Urteil des BPatG vom 11.05.2015

Stand der Technik, Pumpe, Epü, Patentanspruch

BPatG 253
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
4 Ni 36/13 (EP)
(Aktenzeichen)
URTEIL
An Verkündungs Statt
zugestellt am
11. Mai 2015
In der Patentnichtigkeitssache
- 2 -
betreffend das europäische Patent 2 218 468
(DE 600 47 582)
hat der 4. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche
Verhandlung vom 3. Februar 2015 durch den Vorsitzenden Richter Engels sowie
die Richterin Kopacek, den Richter Dipl.- Phys. Dr. Müller, Dipl.- Ing. Veit und die
Richterin Dipl.- Phys. Univ. Zimmerer für Recht erkannt:
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 %
des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Gegenstand des Nichtigkeitsverfahrens ist das auch mit Wirkung für die Bundes-
republik Deutschland erteilte europäische Patent EP 2 218 468 B1, deutsches
Aktenzeichen
DE 600 47 582
(Streitpatent)
mit
dem
Anmeldetag
7. Dezember
2000, das eine „Breastpump“ (Brustpumpe) betrifft. Das in der Ver-
fahrenssprache Englisch erteilte Streitpatent beruht auf der europäischen Patent-
anmeldung Nr. 10004174.8, die als Teilanmeldung (EP 2 218 468 A2) zu der eu-
ropäischen Patentanmeldung Nr. 00993020.7 am 20. April 2010 eingereicht
wurde, die auf der am 7. Dezember 2000 eingereichten internationalen Patentan-
meldung PCT/US00/42659 beruht, veröffentlicht am 5. Juli 2001 als WO 01/47577
A2. Das Streitpatent umfasst 17 Patentansprüche, welche sämtlich angegriffen
sind.
Mit ihrer Nichtigkeitsklage macht die Klägerin geltend, der Gegenstand des Streit-
patents gehe gemäß Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 lit c
EPÜ über den Inhalt der Stammanmeldung und der Teilanmeldung hinaus, wie
auch die Teilanmeldung (EP 10004174.8) von dem Inhalt der Stammanmeldung
- 3 -
(PCT/US00/42659,
veröffentlicht
als
WO 01/47577 A2),
abweiche,
u. a.
hinsichtlich der Aufgabenstellung, geänderter Figuren, des Inhalts und der Anzahl
der Ansprüche, geänderter Rückbezüge, weshalb das Streitpatent bereits zu
widerrufen sei. Dies gelte auch für den Gegenstand nach Patentanspruch 1 in der
erteilten Fassung und insbesondere auch für die geltenden Patentansprüche 2
und 3, da weder dem Inhalt der Teil- noch der Stammanmeldung zu entnehmen
sei, dass eine Schale und ein Deckel bzw. ein Deckel weiterer, isolierter
Erfindungsgegenstand und Gegenstand eines eigenen Schutzbegehrens gewesen
seien; vielmehr seien diese dort nur als Vorrichtungselemente der auf die
erfindungsgemäße Brustpumpe gerichteten Lehre offenbart.
Zudem macht die Klägerin mangelnde Neuheit des Streitpatents sowie mangelnde
erfinderische Tätigkeit gemäß Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG i. V. m Art. 138
Abs. 1 lit. a EPÜ, 52 und Art. 54 EPÜ geltend. Die Klägerin beruft sich hierzu auf
folgende vorveröffentlichten Schriften:
E1
US 3 039 399
E2
EP 0 818 627 A2
E3
US 5 724 881 A
E4
EP 0 307 069 B1
E5
EP 0 582 628 B1
und verweist ferner auf den bereits im Prüfungsverfahren vor dem EPA zitierten
Stand der Technik:
D1
US 5 776 098 A
D5
WO 99/51882 A1
D6
EP 0 330 845 A2.
Des Weiteren vertritt die Klägerin die Auffassung, der Gegenstand des An-
spruchs 1 sei in der erteilten Fassung nicht neu gegenüber der D1. Insbesondere
nehme die D1 auch die Merkmale 6.2 bis 7.2 des Patentanspruchs 1 (vgl. die klä-
- 4 -
gerische Merkmalsanalyse in Anlage K3) neuheitsschädlich vorweg; diesbezüglich
sei auf die Figur 8 der D1 sowie auf Spalte 5, Zeile 15 ff. der D1 zu verweisen.
Auch die Merkmale 8 und 9 seien erfüllt. Selbst wenn in der D1 der Deckel nicht
mit einer Fixierfunktion neuheitsschädlich offenbart sei, liege es für den Fachmann
nahe, einen ohnehin schon verwendeten Deckel so auszugestalten, dass er zum
Fixieren von Schale und Membran benutzt werden könne. Dies ergebe sich allein
schon unter dem Gesichtspunkt einer Vereinfachung. Der Gegenstand des Pa-
tentanspruchs 1 in der erteilten Fassung sei zudem gegenüber der E1 nahegelegt.
Die Patentansprüche 2 und 3 beruhten ebenfalls nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
Ausgehend von der E1, die nur im Merkmal 3.2 abweiche, sei es für den Fach-
mann naheliegend, zur Lehre des Patentanspruchs 2 zu gelangen. Es böten sich
nur zwei Möglichkeiten an, den Deckel zu befestigen, nämlich an der Schale oder
an der Membran. Ein zweiter Ansatz bestehe darin, ausgehend von der D1 die E1
heranzuziehen, nämlich die Lehre, den Deckel an der Membran anzubringen, in
dem ein umlaufender Kanal gebildet werde. Entsprechendes gelte für den Pa-
tentanspruch 3 sowie für die weiteren Ansprüche als selbstverständliche Weiter-
bildungen. Die Gegenstände der Hilfsanträge 1 bis 6 erwiesen sich ebenfalls als
unzulässig bzw. nicht patentfähig.
Die Klägerin beantragt,
das europäische Patent EP 2 218 468 B1 (DE 600 47 582.4) mit
Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland
für nichtig zu erklären.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen, hilfsweise die Klage abzuweisen, soweit
das Streitpatent mit den Hilfsanträgen 1 bis 6 aus dem Schriftsatz
vom 5. Januar 2015 verteidigt wird.
- 5 -
Die Beklagte macht geltend, dass die Patentansprüche 1, 2 und 3 weder gegen-
über dem Inhalt der Stammanmeldung noch hinsichtlich der Teilanmeldung unzu-
lässig erweitert seien. Zudem erachtet die Beklagte das Streitpatent in der erteilten
Fassung, jedenfalls aber in den Hilfsanträgen 1 bis 6 für patentfähig. Sie tritt der
Argumentation der Klägerin im Hinblick auf die fehlende Neuheit und die fehlende
erfinderische Tätigkeit des Patentanspruchs 1 in allen Punkten entgegen. Die D1
offenbare weder eine dichtende, noch eine fixierende Funktion des Deckels. Zu-
dem gelange der Fachmann weder anhand der D1 noch anhand der E1 nahelie-
gend zur Lehre der Patentansprüche 2 und 3.
Der Senat hat den Parteien einen frühen qualifizierten Hinweis vom
24. November 2014 nach § 83 Abs. 1 PatG zugeleitet, auf dessen Inhalt Bezug
genommen wird (Bl. 185 ff. d. A.).
Im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze samt
allen Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom
3. Februar 2015 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet, denn der Senat hat nicht feststellen
können, dass der Gegenstand des Streitpatents über den Inhalt der früheren An-
meldung in ihrer bei der für die Einreichung der Anmeldung zuständigen Behörde
ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht, Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 IntPatÜG,
Art. 138 Abs. 1 lit. c EPÜ, oder aufgrund mangelnder Patentfähigkeit für nichtig zu
erklären ist, Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 lit. a EPÜ i. V. m.
Art. 52 bis Art. 57 EPÜ. Da sich bereits die Verteidigung des Streitpatents in der
erteilten Fassung als erfolgreich erweist, bedurften die mit den Hilfsanträgen 1-6
jeweilig verteidigten Fassungen des Streitpatents keiner Entscheidung.
- 6 -
1.
Der Gegenstand des Streitpatents betrifft eine Pumpe für eine Brustpumpe
(pump for a breastpump) (Anspruch 1), einen Deckel (cover) und einer Schale
(shell) zur Verwendung in einer solchen Pumpe (Anspruch 2) und einen Deckel
zur Verwendung in einer solchen Pumpe (Anspruch 3) (siehe Streitpatent
Abs. [0001]).
Brustpumpen dienen zum Abpumpen von Muttermilch bei stillenden Müttern
(siehe Streitpatent Abs. [0002]). Einführend wird im Streitpatent erläutert, dass
manuelle und Strom- oder Batterie-betriebene Brustpumpen alltäglich sind
(Abs. [0003]-[0005]). Prinzipiell wird bei den
bekannten Brustpumpen über eine Pumpe
ein Unterdruck erzeugt, ein Saugschlauch mit
der Brusthaube verbunden und mittels Unter-
druck über die Brusthaube Milch von der
Mutterbrust abgesaugt. Als Stand der Technik
wird im Streitpatent unter anderem die Schrift
US 5 773 098 (D1) angegeben, die in der ab-
gebildeten Figur 1 eine derartige motorbetrie-
bene derartige Brust-Membranpumpe zeigt.
