Urteil des BPatG vom 18.08.2015

Stand der Technik, Patentanspruch, Aktiven, Form

BPatG 253
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
4 Ni 20/14 (EP)
(Aktenzeichen)
URTEIL
Verkündet am
18. August 2015
In der Patentnichtigkeitssache
betreffend das europäische Patent 1 153 676
(DE 601 05 225)
- 2 -
hat der 4. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche
Verhandlung vom 18. August 2015 durch den Vorsitzenden Richter Engels sowie
die Richter Dr. agr. Huber, Dipl.-Ing. Univ. Rippel, die Richterin Kopacek und den
Richter Dipl.-Ing. Brunn
für Recht erkannt:
I.
Das europäische Patent 1 153 676 wird mit Wirkung für das
Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland insoweit für
nichtig erklärt, als es hinsichtlich der Patentansprüche 1, 2, 3
und der Patentansprüche 7, 8 und 9, soweit diese nicht auf die
Ansprüche 4, 5 und 6 rückbezogen sind, über folgende
Fassung hinausgeht:
- 3 -
- 4 -
II.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
III.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 %
des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Gegenstand des Nichtigkeitsverfahrens ist das auch mit Wirkung für Deutschland
erteilte europäische Patent EP 1 153 676, deutsches Aktenzeichen DE 601 05 225
(Streitpatent), das am 27. April 2001 unter Inanspruchnahme der Priorität GB
0011424 vom 11. Mai 2000 angemeldet
worden ist und einen „Quick-extraction
punch-holder adaptor for converting punching machines from a single-punch to a
multiple-
punch configuration“ („Schnellwechsel-Stanzwerkzeughalteradapter zum
Umwandeln von Einfachstanzmaschinen in Mehrfachstanzmaschine
n“) betrifft.
Das in der Verfahrenssprache Englisch erteilte Streitpatent umfasst 10 Patent-
ansprüche, die teilweise, nämlich im Umfang der erteilten Ansprüche 1 bis 3 und 7
bis 9 angegriffen sind.
Patentanspruch 1 lautet in der Verfahrenssprache Englisch:
1. A quick extraction punch-holder adaptor for converting punching machines
from a single-punch to a multiple-punch configuration, comprising a
cylindrical body (3) having a plurality of longitudinally extending recepta-
- 5 -
cles (4) for slidingly acommodating respective punches (2) the axes of
which being parallel to the axis of said cylindrical body (3), at the end of
said cylindrical body (3) selection means (5) being rotatably mounted, said
selection means (5) being provided, on its lower face, with a tooth (6) for
contacting with the head (2c) of each selected punch (2) and being
engageable with motor means for angularly controlled rotation, said motor
being associated with the conventional turret of a punching machine,
elastic means (7) being interposed between said selection means (5) and
said cylindrical body (3), said elastic means (7) being loadable by
charac-
terized in that
said cylindrical body and said selection means (5) is provided with a
portion (4a) engaging from below a head (2c) of said punch (2) so as to
produce the return of the punch (2) after said active stroke.
In der deutschen Übersetzung lautet Patentanspruch 1:
1. Schnell wechselbarer Stößelhalter-Adapter zum Umrüsten von Stanzma-
schinen aus einer Einfachstößelkonfiguration in eine Mehrfachstößel-
konfiguration, mit einem zylindrischen Körper (3), der eine Mehrzahl von
sich längs erstreckenden Aufnahmen (4) zur gleitenden Aufnahme von
zugeordneten Stößeln (2) aufweist, deren Achsen parallel zu der Achse
des zylindrischen Körpers (3) sind, wobei am Ende des zylindrischen
Körpers (3) ein Auswahlmittel (5) drehbar befestigt ist, wobei das Aus-
wahlmittel (5) an seiner unteren Fläche mit einem Zahn (6) zur Kon-
taktierung des Kopfes (2c) jedes ausgewählten Stößels (2) versehen ist
und mit einem Motormittel zur winkelmäßigen Drehung in Eingriff bringbar
ist, wobei der Motor mit dem herkömmlichen Revolver einer Stanz-
maschine zusammenhängt, mit einem elastischen Mittel (7), das zwischen
dem Auswahlmittel (5) und dem zylindrischen Körper (3) angeordnet ist,
wobei das elastische Mittel (7) durch Druck vorspannbar ist und dazu
dadurch gekenn-
- 6 -
zeichnet, dass
Körpers angeordnet ist, und dass das Auswahlmittel (5) mit einem Bereich
(4a) versehen ist, der von unten in einen Kopf (2c) des Stößels (2)
eingreift, um so die Rückkehr des Stößels (2) nach jedem aktiven Hub zu
gewährleisten.
Hinsichtlich des Wortlauts der (angegriffenen) abhängigen Unteransprüche 2, 3
und 7 bis 9 wird auf die Streitpatentschrift EP 1 153 676 B1 verwiesen.
Mit ihrer auf Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 3 IntPatÜG gestützten
Nichtigkeitsklage macht die Klägerin geltend, der Gegenstand der angegriffenen
Ansprüche gehe über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinaus, sei nicht
ausführbar zudem nicht patentfähig.
Sie beruft sich u.a. auf folgende Entgegenhaltungen:
K5
DE 601 05 225 T2
K7
DE 693 11 217 T2
K8
DE 195 05 754 C1
K11
EP 0 938 938 A2
K14
Auszug aus Wilson Tool-
Katalog „Category: Coining Tools
5/91“
K15
Deckblatt und Seiten 30, 36 sowie letzte Seite aus Wilson
Tool-
Katalog „Thick Turret Special Tooling – 1999 Catalog“.
Die Klägerin vertritt die Auffassung, dass die deutsche Fassung des Merkmals 3.2
gegenüber der englischen Fassung in unzulässiger Weise verallgemeinert worden
sei und dass dem ursprünglichen Anmeldungstext (K3) kein Hinweis in Bezug auf
den Bereich bzw. die rohrförmigen Vorsprünge 4a sowie deren Funktion zu
entnehmen sei. Als einzige Offenbarungsstelle bleibe Figur 1 und der dort ge-
zeigte minimale Vorsprung, der aber viele Interpretationsmöglichkeiten offen
lasse. Zudem liege ein Aliud vor, weil durch das erweiterte Merkmal ein anderer
- 7 -
technischer Aspekt hinzukomme; während in der ursprünglichen Figur der Fach-
mann keinen Hinweis erhalte, dass das Rückholmittel nicht umlaufend sei, werde
in Patentanspruch 1 eine Stößelzuordnung vorausgesetzt, welche das Rück-
holmittel nur dem aktiven Stößel zuordne. Der zweite Aspekt des Aliuds sei, dass
ursprünglich das Rückholen nur durch elastische Mittel gelehrt gewesen sei,
während nunmehr das Rückholen des Stößels durch das Auswahlmittel erfolge.
Der Gegenstand des Streitpatents sei auch nicht so deutlich und vollständig
offenbart, dass ein Fachmann ihn ausführen könne. Die im Patentanspruch
vorausgesetzte Drehbarkeit des Auswahlmittels und die damit vorausgesetzte
Dreharbeit des Rückholelements 4a sei nicht möglich, weil dieses Rückholelement
in die Aufnahmen eingreife.
Zudem sei der Gegenstand des Patentanspruch 1 nicht neu gegenüber K11. Eine
fehlende Neuheit sei auch im Hinblick auf K7 gegeben. Selbst wenn K11 nicht
neuheitsschädlich gesehen werde, sei die Lehre des Patentanspruchs 1 nahe-
liegend aufgrund der Kombination von K11 und K7. Der Gegenstand des
Anspruchs 1 sei auch aus einer Kombination von K7 und K8 nahegelegt. Die K7
offenbare zudem die weiteren Merkmale nach den Unteransprüchen 3, 7 und 9.
