Urteil des BPatG vom 05.09.2014

Upov Übereinkommen, Sortenschutz, Neuheit, Verkehr

BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
36 W (pat) 1/10
_______________________
(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
- 2 -
wegen Erteilung des Sortenschutzes für die Waldrebsorte Fond Memories
Kenn-NR.: WAR 4
(hier: Beschwerde gegen Widerspruchsentscheidung)
hat der 36. Senat (Beschwerdesenat für Sortenschutzsachen) des Bundespatent-
gerichts am 5. September 2014 durch die Vorsitzende Richterin Werner sowie die
Richterinnen Dipl.-Chem. Dr. Proksch-Ledig, Dipl.-Chem.Univ. Dr. Münzberg und
Bayer
beschlossen:
1.
Auf die Beschwerde der Antragstellerin werden die Be-
schlüsse des Bundessortenamts
vom 15. Mai 2009 - Prüfungsabteilung 9 -
und vom 5. November 2009 - Widerspruchsausschuss 9 -
aufgehoben.
2.
Die Sache wird an das Bundessortenamt zur Fortsetzung
des Eintragungsverfahrens zurückverwiesen.
G r ü n d e
I.
Am 23. April 2008 hat die Antragstellerin, Widerspruchsführerin und Beschwerde-
führerin (im Folgenden: Antragstellerin) Antrag auf Sortenschutz für die Pflanze
(Waldrebesorte) Clematis florida mit der Bezeichnung „fond memories“ gestellt.
Unter TZ 9 des Anmeldeformulars ist angegeben:
- 3 -
„Vermehrungsmaterial oder Erntegut der Sorte wurde erstmalig am
1-jun-2004 unter der Bezeichnung: fond memories in (Staat)
GROSSBRITANNIEN
zu gewerblichen Zwecken an andere abgegeben.“
Daraufhin ist der Antrag mit Beschluss der Prüfungsabteilung 9 des Bundessorte-
namts vom 15. Mai 2009 zurückgewiesen worden, weil die Sorte nicht mehr neu
sei, da Vermehrungsmaterial bereits vor der nach dem Sortenschutzgesetz zuläs-
sigen Jahresfrist innerhalb der Europäischen Gemeinschaft zu gewerblichen Zwe-
cken an Dritte abgegeben worden sei.
Gegen den am 25. Mai 2009 zur Post gegebenen Zurückweisungsbeschluss hat
die Antragstellerin Widerspruch erhoben, der am 16. Juni 2009 beim Bundessor-
tenamt eingegangen ist. Zur Begründung führt sie aus, dass Deutschland das
UPOV-Übereinkommen von 1991 (BlPMZ 1998, 232 ff.) unterzeichnet habe. Nach
der dort zur Neuheit getroffenen Regelung werde eine Sorte als neu angesehen,
wenn sie im Hoheitsgebiet der Vertragspartei, in der der Antrag auf Sortenschutz
gestellt wird, am Tag der Antragstellung nicht früher als ein Jahr und im
Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei nicht früher als vier Jahre oder im Fall
von Bäumen und Reben nicht früher als sechs Jahre zum Zweck der Auswertung
verkauft oder auf andere Weise an andere abgegeben worden sei. Demgegenüber
stelle das deutsche Sortenschutzgesetz auf eine gewerbliche Verwertung
innerhalb der Europäischen Gemeinschaft ab. Im Hinblick auf das UPOV-
Übereinkommen 1991 müsse die Neuheitsregelung im Sortenschutzgesetz aber
so gelesen
werden, dass der Begriff „Hoheitsgebiet der Vertragspartei“, vorliegend
also Deutschland, an die Stelle von „Europäische Gemeinschaft“ trete, um einen
Widerspruch zum UPOV-Übereinkommen 1991 zu vermeiden.
Der Widerspruchssausschuss 9 des Bundessortenamts hat den Widerspruch mit
Beschluss vom 5. November 2009 zurückgewiesen. Der Beschluss der Prüfungs-
- 4 -
abteilung sei rechtmäßig, da die angemeldete Sorte im Zeitpunkt ihrer Anmeldung
nicht mehr neu im Sinne des Sortenschutzgesetzes gewesen sei.
Gegen diesen am 5. November 2009 zur Post gegebenen Widerspruchsbeschluss
richtet sich die am 3. Dezember 2009 per Telefax beim Bundessortenamt einge-
gangene Beschwerde der Antragstellerin vom selben Tag. Sinngemäß begehrt sie
die Aufhebung der vorgenannten Beschlüsse.
Der Präsident des Bundessortenamts ist dem Beschwerdeverfahren mit Schreiben
vom 14. Dezember 2009 beigetreten. Er hat mit seiner Stellungnahme vom
14. Januar 2011 auf die mit der Neuheitsregelung im Sortenschutzgesetz verfolgte
gesetzgeberische Absicht hingewiesen, nationale Unterschiede im Vergleich zum
gemeinschaftlichen Sortenschutz zu vermeiden.