So wird mittels eines Motors 10 im Ge-
häuse 14 ein Unterdruck erzeugt, ein Saug-
schlauch 18 ist mit der Brusthaube 16 ver-
bunden und mittels Unterdruck wird über die
Brusthaube Milch von der Mutterbrust abge-
saugt. Im Streitpatent wird hierzu ausgeführt,
dass diese Pumpe mit einer flexiblen Memb-
ran innerhalb eines starren Elements ausge-
stattet ist und einen Motorantrieb zur Bewegung der Membran aufweist. Bei der
Bewegung wird ein freier Raum zwischen der Membran und dem starren Element
erzeugt, wodurch ein Unterdruck gebildet wird. Weiter ist in der Beschreibungs-
einleitung angegeben, dass in dieser Membranpumpe eine dünne Membran-ähnli-
- 7 -
che Einweg-Abdeckung zwischen der Membran und dem starren Element ange-
ordnet sein kann (Streitpatent Abs. [0008]).
Auch Figur 1 des Streitpatents zeigt eine derartige Brust-Membranpumpe:
2.
Aufgabe
Brustpumpe mit einer abnehmbaren Abdeckung für zumindest die Reinigung oder
die Entsorgung bereitzustellen (siehe Streitpatent Abs. [0012]).
3.
Lösung
Anspruch 1, einen Deckel und Schale zur Verwendung in einer erfindungsgemä-
ßen Pumpe nach Anspruch 2 und einen Deckel zur Verwendung in einer Pumpe
nach Anspruch 3 vor.
3.1.
(Merkmalsgliederung hinzugefügt):
M
A pump for a breastpump comprising:
M1.
a chamber
M1.1
defined by a shell (24’) and
M1.2
a member (34) movable relative to the shell
(24’);
M2.
a mechanism (74a, 74b)
- 8 -
M2.1
connected to said movable member (34)
M2.2
which moves the movable member (34) to expand and
contract a volume defined within the chamber;
M3.
a port
(31) in the shell (24’)
M3.1
through which fluid moves in response to expansion and
contraction of said volume;
M4.
wherein the pump comprises a cover (36)
M4.1
between the shell
(24’) and the movable member (34)
M4.2
isolating the movable member (34) from fluid,
M4.3
wherein the cover (36) is removably mounted for at least
one of cleaning and disposal,
M5.
the shell
(24’) having a generally hemispherical interior
shape;
M6.
the movable member (34) being a flexible membrane
M6.1
movable within the hemispherical shape to expand and
contract a volume
M6.1.1 created in the chamber defined between the flexible mem-
brane (34) and shell
(24’) and
M6.2
the flexible membrane (34) having a circumferential col-
lar (85) and
M7.
the shell
(24’) has an internal opening defined therein
M7.1
sized to encompass the collar (85) and
M7.2
the shell
(24’) being in a substantially airtight fit with the
flexible membrane (34),
characterized in that
M8.
the cover (36) is received over the collar (85), and
M9.
the shell
(24’) encompasses the collar (85) with the
cover (36) mounted on the collar (85) in the substantially
airtight fit,
M10.
the cover (36) thereby forming a gasket between the col-
lar (85) and shell
(24’),
- 9 -
M11.
whereby the shell
(24’) is releasably fixed to the mem-
brane (34).
Übersetzung des Patentanspruchs 1
M
Pumpe für eine Brustpumpe aufweisend:
M1.
eine Kammer
M1.1
definiert durch eine Schale
(24’) und
M1.2
einem relativ zu dieser Schale bewegbaren Teil (34);
M2.
einen
M2.1
mit diesem bewegbaren Teil (34) verbundenen
[M2.]
Mechanismus (74a, 74b),
M2.2
welcher den bewegbaren Teil (34) bewegt, um ein
innerhalb der Kammer definiertes Volumen zu expan-
dieren und kontrahieren;
M3.
eine Öffnung (31) in der Schale
(24’),
M3.1
durch welche sich ein Fluid als Folge der Expansion
und Kontraktion dieses Volumens bewegt;
M4.
einen Deckel (36)
M4.1
zwischen der Schale
(24’) und dem bewegbaren
Teil (34),
M4.2
welcher den bewegbaren Teil (34) gegenüber Fluid iso-
liert,
M4.3
wobei der Deckel (36) mindestens zum Reinigen
und/oder zur Entsorgung entfernbar befestigt ist,
M5.
wobei die Schale
(24’) eine im Wesentlichen halbkugel-
förmige innere Form aufweist;
M6.
wobei der bewegbare Teil (34) eine flexible Membran
ist,
M6.1
welche innerhalb der halbkugelförmigen Form beweg-
bar ist, um ein Volume zu expandieren und kontrahie-
ren,
- 10 -
M6.1.1 welches in der durch die flexible Membran (34) und die
Schale
(24’) definierten Kammer erzeugt ist und
M6.2
wobei die flexible Membran (34) einen umlaufenden
Kragen (85) aufweist und
M7.
die Schale
(24’) eine darin definierte innere Öffnung
aufweist,
M7.1
welche bemessen ist, um den Kragen (85) zu umfas-
sen, und
M7.2
wobei die Schale
(24’) mit der flexiblen Membran (34)
eine im Wesentlichen luftdichte Passung bilden,
dadurch gekennzeichnet, dass
M8.
der Deckel (36) über dem Kragen (85) aufgenommen
ist, und
M9.
die Schale
(24’) den Kragen (85) mit dem auf dem Kra-
gen (85) angeordneten Deckel (36) in der im Wesentli-
chen luftdichten Passung umschließt,
M10.
wobei der Deckel (36) eine Dichtung zwischen dem
Kragen (85) und der Schale
(24’) bildet,
M11.
wobei die Schale
(24’) lösbar mit der Membran (34) ver-
bunden ist.
3.2. Patentanspruch 2
N
A cover (36) and a shell
(24’) for use in a pump according
to claim 1,
N1.
the shell
(24’)
N1.1
having a port (31) and
N1.2
a generally hemispherical interior shape with an internal
opening defined therein,
N2.
wherein the cover (36) is received within the hemispherical
interior shape of the shell
(24’),
characterized in that
- 11 -
N3.
the cover (36) comprises an interior circumferential chan-
nel (93)
N3.1
formed within the interior bottom of the cover (36) by a first
bead (91) and a shoulder (92),
N3.1.1 which each run circumferentially around the cover (36),
N3.2
the channel (93) being shaped for being received on a rim
on the collar (85) of the membrane (34) of the pump.
Übersetzung des Patentanspruchs 2
N
Deckel (36) und Schale
(24’) zur Verwendung in einer
Pumpe gemäß Anspruch 1,
N1.
wobei die Schale
(24’)
N1.1
einen Anschluss (31) und
N1.2
eine im Wesentlichen halbkugelförmige innere Form mit
einer darin definierten inneren Öffnung aufweist,
N2.
wobei der Deckel (36) in der halbkugelförmigen inneren
Form der Schale
(24’) aufgenommen ist,
dadurch gekennzeichnet, dass
N3.
der Deckel (36) einen inneren umlaufenden Kanal (93)
aufweist,
N3.1
welcher innerhalb der inneren Unterseite des Deckels (36)
durch einen ersten Wulst (91) und eine Schulter (92) ge-
bildet ist,
N3.1.1 welche beide den Deckel (36) umfänglich umlaufen,
N3.2
wobei der Kanal (93) ausgebildet, um auf einem Rand des
Kragens (85) der Membran (34) der Pumpe aufgenommen
zu werden.
3.3.
O
A cover (36) for use in a pump according to claim 1,
characterized in that
- 12 -
O1.
the cover (36) comprises an interior circumferential chan-
nel (93)
O1.1
formed within the interior bottom of the cover (36) by a first
bead (91) and a shoulder (92),
O1.1.1 which each run circumferentially around the cover (36),
O1.2
the channel (93) being shaped for being received on a rim
on the collar (85) of the membrane (34) of the pump.
Übersetzung des Patentanspruchs 3
O
Deckel (36) zur Verwendung in einer Pumpe gemäß An-
spruch 1,
dadurch gekennzeichnet, dass
O1.
der Deckel (36) einen inneren umlaufenden Kanal (93)
aufweist,
O1.1
welcher innerhalb der inneren Unterseite des Deckels (36)
durch einen ersten Wulst (91) und eine Schulter (92) ge-
bildet ist,
O1.1.1 welche beide den Deckel (36) umfänglich umlaufen,
O1.2
wobei der Kanal (93) ausgebildet, um auf einem Rand des
Kragens (85) der Membran (34) der Pumpe aufgenommen
zu werden.
3.4.
mittelbar auf Patentanspruch 1 (Pumpe) rückbezogen, der angegriffene Unteran-
spruch 16 ist unmittelbar auf Anspruch 2 (Deckel und Schale) und der angegrif-
fene Unteranspruch 17 ist auf den nebengeordneten Anspruch 3 (Deckel) rückbe-
zogen. Wegen dieser erteilten Unteransprüche wird auf die Streitpatentschrift Be-
zug genommen.
4.
Fachmann
Hochschulabschluss in der Fachrichtung Maschinenbau oder Medizintechnik mit
mehrjähriger Berufserfahrung in der Entwicklung von Brustpumpen.
- 13 -
Für diesen Fachmann ist es aufgrund der Interdisziplinarität der Medizintechnik
selbstverständlich, mit Fachleuten aus benachbarten Fachgebieten zusammenzu-
arbeiten. Aufgrund der gewünschten Weiterentwicklung der bekannten Membran-
Brustpumpen wird dieser Fachmann daher bei Bedarf Unterstützung bei Maschi-
nenbauern mit Fachwissen in der Konstruktion und Entwicklung von Membran-
pumpen, insbesondere von in der Medizintechnik eingesetzten Membranpumpen,
einholen.
Entgegen der Auffassung der Beklagten stellt daher auch die Druckschrift E1 ei-
nen relevanten Stand der Technik dar, da der Fachmann zur Weiterbildung des
Deckels und der Schale in einer Brust-Membranpumpe nicht nur Brustpumpen,
sondern selbstverständlich auch andere medizinischen Membranpumpen in Be-
tracht ziehen wird, wenn er Lösungen für seine Problemstellung bei Brustpumpen
erwarten kann. Der Fachmann wird deshalb bei der Umschau nach Lösungen für
eine Verbesserung Membranpumpen mit beliebiger, von Brustpumpen abwei-
chender Verwendung
– wie die Brustpumpe nach der E1 – nicht von vornherein
ausschließen.
