbunden sind, deren
Länge unbeachtlich ist.
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3. Patentfähigkeit
Die Klägerin macht bei unbestrittener Neuheit fehlende erfinderische Tätigkeit in
Bezug auf die K8 in Verbindung mit der K9 oder K10 geltend.
Der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 ist weder hierdurch noch durch
den sonst im Verfahren befindlichen Stand der Technik für den Fachmann nahe-
gelegt.
Aus der Druckschrift K8 ist eine Vorrichtung zum Messen des menschlichen Kör-
perfetts bekannt, die gemäß Figur 6 mit Beschreibung auch in Form einer Waage
(Badezimmerwaage) mit einer Tragplatte (Gehäuse bzw. Körper 9) zur Aufnahme
M1
Es ist eine elektrische Schaltvorrichtung (Leistungsschalter 92) zur Aus- oder An-
M2
dabei an der Tragplatte vorgesehen sein soll, geht aus der K8 nicht zwangsläufig
hervor, er könnte auch an einer Seite der Waage oder an einer Platine im Inneren
befestigt sein.
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Die mit der elektrischen Schaltvorrichtung erfolgende Aus- oder Anwahl einer
Funktion besteht dabei im Einschalten der Waage, da es sich beim Leistungs-
schalter 92 nach dem Verständnis des Fachmanns um einen Ein- und Ausschalter
handelt, mit dem die komplette Vorrichtung, d. h. sowohl die Körperfettmessein-
M8
der Beschreibung der Fig. 6 in der K8 sind die Tasten 93 bis 95 Einstelltasten.
Dass die Tragplatte (Gehäuse 9) aus einem elektrisch nichtleitenden Material be-
M6
von Elektroden (2a, 2b, 3a, 3b, 7a, 7b, 8a, 8b), die an der Tragplatte angeordnet
sind, durch Ermittlung des elektrischen Widerstands von Körperteilen hergeleitet
werden soll. Für eine fehlerfreie Messung ist es dabei unabdingbar, dass die
Tragplatte, auf der der Benutzer steht, selbst keinen Einfluss auf die Wider-
standsmessungen haben darf und somit als Isolator ausgebildet sein muss.
Bei der elektrischen Schaltvorrichtung (92) handelt es sich offensichtlich um einen
mechanischen Druckschalter und nicht um einen kapazitiven Näherungsschalter
mit einer an der Tragplatte angebrachten Elektrode zur Überwachung der Umge-
bungskapazität der Elektrode und wobei die Elektrode unter der Tragplatte ange-
M3
Merkmale zeigt die Druckschrift K8 nicht.
Der Fachmann hatte auch keine Veranlassung, den Schalter (92) der K8 durch ei-
nen kapazitiven Näherungsschalter zu ersetzen; eine solche Ausbildung lag für ihn
nicht nahe.
In der Druckschrift K8 gibt es keinerlei Hinweise, dass der eingebaute mechani-
sche Schalter Nachteile hätte und ausgetauscht werden sollte. Auch ein etwaiger
Schutz vor Feuchtigkeit oder Spritzwasser, womit im Badezimmer in der Regel zu
rechnen ist, könnte ohne weiteres durch eine einfache Abdichtung des mechani-
schen Schalters realisiert werden. Allerdings wird in der K8 gerade der Einfluss
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der Feuchtigkeit bei der Messung des Körperfetts durch die spezielle Verschaltung
der Elektroden eliminiert und soll somit gar nicht verhindert werden.
Ein kapazitiver Näherungsschalter benötigt gegenüber einem einfachen mechani-
schen Schalter eine relativ komplizierte elektronische Steuerung und ist somit
aufwändiger zu realisieren. Auch dies spricht dagegen, anstelle des in der K8 vor-
gesehenen Schalters einen kapazitiven Näherungsschalter vorzusehen.