Der Gegenstand des Anspruchs 8 sei nahegelegt durch eine Kombination der K7
und K8.
Auch die Hilfsanträge I bis V seien nicht geeignet, eine Patentfähigkeit zu be-
gründen. Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag I sei unzulässig, da
die Beschränkung eines umlaufenden Bereiches nicht ursprünglich offenbart sei;
eine Patentfähigkeit sei im Hinblick auf K7 und K11 ebenfalls abzulehnen. Der
Gegenstand des Hilfsantrags II sei aus dem Stand der Technik vorbekannt. Der
Gegenstand des Hilfsantrags III sei für den Fachmann naheliegend. Dies ergebe
sich ausgehend von K7 bzw. K11 und dem als K14 vorgelegten, vorveröffent-
lichten Auszug des Katalogs „Category: Coining Tools 5/91“, in dem zwei ent-
sprechende Werkzeugsysteme mit Schraubenfedern, die zu einer Längsmittel-
achse dieses Systems umfangsmäßig angeordnet seien, gezeigt würden. Aus
- 8 -
dem sich auf der betreffenden Seite befindlichen Copyrightvermerk von 1991 gehe
die Vorveröffentlichung hervor. Auch K15, S. 30 u
nd 36 des 1999 Katalogs „Thick
Turret Special Tooling“ offenbare ein Werkzeugsystem mit umfangsmäßig ange-
ordneten Schraubenfedern. Die Hilfsanträge IV und V enthielten lediglich nicht
patentfähige Kombinationen der vorangegangenen Hilfsanträge. Patentanspruch 1
gemäß Hilfsantrag VI schließe sämtliche Merkmale des Unteranspruchs 5 des
Klagepatents ein, der nicht angegriffen werde.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das europäische Patent 1 153 676 im Umfang der erteilten
Ansprüche 1 bis 3 und 7 bis 9, soweit diese nicht auf die An-
sprüche 4 bis 6 rückbezogen sind, für das Hoheitsgebiet der
Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
Sie erklärt ausdrücklich, dass das Streitpatent nicht mehr angegriffen werde,
soweit es mit den mit Schriftsatz vom 7. Mai 2015 eingereichten Hilfsanträgen VI
bis VIII verteidigt wird.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen, hilfsweise die Klage abzuweisen, soweit
das Streitpatent mit Hilfsanträgen I bis VIII (Bl. 324-387 d. A.)
eingereicht mit Schriftsatz vom 7. Mai 2015, verteidigt werde.
Sie tritt dem Vorbringen der Klägerin uneingeschränkt entgegen und verteidigt das
Streitpatent in der erteilten Fassung sowie in den jeweiligen Fassungen gemäß
den Hilfsanträgen I bis VIII. Der Gegenstand der angegriffenen Ansprüche 1 bis 3
und 7 bis 9 gehe nicht über den Inhalt der zugrunde liegenden Anmeldung hinaus,
sei ausführbar und auch patentfähig.
- 9 -
Insbesondere fehle es dem Gegenstand des Patentanspruchs 1 nicht an Neuheit
gegenüber den Schriften K11 und K7. Auch sei der beanspruchte Gegenstand
weder durch K7 noch durch K11 nahegelegt. Die Vorveröffentlichung der von der
Klägerin vorgelegten Katalogauszüge K14 und K15 werde bestritten. Insbe-
sondere werde bestritten, dass die K15 der Öffentlichkeit im Jahr 1999 zugänglich
gemacht worden sei, da anhand eines Internetauszugs (Anlage 2 zum Protokoll)
nachgewiesen werden könne, dass der Katalog K15 erst im Jahre 2003 archiviert
worden sei.
Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung am 18. August 2015 den Origi-
nalkatalog der K15 vorgelegt und für dessen im Jahr 1999 erfolgte Verbreitung
Zeugenbeweis angeboten.
Der Senat hat den Parteien einen frühen qualifizierten Hinweis vom 23. März 2015
nach § 83 Abs. 1 PatG zugeleitet, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird
(Bl. 285 ff. d. A.).
Im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze samt
allen Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom
18.08.2015 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
Die zulässige Klage, mit der die Klägerin die in Artikel II § 6 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 3
IntPatÜG, Artikel 138 Abs. 1 lit. a), b) und c) EPÜ i. V. m. Artikel 52, 54 Abs. 1, 2
und Artikel 56 EPÜ vorgesehenen Nichtigkeitsgründe der unzulässigen Erweite-
rung, der mangelnden Ausführbarkeit und der fehlenden Patentfähigkeit geltend
gemacht hat, ist insoweit begründet, als das Streitpatent dadurch für nichtig erklärt
wird, dass es die Fassung der Patentansprüche 1 bis 3 und 7 bis 9 gemäß
- 10 -
Hilfsantrag VI erhält. Da die Klage insoweit erfolgreich ist, als das Streitpatent in
den Fassungen nach Hauptantrag und nach den Hilfsanträgen I bis V verteidigt
wird und die Klägerin ausdrücklich erklärt hat, dass sie das Streitpatent, soweit es
in der Fassung nach Hilfsantrag VI verteidigt wird, nicht angreift, ist die insoweit
beschränkte Klage in vollem Umfang begründet; es bedarf keiner Klageabweisung
im Übrigen.
II.
1.
Das Streitpatent betrifft einen Schnellwechsel-Stanzwerkzeughalteradapter
zum Umwandeln von Einfachstanzmaschinen in Mehrfachstanzmaschinen, wie er
anhand der Figuren 1 bis 3 im Streitpatent gezeigt und beschrieben ist.
Herkömmliche Stanzmaschinen (EP 0 727 263) können nur jeweils einen Stößel
aufnehmen und haben als Stößelhalter einen zylindrischen Körper, in dem der
Stößel in vertikaler Richtung geführt ist. Über eine mechanische Kupplung (z. B.
Verschraubung) ist eine Scheibe oberhalb des Körpers an dem Kopf des Stößels
befestigt und kann sich gemeinsam mit dem Stößel in einer vertikalen Richtung
bewegen. Nach den Ausführungen in den Absätzen [0008] bis [0010] der Streit-
patentschrift (K5) ist es aus unterschiedlichen Gründen erforderlich, Stößel zu
ersetzen oder den Hub des Hammers anzupassen, was sehr kompliziert und
zeitaufwändig ist.
Andere bekannte Stanzmaschinen, wie sie beispielsweise die US 5 615 471 zeigt,
von der das Streitpatent nach Absatz [0011] ausgeht, haben Revolverschei-
ben (3), die um eine zentrale Achse (A) drehbar sind und in denen mehrere
Einfach- oder Mehrfachstößelhalteradapter aufgenommen sind, welche wiederum
die Stanzwerkzeuge tragen. Nach den Ausführungen im Absatz [0011] des
Streitpatents (K5) haben die dort verwendeten Stößelhalter elastische Mittel, die
zwischen einem Auswahlmittel und einem zylindrischen Körper des Stößelhalters
in einem relativ engen Sitz aufgenommen sind.
- 11 -
2.
Aufgabe
der Erfindung, einen schnell lösbaren Stößelhalter-Adapter zum Umrüsten von
Stanzmaschinen aus einer Einfachstößelkonfiguration in eine Mehrfachstößel-
konfiguration zu schaffen, der es erlaubt, eine Mehrzahl von Stößeln unterhalb des
Hammers bereitzuhalten, ohne sie systematisch jedes Mal ersetzen zu müssen,
wenn das an den Metallplatten durchgeführte Verfahren sich ändert, und der es
auch erlaubt, den Stößel, der verwendet wird, aus den gestanzten Metallplatten in
einer absolut verlässlichen Weise ohne Festsitzen zu entfernen, und der es
schließlich erlaubt, Variationen in der Länge der Stößel infolge von im Zeitablauf
wiederholten Schleifvorgängen zu kompensieren [0012].