II.
Aufgrund der nach Art. 69 Abs. 1 EPÜ maßgeblichen Auslegung des Inhalts der
Patentansprüche und der am technischen Sinn- und Gesamtzusammenhang der
Patentschrift orientierenden Betrachtung und Auslegung der Patentansprüche
durch den angesprochenen Fachmann legt der Senat der Lehre nach Anspruch 1
folgendes Verständnis zu Grunde:
1.
Anspruch 1 ist nach Merkmal
M auf eine „Pumpe für eine Brustpumpe“
gerichtet, d.
h. auf eine Pumpe, welche durch die Zweckangabe „für eine Brust-
pumpe“ dahingehend charakterisiert ist, dass die Pumpe für diese Funktion be-
nutzbar ist, ohne auf eine solche Verwendung eingeschränkt zu sein, so dass die
Zweckangabe letztlich ein Geeignetheitskriterium bildet (BGH GRUR 2012, 475
- 14 -
Elektronenstrahltherapiesystem; GRUR 2009, 837
– Bauschalungsstütze; BPatG
Urt. v. 27.3.2012, 4 Ni 24/10 = Mitt. 2012, 354
– Kaffeemaschine), welche den
Gegenstand des Anspruch näher bestimmt und abgrenzt.
Diese Pumpe weist u. a. folgende für die konstruktive Ausgestaltung wesentlichen
Komponenten auf:
eine Schale (24') mit einer im Wesentlichen halbkugelförmigen inneren
Form (M5) und einer Öffnung (M3.1), durch welche sich ein Fluid als Folge
der Expansion und Kontraktion dieses Volumens bewegt (M3, M3.1),
eine flexible Membran (34), die relativ zur Schale innerhalb der
halbkugelförmigen Form bewegbar ist (M1.2, M6, M6.1, M6.1.1),
einen Deckel (36) zwischen Schale und Membran (M4.1), welcher mindes-
tens zum Reinigen und/oder zur Entsorgung entfernbar befestigt ist (M4.3)
und den bewegbaren Teil (34) gegenüber Fluid isoliert (M4.2), und
einen Mechanismus (74a, 74b) verbunden mit der Membran (M2, M2.1,
M2.2) zum Bewegen der Membran (34), um ein innerhalb der Kammer de-
finiertes Volumen zu expandieren und kontrahieren (M1, M1.1, M2, M2.1,
M2.2).
1.1.
des Deckels 36 in Kombination mit der Schale 24' und der Membran 34 zu, die in
den Merkmalen M6.2 bis M11 definiert sind und die auch das Ausführungsbeispiel
nach Fig. 20 zeigt:
- 15 -
Nach dem Merkmal M6.2 besitzt die Pump-
membran einen Kragen (collar 85). Der Fach-
mann versteht unter diesem Kragen (collar 85)
zumindest einen Vorsprung, und es muss zu-
mindest eine Richtungsänderung in der Außen-
form erfolgen, also eine „Schulter“ vorhanden
sein.
Die Schale (24') der Membranpumpe weist eine
innere Öffnung auf, welche bemessen ist, um
den Kragen (85) dieser Membran zu umfassen
(M7, M7.1). Damit muss die innere Öffnung der
Schale der Form des umlaufenden Kragens
angepasst sein.
Ferner befindet sich zwischen Membran und
Schale (24') der Deckel (36), der nach Merkmal M8 über dem Kragen (85)
aufgenommen ist, wobei die Schale
(24’) den Kragen (85) mit dem auf dem
Kragen (85) angeordneten Deckel (36) umschließt (Merkmal M9).
1.2.
luftdichte Passung aus Schale, Deckel und Membran und damit die Dichtfunktion
dieser Bestandteile anspricht.
Die Anpassung der Form des Deckels und der Schale am Kragen der
Pumpmembran führt dazu,
dass im Wesentlichen eine
luftdichte Passung erreicht
wird (Merkmale M7.2 und
M9). Dabei sind die Merkmale
M7.2 und M9 im gemeinsa-
men Kontext zu lesen, sodass
- 16 -
die luftdichte Passung nur mit beiden Bauteilen (Schale und Deckel) erreicht wird,
wie es auch die Fig. 21A des Streitpatents zeigt.
Weiter soll der Deckel eine Dichtung zwischen Membran und Schale bilden
(Merkmal M10). Diese Dichtung kann die für den Betrieb notwendige Dichtfunktion
zwischen Membran und Schale in der Membranpumpe verrichten und unterstützt
die luftdichte Passung zwischen Schale, Deckel und Membran, die für den Betrieb
jeder Membranpumpe erforderlich ist. Die Dichtung ist damit als Teil der luftdich-
ten Passung nach Merkmal M7.2 und M9 anzusehen und nicht losgelöst von die-
ser Passung. Durch die luftdichte Passung aus Schale, Deckel und Membran wird
die Pumpe erst komplett einsatzfähig (vgl. Streitpatent Abs. [0054]).
1.3.
(24’) lösbar mit der Membran (34)
verbunden sein (Merkmal M11). Was hiermit gemeint ist, insbesondere mit der
maßgeblichen englischsprachigen Formulierung („releasably fixed“), und wie die
lösbare Befestigung der Schale an der Membran erreicht wird, erfährt der Fach-
mann aus Abs. [0054] der Beschreibung. Danach wird diese lösbare Befestigung
durch die luftdichte Passung erreicht (Abs.
[0054]: „An airtight fit is thus provided
between the protective cover 36 and the membrane 34, which also serves to re-
leasably fix the shell 24 in place over the membrane 34, and complete the dia-
phragm pump
30.“). Damit trägt die spezielle Anordnung von Schale, Deckel und
Membran nicht nur zur Dichtwirkung, sondern auch zur Befestigung der Schale an
der Membran bei. Diese zugleich außer der Dichtfunktion erzielte Fixierwirkung
der luftdichten Passung schließt aber nicht aus, dass noch weitere Befestigungs-
mittel vorhanden sind.
2.
Patentansprüche 2 und 3
Die Ansprüche 2 und 3 sind auf einen Deckel (36) und eine Schale
(24’) (An-
spruch 2) bzw. einen Deckel (36) (Anspruch
3) „for use in a pump according to
claim
1“ („zur Verwendung in einer Pumpe gemäß Anspruch 1“) gerichtet und da-
nach als nebengeordnete Ansprüche auf eigenständige Erfindungsgegenstände,
welche durch die Verwendung funktionell charakterisiert, nicht aber auf die räum-
- 17 -
lich-körperliche Ausgestaltung des Gegenstands nach Anspruch 1 festgelegt sind
(wie z. B. bei der Formulieru
ng „cover in accordance with claim 1“).
2.1.
(24’) sind danach in Anspruch 2 bzw. der De-
ckel (36) nach Anspruch 3 zur Verwendung in einer Pumpe gemäß Anspruch 1
bestimmt und müssen deshalb über die jeweils ausdrücklich im jeweiligen An-
spruch genannten Sachmerkmale hinaus nur so ausgestaltet sein, dass sie sich
dazu eignen, zumindest in einer Brustpumpe entsprechend dem Anspruch 1 ver-
wendet werden zu können, sie sind aber nicht auf eine Ausgestaltung nach den
weiteren Merkmalen gemäß Anspruch 1 oder auf eine Verwendung für eine da-
nach gegenständliche Brustpumpe
festgelegt. Denn die Angabe „for use“ versteht
der Fachmann als funktionelle Angabe im Sinne einer Zweck- bzw. Bestimmungs-
angabe, welche die Aufgabe hat, die Ausgestaltung des beanspruchten Sachge-
genstandes dahingehend zu definieren, dass dieser für die gesamte angegebene
Bestimmung benutzbar ist, so dass die Bestimmungsangabe letztlich ein Geeig-
netheitskriterium bildet, ohne dass jedoch der Patentschutz nur noch auf die
konkret genannte Verwendung der Vorrichtung oder deren Ausgestaltung be-
schränkt ist (vgl. auch Senat Urt. v. 29.1.2013, 4 Ni 27/11 (EP)).
Weil durch den Rückbezug auf Anspruch 1 danach Schale und Deckel über die
konkret in den Anspruch 2 und 3 aufgenommenen Merkmale hinaus den aus Pa-
tentanspruch 1 vorgegebenen sonstigen konstruktiven räumlich körperlichen Vor-
gaben folgen müssen, müssen diese deshalb auch auf die konkrete Ausgestaltung
der weiteren Vorrichtungselemente, wie z. B. auch der Membran, abgestimmt
sein. Entsprechendes gilt für den nach Anspruch 3 beanspruchten und durch die
Merkmale O1-O1.1.1 zusätzlich ausgestalteten Deckel sowie auch hinsichtlich der
nach Anspruch 1 vorausgesetzten funktionellen Eigenschaften, d. h. die im we-
sentlichen luftdichte Passung mit der Dichtungsfunktion zwischen Schale und
Membran und die Fixierwirkung (entsprechend Merkmale M9 bis M11). Ein Deckel
oder eine Schale, welche diese Dichtungs- und Befestigungswirkung nicht erzie-
len, fallen deshalb nicht unter den Wortlaut der Ansprüche 2 und 3.
- 18 -
Insoweit ist ferner zu beachten, dass diese in den jeweiligen Ansprüchen aus-
drücklich aufgenommenen konstruktiven Vorgaben für Deckel und Schale (Merk-
male N1.2 bis N3.2 nach Anspruch 2) und für den Deckel (Merkmale O1 bis O1.2)
allerdings bereits über die räumlich-körperlichen Vorgaben nach Anspruch 1 hin-
ausgehen.