Der 36. Senat (Beschwerdesenat für Sortenschutzsachen) des Bundespatent-
gerichts hat am 6. September 2012 die Beschwerde der Antragstellerin zurückge-
wiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen (BPatGE 53, 277).
Auf die von der Antragstellerin eingelegte Rechtsbeschwerde hat der Bundes-
gerichtshof mit Beschluss vom 13. Januar 2014
– X ZB 18/12 – den Beschluss
des 36. Senats (Beschwerdesenat für Sortenschutzsachen) des Bundespatent-
gerichts vom 6. September 2012 aufgehoben und die Sache zu neuer Ent-
scheidung an das Bundespatentgericht zurückverwiesen (GRUR 2014, 355).
In dieser Entscheidung hat der Bundesgerichtshof ausgeführtdasssolange die in
Art. 6 Abs. 3 der am 19. März 1991 revidierten Fassung des Internationalen
Übereinkommens zum Schutz von Pflanzenzüchtungen aufgestellten Voraus-
setzungen für eine abweichende Bestimmung des Hoheitsgebiets noch nicht
vorliegen, § 6 Abs. 1 SortSchG im Wege einervölkerrechtskonformen Auslegung
dahin auszulegen sei, dass eine Sorte als neu gelte, wenn Pflanzen oder
Pflanzenteile der Sorte mit Zustimmung des Berechtigten oder seines Rechtsvor-
- 5 -
gängers vor dem Antragstag nicht oder nur innerhalb eines Zeitraums von einem
Jahr im Inland oder von vier Jahren (bei Reben und Baumarten sechs Jahren) im
Ausland zu gewerblichen Zwecken an andere abgegeben worden seien. Die nach
dem revidierten Übereinkommen erforderlichen Voraussetzungen lägen derzeit
nicht vor. Die unionsrechtlichen Bestimmungen enthielten derzeit keine Bestim-
mung, wonach bei der nationalen Anmeldung einer Sorte Handlungen im
Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der Union in Bezug auf die Neuheit Handlungen
im Gebiet der Union gleichzustellen seien. Soweit die Fassung von § 6 Abs. 1
SortSchG vom Übereinkommen abweiche, beruhe dies ersichtlich auf einem
Versehen des Gesetzgebers.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
Die Zurückweisung des am 23. April 2008 gestellten Sortenschutzantrags der
Antragstellerin, mit der Begründung, dass
die Sorte „Fond Memories“ bereits vor
Beginn der gesetzlich normierten Jahresfrist, nämlich am 1. Juni 2004 gewerbs-
mäßig innerhalb der europäischen Gemeinschaft (in Großbritannien) in den
Verkehr gebracht worden sei und aus diesem Grunde gemäß § 6 Abs. 1 SortSchG
nicht mehr neu sei, ist zu Unrecht erfolgt.
§ 6 Abs. 1 SortSchG ist
– wie der Bundesgerichtshof entschieden hat – völker-
rechtskonform dahingehend auszulegen, dass - solange die in Art. 6 Abs. 3 der
am 19. März 1991 revidierten Fassung des Internationalen Übereinkommens zum
Schutz von Pflanzenzüchtungen aufgestellten (und bisher noch nicht gegebenen)
Voraussetzungen für eine abweichende Bestimmung des Hoheitsgebiets noch
nicht vorliegen - eine Sorte als neu gilt, wenn Pflanzen oder Pflanzenteile der
- 6 -
Sorte mit Zustimmung des Berechtigten oder seines Rechtsvorgängers vor dem
Antragstag nicht oder nur innerhalb eines Zeitraums von einem Jahr im Inland
oder von vier Jahren (bei Reben und Baumarten sechs Jahren) im Ausland zu
gewerblichen Zwecken an andere abgegeben worden sind.
Der Antrag auf Sortenschutz wurde am 23. April 2008 gestellt. Da die Antrag-
stellerin die Sorte erst nach dem 23. April 2004, nämlich am 1. Juni 2004 in Groß-
britannien in den Verkehr gebracht hat, steht dies der Neuheit der Sorte gemäß
§ 6 Abs. 1 SortSchG in der gebotenen völkerrechtskonformen Auslegung nicht
entgegen.
Die Sache wird gemäß § 36 SortSchG i. V. m. § 79 Abs. 3 Nr. 1 PatG an das
Bundessortenamt zur Fortsetzung des Eintragungsverfahrens zurückverwiesen,
weil das Bundessortenamt hinsichtlich der weiteren Voraussetzungen für den
begehrten Sortenschutz noch nicht endgültig ermittelt hat.
III.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde gegeben, wenn
gerügt wird, dass
1.
das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2.
bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des
Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der
Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3.
einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4.
ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war,
sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend
zugestimmt hat,
- 7 -
5.
der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die
Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder
6.
der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
Die Rechtsbeschwerdeschrift muss von einer beim Bundesgerichtshof zugelassenen
Rechtsanwältin oder von einem beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt
unterzeichnet und innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim
Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe eingereicht werden.
Werner
Dr. Proksch-Ledig
Dr. Münzberg
Bayer
Me