Selbst bei unterstelltem Austausch des mechanischen Schalters durch einen ka-
pazitiven Näherungsschalter gäbe es für den Fachmann keine Veranlassung,
Elektroden an einer anderen Stelle unter der Tragplatte und damit eventuell für
den Benutzer unsichtbar vorzusehen. Er würde in diesem Falle diesen kapazitiven
Näherungsschalter, der ihm zweifelsohne allgemein bekannt ist, der Einfachkeit
halber ebenfalls am Ort des auszutauschenden mechanischen Schalters anbrin-
gen, und somit oberhalb der Tragplatte, wo sich im Übrigen auch alle übrigen
Schalter und die Messelektroden befinden.
Auch die übrigen Druckschriften vermögen diesbezüglich keine Anregungen zu
geben.
Aus der Druckschrift K10 (bzw. der K9, die die internationale Offenlegungsschrift
bezüglich des EP 0 795 233 ist, dessen deutsche Übersetzung die K10 ist) sind
allgemein kapazitive Berührungssensoren bekannt.
Die Figuren 1 und 2 der K10 mit Beschreibung zeigen eine Schaltvorrichtung (Be-
rührungsflecken), bei der die kapazitive Ladung bei Berühren durch einen Benut-
zer verändert wird (vgl. Seite 9, zweiter Absatz) und der damit eine kapazitiven
M3
Näherungsschalter im Sinne der Erfindung.
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Dabei sind an einer Tragplatte (vgl. die Figur 2, Substrat 10) zwei Elektro-
den (16, 18) (statt einer Elektrode wie beim Streitpatent) angeordnet [= Teilmerk-
M4
Die Umgebungskapazität der Elektrode wird (mit Hilfe einer elektronischen Schal-
M5
ausgelöst.
Auf Seite 2, Zeilen 27 bis 34, wird allgemein erwähnt, dass der beschriebene
Schalter als Ersatz für herkömmliche Schalter dienen kann, insbesondere bei An-
wesenheit von Flüssigkeiten wie in einer Küche. Einen Hinweis auf die Verwen-
dung bei Waagen gibt es dagegen nicht. Außerdem stellt ein Schutz vor Flüssig-
keiten bei Schaltern von Waagen, wie zur K8 bereits ausgeführt, ohnehin kein
Problem dar.
Außerdem wird in der Figur 12 mit Beschreibung eine für den kapazitiven Nähe-
rungssensor der K10 benötigte relativ komplizierte und aufwendige elektronische
Schaltung dargestellt, welche der Fachmann bei einem relativ einfachen Gegen-
stand wie einer Waage vermeiden wird.
Der Fachmann müsste also ausgehend von der Druckschrift K8 mehrere, nicht
naheliegende Schritte vornehmen, für die es im Stand der Technik keine Anre-
gung gibt, um zum Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 zu gelangen:
Er müsste zunächst überhaupt in Erwägung ziehen, den gut funktionierenden und
einfachen Drucktasten-Einschalter der K8 zu ersetzen. Es sind jedoch keine
Nachteile im Stand der Technik erwähnt, weshalb er dieses tun sollte. Dass es be-
reits kapazitive Näherungsschalter gibt, reicht als Anregung dafür nicht aus, diese
auch bei der Waage gemäß K8 zu verwenden, zumal gerade nur für den Ein-
schalter und nicht auch für die übrigen Schalter.
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Er müsste weiterhin eine Kombination der Druckschriften K8 und K10 in Erwägung
ziehen. Ob er dies tun wird, ist eher fernliegend, da es sich beim Gegenstand der
K8 um eine Körperfettmesseinrichtung und lediglich insbesondere auch um eine
Waage handelt, beim Gegenstand der Druckschrift K10 jedoch um ein Kochfeld
einer Kücheneinrichtung.
Außerdem müsste er den Berührungsschalter der K10 auf die Tragplatte der K8
übertragen, was bei den unterschiedlichen Geräten jedoch fraglich erscheint.