2.2.
O1.2 nach Anspruch 2 bzw. 3 charakterisiert, wonach der Deckel (36) einen inne-
ren umlaufenden Kanal (93) aufweist, welcher innerhalb der inneren Unterseite
des Deckels (36) durch einen ersten Wulst (91) und eine Schulter (92) gebildet ist,
welche beide den Deckel (36) umfänglich umlaufen. Dabei ist der Kanal (93) so
ausgebildet, um auf einem Rand des Kragens (85) der Membran (34) der Pumpe
aufgenommen zu werden. Diese konstruktive Ausgestaltung ist wiederum in
Fig. 21a des Streitpatents gezeigt und konkretisiert die im Wesentlichen luftdichte
Passung des Deckels nach Merkmal M7.2 gemäß Anspruch 1 zwischen der
Schale (24') und der Membran (34).
III.
Der auf unzulässige Erweiterung des Patentgegenstands gerichtete Nichtigkeits-
angriff (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 lit. c EPÜ) erweist
sich als unbegründet.
1.
Nach Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 lit. c EPÜ kann ein EP-
Patent nur für nichtig erklärt werden, wenn sein „Gegenstand“ über den Inhalt der
Anmeldung oder wenn das Patent auf einer Teilanmeldung beruht, über den Inhalt
der früheren Anmeldung in der jeweils ursprünglich eingereichten Fassung hin-
ausgeht. Danach ist für die Beurteilung dieses Nichtigkeitsgrundes allein auf eine
unzulässige Änderung der Patentansprüche abzustellen, deren beanspruchte
Lehre den „Gegenstand des europäischen Patents“ bilden (Keukenschrijver/Busse
PatG, 7. Aufl., § 21 Rn. 87), während Änderungen der Beschreibung oder Figuren
- 19 -
oder die ursprünglich in der Teilanmeldung enthaltenen Patentansprüche nur in-
soweit von Bedeutung sein können, wie derartige Änderungen Einfluss auf die
Auslegung der Patentansprüche haben und deren Gegenstand deshalb verändern
(BGH Urt. v. 22.12.2009, X ZR 28/06 = GRUR 2010, 513
– Hubgliedertor II).
Insoweit ist deshalb
– anders als im Rahmen des Art. 76 EPÜ für das Erteilungs-
verfahren
– auch unbeachtlich, ob die ursprünglich eingereichten Patentansprüche
der Teilanmeldung zulässig waren oder die Teilanmeldung aus anderen Gründen
nach Art. 76 EPÜ zurückzuweisen gewesen wäre. Denn wie auch andere Mängel
des Erteilungsverfahrens, sind diese auch bei der Teilanmeldung mit der Patent-
erteilung geheilt (ebenso BPatG Urt. v. 10.4.2014, 2 Ni 34/12; zu § 39 PatG: BGH
GRUR 2003, 47
– Sammelhefter) und können nicht zur Nichtigerklärung der er-
teilten Patentansprüche führen (zum erweiterten Prüfungsumfang geänderter Pa-
tentansprüche nach Art. 76 EPÜ BPatG GRUR 2013, 609
– Unterdruckwundver-
band).
Das Vorbringen der Klägerin, das Streitpatent sei bereits deshalb für nichtig zu er-
klären, weil die EP 2 218 468 A2 Ansprüche sowie Rückbezüge umfasse, die nicht
mit der Stammanmeldung korrespondierten bzw. deren Offenbarungsgehalt zu
entnehmen seien, ist deshalb bereits aus Rechtsgründen unbeachtlich. Aber auch
soweit die Klägerin auf den sonstigen Inhalt der Teilanmeldung abstellt und gel-
tend macht, die Beschreibung und Figuren seien gegenüber der Stammanmel-
dung in vielfältiger Weise unzulässig geändert, führt dies bereits deshalb nicht
zum Erfolg, weil nicht erkennbar und auch nicht geltend gemacht ist, inwieweit
diese Änderungen zu einer abweichenden Auslegung der geltenden Patentan-
sprüche des Streitpatents führen sollen
– und damit der allein maßgeblichen Er-
weiterung des „Gegenstands“ des Streitpatents.
Dass derartige Änderungen bei der nach Art. 76 EPÜ gebotenen Prüfung der Zu-
lässigkeit der Teilanmeldung EP 2 218 468 A2 wegen der in der Praxis aufge-
stellten Forderung übereinstimmender Beschreibungen (zur Praxis der Beschwer-
dekammern vgl. Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen
- 20 -
Patentamts 2013, II.F.1. s. 507ff.) und insbesondere auch wegen des Verbots er-
weiterter Patentansprüche nach Art. 76 EPÜ durchaus zur Zurückweisung der
Teilanmeldung hätten führen können , ist
– wie bereits erläutert – für die Beurtei-
lung des auf das erteilte Patent gerichteten Nichtigkeitsangriffs unbeachtlich.
2.
Darüber hinaus sieht der Senat den Nichtigkeitsangriff auch insoweit als
unbegründet an, als die Klägerin geltend macht, dass die geltenden Patentan-
sprüche 1 bis 3 gegenüber dem Inhalt der ursprünglich eingereichten Teil- und
Stammanmeldung unzulässig erweitert seien, insbesondere Patentanspruch 1 auf
ein Aliud gerichtet sei und die auf Schale und Deckel gerichteten Ansprüche 2 und
3 auch dadurch unzulässig erweitert seien, weil diese Gegenstände beiden An-
meldungen nicht als weitere, eigenständige Erfindungsgegenstände zu entneh-
men seien und dort nicht Gegenstand eigener Patentansprüche und damit eines
eigenen Schutzbegehrens gewesen seien.
2.1.
standes gegenüber dem Inhalt der Teilanmeldung abstellt, hat der Senat bereits
Zweifel, ob die Klägerin sich insoweit überhaupt auf einen Nichtigkeitstatbestand
berufen kann. Denn in Art. II § 6 Abs. 2 Nr. 3 Halbsatz 2 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1
lit. c Halbsatz 2 EPÜ wird bestimmt, dass das EP-
Patent „nur für nichtig erklärt
werden kann, wenn…der Gegenstand des europäischen Patents über den Inhalt
der Anmeldung in der eingereichten ursprünglichen Fassung oder, wenn das Pa-
tent auf einer Teilanmel
dung…beruht, über den Inhalt der früheren Anmeldung in
der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht“.
Zutreffend ist zwar, dass die Teilanmeldung eine eigenständige Anmeldung dar-
stellt, für welche Art. 76 EPÜ besondere Anforderungen aufstellt. Hieraus folgt
nach Überzeugung des Senats jedoch nicht zwingend, dass der Patentanspruch
eines erteilten Patents zur Vermeidung einer Nichtigerklärung im Hinblick auf eine
unzulässige Erweiterung des Inhalts der Anmeldung zwei Tests bestehen muss:
nämlich primär ggü. der Teilanmeldung und einer mit Art. 123 Abs. 2 EPÜ korres-
pondierenden Prüfung auf Erweiterung als eigenständige Anmeldung nach dem
- 21 -
1. Halbsatz der Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 Halbsatz 1IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 lit. c
EPÜ
und ferner gegenüber der „früheren Anmeldung“ nach dem jeweiligen Halb-
satz 2, also der ausdrücklichen Regelung für die Teilanmeldung.
Eine derartige zweifache Prüfung und ein Verständnis kumulativer Anforderungen
nach Halbsatz 1 und Halbsatz 2 entspricht zwar der Rechtsprechung der Be-
schwerdekammern des Europäischen Patentamts zu Art. 76 EPÜ und gründet auf
dem Verständnis der Teilanmeldung als eigenständige Anmeldung, welche auch
das Gebot nach Art. 123 Abs. 2 EPÜ zu beachten habe; auch in der Literatur wird
diese Auffassung geteilt (Benkard/Schäfers Art. 123 Rn. 159; Teschemacher in
Singer/Stauder, EPÜ, 6. Aufl., Art. 76 Rn. 12; Keukenschrijver/Busse PatG,
7. Aufl., § 39 Rn .77). Soweit diese Forderung jedoch ebenso im Rahmen der
Überprüfung erteilter Patente Einspruchsverfahren nach dem insoweit mit Art. II
§ 6 Abs. 1 Nr. 3 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 lit. c EPÜ wortgleichen Art. 100 lit. c
EPÜ herangezogen wird (vgl. Rspr. der Beschwerdekammern des Europäischen
Patentamts 2013, II.F.1, zu Art. 100c EPÜ S. 513; Benkard/Rogge/Ehlers EPÜ,
2. Aufl. 2012, Art. 100 Rn. 12; ferner Benkard/Dobrucki Art. 76 Rn. 9), erscheint
dem Senat diese Folgerung jedenfalls im Rahmen des Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 Int-
PatÜG, Art. 138 Abs. 1 lit. c EPÜ nicht zwingend. (so auch Busse/Keukenschrijver,
PatG, 7. Aufl., Art. II § 6 IntPatÜG, Rn. 14, zum EP-Einspruchsverfahren § 21
Rn. 85; abweichend BGH Urt. v. 16.01.2014
– X ZR 78/12).
