Urteil des BPatG vom 06.09.2016

Stand der Technik, Fig, Erfindung, Begriff

BPatG 253
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
4 Ni 37/14 (EP)
(Aktenzeichen)
URTEIL
Verkündet am
6. September 2016
In der Patentnichtigkeitssache
- 2 -
betreffend das europäische Patent 0 874 608
(DE 696 27 534)
hat der 4. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche
Verhandlung vom 6. September 2016 durch den Vorsitzenden Richter Engels
sowie die Richterin Kopacek, die Richter Dipl.-Phys. Dr. rer. nat. Müller und
Dipl.-Ing. Veit und die Richterin Dipl.-Phys. Univ. Zimmerer
für Recht erkannt:
I.
Das europäische Patent 0 874 608 wird mit Wirkung für das
Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig er-
klärt.
II.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
III.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 %
des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Gegenstand des Nichtigkeitsverfahrens ist das auch mit Wirkung für die Bundes-
republik Deutschland erteilte europäische Patent EP 0 874 608, deutsches Akten-
zeichen DE 696 27 534 (Streitpatent), das am 31. Dezember 1996 unter Bean-
spruchung der US- amerikanischen Prioritäten US 582526 vom 3. Januar 1996,
US 594904 vom 31. Januar 1996 und US 845673 vom 14. Mai 1996 angemeldet
worden ist. Die Beklagte ist die Inhaberin des Streitpatents mit der Bezeichnung
„DEVICE FOR IMPROVING BREATHING“, das sich auf medizinische Einrichtun-
gen im Allgemeinen und insbesondere auf eine Vorrichtung zur Verbesserung der
Atmung (vgl. Abs. [0001] der Übersetzung der Streitpatentschrift, Anlage D0de)
- 3 -
bezieht. Es umfasst 17Patentansprüche, die sämtlich von der Klägerin angegriffen
werden.
Patentanspruch 1 lautet in der Verfahrenssprache Englisch:
In der deutschen Übersetzung lautet Anspruch 1:
- 4 -
Mit ihrer Nichtigkeitsklage macht die Klägerin geltend, dass der Gegenstand des
Klagepatents nach Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1
Buchst. c EPÜ für nichtig zu erklären sei, da sein Gegenstand über den Inhalt der
Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehe. Ferner sei das
Klagepatent auch nach Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1
Buchst. a, Art. 54 EPÜ wegen fehlender Patentfähigkeit aufgrund mangelnder
Neuheit sowie mangelnder erfinderischer Tätigkeit für nichtig zu erklären.
Die Klägerin hat mit der Klageschrift folgende Dokumente vorgelegt:
D01
WO 97/25010 A1
D0
Klagepatentschrift EP 0 874 608 B1
D0de
DE 696 27 534 T2
D1
WO 95/08969 A1
D1de
DE 694 32 483 T2
D2
US 4 382 783
D3
EP 0 455 958 B1
D4
WO 95/33418 A1
D5
US 3 618 214
D6
US 5 794 627
D7
EP 0 697 844
D8
US 5 003 994
D9
US 5 117 816
D10
US 5 566 683
- 5 -
D11
US 5 427 117
D12
US 5 066 226.
Die Klägerin macht geltend, dass der Gegenstand der Patentansprüche 1, 4, 5, 7,
8, 10, 13 und 14 gegenüber dem Inhalt der ursprünglichen Anmeldung D01 unzu-
lässig erweitert sei und dies zur Nichtigkeit führe und zwar auch dann, wenn die
unzulässige Erweiterung in der unzulässigen Aufnahme eines einschränkenden
Merkmals bestehe (uneigentliche Erweiterung). Sie vertritt die Auffassung, dass
die Eigenschaft der möglichen Einstellbarkeit der streitpatentgemäßen Vorrichtung
im Mund nach Merkmal 6 der Ursprungsoffenbarung nicht unmittelbar und eindeu-
tig als zur Erfindung gehörend entnehmbar ist. Zu verweisen sei diesbezüglich auf
die Figur 12 des Streitpatents und auf Seite 30, letzte Zeile der D0a, die ein Aus-
führungsbeispiel behandele, das nicht im Mund einstellbar sei. Dies belege, dass
die Einstellbarkeit im Mund nicht eindeutig und unmittelbar gelehrt werde und sich
nur mehr oder weniger zufällig aus einigen Ausführungsbeispielen ergebe.
Patentanspruch 1 sei zudem nicht neu gegenüber D1 und D2, jedenfalls aber
auch nicht erfinderisch.
Bezüglich Merkmal 7, das nach Aussage der Beklagten eine Zugkraft im Gegen-
satz zu einer Druckkraft in der D1 voraussetze, zeige auch die D1 in den Figu-
ren 1a bis 2d eine relevante vertikale Kraftkomponente, die ein Abziehen des un-
teren Bogens von den Zähnen des Benutzers bewirken könne. Wie in den Figu-
ren 2b und 3a der D1 gezeigt und auch in der D1 durch d
en Begriff „extended“
deutlich gemacht, passiere sowohl beim Ziehen als auch beim Drücken dasselbe.
Die genannten Figuren in der D1 zeigten insofern auch
ein „Ziehen“, obwohl der
Angriffspunkt beim unteren Bogen vorne sei.
Dass die D2 aus einem anderen technischen Gebiet stamme, hindere nicht die
Neuheitsschädlichkeit. Die D2 könne ebenso für den Stand der Technik herange-
zogen werden; auch technische Nachbargebiete seien als naheliegend anzuse-
hen.
- 6 -
Da sich die Ansprüche 2 bis 17 sämtlich mittelbar und unmittelbar auf Patentan-
spruch 1 beziehen würden, sei das Klagepatent folglich insgesamt für nichtig zu
erklären. Insbesondere seien auch die abhängigen Patentansprüche 3 und 9 von
der D1 neuheitsschädlich vorweggenommen. Die übrigen Patentansprüche fügten
ebenfalls nichts hinzu, was eine Patentfähigkeit begründen könne.
Auch soweit die Beklagte das Streitpatent mit den Hilfsanträgen 1 und 2 sowie 1a
und 2a verteidige, erweise sich wegen unzulässiger Änderungen keiner der vorlie-
genden Patentanspruchssätze als zulässig. Zudem sei weder der Gegenstand des
Hilfsantrags 1 (bzw. 1a) noch derjenige des Hilfsantrags 2 (bzw. 2a) neu. Diesbe-
züglich sei zu verweisen auf Fig. 2a bis 2d in Verbindung mit Fig. 3a und 3b. So
zeige z. B. die Fig. 2b mit dem Bezugszeichen
16 sowohl den „slider“ als auch den
„connecting arm“. Das aufgenommene Merkmal der vertikalen freien Beweglich-
keit ergebe sich aus der D1, S. 11 Z. 8 bis 20.
Die Klägerin beantragt,
das europäische Patent EP 0 874 608 mit Wirkung für das Ho-
heitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklä-
ren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen, hilfsweise die Klage abzuweisen, sofern
das Streitpatent mit den Hilfsanträgen 1 und 2 vom 7. April 2016
(Bl. 215 ff. d. A.) sowie mit den Hilfsanträgen 1a und 2a vom
6. September 2016 (Anlage 4 zum Protokoll der mündlichen Ver-
handlung) verteidigt wird.
Zum Wortlaut der Hilfsanträge 1 und 2 wird auf die Entscheidungsgründe sowie
Bl. 215 ff. d. A. verwiesen. Auf den Hinweis des Senats in der mündlichen Ver-
handlung, dass das Merkmal 6, soweit es eine Einstellbarkeit im Mund vorsehe,
- 7 -
einer Disclaimerlösung bedürfe, hat die Beklagte die Hilfsanträge 1a und 2a über-
reicht; zu deren Wortlaut auf die Entscheidungsgründe sowie auf Anlage 4 zum
Protokoll verwiesen wird.