3.
Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt der Patentanspruch 1 in der geltenden
Fassung gemäß Hauptantrag in deutscher Übersetzung vor:
1
Schnell entfernbarer Stößelhalter-Adapter zum Umrüsten von Stanz-
maschinen aus einer Einfachstößelkonfiguration in eine Mehrfach-
stößelkonfiguration,
2
mit einem zylindrischen Körper (3), der eine Mehrzahl von sich längs
erstreckenden Aufnahmen (4) zur gleitenden Aufnahme von zuge-
ordneten Stößeln (2) aufweist,
2.1 die Achsen der Aufnahmen sind parallel zu der Achse des
zylindrischen Körpers (3),
3
wobei am Ende des zylindrischen Körpers (3) ein Auswahlmittel (5)
drehbar befestigt ist;
3.1 das Auswahlmittel (5) ist an seiner unteren Fläche mit einem Zahn
(6) zur Kontaktierung des Kopfes (2c) jedes ausgewählten Stößels
(2) versehen;
3.2 das Auswahlmittel (5) ist mit einem Bereich (4a) versehen, der von
unten in einen Kopf (2c) des Stößels eingreift, um so die Rückkehr
des Stößels (2) nach jedem aktiven Hub zu gewährleisten;
- 12 -
3.3 das Auswahlmittel ist mit einem Motormittel zur winkelmäßigen
Drehung in Eingriff bringbar, wobei der Motor mit dem herkömm-
lichen Revolver einer Stanzmaschine zusammenhängt;
4
mit einem elastischen Mittel (7), das zwischen dem Auswahlmittel (5)
und dem zylindrischen Körper (3) angeordnet ist,
4.1 wobei das elastische Mittel (7) durch Druck vorspannbar ist und dazu
geeignet ist, dem aktiven Hub entgegenzuwirken,
4.2 das elastische Mittel (7) ist zu dem zylindrischen Körper umfangs-
mäßig angeordnet.
Im Hilfsantrag I ist beim Patentanspruch 1 gegenüber der Fassung nach Haupt-
antrag das Merkmal 3.2 durch das Merkmal 3.2.A ersetzt (Änderungen unter-
strichen):
3.2.A das Auswahlmittel (5) ist mit einem umlaufend angeordneten
Bereich (4a) versehen, der von unten in den Kopf (2c) des ausge-
wählten Stößels eingreift, um so die Rückkehr des ausgewählten
Stößels (2) nach jedem aktiven Hub zu gewährleisten;
Im Hilfsantrag II enthält der Patentanspruch 1 gegenüber der Fassung nach
Hauptantrag lediglich den Disclaimer, wonach es sich beim Merkmal 3.2 um eine
unzulässige Erweiterung handelt.
Im Hilfsantrag III ist der Patentanspruch 1 gegenüber der Fassung nach
Hauptantrag durch das Merkmal 4.3 ergänzt:
4.3 wobei das elastische Mittel (7) durch eine Vielzahl von Schrau-
benfedern (12) gebildet ist.
Im Hilfsantrag IV ist der Patentanspruch 1 gegenüber der Fassung nach
Hilfsantrag I ebenfalls durch das Merkmal 4.3 ergänzt.
- 13 -
4.3 wobei das elastische Mittel (7) durch eine Vielzahl von Schrau-
benfedern (12) gebildet ist.
Im Hilfsantrag V enthält der Patentanspruch 1 gegenüber der Fassung nach
Hilfsantrag III lediglich den Disclaimer, wonach es sich beim Merkmal 3.2 um eine
unzulässige Erweiterung handelt.
Im Hilfsantrag VI ist der Patentanspruch 1 gegenüber der Fassung nach
Hilfsantrag III durch das Merkmal 4.4 ergänzt:
4.4 die zwischen einem umfangsmäßigen Vorsprung (13) des Aus-
wahlmittels (5), der eine vertikale Rückhaltewand (14) bildet und
einer Stufe (15), die auch umlaufend von einer äußeren Fläche
des zylindrischen Körpers (3) hervorsteht, eingeführt sind.
Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag VI umfasst somit alle Merkmale des
ursprünglichen Anspruchs 5, der von der Klägerin nicht angegriffen ist.
Hinsichtlich der Fassungen der jeweiligen Patentansprüche 1 der weiteren Hilfs-
anträge wird auf den Akteninhalt verwiesen.
III.
1.
Diplom-Ingenieur (FH) der Fachrichtung Maschinenbau, der mehrjährige Berufs-
erfahrung in der Konstruktion von Stanzmaschinen aufweist.
2.
orientierten Betrachtung (st. Rspr., vgl. BGH GRUR 2011, 129
– Fentanyl-TTS;
GRUR 2004, 845
– Drehzahlermittlung, m. w. N.) ist zu beurteilen, welche
technische Lehre Gegenstand des jeweiligen Patentanspruchs ist und welchen
- 14 -
technischen Sinngehalt den Merkmalen des Patentanspruchs im Einzelnen und in
ihrer Gesamtheit zukommt (BGH GRUR 2002, 515, 517
– Schneidmesser I;
GRUR 2001, 232, 233 - Brieflocher, jeweils m. w. N.). Der Senat legt danach den
geltenden Patentansprüchen folgendes Verständnis zu Grunde:
3.
entfernbaren Stößelhal-
ter-Adapter zum Umrüs-
ten von Stanzmaschinen
aus einer Einfach- in
eine Mehrfachstößelkon-
figuration,
wie
er
beispielsweise
bereits
aus
der
in
der
Beschreibungseinleitung
genannten Schrift US 5
615 471
bekannt
ist.
Demnach sind in die
Revolverscheibe
der
Stanzmaschine mehrere
Stößelhalteradapter,
nämlich
wahlweise
Mehrfachstößelhalter-
adapter oder Einfach-
stößelhalteradapter ein-
setzbar. Sofern Einfachstößelhalteradapter in den Revolver der Stanzmaschine
eingesetzt sind, können diese je nach Bedarf durch Mehrfachstößelhalteradapter
ersetzt werden, was fachmännisch auch als Umrüsten bezeichnet wird.
Nach Merkmal 2 hat der schnell entfernbare Stößelhalter-Adapter einen zylin-
drischen Körper (3), der eine Mehrzahl von sich längs erstreckenden Aufnahmen
(4) zur gleitenden Aufnahme von zugeordneten Stößeln (2) aufweist und deshalb
- 15 -
ein Mehrfachstößeladapter ist. Die Achsen der Aufnahmen (4) sind dabei parallel
zu der Achse des zylindrischen Körpers (3) angeordnet.
Nach Merkmal 3 ist am Ende des zylindrischen Körpers (3) ein Auswahlmittel (5)
drehbar befestigt. Dem Wortlaut nach verlangt Merkmal 3 lediglich, dass zwei
Baugruppen, nämlich der zylindrische Körper und ein Auswahlmittel, drehbar
aneinander befestigt sind. Dies bedeutet, dass eine Rotationsbewegung der
beiden Baugruppen relativ zueinander möglich sein muss. Welche Baugruppe
gedreht werden soll, legt der Wortlaut von Merkmal 3 nicht fest. Er legt auch nicht
fest, bei welcher Gelegenheit (zu welchem Zweck) sie sich drehen soll.
Der Senat teilt insofern auch die Auffassung der Beklagten, die sie als Klägerin im
Verletzungsprozess vorgetragen hat, dass das Streitpatent mit Merkmal 3 lediglich
eine relative Verdrehbarkeit zwischen Zahn und zylindrischem Körper verlangt,
ohne dass festgelegt ist, welches Bauteil sich dreht und welches feststeht. Der
Begriff „am Ende“ in Verbindung mit einem zylindrischen Körper legt fest, dass
hier nur eines der beiden Enden eines zylindrischen Körpers zur Befestigung
dient.