Insoweit spricht nicht nur der Gesetzeswortlaut gegen ein derartiges Verständnis,
sondern auch die nur formale Selbständigkeit der Teilanmeldung als eigenstän-
dige Anmeldung, welche inhaltlich nur die Abspaltung eines Teils der Stamman-
meldung mit identischem Anmeldetag darstellt. Auch zum nationalen Recht und
der durch Teilungserklärung hervorgegangenen Teilanmeldung, welche gleichfalls
zu einer abgespaltenen, formal selbständigen Anmeldung führt, wird in der wort-
gleichen Fassung des § 21 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 PatG nach ständiger Recht-
sprechung des Bundesgerichtshofs der Beleg dafür gesehen, dass auch insoweit
für die Beurteilung einer unzulässigen Erweiterung des aus einer Teilanmeldung
hervorgegangenen Patentgegenstandes allein der Offenbarungsgehalt der
- 22 -
Stammanmeldung maßgeblich ist (GRUR 1992, 38
– Straßenkehrmaschine;
GRUR 1999, 148
– Informationsträger; zu gestuften Teilungen bzw. zur Kette von
Teilanmeldungen G1/06 = ABL. 2008, 307; Melullis GRUR 2001, 971).
2.2.
abschließend entschieden werden, weil die geltenden Patenansprüche des Streit-
patents weder über den Inhalt der Stammanmeldung PCT/US00/42659 (veröffent-
licht als WO 01/47577 A2 = Anlage MFP2) noch über den Inhalt der Teilanmel-
dung EP 2 218 468 A2 hinausgehen.
Nach ständiger Rechtsprechung ist für den Inhalt der Anmeldung der Offenba-
rungsgehalt einer Patentanmeldung nur das, was den ursprünglich eingereichten
Unterlagen unmittelbar und eindeutig als zu der zum Patent angemeldeten Erfin-
dung gehörend zu entnehmen ist. Entscheidend ist, was der Gesamtheit der ur-
sprünglichen Unterlagen als zur angemeldeten Erfindung gehörend zu entnehmen
ist (GRUR 2014, 1026 - Analog-Digital-Wandler), wobei die Ermittlung dessen,
was dem Fachmann als Erfindung und was als Ausführungsbeispiel der Erfindung
offenbart wird, wertenden Charakter hat, und eine unangemessene Beschränkung
des Anmelders bei der Ausschöpfung des Offenbarungsgehalts der Voranmeldung
vermeidet (BGH Urt. v. 11.2.2014, X ZR 107/12 = GRUR 2014, 542
– Kommuni-
kationskanal). Eine unzulässige Erweiterung liegt danach erst vor, wenn der Ge-
genstand des Patents sich für den Fachmann erst aufgrund eigener, von seinem
Fachwissen getragener Überlegungen ergibt, nachdem er die ursprünglichen Un-
terlagen zur Kenntnis genommen hat, so wenn die Hinzufügung einen technischen
Aspekt betrifft, der den ursprünglich eingereichten Unterlagen in seiner konkreten
Ausgestaltung oder wenigstens in abstrakter Form nicht als zur Erfindung gehö-
rend zu entnehmen ist (BGH Urt. v. 9.4.2013, X ZR 130/11 = GRUR 2013, 809
Verschlüsselungsverfahren). Nach diesen Kriterien sieht der Senat die Lehre der
geltenden Patentansprüche nicht gegenüber dem Offenbarungsgehalt der
Stammanmeldung (MFP2) als erweitert an.
- 23 -
3.
Patentanspruch 1
Teilanmeldung unzulässig erweitert.
3.1.
spruch 1 gegenüber dem Inhalt der Stammanmeldung und der dort als erfin-
dungsgemäß offenbarten Lehre nicht auf eine andere technische Lehre (ein Aliud)
gerichtet ist.
Maßgeblich ist insoweit nicht ein bloßer Vergleich mit den ursprünglichen Pa-
tentansprüchen, sondern der Gesamtoffenbarungsgehalt der ursprünglichen An-
meldeunterlagen, da insoweit den Patentansprüchen keine hervorgehobene Be-
deutung zukommt (BGH Urt. v. 22.12.2009, X ZR 27/06 = GRUR 2010, 509
Hubgliedertor I). Insoweit lehren diese aber dem Fachmann bereits als erfin-
dungsgemäß nicht nur Aspekte des Betriebsverfahrens bzw. der Bedienung einer
Brustpumpe, sondern auch den konkreten Aufbau. Dass mit einer Erfindung meh-
rere Aspekte und Aufgaben gelöst werden, steht der Annahme einer Lehre als zur
Erfindung gehörend nicht entgegen, Dass hiervon insbesondere auch der eine
Brustpumpe und deren Aufbau umfasst ist, zeigt nicht nur die Zusammenfassung
der Erfindung (vgl. MFP2 ab S. 2 Z.
18 „SUMMARY OF THE INVENTION“), son-
dern auch die ausdrückliche Erwähnung und Erläuterung der konstruktiven Aus-
gestaltung (vgl. MFP2 S. 4 Z. 29-S. 5 Z.
15: „A still further aspect of the present
invention is a unique breastpump assembly...“) bestimmter Ausführungsformen
unter Bezugnahme der Figuren
20 bis 21c im Kapitel „The Diaphragm Protective
Covers“ (vgl. MFP2 insb. S. 10 Z. 28 – S. 12 Z. 4).
Ferner sind eine Vielzahl von Ansprüchen auch bereits in der Stammanmeldung
auf eine „breastpump“ oder „pump for a breastpump“ (Anspruch 55) gerichtet, wie
auch Patentanspruch
61 auf eine „diaphragm pump for a breastpump“ gerichtet
ist, der mit Ausnahme der nachfolgenden Merkmale wörtlich dem erteilten Pa-
tentanspruch 1 entspricht:
6.2 the flexible membrane (34) having a circumferential collar (85) and
7.
the shell
(24’) has an internal opening defined therein
- 24 -
7.1 sized to encompass the collar (85) and
7.2 the shell
(24’) being in a substantially airtight fit with the flexible mem-
brane (34),
9.
the she
ll (24’) encompasses the collar (85) with the cover (36)
mounted on the collar (85) in the substantially airtight fit,
10. the cover (36) thereby forming a gasket between the collar (85) and
shell
(24’),
11. whereby the shell
(24’) is releasably fixed to the membrane (34).
Jedoch sind auch diese weiteren Merkmale als ursprünglich zur Erfindung einer
erfindungsgemäßen Brustpumpe nach Anspruch 1 gehörend offenbart anzusehen.
So wurde zwar in den Merkmalen 6.2, 7.1, 8, 9 und 10 nach Patentanspruch 1 der
in Anspruch
61 der Stammanmeldung verwendete Begriff „rim“ (Rand) durch den
Begriff „collar“ (Kragen 85) ersetzt. Der Rand (rim) ist nach der Beschreibung und
der Fig. 20 und 21a ein Teil des Kragens (collar 85) der Membran (vgl. MFP2
S. 11 Z. 27-
29: „This interior channel 93 is received on a slightly protruding edge
or rim on the collar 85 of the membrane
34.“, vgl. auch die Membran nach Fig. 20).
Entgegen der Auffassung der Klägerin liegt hierin jedoch keine unzulässige Ände-
rung bzw. Verallgemeinerung der ursprünglich offenbarten Lehre. Denn dem
Fachmann erschließt sich unmittelbar aus den Beschreibungsteilen und den
Zeichnungen der Patentschrift, dass auch nach der Lehre von Patentanspruch 1
des erteilten Patents nur der Rand des Kragens die innere Öffnung der Schale
nach den Merkmalen 7 und 7.1 umfasst und die luftdichte Passung nach den
Merkmalen
9 und 10 herstellt, deshalb der Begriff „collar“ einschränkend im Lichte
der Beschreibung und der gelehrten Funktionalität des Ineinandergreifens und der
Passung mit einem speziellen Teil des Kragens (collar)
– nämlich dem Rand (rim)
– einschränkend im Sinne des ursprünglich offenbarten Begriffs „rim“ zu verstehen
ist.
Das in Patentanspruch 61 nicht enthaltene Merkmal 7.2 ist bereits in dem auf eine
“breastpump” gerichteten Anspruch 1 der Stammanmeldung offenbart (vgl. S. 22
Z. 28-
30: „...and said shell having an internal opening defined therein sized to en-
- 25 -
compass said rim with said cover mounted on said rim in a substantially airtight
fit“), wie auch in der Beschreibung S. 11 Z. 24-25 („...for a substantially airtight en-
gagement between the protective cover
36 and the shell”).
Letztlich bedarf es entgegen der Auffassung der Klägerin auch in Merkmal 3.1.
hinsichtlich des Mediums „Fluid“ keiner Einschränkung auf das Medium „Luft“,
auch wenn in Anspruch
61 der Stammanmeldung außer der Bezeichnung „fluid“
(„...which isolates said membrane from fluid...“) auch die Bezeichnung „air“ ver-
wendet wird („“...which air moves...“). Denn wie die Beschreibung des Streitpa-
tents und der Stammanmeldung belegen, werden die Begriffe „air“ und „fluid“ nicht
als „Aliud“ verstanden, sondern „fluid“ nur als der umfassendere Begriff
(Stammanmeldung S. 11 Z. 16-
17: „isolate them from air and other fluid from the
breastshields“), der auch in der ursprünglichen Offenbarung von der erfindungs-
gemäßen Lehre umfasst ist.
3.2.
spruch 1 keine unzulässige Erweiterung des Inhalts der Teilanmeldung
EP 2 218 468 A2 zu erkennen.
In der Teilanmeldung finden sich zur konstruktiven Ausgestaltung der Pumpe mit
der Stammanmeldung identische Textstellen, insbesondere zur Kombination und
Funktionalität von Schale, Deckel und Pumpmembran (vgl. EP 2 218 468 A2 Ka-
pitel „-The Diaphragm Protective Covers“ Abs. [0044] - [0050]), wie auch Pa-
tentanspruch 61 demjenigen der Stammanmeldung entspricht, so dass sich im Er-
gebnis für die Beurteilung einer insoweit unzulässigen Erweiterung des Gegen-
stands des Streitpatents keine abweichende Bewertung über eine insoweit zu for-
dernde abweichende Auslegung des Patentgegenstandes ergibt.