Weiterhin hat die Beklagte erklärt, in Hilfsantrag 2 (sowie Hilfsantrag 2a) werde
der Begriff „wherein“ (Merkmale A3 und A10) durch den Begriff „in which“ ersetzt.
Darüber hinaus hat die Beklagte eine isolierte Verteidigung der verbleibenden An-
sprüche 2 bis 5 zu Hilfsantrag 2 nicht gewünscht.
Die Beklagte tritt den Ausführungen der Klägerin in allen Punkten entgegen. Die
Nichtigkeitsklage sei nicht begründet. Weder bezüglich Anspruch 1 noch bezüglich
der Unteransprüche lägen unzulässige Änderungen des Inhalts der Anmeldung
vor, welche den hierauf gestützten Nichtigkeitsangriff rechtfertigten. Soweit die
Klägerin auf die Figur 12 des Streitpatents und auf Seite 30 der D0a verweise, die
ein Ausführungsbeispiel zeigten, das nicht im Mund einstellbar sei, möge dies
zwar zutreffen, es gebe aber mannigfaltige Beispiele im Streitpatent, die eine sol-
che Einstellbarkeit zeigten und dem Fachmann offenbarten.
Patentanspruch 1 sei auch neu gegenüber der D1. Die Auffassung, dass der Be-
griff „ziehen“ im weiteren Sinn zu verstehen sei, treffe nicht zu. Der Fachmann
könne sehr wohl zwischen den Begriffen „pull“ (= ziehen) und „push“ (= drücken)
unterscheiden. Für den Begriff „ziehen“ sei zu unterstellen, dass der Kraftauf-
schlag so erfolge, wie es in sämtlichen Ausführungsbeispielen dargestellt sei,
nämlich bei dem zu ziehenden Objekt vorne in Richtung der Bewegungsrichtung
und nicht hinten. Bei der D1 greife demgegenüber die Kraft aber hinten an. Auch
die D2 sei nicht neuheitsschädlich, zumal sie auf einem ganz anderen Gebiet als
das Streitpatent liege und damit nicht gattungsgemäß sei.
Die Lehre des Streitpatents sei erfinderisch, da die bekannten Vorrichtungen
durchweg Verbindungsmittel aufwiesen, die so ausgebildet seien, dass sie den
unteren Bogen im Verhältnis zum oberen Bogen nach vorne drücken oder schie-
- 8 -
ben, jedoch nicht, wie beim Streitpatent nach vorne ziehen würden. Weiterhin ent-
hielten die übrigen Schriften keinen Hinweis auf ein Verbindungsstück, das im
Sinne des Streitpatents den unteren und den oberen Bogen miteinander einstell-
bar verbinden würde.
Das Streitpatent sei zumindest in der jeweiligen und zulässigen Fassung des
Hilfsantrags 1 (bzw. 1a) und des Hilfsantrags 2 (bzw. 2a) patentfähig. Im Hinblick
auf Hilfsantrag
2 sei der Begriff „slider“ im Kontext der Streitpatentschrift so zu
verstehen, dass er eine Führung, also einen „channel“ impliziere, auch wenn dies
nicht im Anspruch stehe. Bei der D1 liege entgegen der klägerischen Auffassung
auch unter Berücksichtigung der Fig. 2a bis c und Fig. 3a bis c die Summe der
Merkmale nicht vor, da bei der Fig. 3a bis c keine freie vertikale Beweglichkeit ge-
geben sei, während es bei den Fig. 2a bis d
an dem geforderten „coupling“ fehle
und damit die Gefahr des Rückfalls in die Normalposition bestehe. Der Hilfsan-
trag 2 betreffe die Ausführungsform nach Fig. 3a und 3b des Streitpatents und
setze darum voraus, dass der „connecting arm“ angelenkt sein müsse. Dadurch
würden mehrere Aspekte sichergestellt, nämlich dass die Verbindung hergestellt,
eine vertikale Position ermöglicht und zugleich verhindert werde, dass der untere
Kiefer in eine Rückfallposition falle.
Der Senat hat den Parteien einen frühen gerichtlichen Hinweis nach § 83 Abs. 1
PatG zugeleitet. Auf den Hinweis vom 29. Januar 2016 (Bl. 124 ff. der Akten) wird
Bezug genommen.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Akteninhalt sowie
auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 6. September 2016 verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage, mit der die Nichtigkeitsgründe der unzulässigen Änderung
des Inhalts der Anmeldung nach Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 IntPatÜG i. V. m. Art. 138
- 9 -
Abs. 1 Buchst. c EPÜ und der mangelnder Patentfähigkeit gemäß Art. II § 6 Abs. 1
Nr. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 Buchst. a und Art. 56, 57 EPÜ geltend ge-
macht wird, ist begründet, da sich die angegriffenen Patentgegenstände sowohl in
der geltenden als auch in den hilfsweise verteidigten Fassungen nach den Hilfs-
anträgen 1a, 1, 2 und 2a jedenfalls als nicht patentfähig erweisen.
I.
1.
Der Gegenstand des Streitpatents betrifft eine Vorrichtung zur Verbesserung
der Atmung (siehe Streitpatent D0de Abs. [0001]).
In der Beschreibungseinleitung der Streitpatentschrift wird ausgeführt, dass zur
Behandlung von Atemstörungen Vorrichtungen verwendet werden, die in den
Mund des Benutzers eingesetzt werden, um den Unterkiefer des Benutzers nach
vorn zu ziehen. Diese Vorrichtungen können die Atemwege des Benutzers weiter
öffnen und es dadurch dem Benutzer ermöglichen, leichter durch die Nase und
den Mund zu atmen. Jedoch könnten diese Vorrichtungen ernsthaftere Zustände,
wie beispielsweise Schlafapnoe, nicht in angemessener Weise behandeln, und
darüber hinaus wiesen diese Vorrichtungen oft nicht die Benutzeranpassungsfä-
higkeit und Einstellbarkeit auf, die notwendig sind, um einer Vielzahl von Benut-
zern und Behandlungsanforderungen gerecht zu werden (siehe Streitpatent D0de
Abs. [0002]).
Als Stand der Technik wird in der Beschreibungseinleitung auf die US 5 409 017 A
verwiesen, die eine Kieferneupositionierungsvorrichtung mit einem oberen Beiß-
block und einen unteren Beißblock offenbare, die mit Hilfe eines einstellbaren Me-
chanismus miteinander verbunden seien, der einen hinteren, am oberen Beißblock
verbundenen Abschnitt und einen inneren, mit dem vorderen Teil des unteren
Beißblocks verbundenen Abschnitt und eine einstellbare Verbindung zwischen
dem inneren und dem hinteren Abschnitt umfasse (siehe Streitpatent D0de
Abs. [0003]).
- 10 -
2.
Ziel
Nachteile und Probleme der im Stand der Technik bestehenden Lösungen einge-
gangen werden. Unter Berücksichtigung der genannten Vorteile (siehe Streitpatent
D0de Abs.
[0017]: „
.“) ist diese Aufgabe objektiv dahingehend zu
konkretisieren, dass die Funktionalität einer Gesichtsmaske, nämlich die
Sicherheit des Sitzes, die Anpassung an den Benutzer und Handhabung, wie auch
der Komfort verbessert werden soll (siehe Streitpatent D0de Abs.
[0017]: „
.“).
3.
Lösung dieser Aufgabe
eine Vorrichtung (10; 110) zur Verbesserung der Atmung eines Benutzers vor:
3.1.
1
A device (10; 110) for improving the breathing of a user, comprising:
2
an upper arch (12; 112) adapted to receive at least some of the user's
upper teeth;
3
a lower arch (14; 114) adapted to receive at least some of the user's
lower teeth; and
4
a connector (16; 134) adjustably coupling the upper arch (12) to the
lower arch (14);
5
the connector (16; 134) allowing lateral motion of the lower
arch (14; 114) relative to the upper arch (12; 112),
characterised in that
- 11 -
6
the connector (16; 134) is operable to be adjusted while the upper
arch (12; 112) is coupled to the lower arch (14; 114) and while the de-
vice is inserted in the user's mouth
7
to pull the lower arch (14; 114) forwardly to a fixed forward position
relative to the upper arch (12; 112).