Die Merkmale 3.1 bis 3.3 beschreiben den Aufbau und die Wirkungsweise des
Auswahlmittels näher. Demnach besteht das streitpatentgemäße Auswahl-
mittel - wie auch die Ausführungen in den Beschreibungsunterlagen und die
Figur 1 belegen - aus mehreren Bauteilen.
Nach Merkmal 3.1 ist das Auswahlmittel (5) an seiner unteren Fläche mit einem
Zahn (6) zur Kontaktierung des Kopfes (2c) jedes ausgewählten Stößels (2)
„versehen“. Unter einem „Zahn" ist im Allgemeinen ein aus einer beliebigen Fläche
hervorstehendes (lokal begrenztes) Teil anzusehen. Nach der Beschreibung,
Absatz [0020] „hat“ das Auswahlmittel den Zahn (6) – der Zahn (6) ist somit
Bestandteil des Auswahlmittels (5).
- 16 -
Einer der im zylindrischen Körper (3) angeordneten Stößel (2) kann zum Stanzen
durch das Auswahlmittel (5) „ausgewählt“ werden, indem der Zahn (6) durch die in
Merkmal 3 beschriebene relative Verdrehbarkeit zwischen dem zylindrischen Kör-
per (3) und Auswahlmittel (5) über dem ausgewählten Stößel positioniert wird.
Beim Stanzvorgang treibt der Zahn (6) den so ausgewählten Stößel (2) in das zu
stanzende Werkstück, während die anderen Stößel inaktiv bleiben.
Darüber hinaus ist das Auswahlmittel (5) nach Merkmal 3.2 der deutschen Über-
setzung mit einem Bereich (4a) versehen, der von unten in einen Kopf (2c) des
Stößels eingreift, um so die Rückkehr des Stößels (2) nach jedem aktiven Hub zu
gewährleisten. Wie der Senat bereits im qualifizierten Hinweis ausführlich erläutert
hat, ist unter Berücksichtigung der maßgeblichen englischen Originalfassung nach
der K4 darunter zu verstehen, dass dem Auswahlmittel (5) ein Bereich (4a)
angehört, der seinerseits von unten her an einen Kopf (2c) des Stößels (2)
angreift. Der zweite Teil des Merkmals 3.2 erklärt den Zweck dieser technischen
Ausgestaltung damit, dass so die Rückkehr des Stößels nach jedem aktiven Hub
(hier ist der eigentliche Stanzvorgang gemeint) zu gewährleisten sei.
Das Auswahlmittel ist nach Merkmal 3.3 mit einem Motormittel zur winkelmäßigen
Drehung in Eingriff bringbar, wobei der Motor mit dem herkömmlichen Revolver
einer Stanzmaschine zusammenhängt. Nach den Ausführungen in Absatz [0021]
der K5 kann das Auswahlmittel (5) mit einem Motormittel herkömmlicher Art
gekoppelt sein, wozu gemäß Absatz [0032] beispielsweise eine von einem Motor
angetriebene Übertragungskette mit einem verzahnten Ring (11) kämmt, der auf
einer Scheibe (10) des Auswahlmittels (5) angeordnet ist.
Bereits nach dem Wortlaut des Patentanspruchs 1 besteht danach das Aus-
wahlmittel (5) aus mehreren Bauteilen, nämlich dem Zahn (6) und dem Bereich
(4a) des Auswahlmittels. Darüber hinaus gehören ausweislich der Beschreibung,
Absätze [0025] bis [0027], auch die Scheibe (10), deren Umfangsvorsprung (13)
die Wand (14) sowie ein gezahnter Ring (11) zu dem Auswahlmittel (5). Auch die
Figur 1 belegt aufgrund der fachüblichen Schraffuren unmissverständlich, dass
- 17 -
das Auswahlmittel aus mehreren Bauteilen besteht. Aus der Figur 1 erkennt der
Fachmann eindeutig, dass alle Bauteile des Auswahlmittels gemeinsam unter der
Wirkung des Hammers in vertikaler Richtung nach unten bewegt und nach dem
Stanzvorgang wieder nach oben zurückgeführt werden. Jedoch lassen weder die
Figuren noch die textliche Beschreibung eindeutig erkennen, welche (anderen)
Bauteile des Auswahlmittels sich gemeinsam mit dem verzahnten Ring (11) und
dem Zahn (6) relativ zu dem zylindrischen Körper (3) drehen. Hier sind mehrere
Möglichkeiten denkbar und vom Wortlaut des Patentanspruchs umfasst.
Nach einer von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vertretenen Variante
drehen sich lediglich diejenigen Bauteile des Auswahlmittels, die entsprechend der
Schraffur von verzahntem Ring (11) und Zahn (6) von links oben nach rechts
unten schraffiert sind, während die anders schraffierten Bauteile, insbesondere der
Körper 5a und der Bereich 4a des Auswahlmittels, sich nicht drehen würden,
sondern feststehend wären.
Nach Merkmal 4 hat der schnell entfernbare Stößelhalter-Adapter ein elastisches
Mittel (7), das zwischen dem Auswahlmittel (5) und dem zylindrischen Körper (3)
angeordnet ist. In der maßgeblichen englischen Originalfassung nach der K4
spricht das Streitpatent allerdin
gs von „elastic means“, so dass klar wird, dass es
sich um mehrere elastische Mittel handelt, wie auch dem Gesamtoffenbarungs-
gehalt des Streitpatents entnehmbar ist.
Merkmal 4 legt somit fest, dass die elastischen Mittel (7) derart zwischen dem
Auswahlmittel (5) und dem zylindrischen Körper (3) angeordnet sein müssen, dass
sie ihre entsprechend dem Erfindungsgedanken zugedachte technische Funktion
ermöglichen können, nämlich das Erzeugen der Rückführkraft, die den ausge-
wählten und benutzten Stempel nach oben in die Ausgangsstellung zurückführt.
Dazu müssen sie nicht unbedingt unmittelbar zwischen dem Auswahlmittel (5) und
dem zylindrischen Körper (3) angeordnet sein, sondern bereits eine mittelbare
Anordnung zwischen dem Auswahlmittel (5) und dem zylindrischen Körper (3)
ermöglicht die Rückführung des ausgewählten und benutzten Stempels.
- 18 -
Diese elastischen Mittel (7) sind gemäß Merkmal 4.1 durch Druck vorspannbar
und dazu geeignet, dem aktiven Hub entgegenzuwirken. Nach Durchführung des
Stanzvorgangs bewirkt die Vorspannung der elastischen Mittel (7) das verlässliche
Rückführen des aktiven Stempels in die Ausgangslage.
Nach Merkmal 4.2 sind die elastischen Mittel (7) zu dem zylindrischen Körper (3)
„circumferentially“, also „umfangsmäßig“ angeordnet. Wie das Ausführungsbei-
spiel nach Figur 1 des Streitpatents deutlich belegt, ist damit nicht gemeint, dass
die elastischen Mittel (7) unmittelbar auf der Umfangslinie des zylindrischen
Körpers (3) angeordnet sind, also mit gleichem radialen Abstand, weil sie, wie in
Fig. 1 ersichtlich, auf der am oberen Ende des zylindrischen Körpers (3) ange-
ordneten Stufe (15) kreisförmig außerhalb der Umfangslinie um die Achse des
zylindrischen Körpers (3) angeordnet sind. Unter Berücksichtigung der maß-
geblichen englischen Originalfassung und dem intendierten Sinn und Zweck des
Merkmals 4.2, die Federkraft umlaufend zu verteilen, ist
der Begriff „umfangs-
mäßig angeordnet“ so zu verstehen, dass die elastischen Mittel (7) umlaufend mit
irgendeinem - und nicht zwingend mit dem radialen Abstand des Umfangs des
zylindrischen Körpers (3) - gegenüber der Mittelachse des zylindrischen Körpers
ausgestaltet sind. Mit welchem Abstand zur Mittelachse die elastischen Mittel
angeordnet sind, legt danach der geltende Patentanspruch 1 nicht fest.