Dem steht auch nicht entgegen, dass die unterschiedlichen erfindungsgemäßen
Aspekte in der Zusammenfassung der Erfindung (vgl. EP 2 218 468 A2
SUMMARY OF THE INVENTION Abs. [0008] - [0025]) gegenüber der Stamman-
meldung in einer geänderten Reihenfolge aufgeführt werden, da inhaltlich hiermit
- 26 -
für das Verständnis des Erfindungsgegenstandes keine Änderung verbunden ist
(vgl. EP 2 218 468 A2 Abs.
[0008]: „It is an object to provide an improved
breastpump. This object is achieved with a breastpump according to claim
1“, Abs.
[0010]: „A removably mounted flexible cover is located between the shell and the
membrane which isolates the membrane from fluid.
...“), so dass auch insoweit auf
die Ausführungen zur Stammanmeldung verwiesen werden kann.
4.
Der Senat sieht schließlich auch keine unzulässige Erweiterung das
Patentgegenstands darin, dass abweichend von der Stamm- und Teilanmeldung
Patentansprüchen 2 und 3
Schale und der Deckel bzw. der Deckel als eigenständige Erfindungsgegenstände
unter Schutz gestellt sind.
4.1.
Inhalt der Anmeldung hinausgeht, ist der gesamte Inhalt der ursprünglich einge-
reichten Unterlagen maßgebend, und zwar gilt dies auch dann, wenn in den ur-
sprünglichen Unterlagen noch abweichende Ansprüche formuliert sind. Der An-
melder des Patents ist bis zur Erteilung des Patents auch nicht gehindert, zu einer
geänderten Anspruchsfassung überzugehen oder neue Patentansprüche aufzu-
stellen, wenn der hierdurch definierte Gegenstand des Schutzrechts bereits ur-
sprünglich durch den gesamten Inhalt der Anmeldung, wie z. B. in der Beschrei-
bung, unmittelbar und eindeutig als zur Erfindung gehörend offenbart ist (BGH
GRUR 2012, 373
– Glasfasern) und damit der geänderte Lösungsvorschlag von
dem ursprünglichen Schutzbegehren als erfindungsgemäß mit umfasst werden
sollte (BGH Urt. v. 22.12.2009, X ZR 27/06 = GRUR 2010, 509
– Hubgliedertor I).
Entscheidend ist danach vorliegend, dass die durch den gesamten Inhalt der
(Stamm-) bzw. der Teilanmeldung bereits als zur Erfindung gehörend offenbarte
technische Lehre nicht verändert worden ist, sondern nur durch das Herausgreifen
einzelner, in ihrem Wesen unveränderter Komponenten in neue nebengeordnete
Ansprüche gefasst und hierfür isolierter Schutz beansprucht worden ist. So ist es
auch hier hinsichtlich der anhand von Ausführungsbeispielen der erfindungsge-
- 27 -
mäßen Brustpumpe offenbarten Vorrichtungselemente, nämlich der in den Pa-
tentansprüchen 2 und 3 eigenständig unter Schutz gestellten Deckel und Schale.
Dass dies für die Beklagte angesichts des von der Klägerin angesprochenen pa-
rallelen Verletzungsverfahrens geschah und für die Beklagte vorteilhaft gewesen
sein mag, ist insofern unbeachtlich und wird von dem Verbot der unzulässigen
Änderung des Inhalts der Anmeldung nicht erfasst.
4.2.
Auffassung der Klägerin nicht, der Gegenstand nach den Patentansprüchen 2
und 3 sei gegenüber dem Inhalt sowohl der Stammanmeldung als auch der Teil-
anmeldung jedenfalls dann unzulässig erweitert, wenn die beanspruchte Verwen-
dung von Schale und Deckel bzw. Deckel lediglich als Geeignetheitskriterium ver-
standen werde und diese nach den Ansprüchen 2 und 3 nicht auf eine Ausgestal-
tung nach den weiteren Merkmalen gemäß Anspruch 1 oder Verwendung für eine
danach gegenständliche Brustpumpe beschränkt seien. Denn der Umstand, dass
Deckel und Schale nach den Ansprüchen 2 und 3 nicht ausschließlich als Vor-
richtungsbestandteile der Pumpe nach Anspruch 1 unter Schutz gestellt sind, son-
dern nur so ausgestaltet sein müssen, dass sie für einen Einsatz in einer Pumpe
nach Anspruch 1 geeignet sind, stellt keine Erweiterung des ursprünglichen Of-
fenbarungsgehaltes der dem Fachmann in der Stamm- und Teilanmeldung ver-
mittelten technischen Lehre dar, selbst wenn die Ausgestaltung der ursprünglich
beschriebenen erfindungsgemäßen Vorrichtungsbestandteile in den Kontext einer
bestimmten Vorrichtung, einer Pumpe bzw. Milchpumpe, gestellt worden sind.
Denn wie auch regelmäßig das anhand eines Ausführungsbeispiels aufgezeigte
Anwendungsbeispiel einer technischen Lehre nicht auf diese Lehre als erfin-
dungsgemäß beschränkt ist und auch hinsichtlich einzelner Merkmale des Ausfüh-
rungsbeispiels einer Verallgemeinerung zugänglich ist, wenn diese für sich be-
trachtet dem erfindungsgemäßen Erfolg förderlich sind (vgl. zur st. Rspr.
BGHZ 194, 107
– Polymerschaum; BGH GRUR 2012, 1133 – UV-unempfindliche
Druckplatte), müssen auch die im Zusammenhang mit einem Ausführungsbeispiel
einer erfindungsgemäßen Vorrichtung offenbarten Vorrichtungsbestandteile hin-
- 28 -
sichtlich des in der Anmeldung als erfindungsgemäß zum Ausdruck kommenden
allgemeinsten technischen Aspekts weder auf diese Ausgestaltung festgelegt sein
noch auf diesen konkret offenbarten Verwendungszusammenhang.
So sind auch vorliegend die spezielle Ausgestaltung der Deckel-Schalen-Kombi-
nation und der Schale für sich betrachtet dem erfindungsgemäßen Erfolg förder-
lich und erkennbar zur Erfindung gehörend. Denn die Stamm- und die Teilanmel-
dung widmen sich in einem eigenem Kapitel nur der konstruktiven Ausgestaltung
des Deckels (vgl. MFP2 S. 10 Z. 28ff., EP 2 218 468 A2 Abs. [0044]ff.
„The Dia-
phragm Protective Covers“). Unter Bezugnahme auf die Figuren 20 und 21a bis
21c wird die Kombination aus Schale, Deckel und Pumpmembran und deren Aus-
gestaltung beschrieben. Damit lässt sich dem Inhalt der Stamm- und auch der
Teilanmeldung hinreichend deutlich und unmittelbar entnehmen, dass die lediglich
auf Einzelteile der Membranpumpe gerichteten Vorrichtungen nach den Ansprü-
chen 2 und 3 und die Ausbildung des Deckels und der Schale (Anspruch 2) bzw.
nur des Deckels (Anspruch 3) mit den übrigen Merkmalen zur Erfindung gehören,
auch wenn die Deckel-Schale-Kombination und die Schale anhand eines Ausfüh-
rungsbeispiels einer Doppel-Membran-Pumpe beschrieben sind.
IV.
Der Senat konnte ferner nicht feststellen, dass die angegriffenen Patentansprü-
che 1 bis 17 wegen fehlender Patentfähigkeit für nichtig zu erklären sind.
1.
Die streitpatentgemäße Brustpumpe nach dem Patentanspruch 1 ist unter
Berücksichtigung des im Verfahren befindlichen Stands der Technik neu. Er wird
von keiner der vorgelegten Entgegenhaltungen vorweggenommen.
1.1.
bis 7.2) des Patentanspruchs 1. Die Brustpumpe beinhaltet eine Membranpumpe
(diaphragm pump 10) mit einer Schale (rigid housing cap 86) mit einer halbkugel-
- 29 -
förmigen Form und einer relativ zu dieser Schale bewegbaren Membran (dia-
phragm 70) (vgl. D1 Sp. 4 Z. 36-
38: „A flexible diaphragm 70 is mounted on the
end of the puller 48. Diaphragm 70 is preferably made of silicone rated for food
contact, and has a general semi-spherical shape.
“, Sp. 5 Z. 8-9: „Overlying the di-
aphragm 70 is a rigid housing cap 86 made of polypropylene.
“, Fig. 2 und 8)
M1.1
Der Ausschnitt der Figur 2 zeigt die Anordnung der Membranpumpe (10) in der
Tasche (bag 14) der Brustpumpe mit der flexiblen Membran (70) und der
Schale (86): Mittels Antriebsmechanismus (motor 28) wird über den Zieher (pul-
ler 48), der an der Membran befestigt ist, die Membran (70) bewegt (vgl. D1 Fig. 2,
Fig. 9, Sp. 5 Z. 28-
33: „In Operation of the pump 10, motor 28 is actuated. ....
Puller 48 in turn moves rearwardly with
the follower 50 drawing diaphragm 70
away from the inside of the cap
86.“)
M2
durch die Bewegung eine Kammer zwi-
schen der Membran (70) und der Schale
M1 bis
M1.2
kontrahiert wird (vgl. D1 Fig. 2 gestrichel-
te Linie, Sp. 5 Z. 34-
37: „This generates a
negative pressure (vacuum) in the space
thus formed between diaphragm 70 and
cap 86 (see dotted-line position of the
drive chain elements and diaphragm in
FIG.