In der deutschen Übersetzung:
1 Vorrichtung (10; 110) zur Verbesserung der Atmung eines Benutzers, die
umfasst:
2 einen oberen Bogen (12; 112), der dafür ausgelegt ist, mindestens einige
der oberen Zähne des Benutzers aufzunehmen;
3 einen unteren Bogen (14; 114), der dafür ausgelegt ist, mindestens ei-
nige der unteren Zähne des Benutzers aufzunehmen; und
4 ein Verbindungsstück (16; 134), das den oberen Bogen (12) mit dem
unteren Bogen (14) einstellbar verbindet;
5 wobei das Verbindungsstück (16; 134) eine seitliche Bewegung des
unteren Bogens (14; 114) im Verhältnis zum oberen Bogen (12; 112)
ermöglicht;
dadurch gekennzeichnet, dass
6 das Verbindungsstück (16; 134) eingestellt werden kann, während der
obere Bogen (12; 112) mit dem unteren Bogen (14; 114) verbunden ist
und die Vorrichtung im Mund eines Benutzers eingeführt ist,
7 um den unteren Bogen (14; 114) im Verhältnis zum oberen Bo-
gen (12; 112) nach vorn in eine feste Vorwärtsposition zu ziehen.
Die folgenden angegriffenen Ansprüche 2 bis 17 sind jeweils unmittelbar oder
mittelbar auf Patentanspruch 1 rückbezogen.
3.2
Die Ansprüche 1 der Hilfsanträge 1, 1a, 2 und 2a weisen folgende nach
Merkmalen gegliederte Änderungen auf:
- 12 -
Hilfsantrag 1
Anspruch 1
antrag).
Hilfsantrag 2
Hilfsantrag 2 fügt in Anspruch 1 die Merkmale A3 und A11 hinzu:
A3
wherein the connector (16; 134) is operable to allow the user's lower jaw to
move freely in a vertical direction relative to the upper arch (12; 112),
A10 and wherein the connector (16) comprises a slider (94) and a connecting
arm (96), the connecting arm (96) coupling to the upper arch(12), the
slider (94) operable to be adjusted to pull the lower arch (14) forwardly.
D
er Begriff „wherein“ (Merkmale A3 und A10) soll durch den Begriff „in which“ er-
setzt werden.
Hilfsanträge 1a und 2a
In den Ansprüchen 1 in der Fassung nach den Hilfsanträgen 1a und 2a ist gegen-
über dem Anspruch 1 in der Fassung nach den Hilfsanträgen 1 und 2 folgender
Disclaimer hinzugefügt:
D
er Begriff „wherein“ (Merkmale A3 und A10) ist durch den Begriff „in which“ er-
setzt worden.
4.
Fachmann
aus einem mit der Entwicklung von Vorrichtungen zur Verbesserung der Atmung
und/oder Beatmungsgeräten (u. a. CPAP) befassten Ingenieur der Fachrichtung
Medizintechnik und einem mit der Entwicklung von kieferorthopädischen Vorrich-
tungen wie Zahnschienen, Protrusionsschienen befassten Zahntechniker anzuse-
- 13 -
hen, die eng mit einem diese Entwicklungen anwendenden Arzt (Schlafmediziner)
zusammenarbeiten.
Dieser Fachmann/Team (insb. Zahntechniker) erkennt aufgrund seiner Sach-
kunde, dass sich die Probleme bei der Handhabung und Erhöhung des Komforts
von Antischnarch-Apparaten oder Atemverbesserungssystemen mit Zahnschienen
auch bei Systemen zur Beseitigung von Über- und Fehlbelastungen der Zähne
und Kiefergelenke mit Zahnschienen (Korrekturschienen (Aligner)) stellen. Da sich
beide Fachgebiete technologisch berühren, wird der Fachmann Erkenntnisse bei
kieferorthopädischen Vorrichtungen, wie beispielsweise in der D2 gelehrt, auch
auf Vorrichtungen zur Verbesserung der Atmung nach dem Streitpatent anwen-
den. Der Argumentation der Beklagten, dass dieser Fachmann keine vertieften
Kenntnisse im Bereich der kieferorthopädischen Vorrichtungen besitzt, kann schon
aufgrund der Fachkunde des Zahntechnikers nicht zugestimmt werden.
II.
Aufgrund der nach Art. 69 Abs. 1 EPÜ maßgeblichen Auslegung des Inhalts der
Patentansprüche und der am technischen Sinn- und Gesamtzusammenhang der
Patentschrift orientierenden Betrachtung durch den angesprochenen Fachmann
unter Einziehung seines Vorverständnisses (BGH GRUR 2008, 878
– Momentan-
pol II) legt der Senat unter Heranziehung der Patentbeschreibung und Figuren der
Lehre nach Anspruch 1 und der Bedeutung der einzelnen Merkmale folgendes
Verständnis zu Grunde.
In der Streitpatentschrift wird hervorgehoben, dass die erfindungsgemäße Vor-
richtung zur Verbesserung der Atmung eines Benutzers insbesondere umfasst ei-
nen oberen Bogen, der dafür ausgelegt ist, mindestens einige der oberen Zähne
des Benutzers aufzunehmen, einen unteren Bogen, der dafür ausgelegt ist, min-
destens einige der unteren Zähne des Benutzers aufzunehmen und ein Verbin-
dungsstück, das den oberen Bogen mit dem unteren Bogen einstellbar verbindet
und eine laterale Bewegung des unteren Bogens im Verhältnis zum oberen Bogen
- 14 -
ermöglicht. Hierbei verweist die Streitpatentschrift auf verschiedenen Ausfüh-
rungsformen (siehe D0de Abs. [008-0013]).
Nach einer Ausführungsform kann das Verbindungsstück eingestellt werden,
während der obere Bogen mit dem
unteren Bogen verbunden ist und die
Vorrichtung in den Mund eines
Benutzers eingeführt ist, um den
unteren Bogen im Verhältnis zum
oberen Bogen nach vorn in eine feste
Vorwärtsposition zu ziehen (siehe
D0de Abs. [0012]).
Eine solche Ausführungsform zeigen
die
Figuren 2a-d
aus
unterschiedlichen
Perspektiven
wobei wie in Fig. 2a die erfindungsgemäße Vorrichtung einen oberen Bogen
(upper arch 12), einen unteren Bogen (lower arch 14) und ein Verbindungsstück
(connector 16) mit einem Kanal 22 und einem Hakenelement 26 aufweist, welches
dafür ausgelegt ist, in
den Kanal 22 zu passen
und entlang der Länge
des
Kanals 22
zu
gleiten. Wie Figur 2d
zeigt,
kann
der
Schraubenkopf 25
der
horizontalen
Schrau-
be 24
durch
ein
horizontales
Loch 43
erreicht werden, das in der Gesichtsplatte 42 gebildet ist (siehe D0de Abs. [0046]).
Aufgrund der relativen Positionen des Hakens 44 und des Befestigungshakens 34
kann der untere Bogen 14 und somit der Unterkiefer des Benutzers im Verhältnis
- 15 -
zum oberen Bogen 12 nach vorn verschoben werden, wenn der Haken 44 in den
Befestigungshaken 34 eingegriffen hat (siehe D0de Abs. [0050]).
Fig. 5d veranschaulicht insoweit eine weitere alternative Ausführungsform des
Hakens 44, der ein elastisches Element 46, wie
beispielsweise eine Feder oder ein Gummiband,
das zwischen dem Verbindungsstück 16 und dem
Haken 44 angeordnet ist, umfasst und auch bei
Eingriff des Hakens nach wie vor nach vorne ein
gewisse Beweglichkeit und damit größeren Komfort
ermöglicht und die Gefahr von Verletzungen
minimiert [D0de 0059].