Nach Merkmal 4.3 gemäß den Hilfsanträgen III und folgende sind die elastischen
Mittel durch eine Vielzahl von Schraubenfedern gebildet. Entgegen der Auffassung
der Klägerin hält der Senat diese Übersetzung des Begriffs „plurality“ der
maßgeblichen englischen Originalfassung für durchaus treffender als den im
erteilten Patent verwendeten Begriff „Mehrzahl“. Denn im Streitpatent ist klar
offenbart, dass viele Schraubenfedern umlaufend angeordnet sein sollen, um die
Federkraft „umlaufend“ zu verteilen, und nicht nur zwei oder drei Schrauben-
federn, die unter den Begriff „Mehrzahl“ fallen würden, der von der Klägerin als
zutreffend angesehen wird.
- 19 -
Das Merkmal 4.4 beschreibt die Anordnung der Schraubenfedern zwischen dem
umfangsmäßigen Vorsprung (13) des Auswahlmittels (5) und einer Stufe (15) des
zylindrischen Körpers (3).
IV.
Die zulässige Klage ist erfolgreich, als das Streitpatent in den nach Hauptantrag
und Hilfsanträgen I bis V verteidigten Fassungen keinen Bestand hat und die nach
Hilfsantrag VI zulässig verteidigte Fassung nicht angegriffen ist.
1
Es kann hinsichtlich der nach Hauptantrag verteidigten Fassung des Streitpatents
letztlich dahingestellt bleiben, ob die Lehre des geltenden Patentanspruchs 1 nach
Hauptantrag im Hinblick auf die von der Klägerin geltend gemachten Umstände
ausführbar ist oder ob sie im Hinblick auf die nachtäglichen Ergänzungen im
ersten Teil des Merkmals 3.2 gegenüber dem Inhalt der Anmeldung durch Auf-
nahme nicht ursprungsoffenbarter Merkmale erweitert ist und welche Folgen
hieraus abzuleiten sind. Denn der beanspruchte Gegenstand ist gegenüber dem
Stand der Technik nach der K11 nicht neu, zumindest nicht auf erfinderischer
Tätigkeit beruhend und somit nicht patentfähig.
Die K11 offenbart ein Mehrfachwerkzeug für eine Stanzvorrichtung, mit einem
zylindrischen Körper (32), der eine Mehrzahl von sich längs erstreckenden Auf-
nahmen (Führungsbohrungen 36) zur gleitenden Aufnahme von zugeordneten
Stößeln (Stanzstempel 38) aufweist (Merkmal 2). Bei der bekannten Stanzvor-
richtung handelt es sich somit zweifellos auch um einen schnell entfernbaren
Stößelhalter-Adapter von Stanzmaschinen, der (beispielsweise) von einer Ein-
fachstößelkonfiguration in eine Mehrfachstößelkonfiguration gemäß Merkmal 1
umrüstbar ist oder zumindest dafür geeignet ist. Dies wird von der Beklagten auch
nicht bestritten.
- 20 -
Ersichtlich sind nach der einzigen Figur der K11 entsprechend Merkmal 2.1 die
Achsen der Aufnahmen (Füh-
rungsbohrungen 36) parallel zu
der Mittelachse des zylin-
drischen Körpers (32).
Die bekannte Stanzvorrichtung
hat auch
– ähnlich wie der
Streitpatentgegenstand
ein
aus mehreren Bauteilen be-
stehendes Auswahlmittel, wel-
ches am oberen Ende des
zylindrischen
Körpers
(32)
drehbar befestigt ist (Merk-
mal 3). Denn das Auswahl-
mittel, zu dem (unter anderem)
Treiberelement (14), Aufnahme
(18) und ein einziger Zahn
(Treiberbolzen 30) gehören,
wählt den zum Stanzen benötigten Stößel (Stanzstempel 38) aus, indem
zumindest einige Bauteile des Auswahlmittels, insbesondere Treiberelement (14)
und Zahn (Treiberbolzen 30) nach Absatz [0019] der K11 derart relativ bezüglich
des zylindrischen Körpers (32) verdrehbar sind, dass der Zahn (Treiberbolzen 30)
über dem ausgewählten Stößel positioniert ist.
Dabei ist es unerheblich, - weil vom Wortlaut des Merkmals 3 nicht gefordert (vgl.
die Ausführungen zur Auslegung des Merkmals 3 des Streitgegenstands in
Abschnitt III.2) - ob sich das Auswahlmittel gegenüber dem zylindrischen Körper
oder der zylindrische Körper gegenüber dem Auswahlmittel dreht.
Der Zahn (Treiberbolzen 30) ist entsprechend Merkmal 3.1 an einer nach unten
gerichteten Fläche, also einer unteren Fläche im Sinne des Streitpatents,
- 21 -
angeordnet und kann entsprechend den Ausführungen in Absatz [0019], letzter
Satz, den Kopf des ausgewählten Stößels kontaktieren.
Das aus mehreren Bauteilen bestehende Auswahlmittel hat zudem einen Bereich
(Rückholplatte 46), der von unten in bzw. an einen Kopf (40) des Stößels
(Stanzstempel 38) angreift und so die Rückkehr des Stößels (38) nach jedem
aktiven Hub gewährleistet (Merkmal 3.2).
Entgegen der Auffassung der Beklagten gehört auch die Rückholplatte (46) zu
dem Auswahlmittel, weil sie durch das mit dem Treiberelement (14) verschraubte
Zentrierelement (48) derart am Auswahlmittel befestigt ist, dass sie - ähnlich wie
Bereich 4a beim Streitpatent - gemeinsam mit dem Auswahlmittel unter der
Wirkung des Hammers in vertikaler Richtung nach unten und nach dem Stanz-
vorgang wieder nach oben bewegt wird. Dem steht nicht entgegen, dass die
Rückholplatte (46) der K11 (relativ) zum Auswahlmittel in Form des Treiber-
elements (14) verdrehbar ist, denn auch beim Streitpatentgegenstand gibt es nach
dem Vortrag der Beklagten verdrehbare und feststehende Teile des Aus-
wahlmittels. Zudem legt der Patentanspruch auch nicht fest, ob und welche Teile
des Auswahlmittels verdrehbar oder feststehend sein sollen. Vielmehr entspricht
die Rückholplatte (46) nach Funktion, Wirkung und Anordnung exakt dem Bereich
4a des Auswahlmittels beim Streitpatent.
Die bekannte Stanzvorrichtung hat auch ein elastisches Mittel in Form von
mehreren, übereinander liegenden Tellerfedern (Tellerfederpaket (20)), die zwi-
schen dem Auswahlmittel (Treiberkopf des Treiberelements (14)) und dem
zylindrischen Körper (32) angeordnet sind (Merkmal 4). Unerheblich ist - weil vom
Wortlaut des geltenden Patentanspruchs nicht gefordert -, dass hier bei der K11
die elastischen Mittel nicht unmittelbar zwischen dem Auswahlmittel (Treiberkopf
des Treiberelements (14)) und dem zylindrischen Körper (32) angeordnet sind,
sondern nur mittelbar über die Aufnahme (18), die in axialer Richtung fest mit dem
zylindrischen Körper (32) verbunden ist.
- 22 -
Dabei sind die elastischen Mittel der bekannten Stanzvorrichtung nach der K11 in
Form der Tellerfedern (20) - wie im Übrigen alle (Druck-) Federn - durch Druck
vorspannbar und dazu geeignet, dem aktiven Hub entgegenzuwirken (Merk-
mal 4.1).