M2.2
- 30 -
Ausführungsformen der Membran (70) sind in den Figuren 2, 3, 8 und 9 darge-
stellt. So weist die Membran an ihrem Außenbereich einen Flansch (flange 78),
Schulter (shoulder 76), einen weiteren Flasch
(flange 80) und die Krempe (lip 79) auf.
Die Schulter (76) kann dabei als Kragen gemäß
M6.2
Fig. 2, 8, 9). Die Schulter (76) wird von der durch
den Flansch (flange 88) und den ringförmigen
Bereich (ring like portion89) definierten Öffnung der Schale umfasst (vgl. D1
M7
(rip 87a, 87b) vorhanden, um eine luftdichte Passung mit dem Deckel zu erzielen
(vgl. D1 Sp. 5 Z. 20-
22: „Additional concentric ribs 87a, 87b are formed on top of
the diaphragm Shoulder 76 out of the same material as the diaphragm. and serve
to facilitate this seal through compression against the cap shoulder
89.“)
M7.2
In der Schale (86) ist eine Öffnung (Hahn/spigot 20) vorgesehen (vgl. D1 Sp. 5
M3
pansion und Kontraktion an das Brustschild (breast Schild 36) vermittelt wird und
3.1
bewegt (vgl. D1 Sp. 5 Z. 44-
47: „That negative pressure generated within the
cap 86 is communicated through the outlet provided by the spigots 20 to one or
both of the tubes 18 (depending on whether one or two breast shield assem-
blies 16 are being used).
”).
Zwischen der Schale (86) und der Membran (70) kann ein membranartiger Deckel
(membran-like cover) verwendet werden, welcher die Membran gegenüber dem
Fluid isoliert (vgl. D1 Sp. 6 Z. 20-26:
„It is envisioned that a thin disposable mem-
brane-like cover (not shown) may additionally be provided over the diaphragm 70.
This disposable cover would be between the diaphragm 70 and inside of the
cap 86. and serve to further hygienically isolate the diaphragm 70 from any milk,
- 31 -
M4 bis M4.2
zum Reinigen und/oder zur Entsorgung entfernbar (vgl. D1 Sp. 6 Z. 28-
29: „...and
M4.3
Es ist weiter in der Druckschrift D1 angegeben, den Deckel (disposable cover) bei
Verwendung von unterschiedlichen Benutzerinnen auszutauschen und darüber
hinaus die Schale (86) zu sterilisieren (vgl. D1 Sp. 6 Z. 28-
29: „Cap 86 would
simply be removed and sterilized, and the disposable cover replaced between
users.“) Damit ist notwendigerweise auch die Schale (86) lösbar mit der Memb-
ran (70) verbunden. Jedoch enthält die D1 keinerlei Hinweis darauf, den Deckel
als Befestigung bzw. als Teil der Befestigung der Schale an der Membran auszu-
bilden. So wird die Fixierung der Schale an der Membran mittels Aufschnappen
des Kragens (flange 90) der Schale am Ring (cap mounting ring 92) der Front-
platte (front plate 24) erreicht, somit unabhängig vom Deckel. Die Befestigung er-
folgt durch die konstruktive Ausgestaltung der Kombination Frontplatte-Schale;
M11
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist auch nicht ersichtlich, wie durch einen
zusätzlichen membranähnlichen Deckel eine Fixierwirkung erreicht werden kann,
wenn dieser Deckel zwischen Schale und Pumpemembran geklemmt wird. Viel-
mehr ist davon auszugehen, dass durch das zusätzliche Material zwischen Memb-
ran und Schale, insbesondere zwischen Schulter (76) und keilförmigem Flansch
(flange 88), das Aufschnappen an der Frontplatte erschwert wird.
- 32 -
1.2.
Membranpumpe u. a. zur Verwendung im medizinischen Bereich offenbart (vgl. E1
Sp. 1 Z. 8-
10: “This in-
vention relates to pump
arrangements
and
structures and, in gene-
ral, to devices for impar-
ting movements to me-
diums such as fluids.
”).
Diese Pumpe besitzt ei-
nen Deckel (resilent dia-
phragmn 58) und eine
Schale
(rigid
mem-
ber 54) zur Verwendung
in einer Membranpumpe
(vgl. E1 Fig. 1, Sp. 2 Z. 50-67). Wie bei herkömmlichen Membranpumpen wird
eine Membran mittels eines Mechanismus ausgelenkt, um ein zwischen der
Pumpmembran (54) und der im Wesentlichen halbkugelförmige innere Form der
Schale 54) definiertes Volumen zu expandieren und zu kontrahieren [= Merkmale
M1
Die Schale hat die Anschlüsse (openings 62, 64) zum Pumpen von Fluid (vgl. E1
Fig. 1, Sp. 3 Z. 1-4:
„Each shell 54 is provided with threaded openings 62 and 64,
by means of which are engaged the threaded extremities of tubes 66 and 68 (spe-
cific ones of which are hereinafter designated by a letter suffix).
M3
M3.1
Der Deckel (58) zwischen der Schale (54) und der Pumpmembran (58) befindet
sich an der Pumpmembran und ist damit in der halbkugelförmigen inneren Form
der Schale (54) aufgenommen und isoliert die Pumpmembran (58) gegenüber
Merkmale M4
- 33 -
Die Befestigung des Deckels an der Schale erfolgt mittels der Manschette am De-
ckel. Eine Befestigung dieser Deckel/Schalen-Baugruppe an der Membran ist in
der E1 nicht gezeigt. Nach der E1 ist die Baueinheit von Schale/Deckel nicht über
Befestigungsmittel mit der Membran verbunden, sondern diese haften nur durch
eine Art Saugeffekt aneinander (vgl. E1 Sp. 3 Z. 19-
15: „As noted above, the pum-
ping units 12 and 14 are held in abutting relationship with the central section 10 by
means of the assembly unit 16. This Sandwiches the resilient diaphragms against
the flexible diaphragms (there is no mechanical connection between these dia-
phragms) and expels the air from between the diaphragms which in turn causes
the diaphragms to adhere together with a suction-
like effect.“). Damit zeigt die E1
ebenfalls keine Fixierung mittels der Kombination aus Schale, Membran und De-
M11
1.3.
noch weiter vom Gegenstand des Patentanspruchs 1 entfernt und nehmen diesen
erst Recht nicht vorweg.
2.
Die Klägerin vermochte den Senat auch nicht davon zu überzeugen, dass die
Brustpumpe nach dem Patentanspruch 1 sich für den Fachmann im Prioritätszeit-
punkt in naheliegender Weise (Art. 56 EPÜ) aus dem im Verfahren befindlichen
Stand der Technik ergab. Für die Frage der Bewertung der erfinderischen Tätig-
keit ist entscheidend, um welche Leistung der Stand der Technik bereichert wird,
was die Erfindung also gegenüber diesem tatsächlich leistet (BGH GRUR 2009,
382
– Olanzapin; Urt. v. 18.6.2009 Xa ZR 138/05, GRUR 2009, 1039 Fischbissan-
zeiger), wobei möglicherweise verschiedene Ausgangspunkte in Betracht zu zie-
hen sein können und zu fragen ist, ob der Fachmann Veranlassung hatte, diesen
Stand der Technik weiterzuentwickeln.
2.1.
Brustpumpe bereitzustellen, bei welcher die den beweglichen Teil (diaphragm)
schützende Abdeckung (cover) abnehmbar sein sollte und die Möglichkeit der
Reinigung oder Entsorgung der Abdeckung eröffnete, musste der Fachmann nach
- 34 -
Lösungen suchen, den membranartigen Deckel zwischen Pumpmembran und
Schale anzubringen. Insoweit bot sich dem Fachmann auf der Suche nach einer
Problemlösung die schon im Streitpatent genannte D1 an.
Zur Anordnung des Deckels (cover) kann der Schrift D1 lediglich entnommen wer-
den, dass der Deckel zwischen der Membran (70) und dem Innern der Schale (86)
liegen soll (vgl. D1 Sp. 6 Z. 23-
24: „This disposable cover would be between the
diaphragm 70 and inside of the cap
86.“). Insoweit bot sich dem Fachmann auf-
grund seines Fachwissens an, als mögliche Anordnungen in Betracht ziehen, den
membranartigen Deckel zwischen die Schulter (76) der Membran und den ring-
förmigen Bereich (ring like portion 89) der Schale zu klemmen. Auch kann unter-
stellt werden, dass der Fachmann diese Membran möglichst über die Schulter (76)
der Membran (70) ziehen würde, um nicht auf die passgenaue Positionierung des
Deckels nach den Ringstegen (87a, b) achten zu müssen. Damit geht der Deckel
über die Schulter (76) der Membran hinweg und der Deckel wird zwangsläufig
M8
Deckel bildet damit auch eine Dichtung zwischen dem Membran und der Schale
M9
Es ist jedoch entgegen der Auffassung der Klägerin nicht ersichtlich, dass durch
diesen zusätzlichen Deckel zwischen Membranschulter und dem keilförmigen
Flansch (88) ein erhöhter Anpresssdruck und daraus resultierend eine Fixierwir-
kung von Schale und Pumpmembran durch den Deckel erreicht wird. Vielmehr er-
schwert ein derartig angebrachter Deckel aufgrund der zusätzlichen Schicht das
Anklemmen mittels des Flansches (90). Um vom Gegenstand D1 zum Gegen-
stand nach Patentanspruch 1 zu gelangen, wäre es deshalb nicht ausreichend,
den Deckel für eine weitere Funktionalität nutzen zu wollen. Denn die D1 lehrt le-
diglich, einen zusätzlichen Deckel anzubringen, während die Fixierung der Schale
an der Pumpmenbran beabstandet zum Kragen der Pumpmembran erfolgt über
eine Schnappverbindung mittels der Klemmen (90) an der Frontplatte (24). Eine
Veranlassung für den Fachmann, diese Befestigung nicht nur zu vereinfachen,
sondern aufzugeben und eine völlig andersartige Befestigung mittels der Passung
- 35 -
von Schale, Deckel und Membran zu realisieren, bestand für ihn daher nicht und
ist Ausdruck einer rückschauenden Betrachtung.