Eine weitere alternative Ausführungsform in Fig. 3a zeigt ein Verbindungsstück in
der Ausbildung mit einer Führungsstange (slider 94) statt eines Hakenele-
ments 26, die im Kanal 22 gleitet und welche mit einem Verbindungsarm (connec-
ting arm 96) einstückig oder separat verbunden ist und welcher ebenfalls dem
durch die laterale Stange 98 verbundenen unteren Bogen 14 eine laterale Bewe-
gung des Unterkiefers ermöglicht (siehe D0de Abs. [0051]-0052]). Der Kiefer des
Benutzers kann in gleicher Weise, wie im Zusammenhang mit Fig. 2a bis 2d be-
schrieben, eingestellt werden (siehe D0de Abs. [0054]).
Die Auslegung des erteilten Patentanspruch 1 und seiner einzelnen Merkmale hat
sich am technischen Sinngehalt der Merkmale des Patentanspruchs im Einzelnen
und in ihrer Gesamtheit zu orientieren (st. Rspr., BGH GRUR 2011, 129
Fentanyl-TTS; GRUR 2002, 515
– Schneidmesser I, m. w. N.). Insoweit ist vorlie-
gend insbesondere im Hinblick auf die zwischen den Parteien kontroverse Diskus-
sion um das Verständnis der einzelnen Merkmale darauf hinzuweisen, dass diese
losgelöst vom Stand der Technik zu erfolgen hat und nur im Lichte der Gesamtof-
fenbarung der Patentschrift zu bestimmen ist (BGH GRUR 2012, 1124
– Polymer-
schaum I; GRUR 2015, 868
– Polymerschaum II), insbesondere welchen Sinn-
gehalt ein einzelnes Merkmal im Kontext der Patentschrift und der Funktion, die es
- 16 -
für sich und im Zusammenwirken mit den übrigen Merkmalen des Patentan-
spruchs bei der Herbeiführung des erfindungsgemäßen Erfolgs hat.
1.
Die Zweckangabe „“ im Merk-
mal 1 schränkt deshalb die Vorrichtung nur insoweit ein, als es für die Verbesse-
rung der Atmung verwendbar (BGH GRUR 2012, 475
–Elektronenstrahltherapie-
geeignet
– Kaffeemaschine) sein muss;
d. h. Vorrichtungen, die zusätzlich andere Funktionen erfüllen, sind bei der Beur-
teilung der Patentfähigkeit nicht ausgeschlossen.
Die Verbesserung der Atmung wird nach der Streitpatentschrift durch die Verwen-
dung von Vorrichtungen erreicht, „
.“ (vgl. D0de
Abs. [0003]).
alle
– sofern keine besonderen entgegenstehenden
Gründe ersichtlich sind
– Vorrichtungen zur Korrektur von Zahn- oder Kieferfehl-
stellungen, die den Unterkiefer des Benutzers nach vorne ziehen, diese Zweckan-
gabe der Verbesserung der Atmung und werden durch dieses Merkmal nicht ab-
gegrenzt.
2.
Der obere bzw. untere Bogen ist nach den Merkmalen 2 und 3 für die Auf-
nahme der oberen bzw. unteren Zähne ausgelegt, d. h. die Zähne müssen zumin-
dest teilweise von dem Bogen umgeben sein. Dabei könnten auch alle Zähne auf-
genommen werden und/oder die Aufnahme speziell für einzelne Zähne ausgelegt
sein.
- 17 -
Dies gilt auch im Hinblick auf eine an Aufgabe und Funktion der erfindungs-
gemäßen Lehre orientierte Auslegung, da die Bogen 11, 12 keine bestimmte Form
der Halterung mit den Zähnen erfordern, insbesondere
ist die beanspruchte Aufnahme nicht gleichzusetzen mit
Zahnmulden oder dem in Abs. [0005] des Streitpatents
erwähnten „Beißblock“ aus der zitierten Schrift
US 5409017A und der dort abgebildeten nebenstehen-
den Figur 1 oder der Gestaltung, die dem Ausführungs-
beispiel der Figur 2a des Streitpatents zugrundeliegt.
Die Aufnahme der Zähne kann hierbei entgegen der Ansicht der Beklagten lose
oder dauerhaft erfolgen. Eine dauerhafte Befestigung des Bogens an den Zähnen
(analog zu festsitzenden Zahnspangen) wird durch den Anspruchswortlaut und ei-
nem funktionsorientierten Verständnis der Lehre nicht ausgeschlossen.
3.
Die Vorrichtung umfasst neben dem oberen und unteren Bogen auch ein
Verbindungsstück (connector), das den oberen Bogen (12) mit dem unteren Bo-
gen (14) einstellbar verbindet, was im Hinblick auf das in der maßgeblichen Ver-
fahrenssprache verwendete Verb „to couple“ auch mit „ankoppeln“, „verankern“
oder
„befestigen“ übersetzt werden kann und bei einer bloßen losen Berührung
der Bögen 11 und 12 noch nicht erfüllt wäre; vielmehr sind der obere und der un-
tere Bogen gekoppelt, wobei zumindest in einer Richtung eine beeinflussende
Zwangsbewegung vorhanden ist. Nicht notwendig ist dagegen nach dem An-
spruchswortlaut und der hiermit verbundenen Funktion der angekoppelten bzw
verankerten Bogen eine unlösbare, dauerhafte Verbindung, wie sie die Beklagte
aus dem Streitpatent liest. So können auch nach den Ausführungen in der Be-
schreibung und den angeführten Ausführungsbeispielen der obere und der untere
Bogen mittels unterschiedlicher Verbindungselemente verbunden (gekoppelt)
werden, beispielsweise mit Haken/Hakenelement (44/26), einem Verbindungs-
stück (16), Befestigungshaken (34) oder dem Verbindungsarm (96).
- 18 -
Das Verbindungsstück soll gemäß der Merkmale 4 und 6 eine einstellbare Verbin-
dung zwischen unterem und oberen Bogen herstellen und zudem im Mund einge-
stellt werden können, während unterer und oberer Bogen verbunden sind. Unge-
achtet der Frage, ob eine Einstellbarkeit im Mund überhaupt erfindungsgemäß
gelehrt wird (dazu unten) versteht der Fachmann dieses funktionelle Merkmal als
eine Umschreibung für eine räumlich körperliche Ausgestaltung dahingehend,
dass der Einstellungsmechanismus erreichbar sein muss, wenn sich die Vorrich-
tung im Mund des Patienten befindet.
4.
Die Vorwärtsposition (forward position) der Vorrichtung ist wiederum nicht im
Streitpatent definiert. Es wird auf den Stand der Technik verwiesen, wonach bei
der Behandlung von Atemstörungen Vorrichtungen eingesetzt werden, die den
Unterkiefer des Benutzers nach vorne ziehen (vgl. D0 Abs.
[0003]: „
“). Diese Vorwärtsposition wird nach den
Ausführungsbeispielen und nach Merkmal 7 durch ein Ziehen des unteren Bogens
nach vorne erreicht (vgl. D0 u. a. Abs.
[0024]: „
.“).
Als Vorwärtsposition (forward position) nach Merkmal 7 ist eine Position zu ver-
stehen, bei der der untere Bogen im Verhältnis zum oberen Bogen gegenüber der
natürlichen Stellung eine weiter vorn liegende Position einnimmt. Dabei ist eine
laterale Bewegung weiterhin möglich (vgl. D0 u. a. Abs.
[0008]: „
...“).
Diese Vorwärtsposition ist fest, d. h. aus dieser Position bewegt sich der untere
Bogen nicht von alleine wieder zurück in die Normalposition. Es wird jedoch keine
Aussage darüber
getroffen, wie „fest“/fixiert diese Vorwärtsstellung ist, und/oder
mit welchen Maßnahmen ein Lösen der Fixierung erreicht werden kann. Ebenso
wird keine Festlegung getroffen, ob eine weitere Bewegung nach vorne möglich ist
- 19 -
(siehe auch Urteil des OLG Düsseldorf 1-2 U 64/14 4c S.