Auch das Merkmal 4.2, wonach elastische Mittel (20) zu dem zylindrischen Körper
umfangsmäßig angeordnet sind, ist bei der K11 verwirklicht, weil die einzelnen
Tellerfedern des Tellerfederpakets (20) ringförmig ausgebildet sind und deshalb
gegenüber der Bezugsfläche hier einer Fläche des zylindrischen Körpers
umlaufend ausgestaltet sind. Somit wird - im Gegensatz zur Auffassung der
Beklagten - auch bei der K11 die Federkraft nicht nur an einer (einzigen) Stelle
punktförmig in den zylindrischen Körper eingeleitet, sondern aufgrund der ring-
förmigen Tellerfedern - genauso wie beim Streitpatent - am zylindrischen Körper
umlaufend verteilt.
Somit sind, mit Ausnahme des Merkmals 3.3, alle Merkmale des Patentan-
spruchs 1 aus der K11 bekannt. Lediglich Motormittel, die zur winkelmäßigen
Drehung in Eingriff bringbar sind, wobei der Motor mit dem herkömmlichen
Revolver einer Stanzmaschine zusammenhängt, entsprechend Merkmal 3.3,
offenbart die K11 nicht wörtlich. Jedoch werden derartige Mehrfachwerkzeuge
nach der K11 entsprechend den Ausführungen im Absatz [0002] der K11
üblicherweise bei Hubzahlen von 400 Hüben/min betrieben, wobei in der Zeit
zwischen zwei Hüben auch das Verdrehen des Führungselementes bezüglich der
Aufnahme erfolgt. Damit offenbart die K11 dem Fachmann unmittelbar und
eindeutig, dass dadurch zwangsläufig Motormittel zum Einsatz kommen müssen,
die mit dem Auswahlmittel zur winkelmäßigen Drehung in Eingriff bringbar sind,
wobei diese Motormittel bzw. der Motor zwangsläufig auch mit dem her-
kömmlichen Revolver der Stanzmaschine zusammenhängen muss, um die im
Absatz [0002] der K11 beschriebenen Verdrehbewegungen in Abhängigkeit von
den Hubbewegungen durchführen zu können. Der Senat sieht daher auch das
Merkmal 3.3 durch die K11 unmittelbar und eindeutig als offenbart an, so dass der
- 23 -
Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag bereits wegen mangelnder Neuheit gegen-
über der K11 keinen Bestand hat.
2
Es kann dahingestellt bleiben, ob die Lehre des geltenden Patentanspruchs 1
nach Hilfsantrag I ausführbar ist oder ob dieser Patentanspruch durch Aufnahme
nicht ursprungsoffenbarter Merkmale erweitert ist und welche Folgen hieraus
abzuleiten sind, denn der beanspruchte Gegenstand ist gegenüber dem Stand der
Technik nach der K11 nicht neu.
Wie bereits bei der Beurteilung der mangelnden Neuheit des Streitpatent-
gegenstandes nach dem Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag ausgeführt ist, ist
der dort beanspruchte schnell entfernbare Stößelhalter-Adapter zum Umrüsten
von Stanzmaschinen aus einer Einfachstößelkonfiguration in eine Mehrfach-
stößelkonfiguration nicht neu gegenüber dem Gegenstand der K11.
Darüber hinaus ist auch das zum Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag unter-
schiedliche Merkmal 3.2.A ebenfalls vollständig aus der K11 bekannt. Denn auch
das Auswahlmittel der K11 in Form der Rückhohlplatte (46) ist gemäß der Figur
der K11 mit einem umlaufend angeordneten Bereich (ohne eigenes Bezugs-
zeichen) versehen, der von unten an den Kopf des (für den Stanzvorgang)
ausgewählten Stößels genauso eingreift, wie es beim Streitpatentgegenstand der
Fall ist, um so die Rückkehr des ausgewählten Stößels nach jedem aktiven Hub
zu gewährleisten.
Somit ist auch der Streitpatentgegenstand nach Patentanspruch 1 gemäß Hilfs-
antrag I vollständig aus der K11 bekannt.
3.
Patentanspruch 1 gemäß dem Hilfsantrag II enthält wörtlich auch diejenigen
Merkmale, die dem Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag zu Grunde liegen, so
- 24 -
dass hinsichtlich der Zulässigkeit der Änderung und der fehlenden Neuheit dieses
Anspruchs auf die Ausführungen zum Hauptantrag verwiesen wird.
4.
Auch insoweit kann dahingestellt bleiben, ob der geänderte Patentgegenstand auf
einer zulässigen Änderung basiert, da der beanspruchte Gegenstand nicht auf
erfinderischer Tätigkeit beruht.
4.1.
des maßgeblichen Stands der Technik die Schriften K14 und die K15 vorgelegt.
Nach Überzeugung des Senats ist davon auszugehen, dass sowohl der als K14 in
Kopie eingereichte Auszug aus dem Katalog „Category: Coining Tools 5/91“ der
Firma Wilson Tool International als auch der als K15 in Kopie eingereichte Auszug
aus dem Katalog „Thick Turret Special Tooling“ von Wilson Tool vor dem
Prioritätstag des Streitpatents, dem 11. Mai 2000, der Öffentlichkeit zugänglich
war und damit beide Unterlagen zum Stand der Technik im Sinne von Art. 54
Abs. 2, Art. 56 EPÜ zählten.
Bei der dem Senat von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung im Original
vorgelegten K15 handelt es sich um einen Firmenprospekt, der nach seinem
Aufbau und Layout zweifelsfrei als Werbedruckschrift und damit zum öffentlichen
Verteilen an interessierte Kreise und Kunden vorgesehen war. Der auf der letzten
Seite angebrachte Copyright-
Vermerk „7/99“ belegt zur Überzeugung des Senats
zweifelsfrei die Herstellung des Firmenkatalogs im Juli 1999. Da derartige
Schriften nach der allgemeinen Lebenserfahrung in unmittelbarem Anschluss an
die Herstellung auch verteilt werden (Keukenschrijver/Busse, PatG, 7. Aufl. § 3
Rdn. 195, m. w. N.), ist der Senat auch davon überzeugt, dass diese Schrift
deutlich vor dem Prioritätstag des Streitpatents vom 11. Mai 2000 der Öffent-
lichkeit zugänglich war. Soweit die Beklagte Kopien eines Internetauszugs (vgl.
Anlage 2 zum Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 18. August 2015)
vorlegt, wonach der Katalog erst im Jahr 2003 archiviert worden ist, stellt dies kein
- 25 -
erhebliches Bestreiten im Hinblick auf die insoweit aufgrund des Copyright-
Vermerks bestehende Beweisvermutung für die Veröffentlichung des Katalogs im
Juli 1999 dar, da eine elektronische Archivierung eines Katalogs nach dessen
Erscheinen in Printform praktisch jederzeit und damit auch erheblich später als die
Verteilung des Katalogs in gedruckter Form erfolgen konnte, mithin aus derartigen
nachträglichen Umständen selbst bei unterstellter Richtigkeit keine hinreichenden
Rückschlüsse gezogen werden können, welche der aus den festgestellten
Umständen und der allgemeinen Lebenserfahrung resultierenden Beweisver-
mutung einer öffentlichen Zugänglichmachung des Firmenprospekts vor dem
11.5.2000 entkräften könnten (siehe auch BPatG Urt. v. 26. Februar 2015,
7 Ni 46/14 (EP)
)
. Auf den von der Klägerin angebotenen Zeugenbeweis kam es
daher nicht an.