Weiterhin müsste der Fachmann den Berührungsschalter der K10, der erst an-
spricht, wenn ein Finger des Benutzers den Berührungsflecken berührt, als Nähe-
rungsschalter im Sinne der Erfindung ausbilden, der bereits die Waage einschal-
tet, bevor er berührt wird. Auch hierfür gibt die K10 keine Anregung. Beide Schal-
ter können zwar als kapazitive Schalter angesehen werden, zeigen jedoch in ihrer
Funktion Unterschiede. So ist es vorteilhaft, wenn durch einen kapazitiven Nähe-
rungsschalter die Waage bereits eingeschaltet ist, bevor der Fuß des Benutzers
die Oberfläche berührt, da somit ein Gewichtsmessung sofort bei Betreten der
Waage beginnen kann, wohingegen bei einem Einschalten der Waage erst nach
dem Berühren und somit einer verspätet beginnenden Gewichtsmessung, nach-
dem der Benutzer die Waage betreten hat, das Risiko von Fehlmessungen be-
steht. Bei dem aus der Druckschrift K10 bekannten Berührungsschalter ist eine
derartige Funktionsweise dagegen nicht gegeben und auch nicht sinnvoll, da ein
Einschalten des Kochfelds vor dem Berühren aus Sicherheitsgründen vermieden
werden sollte, da sonst die Herdplatte unbeabsichtigt z. B. beim Vorbeigehen ein-
geschaltet werden könnte.
Weiterhin müsste der Fachmann den Schalter nur als Ein-Schalter ausbilden, wo-
für es keine Anregung gibt.
Schließlich müsste er den Schalter lediglich mit einer Elektrode ausbilden, und
nicht, wie bei der Druckschrift K10, mit zwei Elektroden; auch hierfür gibt es keine
Anregung.
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Damit ergibt sich der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 nicht in nahe-
liegender Weise aus dem Stand der Technik nach den Druckschriften K8 und K10.
Gleiches gilt auch in Verbindung mit der Druckschrift K12, die nicht über den Of-
fenbarungsgehalt der Druckschrift K10 hinausgeht. Aus dieser ist ebenfalls eine
Schaltvorrichtung mit einem kapazitiven Berührungsschalter bekannt, der Teile der
Merkmale M3, M4, M5 und M7 aufweist (vgl. dazu die Figuren 1 und 2 mit Be-
schreibung). Dieser wird jedoch auch hier bei einem Kochfeld und nicht bei einer
Waage eingesetzt. Außerdem wird auch hier eine relativ komplizierte elektroni-
sche Schaltung zur Vermeidung von Fehlfunktionen durch Spritzwasser einge-
setzt, die bei aufgabengemäßen Verbesserungen der Einschaltfunktion einer
Waage gerade nicht im Fokus stehen. Somit ist auch hier für den Fachmann keine
Anregung ersichtlich, den aus der K12 bekannten Schalter auch bei der aus der
K8 bekannten Waage einzusetzen.
Die Druckschrift K25 zeigt eine elektronische Waage, die einen Tippschalter zum
Einschalten aufweist (vgl. die Seite 7: piezo switch for simple tap to activate), und
damit keinen kapazitiven Näherungsschalter. Sie geht nicht über den Offenba-
rungsgehalt der K8 hinaus und kann somit den Gegenstand des erteilten Pa-
tentanspruchs 1 auch nicht nahelegen.
Die übrigen im Verfahren befindlichen Druckschriften liegen weiter ab und haben
demzufolge in der mündlichen Verhandlung auch keine Rolle gespielt.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 Satz 1
ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 PatG
i. V. m. § 709 Satz 1 und 2 ZPO.
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V.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung gegeben. Die Berufungs-
schrift muss von einer in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Rechts-
anwältin oder Patentanwältin oder von einem in der Bundesrepublik Deutschland
zugelassenen Rechtsanwalt oder Patentanwalt unterzeichnet und innerhalb eines
Monats beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe eingereicht
werden.
Die Berufungsfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefass-
ten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der
Verkündung. Die Frist ist nur gewahrt, wenn die Berufung vor Fristablauf beim
Bundesgerichtshof eingeht. Die Frist kann nicht verlängert werden.
Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung
gerichtet wird, sowie die Erklärung enthalten, dass gegen dieses Urteil Berufung
eingelegt werde. Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte
Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
Friehe
Kopacek
Dr. Müller
Veit
Schmidt-Bilkenroth
Pr