16: „Ist die eingestellte
Vorwärtsposition erreicht und ist ihre Aufrechterhaltung in dieser Weise gesichert,
besteht kein Grund zu einer weitergehenden Fixierung des Unterkiefers im Ver-
hältnis zum Oberkiefer. Die erfindungsgemäßen Vorteile werden vielmehr auch
dann erzielt, wenn der untere Bogen nach Erreichen einer im Verhältnis zum obe-
ren Bogen hinreichend nach vorn gezogenen Position noch weiter nach vorn und
hiernach wieder zurück in die eingestellte Vorwärtsposition bewegt werden
kann.“).
Das Fixieren in der Vorwärtsstellung kann nach den Ausführungsbeispielen mittels
Hakenelement (24)/(26) und Befestigungshaken (34) (vgl. Streitpatent Fig. 2a-d,
4a-c, 5a-d), mittels Verbindungsarm (96) und lateraler Stange (98) (vgl. Streitpa-
tent Fig. 3a, b) oder Dehnelement (48)/(124)/(192/196) (vgl. Streitpatent Fig. 6a-c,
8/9a-c/12, 10) erfolgen, ist jedoch hierauf nicht eingeschränkt.
5.
Eine laterale Bewegung des unteren Bogens relativ zum oberen Bogen ist
nach Merkmal 5, eine Bewegung in vertikaler Richtung nach Merkmal A3 (Hilfsan-
träge 2 und 2a) beansprucht. Dabei wird durch die Merkmale nicht vorgegeben, in
welchem Bereich diese Bewegung sein soll. In der Beschreibung ist hierfür zumin-
dest vorgegeben, dass mit der Bewegung der Komfort für den Benutzer erhöht
werden soll (vgl. Streitpatent Abs.
[0013]: „
.“). Die Merkmale 5 und A3 fordern jedoch keine völlig freie Beweg-
lichkeit in lateraler oder vertikaler Richtung. So fällt nach Anspruch 3 nach Hilfs-
antrag
2/2a eine nur in einem gewissen Bereich („desired range“) mögliche verti-
kale Beweglichkeit unter den Gegenstand des Hilfsantrags 2/2a:
.
- 20 -
6.
Die Vorwärtsstellung wird mittels „Ziehen“ („pull“) erreicht, d.h. es wird eine
„Zugkraft“ auf den unteren Bogen ausgeübt wird, damit diese – außerhalb der
Normalstellung liegende
– Position erreicht wird. Da diese „Zugkraft“ nicht näher
definiert
ist, wird der Fachmann den Begriff „pull“ gemäß des üblichen Sprachge-
brauchs in seiner technischen Bedeutung allgemein verstehen und jede Kraft, die
diese Vorwärtsstellung erreicht, als „Zugkraft“ ansehen, die also den unteren Bo-
gen bezüglich des oberen Bogens nach vorne verlagert (kraftbeaufschlagte Vor-
wärtspositionierung). In diesem Sinn ist auch ein Hintergreifen eines Elements mit
Kraftbeaufschlagung nach vorne als „Ziehen“ im technischen Sinn anzusehen,
mag man hier untechnisch auch von einem „Schieben“ sprechen. Der Auffassung
der Beklagten, dass „Ziehen“ („pull“) auch in seiner technischen Bedeutung der
Patentschrift impliziere
, „dass das Verbindungsstück selbst auf Zug beansprucht
wird“ und „dass das mit dem oberen Bogen verbundene Verbindungsstück an dem
unteren Bogen von vorne oben angreift“, kann daher nicht zugestimmt werden.
Diese Auffassung der Beklagten ist im Übrigen auch nicht in allen Ausführungs-
beispielen erfüllt (vgl. Streitpatent Fig. 2a/b 8, 10, 12). So greift im ersten Ausfüh-
rungsbeispiel der Haken (44) von hinten in den Befestigungshaken (34) und zieht
damit den unteren Bogen nach vorne (siehe auch Urteil des OLG Düsseldorf 1-
2 U 64/14 4c S.
15: „Der Fachmann versteht den Begriff „zieht“ vor diesem Hinter-
grund dahin, dass eine Zugkraft auf den unteren Bogen ausgeübt wird, um ihn vor
dem oberen Bogen zu platzieren.“). Weiter befinden sich die Angriffspunkte (130)
der „Zugkraft“ in den Ausführungsbeispielen nach den Figuren 8, 10 und 12 seit-
lich am unteren Bogen
Damit wird auch
in der Streitpatentschrift unter „Ziehen“ lediglich eine Vorwärts-
Positionierung/Verschiebung („positioned forward“, „extended forward“) verstan-
den (vgl. Streitpatent Abs. [0024], [0025]).
7.
Nach Merkmal A10 gemäß Hilfsantrag 2 umfasst das Verbindungsstück
zusätzlich eine Führungsstange (slider 94) und einen Verbindungsarm (connecting
arm 96), wobei der Verbindungsarm (96) mit dem oberen Bogen verbunden ist
und die Führungsstange so eingestellt werden kann, dass sie den unteren Bogen
- 21 -
nach vorn zieht. Unter dem in Merkmal A10 verwendeten
Begriff „slider“ ist ein
Schiebelement zu verstehen, das auf einer Linie geführt ist. Ein Gleitelement, dass
völlig frei auf einer Fläche gleiten kann, ist damit nicht umfasst. So zeigt auch die
Streitpatentschrift in a
llen Ausführungsbeispielen einen „slider“, der sich im Kanal
(channel 22) bewegt, also nur auf einer Linie gleiten kann.
Dabei kann das Schiebeelement (slider 94) und der Verbindungsarm auch einstü-
ckig ausgebildet sein (vgl. Streitpatent Abs.
[0035]: „
“).
III.
Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag und den Hilfsanträ-
gen 1a, 1b, 2 und 2a erweist sich als nicht bestandsfähig und der Nichtigkeitsan-
griff als begründet, da die angegriffene Lehre nach Haupt- und Hilfsanträgen 1 und
2 gegenüber dem Inhalt der Anmeldeunterlagen unzulässig erweitert ist und zu-
dem in sämtlichen verteidigten Fassungen für den angesprochenen Fachmann im
Zeitpunkt der Anmeldung des Streitpatents durch den Stand der Technik nahege-
legt war (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 4 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 lit. a, lit. c
EPÜ).
I.
Unzulässige Erweiterung (Art II § 6 Abs. 1 Satz 1 IntPatÜbkG i. V. m.
Art. 138 Abs. 1 Buchst. EPÜ)
1.
Der Senat sieht die nach Patentanspruch1 gemäß Hauptantrag und
Hilfsanträgen 1 und 2 gemäß Merkmal 6 beanspruchte Einstellbarkeit des Verbin-
dungsstücks im Mund als ursprünglich nicht zur Erfindung gehörend offenbart und
den insoweit auf gestützten klägerischen Angriff als erfolgreich an.
1.1.
Offenbarungsgehalt einer Patentanmeldung nur das, was den ursprünglich einge-
reichten Unterlagen unmittelbar und eindeutig als zu der zum Patent angemelde-
- 22 -
ten Erfindung gehörend zu entnehmen ist. Entscheidend ist, was der Gesamtheit
der ursprünglichen Unterlagen als zur angemeldeten Erfindung gehörend zu ent-
nehmen ist (GRUR 2014, 1026
– Analog-Digital-Wandler), wobei die Ermittlung
dessen, was dem Fachmann als Erfindung und was als Ausführungsbeispiel der
Erfindung offenbart wird, wertenden Charakter hat, und eine unangemessene Be-
schränkung des Anmelders bei der Ausschöpfung des Offenbarungsgehalts der
Voranmeldung vermeidet (BGH GRUR 2014, 542
– Kommunikationskanal).