Im Hinblick auf den in der Anlage K14 vorgelegten Auszug aus dem Katalog
„Category: Coining Tools 5/91“ geht der Senat gleichermaßen davon aus, dass
aufgrund des auf der vorgelegten Katalogseite befindlichen Copyright-Vermerks
das Jahr 1991 als Herstellungszeitpunkt des Katalogs belegt ist. Auch in diesem
Zusammenhang ist nach allgemeiner Lebenserfahrung anzunehmen, dass eine
Verteilung der Druckschrift in unmittelbarem Anschluss an die Herstellung, die weit
vor dem Prioritätstag des Streitpatents, dem 11. Mai 2000, erfolgt ist. Die Beklagte
hat insoweit auch nicht substantiiert bestritten und vorgetragen, weshalb die
aufgrund des Copyright-Vermerks bestehende Beweisvermutung für eine alsbal-
dige Veröffentlichung nach dem Herstellungszeitpunkt im Jahr 1991 im konkreten
Fall zu entkräften wäre.
Die genannten Firmenschriften K14 und K15 sind daher dem vorveröffentlichten
Stand der Technik zuzurechnen.
4.2.
zusätzlich zu den Merkmalen des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag die
ergänzenden Merkmale
4.3, wonach „wobei das elastische Mittel (7) durch eine
Vielzahl von Schraubenfedern (12) gebildet
ist“.
- 26 -
Wie bereits bei der Beurteilung der mangelnden Neuheit des Streitpatent-
gegenstandes nach dem Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag ausgeführt ist,
sind dessen Merkmale vollständig aus der K11 bekannt. Auf die entsprechenden
Ausführungen wird verwiesen.
Zwar ist das im Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag III aufgeführte, zusätzliche
Merkmal 4.3 der K11 nicht zu entnehmen, weil dort Tellerfedern und nicht
Schraubenfedern die erforderliche Kraft zum Zurückführen der Stößel nach einem
Stanzvorgang aufbringen. Jedoch verwendet der Fachmann bei Stanzmaschinen
als elastische Mittel zum Rückführung der Stößel nach einem Stanzvorgang seit
langem und auch schon vor dem Prioritätszeitpunkt wahlweise entweder
Tellerfedernpakete, kreisförmig angeordnete Schraubenfedern oder ringförmige
Urethanfedern. Als Beleg dafür sei beispielsweise auf die von der Klägerin
genannte K14 oder K15 verwiesen, die beide jeweils Auszüge eines Werbe-
prospekts für Stanzwerkzeuge zeigen.
Insbesondere aus der K14 ist ersichtlich, dass Tellerfedernpakete, kreisförmig
angeordnete Druckfedern oder ringförmige Urethanfedern üblicherweise beliebig
austauschbar sind und daher vom Fachmann je nach Anwendungsfall, beispiels-
weise Federcharakteristik, Geräuschverhalten etc. ausgewählt werden können.
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist hierfür auch keine aufwändige Ver-
breiterung des Kopfes erforderlich, sondern lediglich geringfügige Anpassungen,
wie bereits die K14 belegt.
Auch die Abbildungen auf Seite 30 und 36 der K15 zeigen, dass es bereits zum
Prioritätszeitpunkt des Streitpatents fachmännisch üblich war, bei Stanzvor-
richtungen mehrere kreisförmig angeordnete Schraubenfedern als elastisches
Mittel zum Zurückführen von Stößeln nach einem Stanzvorgang einzusetzen.
Somit ist auch der Streitpatentgegenstand nach Patentanspruch 1 gemäß
Hilfsantrag III durch die K11 in Verbindung mit dem Fachwissen des Fachmanns,
belegt durch fachbezogene Werbeprospekte nach der K14 oder K15, nahegelegt.
- 27 -
5.
Patentanspruch 1 gemäß dem Hilfsantrag IV ist eine Kombination aus den
Merkmalen der Patentansprüche 1 des Hilfsantrags I und des Hilfsantrags III und
enthält wörtlich deren Merkmale, so dass hinsichtlich der fehlenden Patent-
fähigkeit dieses Anspruchs auf die Ausführungen zum Hilfsantrag I sowie zum
Hilfsantrag III verwiesen wird.
6.
Patentanspruch 1 gemäß dem Hilfsantrag V enthält wörtlich auch diejenigen
Merkmale, die dem Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag III zu Grund liegen, so
dass hinsichtlich der fehlenden Patentfähigkeit dieses Anspruchs auf die Aus-
führungen zum Hilfsantrag III verwiesen wird.
Einer isolierten Prüfung der weiteren Patentansprüche bedurfte es ebenso wenig
wie hinsichtlich der mit den Hilfsanträgen I-IV verteidigten Fassungen, da kein
Anlass für die Annahme besteht, dass der Patentinhaber eine solche isolierte
Verteidigung einzelner Patentansprüche aus einem Anspruchssatz vorrangig vor
der Überprüfung des nachrangigen vollständigen Anspruchssatzes wünscht (Urt.
des Senats v. 11. November 2014, 4 Ni 19/13; ferner BPatG GRUR 2009, 46
Ionenaustauschverfahren m. w. N.; BPatG GRUR 2012, 99
– Lysimeterstation).
7.
Die nach Hilfsantrag VI verteidigte Fassung des Streitpatents mit den Patent-
ansprüchen 1, 2, 3, 7 und 8 erweist sich als zulässig geändert. Insbesondere ist
die Lehre des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag VI ausführbar und sämtliche
Ansprüche enthalten auch keine unzulässige Erweiterung oder Verallgemeinerung
des Inhalts der Anmeldung nach Artikel 138 Abs. 1 lit. c) EPÜ.
7.1.
Ausführbarkeit vorgebrachten Argumente nicht, die im Wesentlichen darauf ab-
stellen, dass das Klagepatent den Aufbau des Auswahlmittels nicht offenbare und
widersprüchliche Angaben enthalte, insbesondere wenn das Auswahlmittel
- 28 -
konstruktiv so ausgebildet sei, dass sich alle zugehörenden Bauteile gemeinsam
drehen.
Eine Lehre ist ausführbar, wenn der Fachmann ohne erfinderisches Zutun und
ohne unzumutbare Schwierigkeiten in der Lage ist, die Lehre des Patentanspruchs
aufgrund der Gesamtoffenbarung der Patentschrift in Verbindung mit dem
allgemeinen Fachwissen so zu verwirklichen, dass der angestrebte Erfolg erreicht
wird. Dabei reicht es aus, wenn dem Fachmann ein allgemeines Lösungsschema
an die Hand gegeben wird. Der Patentanspruch muss nicht alle zur Ausführung
der Erfindung erforderlichen Angaben enthalten. Es ist deshalb auch nicht
erforderlich, dass mindestens eine praktisch brauchbare Ausführungsform als
solche unmittelbar und eindeutig offenbart ist (st. Rspr. BGH GRUR 2015,
876 - Stabilisierung der Wasserqualität; GRUR 2011, 707 Dentalgerätesatz),
wobei der Ausführbarkeit grundsätzlich auch nicht entgegensteht, dass nicht alle
denkbaren Gestaltungen ausführbar offenbart sind (BGH GRUR 2013,
2012 - Dipeptidyl-Peptidase-Inhibitoren; GRUR 2010, 414 Thermoplastische
Zusammensetzung).
So ist es hier. Der Senat konnte sich aufgrund der mündlichen Verhandlung nicht
mit hinreichender Sicherheit davon überzeugen, dass für den Fachmann die vom
Patentgegenstand umfasste Lehre nicht ausreichend offenbart und nacharbeitbar
ist, auch wenn diese nicht allein Figuren und Beschreibung ausführbar zu
entnehmen sind, sondern es des zusätzlichen Einsatzes von Fachwissen bedarf.
Wie die vorstehenden Ausführungen zum Verständnis des Streitpatents belegen,
lässt das Streitpatent zwar unter Berücksichtigung von Figuren und Beschreibung
offen, welche Bauteile des Auswahlmittels sich gemeinsam mit dem verzahnten
Ring (11) und dem Zahn (6) relativ zu dem zylindrischen Körper (3) drehen.