2.2.
von Patentanspruch 1 nicht nahezulegen. So ist in der E1 keine Befestigung der
Schale an der Membran mittels der Kombination und Passung von Schale, Deckel
und Membran offenbart. Denn die E1 wählt ein völlig anderes Konzept zur Anbrin-
gung der Schale an der Pumpmembran, nämlich das Vorsehen einer separaten
Baueinheit (sub-assembly) aus Schale (54) und Deckel (58), welche nicht mit der
Pumpmembran (46) mechanisch verbunden sein soll (vgl. E1, Sp. 3 Z. 11-16:
„This sandwiches the resilient diaphragms against the flexible diaphragms (there is
no mechanical connection between these diaphragms) and expels the air from
between the diaphragms which in turn causes the diaphragms to adhere together
with a suction-
like effect.“). Die Übertragung dieses Prinzips kann damit nicht zu
einer Fixierwirkung durch die Passung von Schale, Deckel und Pumpmembran
führen.
2.3.
gangspunkt in der E1 gesucht hätte, hätte veranlassen sollen, die Befestigung in
den Blick zu nehmen und die Baugruppen, die Pumpeinheiten 12 und 14 und die
Zentraleinheit 10, anders aneinander zu fixieren. Die E1 führt sogar in eine entge-
gengesetzte Richtung, indem sie auf die Vorteile hinwiest, dass aufgrund der Bau-
gruppen eine einfache Wartung und Reparatur ermöglich wird (vgl. E1 Sp. 4 Z. 39-
42: „It is also clear from the above description that units 12 and 14 are readily de-
tachable from the remainder of the pump structure and this is especially valuable
with respect to maintenance and repair.“).
3.
Auch vermochte die Klägerin den Senat nicht davon zu überzeugen, dass die
unbestritten neue Lehre der Patentansprüche 2 und 3 nicht auf einer erfinderi-
schen Tätigkeit beruht. Denn da die Schale und der Deckel nach Anspruch 2 bzw.
der Deckel nach Anspruch 3 aufgrund ihrer funktionellen Bestimmung und hiermit
verbundenen Verwendung in einer Pumpe nach Anspruch 1 zwingend eine Fi-
- 36 -
xierwirkung in der Kombination aus Schale, Deckel und Pumpmembran nach
M11
Patentanspruch 1 genannten Gründen Bestand. Wie bereits ausgeführt, zeigen
die Dokumente D1 und E1 weder isoliert noch in Kombination eine derartige
Funktion, noch boten sie oder der sonstige im Verfahren befindliche Stand der
Technik eine hinreichend konkrete Anregung für die erfindungsgemäße Vorrich-
tung, welche eine Befestigungswirkung mittels der Passung zwischen Schale, De-
ckel und Pumpmembran erreicht.
4.
Mit den Patentansprüchen 1 bis 3 haben auch die auf sie zurückbezogenen
Unteransprüche Bestand. Bei dieser Sachlage kam es auch auf die Zulässigkeit
und Patentfähigkeit der von der Beklagten gestellten Hilfsanträge 1 bis 6 nicht
mehr an.
V.
Soweit die Klägerin mit Schriftsatz vom 23. Februar 2015 die Wiedereröffnung der
mündlichen Verhandlung nach § 156 ZPO beantragt hat, ist dies nicht veranlasst,
da weder ein zwingender Grund zur Wiedereröffnung im Sinne von § 156 Abs. 2
ZPO vorliegt, insbesondere keine Verletzung der Hinweis- und Aufklärungspflicht
(§ 139 ZPO), die den Anspruch auf rechtliches Gehör konkretisiert
(Thomas/Putzo, ZPO, 33. Aufl., § 139 Rdn. 1) oder ein sonstiger Verfahrensfehler,
noch Umstände vorgetragen sind, welche nach § 156 Abs. 1 ZPO eine Wiederöff-
nung aus sonstigen Gründen nach freiem Ermessen geboten erscheinen lassen.
Die Klägerin hat auf die Mitteilung des Senats vom 5. Februar 2015, welche im
Hinblick auf die anstehende mündliche Verhandlung vor der Verletzungsstreit-
kammer erfolgt ist und die Mitteilung enthielt, dass der Senat entgegen seiner Ein-
schätzung in der mündlichen Verhandlung vom 3. Februar 2015, nicht von einer
unzulässigen Erweiterung der Patentansprüche 2 und 3 ausgehe, ausgeführt,
dass sie aufgrund dieses Hinweises in der mündlichen Verhandlung davon abge-
- 37 -
sehen habe, weitere Gesichtspunkte zur Unzulässigkeit der nebengeordneten An-
spruche 2 und 3 vorzutragen, insbesondere dazu, dass die Verwendung von
Schale und Deckel bzw. Deckel für eine beliebige Brustpumpe nicht als zur Erfin-
dung gehörend ursprungsoffenbart sei. Es bestehe daher einer zur Vermeidung
einer Überraschungsentscheidung eine Verpflichtung zur Wiederöffnung der
mündlichen Verhandlung. Eine derartige Verpflichtung sieht der Senat jedoch
nicht, wie auch das Vorbringen der Klägerin zu weiteren Aspekten einer unzuläs-
sigen Erweiterung im Rahmen des nach § 156 Abs. 1 ZPO bestehenden Ermes-
sens keine Veranlassung zur Wiederöffnung der mündlichen Verhandlung gibt.
Ausweislich der Sitzungsniederschrift haben die Parteien die Frage der unzulässi-
gen Erweiterung kontrovers diskutiert (Sitzungsniederschrift, S. 6). Es ist daher
weder nachvollziehbar noch hat die Klägerin dargelegt, warum sie die nunmehr
vorgebrachte Argumentation dahingehend, dass die Ansprüche 2 und 3 so zu ver-
stehen sein sollten, dass die Verwendung von Schale und Deckel bzw. Deckel für
eine beliebige Brustpumpe beansprucht wird, nicht in diesem Zusammenhang
vorgetragen hat. Der Umstand, dass eine Argumentationslinie erst nach Schluss
der mündlichen Verhandlung von einem Beteiligten für relevant gesehen wird,
rechtfertigt nicht die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung. Hinzu kommt,
dass die Problematik, ob die Ansprüche 2 und 3 so zu verstehen sind, dass die
Verwendung von Schale und Deckel bzw. Deckel für eine beliebige Brustpumpe
beansprucht wird, zumindest im Ansatz bereits Gegenstand des entscheidungs-
relevanten klägerischen Vortrags war (vgl. Klageerhebung vom 7.11.2013,
S. 11, 12), sodass es sich nicht um ein komplett neues und bisher nicht erörtertes
Vorbringen handelt.
Darüber hinaus hat der Senat die Patentansprüche 2 und 3 in der mündlichen
Verhand
lung ausdrücklich „vorläufig“ als unzulässig erweitert angesehen, aber
gleichzeitig ausweislich des Protokolls darauf hingewiesen, dass „wegen der ab-
schließenden Beurteilung von Patentanspruch 2 und 3 hinsichtlich der unzulässi-
gen Erweiterung eine Entsch
eidung an Verkündungs Statt beabsichtigt ist“ (wörtli-
ches Zitat aus der Sitzungsniederschrift, S. 9), sodass die Klägerin keinesfalls si-
- 38 -
cher davon ausgehen konnte, dass die geäußerte Auffassung nicht revidiert
würde. Es wäre danach Sache der Klägerin gewesen, weiteren Sachvortrag zu der
noch ergebnisoffenen Rechtsfrage zu halten. Der Umstand, dass die Patentfähig-
keit der Unteransprüche 2 und 3 mit den Beteiligten ebenfalls ausführlich diskutiert
worden ist (vgl. Sitzungsniederschrift, S. 6 ff.) stellt ein weiteres, gewichtiges Indiz
dafür dar, dass der Senat keinesfalls abschließend auf die Annahme der Unzuläs-
sigkeit der Patentansprüche 2 und 3 festgelegt war und stellt die Klägerin keines-
falls vor die Situation einer Überraschungsentscheidung, nur weil ihre Erwartung
an die ausdrücklich unter Vorbehalt gestellte Entscheidung an Verkündungs Statt
nicht eingetreten ist. Die von der Klägerin auf eine Überraschungsentscheidung
abzielende Argumentation und die Annahme eines zur Wiederöffnung zwingenden
Verfahrensfehlers i. S. d. § 156 ZPO gehen daher fehl.
VI.
Als Unterlegene hat die Klägerin die Kosten des Rechtsstreits gemäß §§ 84 Abs. 2
PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu tragen. Die Entscheidung über die vor-
läufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 99 Abs. 1 PatG, 709 ZPO.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung gegeben.
Die Berufungsschrift muss von einer in der Bundesrepublik Deutschland zugelas-
senen Rechtsanwältin oder Patentanwältin oder von einem in der Bundesrepublik
Deutschland zugelassenen Rechtsanwalt oder Patentanwalt unterzeichnet und in-
nerhalb
eines
Monats
beim
Bundesgerichtshof,
Herrenstraße 45a,
76133 Karlsruhe eingereicht werden. Die Berufungsfrist beginnt mit der Zustellung
des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von
- 39 -
fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufungsfrist kann nicht verlängert
werden.
Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung
gerichtet wird, sowie die Erklärung enthalten, dass gegen dieses Urteil Berufung
eingelegt werde. Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte
Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
Engels
Kopacek
Dr. Müller
Veit
Zimmerer
Pr