Entscheidend ist deshalb auch bei einem geänderten Lösungsvorschlag, ob die
ursprüngliche Gesamtoffenbarung der Stammanmeldung für den Fachmann ob-
jektiv erkennen ließ, dass dieser von vornherein von dem Schutzbegehren mit
umfasst werden sollte (BGH GRUR 2010, 509
– Hubgliederungstor). Deshalb ist
es grundsätzlich zulässig, das Patent durch die Aufnahme einzelner oder sämtli-
cher dieser Merkmale in den Patentanspruch zu beschränken, sofern die bean-
spruchte Kombination in ihrer Gesamtheit eine technische Lehre darstellt, die der
Fachmann den ursprünglichen Unterlagen als mögliche Ausgestaltung der Erfin-
dung entnehmen kann, wenn die Merkmale eines Ausführungsbeispiels, die zu-
sammen, aber auch je für sich den durch die Erfindung erreichten Erfolg fördern,
der näheren Ausgestaltung der unter Schutz gestellten Erfindung dienen (BGH
GRUR 2015, 249
– Schleifprodukt).
1.2.
ausdrücklich angesprochen, wie diese Einstellung des Verbindungsstücks auch im
Mund des Benutzers erfolgen kann, noch finden sich einzelne hierauf gerichtete
Ansprüche. Auch die Betrachtung der Ausführungsbeispiele und ihre Erläuterung
erschließt dem Fachmann erst aufgrund seines Fachwissens bei genauerer Ana-
lyse anhand einzelner Ausführungsbeispiele eine Einstellbarkeit im Mund; so bei
dem aus unterschiedlichen Perspektiven dargestellten Ausführungsbeispiel nach
Fig. 2a-d, wo die horizontalen Einstellschrauben (24) durch das horizontale
Loch (43) erreicht werden können.
- 23 -
Zwar sind
– wie der Ausschnitt der Fig. 2a zeigt – in den Figuren horizontale
Schrauben gezeigt, die von vorne zugänglich sind
(vgl. D0a S. 10 Z. 25-
31: „
.“,
Fig. 2a-c, 8, 10), aber diesen Figuren sowie den von der Beklagten genannten
Textstellen D0a S. 11 Z. 27ff., S. 8 Z. 3-17, S. 23 Z. 3ff. kann der Fachmann
lediglich die technische Lehre entnehmen, dass sich die Zugkräfte im Mund durch
Einstellung des Verbindungsstücks ändern; eine ausdrückliche oder implizite
Aussage darüber, ob diese Einstellung im Mund vorgenommen werden kann,
erschließt sich dem Fachmann hierdurch jedoch nicht.
Der Fachmann findet in der Streitpatentschrift ferner sogar Ausführungsbeispiele,
bei welchen eine solche Einstellung im Mund
nicht ermöglicht wird. So zeigt beispielsweise
Fig. 10
zwei
horizontal
nach
vorne
ausgerichtete Einstellvorrichtungen (166, 168)
ohne Einführungsloch (vgl. D0de Abs. [0089]:
.“).
Ferner hat auch die Beklagte eingeräumt, dass das Ausführungsbeispiel nach
Figur 12 nicht im Mund einstellbar ist. Bei diesem verläuft das Dehnelement (124)
im Kanal (174) und wird an den Befestigungsstellen (130, 132) mit dem unteren
Bogen verbunden. Die Einstellung dieses Verbindungsstücks erfolgt durch Wahl
einer geeigneten Länge des Dehnelements (124) und der Position der
Befestigungsstellen (130, 132) (vgl. D0a S. 30 Z. 34-S. 31 Z.
3: „
- 24 -
.“).
1.2.1
möglichen Einstellung im Mund für den Fachmann erst aufgrund eigener, von sei-
nem Fachwissen getragener Überlegungen ergibt, nachdem er die ursprünglichen
Unterlagen analysiert hat, so dass diese Einstellbarkeit bereits nicht zum unmittel-
baren und eindeutigen Offenbarungsgehalt der D1 zählt. Diese Überlegungen mö-
gen zwar einfach sein, sind jedoch der Ursprungsoffenbarung auch nicht implizit
zu entnehmen. Dem steht auch nicht die in der Ursprungsoffenbarung angespro-
chene verbesserte Handhabung und Anpassung an den Benutzer (vgl. D0a S. 4
Z. 9f.
: „ ... ...“) entgegen. Denn diese wird auch
bei einer Einstellmöglichkeit erreicht, die lediglich eine Einstellung außerhalb des
Mundes erlaubt.
Der Senat vermag deshalb der Argumentation der Beklagten nicht zu folgen, der
Fachmann lese diese Information mit. Wenn nach st. Rspr.
das „Mitlesen“ von
Selbstverständlichem auch einzubeziehen ist, so berücksichtigt der Beklagte nicht
hinreichend, dass jedoch immer maßgeblich bleibt, welche technische Information
der Fachmann als Inhalt der gegebenen (allgemeinen) Lehre der früheren Anmel-
dung „unmittelbar und eindeutig“ entnimmt. Die Einbeziehung von Selbstverständ-
lichem erlaubt deshalb keine Ergänzung der Offenbarung durch das Fachwissen,
sondern dient, nicht anders als die Ermittlung des Wortsinns eines Patentan-
spruchs, lediglich der vollständigen Ermittlung des Sinngehalts, d. h. derjenigen
technischen Information, die der fachkundige Leser der Quelle vor dem Hinter-
grund seines Fachwissens entnimmt. Abwandlungen und Weiterentwicklungen
dieser Information gehören deshalb ebenso wenig zum Offenbarten wie diejenigen
Schlussfolgerungen, die der Fachmann kraft seines Fachwissens aus der erhalte-
- 25 -
nen technischen Information ziehen mag (BGH GRUR 2009, 119, Rn. 26
– Olan-
zapin; EPA GrBK 1/98 GRUR Int. 2002, 80, 83). Es fehlt mithin an einer ausdrück-
lichen oder implizieten Offenbarung dieses Merkmals.
1.2.2.
welcher sich dem Fachmann durch Nacharbeiten eröffnet, zur Offenbarung aus-
reichen kann, führt zu keiner abweichenden Bewertung. Nach st. Rspr. (BGHZ 76,
97
– Terephthalsäure) genügt zwar für die Vorwegnahme der erfindungsgemäßen
Lehre im Sinn der Neuheitsprüfung und die Vorbekanntheit einer Verfahrensan-
weisung, dass deren Befolgung zwangsläufig eine Sache oder einen Zustand zur
Folge hat, die objektiv die von der Erfindung gelehrte Beschaffenheit aufweist
(GRUR 2012, 1130
– Leflunomid). Dies steht auch vorliegend bei der Nacharbeit
einzelner Ausführungsbeispiele der in der D1 offenbarten Lehre insoweit außer
Zweifel, als der Fachmann dabei Vorrichtungen erhält, welche eine Einstellung
des Verbindungsstücks im Mund eines Benutzers ermöglichen.
1.3
diese Einstellbarkeit im Mund aber nicht nur offenbart sein muss, sei es ausdrück-
lich, implizit oder inhärent, sondern dass diese technische Lehre auch unmittelbar
und eindeutig als zur Erfindung gehörend offenbart sein muss, d.h. als solche
auch vom Fachmann unmittelbar und eindeutig als Teil des Erfindungsgegenstan-
des erkannt werden muss. Nach der Rechtsprechung des BGH reicht daher
– an-
ders als für die Beurteilung der Neuheit
– auch bei der inhärenten Offenbarung
nicht schon der Umstand aus, dass sich beim Nacharbeiten der Offenbarung eines
Ausführungsbeispiels zwangsläufig ein bestimmtes Merkmal ergibt. Wird die erfin-
dungsgemäße Lehre durch eine in der Anmeldung nicht (deutlich) offenbarte Ei-
genschaft eines ihrer Bestandteile charakterisiert, die dem Fachmann eine zielge-
richtete Auswahl geeigneter Ausführungsformen erlaubt (hier: fehlende Einstell-
barkeit im Mund), fehlt es an einer Offenbarung in der Anmeldung, wenn die Ei-
genschaft objektiv auch einem dort offenbarten Ausführungsbeispiel zukommt, sie
für den Fachmann aber jedenfalls nicht ohne Weiteres zu erkennen ist (siehe
GRUR 2012, 1133
„UV-unempfindliche Druckplatte“).