Insofern lässt auch der Anspruchswortlaut eine gewisse Weite erkennen, da er
zumindest zwei unterschiedliche Ausführungsformen hinsichtlich der Drehbarkeit
des Auswahlmittels (5) gestattet, nämlich eine von der Klägerin Vertretene, bei der
sich alle dem Auswahlmittel zugehörende Bauteile gemeinsam drehen, und die
- 29 -
von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vertretene Ausführungsform,
bei der sich nur Teile des Auswahlmittels, insbesondere der gezahnte Ring (11)
und der Zahn (6), drehen, während andere Teile des Auswahlmittels, insbe-
sondere die Aufnahmen 4a, feststehen.
Dies steht aber einer Ausführbarkeit nicht entgegen. Denn wie auch die von dem
Vorsitzenden in der Verhandlung erstellte Skizze zeigt, vermittelt zumindest die
von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vertretene Ausführungsform,
bei der sich nur Teile des Auswahlmittels drehen, dem Fachmann eine technische
Lehre, die sie unter Einsatz des fachmännischen Könnens ausführbar macht. Ein
derartig ausgestaltetes Auswahlmittel ist - wie vorstehend in III.1 zum Hauptantrag
beschrieben - dem Fachmann bereits auch aus dem Stand der Technik nach der
K11 bekannt, so dass es keiner besonderen Schwierigkeiten bedurfte, ein
derartiges Lösungsschema auch vorliegend in Betracht zu ziehen. Dies gilt selbst
dann, wenn entsprechend dem Vortrag der Klägerin unterstellt wird, dass hierfür
nötige Einzelheiten in der Figur 1 des Streitpatents nicht gezeigt oder mög-
licherweise auch fehlerhaft gezeichnet oder schraffiert sind. Denn die Figuren in
Patentschriften sind keine vollständigen technischen Zeichnungen, sondern
Prinzipskizzen und sollen lediglich das Verständnis des Erfindungsgedanken
erleichtern.
7.2.
Klägerin entgegengehaltenen Einwand als unbegründet an, dass diese Fassung
der Patentansprüche auf einer unzulässigen Erweiterung beruhe. Die Merkmale 1
bis 3.1 und 3.3 bis 4.2 sind unstrittig den Ursprungsunterlagen und wörtlich im
erteilten Patentanspruch 1 offenbart. Der 2. Teil des Merkmals 3.2, wonach die
Rückkehr des Stößels (2) nach jedem aktiven Hub zu gewährleisten sei, ist auf
Seite 2, Zeilen 22 bis 24 der Ursprungsunterlagen (Anlage K3) offenbart. Die
Merkmale 4.3 und 4.4 sind weitgehend wörtlich im erteilten Patentanspruch 5
offenbart, der dem ursprünglichen Anspruch 5 entspricht. Vorgenommenen Ände-
rungen betreffen lediglich geringfügige sprachliche Präzisierungen, die klar in der
Figur 1 des Streitpatents offenbart sind.
- 30 -
Die Patentansprüche 2, 3, 7 und 8 entsprechen wörtlich den erteilten Ansprüchen
2, 3, 7 und 8.
Auch das im Streit stehende Merkmal 3.2, insbesondere der Textteil
„Das
Auswahlmittel (5) ist mit einem Bereich (4a) versehen, der von unten in einen Kopf
(2c) des Stößels eingreift,….“ sieht der Senat dem Fachmann bereits schon aus
der ursprünglich offenbarten Figur 1 als unmittelbar und eindeutig offenbart an,
auch wenn die Bezugszeichen (4a und 2c) und textliche Ausführungen hierzu
fehlen. Diese Angabe konkretisiert die Lehre des Streitpatents dahingehend, dass
eine Rückkehr des Stößels nach jedem aktiven Hub nicht durch beliebige Maß-
nahmen, sondern durch diese spezielle Ausgestaltung des Auswahlmittels
entsprechend Merkmal 3.2 erreicht werden soll. Dies kann der Fachmann aber
bereits unmittelbar der ursprünglich offenbarten Figur 1 entnehmen.
Entgegen der Auffassung der Klägerin liegt auch weder eine unzulässige Erwei-
terung noch ein Aliud im Merkmal 3.2 deshalb vor, weil nunmehr das Aus-
wahlmittel zum Rückholen des aktiven Stößels genannt ist, währenddessen in den
ursprünglichen Unterlagen dafür ausschließlich die elastischen Mittel genannt
sind. Denn bereits die Figur 1 des Streitpatents offenbart, dass die elastischen
Mittel in Form der Federn zwar die Kraft für das Rückholen des aktiven Stößels
aufbringen, jedoch diese von den Federn aufgebrachte Kraft durch das Aus-
wahlmittel auf den Stößel übertragen wird, so dass letztlich das Auswahlmittel das
Rückholen des aktiven Stößels gewährleistet. Der Senat sieht deshalb auch unter
diesem Aspekt die Lehre nach Patentanspruch 1 als nicht unzulässig erweitert an.
Selbst wenn man insoweit eine unzulässige Erweiterung annehmen würde, käme
nur eine Konkretisierung einer allgemein offenbarten Lehre in Betracht, die gemäß
BGH-
Entscheidung „Wundbehandlungsvorrichtung“ (GRUR 2015, 573) auch bei
EP-Patenten nicht zwangsläufig zur Nichtigerklärung des Patents führen, sondern
im Patentanspruch verbleiben können, und auch einer beschränkten Verteidigung
des Patents durch Neufassung von Patentansprüchen unter Beibehaltung des
unzulässig erweiterten Merkmals nicht entgegensteht, ohne dass es eines
- 31 -
Disclaimers bedarf. Allerdings dürfen diese Merkmale nicht zur Stützung der
Patentfähigkeit herangezogen, worauf es vorliegend nicht ankommt.
7.3.
Fassung des Streitpatents nicht angreift und insoweit ihre Klage nicht weiterfolgt,
hat das Patent somit ohne weitere Sachprüfung Bestand.
V.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 Halbs. 1 PatG i. V. mit § 91 Abs. 1
ZPO. Der Senat teilt nach seiner ständigen Rechtsprechung die Auffassung, dass
die Klägerin auch bei einer nur teilweisen Nichtigerklärung des ursprünglich mit
der Klage vollumfänglich angegriffenen Streitpatents dann aus Billigkeitserwä-
gungen keine anteilige Kostenlast trifft, wenn sie bei Klageerhebung keine
Möglichkeit hat, ihre Klage bereits insoweit eingeschränkt zu erheben, was
insbesondere dann der Fall ist, wenn - wie vorliegend - die angegriffenen
Patentansprüche durch Aufnahme weiterer Merkmale erst während des Ver-
fahrens beschränkt werden und das Streitpatent insoweit zulässig beschränkt
verteidigt wird (vgl. BPatG Urt. v. 19. Februar 2013, 4 Ni 25/10 /EU); GRUR 2013,
655 - Kosten bei Teilnichtigkeit). Die Entscheidung über die vorläufige Voll-
streckbarkeit beruht auf §§ 99 Abs. 1 PatG, 709 ZPO.
VI.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung gegeben. Die Beru-
fungsschrift muss von einer in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen
Rechtsanwältin oder Patentanwältin oder von einem in der Bundesrepublik
Deutschland zugelassenen Rechtsanwalt oder Patentanwalt unterzeichnet und
- 32 -
innerhalb
eines
Monats
beim
Bundesgerichtshof,
Herrenstraße 45a,
76133 Karlsruhe eingereicht werden.
Die Berufungsfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefass-
ten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkün-
dung. Die Frist ist nur gewahrt, wenn die Berufung vor Fristablauf beim Bundesge-
richtshof eingeht. Die Frist kann nicht verlängert werden.
Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung
gerichtet wird, sowie die Erklärung enthalten, dass gegen dieses Urteil Berufung
eingelegt werde. Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte
Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
Engels
Huber
Rippel
Kopacek
Brunn
Me