- 26 -
Mag deshalb dem Fachmann diese Möglichkeit bei der Nacharbeit der Lehre der
D1 auch nicht verborgen bleiben oder mag man dem Senat nicht folgen, dass eine
entsprechende implizite Offenbarung durch Mitlesen zu verneinen ist, so fehlt es
jedenfalls an dieser weiteren Voraussetzung. Denn der Fachmann kann aufgrund
der nur teilweise zielführenden Ausführungsbeispiele nicht unmittelbar und ein-
deutig erkennen, dass die Einstellbarkeit im Mund als mögliche Ausführungsform
auch zum Erfindungsgegenstand der D1 gehört und dieser zumindest auch auf
eine Einstellung innerhalb des Mundes gerichtet ist.
1.4.
fene Lehre als gegenüber dem Inhalt der Anmeldung unzulässig erweitert ist. Al-
lerdings folgt der Senat nicht der weiteren Folgerung, insoweit liege nicht nur eine
unzulässige Aufnahme eines nicht offenbarten einschränkenden Merkmals (unei-
gentliche Erweiterung) vor, sondern eine andere technische Lehre (ein Aliud). In-
sofern ist zur Abgrenzung maßgeblich, ob durch das eingefügte Merkmal lediglich
eine Anweisung zum technischen Handeln konkretisiert wird, die in diesen Unter-
lagen als zur Erfindung gehörend offenbart ist, oder ob damit ein technischer As-
pekt angesprochen wird, der daraus weder in seiner konkreten Ausgestaltung
noch auch nur in abstrakter Form als zur Erfindung gehörend zu entnehmen ist
(BGHZ 204, 199
– Wundbehandlungsvorrichtung). Ersteres ist vorliegend der Fall,
da durch Merkmal 6 lediglich das ursprünglich offenbarte und beanspruchte Ver-
bindungsstück durch seine Eignung zur Einstellbarkeit im Mund lediglich in seiner
räumlich körperlichen Ausgestaltung konkretisiert wird.
Der Nichtigkeitsangriff erweist sich deshalb als erfolgreich. Da der Senat der Auf-
fassung folgt, dass
– wie vorliegend auch durch die Hilfsanträge 1a und 2a ge-
schehen
– die Verteidigung des Patents durch eine gedankliche Weglassung des
unzulässig erweiterten Merkmals (BGH GRUR 2011, 40
– Winkelmesseinrichtung)
eine beschränkte Verteidigung darstellt, welche nach dem Antrag der Beklagten
zudem unter Aufnahme eines Disclaimers erfolgt, bedarf die nach Hauptantrag
verteidigte Fassung insoweit keiner ergänzenden Überprüfung auf Bestand.
- 27 -
II. Patentfähigkeit von Patentanspruch 1
1.
Patentanspruch 1 nach Hauptantrag
Bezogen auf den maßgeblichen Prioritätszeitpunkt des Streitpatents ist die ange-
griffene Lehre nach Patentanspruch 1 ausgehend von der D1 nahe gelegt.
1.1.
Kombination der Ausführungsbeispiele der D1 gestützte Angriff der Klägerin
– wie
er noch im Rahmen der erfinderischen Tätigkeit im Einzelnen erläutert wird
– be-
reits aus Rechtsgründen nicht zu folgen ist, auch wenn die Figuren 2d und 3a sich
in einer Schrift befinden. Denn damit ist nicht zugleich die Kombination einzelner
Merkmale unmittelbar und eindeutig offenbart; eine derartige Kombination ist im
Streitpatent nicht angesprochen und kann nicht einfach mitgelesen werden; hierzu
bedarf es vielmehr des Einsatzes fachmännischer Überlegungen. Die Lehre nach
Patentanspruch 1 ist deshalb neu.
1.2.
Tätigkeit beruht, ist von dem auszugehen, was der Gegenstand der Erfindung in
der Gesamtheit seiner Lösungsmerkmale in ihrem technischen Zusammenhang
(BGH GRUR 2007, 1055
– Papiermaschinengewebe) gegenüber dem Stand der
Technik im Ergebnis tatsächlich leistet (BGH GRUR 2010, 607
– Fettsäurezu-
sammensetzung), wobei verschiedene Ausgangspunkte in Betracht zu ziehen sein
können (BGH GRUR 2009, 1039
– Fischbissanzeiger).
Als Ausgangspunkt für eine Suche des Fachmanns, eine verbesserte Vorrichtung
zur Verbesserung der Atmung bereitzustellen, insbesondere einer Erhöhung der
Sicherheit des Sitzes und verbesserter Anpassung, ist eine Vorrichtung nach
Druckschrift D1 zu sehen, die in Fig. 2d eine Vorrichtung (10) zur Verbesserung
der Atmung eines Benutzers zeigt (vgl. D1de Abs.
[0001]: „
Merkmal 1
- 28 -
1.3.
mindestens einige der oberen Zähne des Benutzers aufzunehmen, und einen
unteren Bogen (14), der dafür ausgelegt ist,
mindestens einige der unteren Zähne des
Benutzers aufzunehmen (vgl. D1de Abs. [0022]:
Weiter ist ein Verbindungsstück (Pfeiler (16) zusammen mit Halteeinrichtung (29)
vorhanden, das den oberen Bogen (12) mit dem unteren Bogen (14) einstellbar
verbindet (vgl. D1de [0035]: „
Bogens14
Merkmal 4 ohne Kopplung]
liegt nach dem Ausführungsbeispiel in Fig. 2d hinter der Halteeinrichtung (29) und
ist daher mit dieser nur lose verbunden und erfüllt damit keine Kopplung nach
Merkmal 4 und 6
- 29 -
Im weiteren Ausführungsbeispiel nach der Figur 3a
ist hingegen offenbart, dass der Pfosten (16) mit
dem unteren Bogen über eine Verbindung aus
Haken und Eingriff verbunden werden kann, damit
der Kontakt zwischen Pfeiler (16) und unterem
Bogen (14) bei Öffnen des Mundes nicht verloren
geht (vgl. D1de Abs.
[0036]: „
.“). Dieser Haken stellt – analog zum
Haken (44) im Ausführungsbeispiel nach Fig. 2a bis 2c der Streitpatentschrift
eine Verbindung im engeren Sinne einer Ankopplung oder Verankerung und
technischen Verständnis des V
erbs „couple“ dar.
Für den vorliegend angesprochenen Fachmann
drängte
sich
bei
Betrachtung
beider
Ausführungsbeispiele angesichts der Aufgabe,
eine Erhöhung der Sicherheit des Sitzes und
verbesserte Anpassung zu schaffen sofort auf,
dass insbesondere das unbeabsichtigte Lösen der
Vorwärtsposition nach dem Ausführungsbeispiel
nach Fig. 2d der D1 zu vermeiden war und dass
mit
einer
Kombination
der
beiden
Ausführungsbeispiele nach den Figuren 2d und 3a
dadurch zu erzielen war, dass der Pfeiler (16) in
der
Halteeinrichtung (29)
nach
Figur 2d
einzuhaken ist, d. h. der Anschlag (29) muss nur
mit einem Eingriff versehen werden oder
– wie die
Klägerin auch anschaulich anhand der abgebildeten Skizze während der
Ausschnitt aus Skizze
- 30 -
Verhandlung zeigte
– den Haken (16) der Fig. 3A an der Halteeinrichtung (29) der
Merkmal 4].
Die Einstellung des Verbindungsstücks (Halteeinrichtung 29) erfolgt über die hori-
zontal vorne angeordnete Stellschraube (31) im unteren Bogen (14) (vgl. D1de
Fig. 2d Abs.
[0035]: „
.“). Wenn die Vorrichtung 19 in den Mund
des Benutzers eingeführt ist, befindet sich diese Stellschraube zwischen den unte-
ren Schneidezähnen und der Unterlippe. Sie ist damit zugänglich und die Halteein-
Merkmal 6
tung im Mund eines Benutzers eingeführt ist.
Soweit die Beklagte die Einstellbarkeit im Hinblick auf das untere Lippenbändchen
bestreitet, trifft diese Argumentation nicht zu, da aufgrund der Erreichbarkeit von
vorne eine Einstellbarkeit im Mund gegeben ist und das untere Lippenbändchen
der Erreichbarkeit nicht entgegensteht.
Analog zur Vorrichtung nach dem Streitpatent ermöglicht das Verbindungs-
stück (16, 29) auch eine seitliche Bewegung des unteren Bogens (14) im Verhält-
nis zum oberen Bogen
(12) (vgl. D1de [0024]: „
.“)
Merkmal 5
kannten Vorteile auch beibehalten, wenn er die Ausführungsformen nach den Fi-
guren 2d und 3a kombiniert. Bei der Alternative des Unterhakens des Halteele-
ments ist die laterale Beweglichkeit
– entgegen der Auffassung der Beklagten –
bereits inhärent vorhanden, wird eine Ausnehmung als Einhakmöglichkeit verwen-
det, so wird der Fachmann die Ausnehmung wie in Fig. 3a breiter als den Haken
ausbilden und gelangt damit auch bei Kombination der Lehre aus Fig. 2d und 3a
Merkmal 5
- 31 -
Die Vorwärtsposition des unteren Bogens im Verhältnis zum oberen Bogen wird
dadurch erreicht, dass die Halteeinrichtung (29) den Pfeiler (16) nach vorne positi-
oniert. Damit wird der untere Bogen mittels Krafteinwirkung in eine Vorwärtsposi-
tion gebracht, was
Merkmal 7
auch die Druckkraft (= negative Zugkraft) der Halteeinrichtung (29) auf den Pfei-
ler
(16) ein „Ziehen“ des unteren Bogens gegenüber dem oberen Bogen bewirkt.
Analog zum Ausführungsführungsbeispiel nach Fig. 2a bis 2c der Streitpatent-
schrift umgreift der Haken (16) nach Fig. 3a der D1 den unteren Bogen von hinten
und zieht ihn nach vorne (vgl. D1 S. 4 Z. 11-
14: „
.“).
Somit gelangt der Fachmann bei Kombination der Ausführungsbeispiele nach den
Figuren 2d und 3a der D1 in nahe liegender Weise zur Vorrichtung des Anspruch
1 nach dem Streitpatent.
2.
Patentanspruch1 nach Hilfsanträgen 1, 1a, 2, 2a
Es kann auch dahin stehen, ob die hilfsweise verteidigten Anspruchsfassungen
zulässig sind, insbesondere zur Vermeidung einer unzulässigen Erweiterung im
Hinblick auf Merkmal 6 eines Disclaimers bedürfen und deshalb nur die Hilfsan-
träge 1a und 2a insoweit zur beschränkten Verteidigung zuzulassen sind. Denn
sämtliche Anspruchsfassungen erweisen sich als nicht patentfähig.
Hilfsanträgen 1,
1a, 2 und 2a
chenen Fachmann durch den Stand der Technik nahegelegt ist (Art. II § 6 Abs. 1
2.1.
ten Anspruch 1 (Hauptantrag) entsprechen, gelten die Ausführungen zu An-
spruch 1 nach Hauptantrag, wobei hinsichtlich der disclaimerten Fassung des
- 32 -
Merkmals 6 nach Hilfsantrag 1a folgerichtig keine für die Beklagte günstigere Be-
trachtung angezeigt ist.
2.2
die Merkmale
A3 und A10/A10‘ hinzu:
A3
wherein the connector (16; 134) is operable to allow the user's lower jaw to
move freely in a vertical direction relative to the upper arch (12; 112),
A10[‘] and wherein[in which] the connector (16) comprises a slider (94) and a con-
necting arm (96), the connecting arm (96) coupling to the upper arch (12),
the slider (94) operable to be adjusted to pull the lower arch (14) forwardly.
Das Verbindungsstück (post 16, 16a-c) in der D1 nach den Figuren 2a bis 2c ist
ebenfalls als „slider“ anzusehen, der in dem Kanal (slot 24) verschoben werden
kann. Zusätzlich ist in der D1 angegeben, die Ausführungsform nach den Figu-
ren 2a bis 2c mit der Ausführungsform nach der Fig. 3a zu kombinieren (vgl. D1
S. 12 Z. 19-
26: „
.“). Durch die gewünschte Positionierung kann das Schiebeelement
(post 16, 16a-c) auch so eingestellt werden, dass der senkrechte Pfosten den un-
A10/A
10‘
Eine vertikale Beweglichkeit ist offensichtlich bei der Ausführungsform nach Fi-
gur 2d (Alternative ohne Kopplung) möglich, ebenso jedoch auch bei der Ausfüh-
rung nach der Figur 3a mit Haken. So soll der Haken (16) nach Fig. 3a die Bewe-
gung nur dahingehend einschränken, dass der Mund nicht zu öffnen ist,
also zuerst frei und danach eingeschränkt ist (vgl. D1 S. 11 Z. 18-
20: „
.“). Auch die Streitpatentschrift geht von einem derartigen Verständnis
für die vertikale Beweglichkeit aus, die nur innerhalb eines gewissen Bereichs zu-
gelassen wird (vgl. Anspruch 3 nach Hilfsantrag 2:
- 33 -
A3
Wie mit der D1 dargestellt, ist entgegen der Auffassung der Beklagten zur Reali-
sierung des Merkmals A3 nicht erforderlich, dass ein Gelenk am Verbindungsarm
oder der Führungsstange (slider) vorhanden ist. Auch der Argumentation der Be-
klagten hinsichtlich einer fehlenden Kopplung und damit die mögliche Gefahr des
Rückfallens in die Normalposition ist nicht zuzustimmen (siehe hierzu die Ausfüh-
rungen zur Kopplung bezüglich des Gegenstandes nach Hauptantrag).
Im Übrigen ist es als fachmännische und handwerkliche Maßnahme anzusehen,
ein gewisses Spiel hinsichtlich der vertikalen Bewegung zuzulassen, um dem Be-
nutzer den Tragekomfort zu erhöhen.
Damit ergibt sich der Gegenstand des Anspruchs 1 nach den Hilfsanträgen 2 und
2a ebenso in nahe liegender Weise aus der D1.
3.
Unteransprüche
Hinsichtlich der Unteransprüche bedurfte es nach der ständigen Rechtsprechung
des Senats keiner Sachprüfung, da die Beklagte ausdrücklich keine isolierte Ver-
teidigung einzelner Ansprüche geltend gemacht hat und auch insoweit trotz aus-
drücklicher Befragung in der mündlichen Verhandlung keine selbstständig begrün-
dete erfinderische Besonderheit geltend gemacht hat. Das Streitpatent konnte
deshalb auch nach den mit den Hilfsanträgen beschränkt verteidigten Fassungen
insgesamt keinen Bestand haben.
V.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. §§ 91 Abs. 1, 101,
100 Abs. 2 ZPO.
- 34 -
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 99 Abs. 1
PatG i. V. m. § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung gegeben.
Die Berufungsschrift muss von einer in der Bundesrepublik Deutschland
zugelassenen Rechtsanwältin oder Patentanwältin oder von einem in der
Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Rechtsanwalt oder Patentanwalt
unterzeichnet
und
innerhalb
eines
Monats
beim
Bundesgerichtshof,
Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe eingereicht werden. Die Berufungsfrist beginnt
mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber
mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufungsfrist kann
nicht verlängert werden.
Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung
gerichtet wird, sowie die Erklärung enthalten, dass gegen dieses Urteil Berufung
eingelegt werde. Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte
Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
Engels
Kopacek
Dr. Müller
Veit
Zimmerer
Pr