Urteil des BPatG vom 26.01.2016

Stand der Technik, Zusammensetzung, Rohstoff, Bestandteil

BPatG 154
05.11
BUNDESPATENTGERICHT
35 W (pat) 424/13
_______________
(Aktenzeichen)
Verkündet am
26. Januar 2016
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
- 2 -
betreffend das Gebrauchsmuster 20 2006 003 173
hat der 35. Senat (Gebrauchsmuster-Beschwerdesenat) des Bundespatent-
gerichts auf die mündliche Verhandlung vom 26. Januar 2016 durch die
Vorsitzende Richterin Werner sowie den Richter Dipl.-Chem. Dr. Jäger und die
Richterin Dipl.-Chem. Dr. Wagner
beschlossen:
Die Beschwerde des Antragsgegners und Beschwerdeführers wird
zurückgewiesen.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
G r ü n d e
I.
Der Antragsgegner und Beschwerdeführer (im Folgenden: Antragsgegner) ist der
eingetragene Inhaber des am 1. März 2006 unter der Bezeichnung
„CGM Kosmetika“
beim
Deutschen
Patent-
und
Markenamt
(DPMA)
eingereichten
Gebrauchsmusters 20 2006 003 173 (im Folgenden: Streitgebrauchsmuster). Die
Anmeldung wurde am 10. August 2006 mit 3 Schutzansprüchen in das beim
DPMA geführte Gebrauchsmusterregister eingetragen.
- 3 -
Der eingetragenen Schutzansprüche 1 bis 3 lauten:
„1.
GGM Kosmetika sind
dadurch gekennzeichnet,
dass der Naturkomplex Chitin, ß1,3/1,6 D Glucan-, Melanin,
produziert aus nachwachsenden Rohstoffen, als Bestandteil
von Kosmetika zugeführt wird.
2.
CGM Kosmetika nach Anspruch 1 sind
dadurch gekennzeichnet,
dass der Naturkomplex Chitin, -Beta 1,3/1,6 D Glucan-, Melanin
verwendet wird, unabhängig vom prozentualen Anteil und den
zur Wirkung kommenden Eigenschaften, die über diesen pro-
zentualen Anteil variabel gestaltet werden können.
3.
CGM Kosmetika nach Anspruch 2 sind
dadurch gekennzeichnet,
dass dieser Naturkomplex Chitin-, Beta 1,3/1,6 D Glucan-,
Melanin - in die Grundsubstanz der Kosmetika eingebracht
werden. Dabei werden unter Kosmetika grundsätzlich solche
zum Verbrauch bestimmten Stoffe verstanden, deren Zweck es
ist, durch äußerliche Anwendungen zur Reinigung, Pflege, zur
Beeinflussung des Aussehens bzw. des Körpergeruches oder
zur Vermittlung von Geruchseindrücken zu gewährleisten.“
Mit Schriftsatz vom 9. Juni 2011 hat die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin
(im Folgenden: Antragstellerin) die vollständige Löschung des Streitgebrauchs-
musters gemäß § 15 Abs. 1 beantragt mit der Begründung, dass das Streitge-
brauchsmuster nicht i. S. v. §§ 1 bis 3 GebrMG schutzfähig sei. Zur Stütze ihres
Vorbringens verweist sie auf die Druckschriften:
- 4 -
D1
Gorovoj, L. F. und Kosyakov, V. N., "Mycoton
– New Chitin Materials
Produced From Fungi", In: Karnicki, Z. S. (Ed.), et al., CHITIN
WORLD, Wirtschaftsverlag NW 1994, S. 632 bis 647
D2
Gorgos, R. und Wolz, G., "Beta-Glucane und Immunsystem", EHK
2005, 54, S. 638 bis 643.
Dieser Löschungsantrag ist dem Antragsgegner am 1. August 2011 zugestellt
worden. Das folgt aus der Zustellungsurkunde, die sich bei den elektronisch ge-
führten, patentamtlichen Akten über das Löschungsverfahren befindet. Der Wider-
spruch des Antragsgegners gegen den Löschungsantrag ist innerhalb der gesetz-
lichen Monatsfrist beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) eingegangen,
nämlich am 26. August 2011, und war damit rechtzeitig.
Mit Zwischenbescheid vom 13. Juni 2012 hat die Gebrauchsmusterabteilung I des
DPMA eine vollständige Löschung des Streitgebrauchsmusters in Aussicht ge-
stellt.
Das Streitgebrauchsmuster ist nach Ablauf einer 6-jährigen Schutzdauer im
Jahre 2012 erloschen. Daraufhin hat die Antragstellerin zu ihrem individuellem
Rechtsschutzinteresse an einer Fortsetzung des Löschungsverfahrens als Fest-
stellungsverfahren vorgetragen, dass die Antragstellerin jedenfalls seit dem
Jahr 2008 fortlaufend in Deutschland Kosmetikprodukte vertrieben habe, die einen
Chitin, 1,3/1,6-ß-D-Glucan, Melanin-Wirkstoff-Komplex enthalten habe, der aus
der Zellwand des Formes Formentarius - Zunderschwammpilz gewonnen worden
sei, also einen Naturkomplex darstellte, der aus nachwachsenden Rohstoffen
stamme. Weiter hat die Antragstellerin ein Schreiben des Verfahrensbevollmäch-
tigten des Antragsgegners vom 22. Februar 2010 vorgelegt, worin die Antragstel-
lerin auf Verletzung des Streitgebrauchsmusters in Anspruch genommen wird,
indem sie zur Unterlassung weiterer Verletzungen, zur Auskunftserteilung über
den bisherigen Vertrieb verletzungsrelevanter Kosmetika und zu entsprechenden
Schadensersatzleistungen aufgefordert wurde.
- 5 -
Der Antragsgegner hat diesen Vortrag nicht bestritten. Er hat weder im Laufe des
patentamtlichen Löschungsverfahrens noch im Laufe des Beschwerdeverfahrens
auf seine Rechte aus dem Streitgebrauchsmuster gegenüber der Antragstellerin
verzichtet.
In der mündlichen Verhandlung vor der Gebrauchsmusterabteilung I am
18. März 2013 hat die Antragstellerin ihren ursprünglichen Löschungsantrag um-
gestellt auf den Antrag, festzustellen, dass das Streitgebrauchsmuster von Anfang
an unwirksam gewesen sei. Der Antragsgegner hat beantragt, den Feststellungs-
antrag der Antragstellerin zurückzuweisen.
Auf die mündliche Verhandlung vom 18. März 2013 hat die Gebrauchsmusterab-
teilung I festgestellt, dass die Antragstellerin ein zulängliches Feststellungsinte-
resse habe und das Streitgebrauchsmuster von Anfang an unwirksam gewesen
sei, und hat dem Antragsgegner die Kosten des Löschungsverfahrens auferlegt.
Zur Begründung führte die Gebrauchsmusterabteilung aus, die Antragstellerin
habe während der Schutzzeit des Streitgebrauchsmusters Produkte vertrieben, die
das Streitgebrauchsmuster verletzten. Dies sei sowohl durch die eidesstattliche
Versicherung des Geschäftsführers der Antragstellerin als auch durch ein Schrei-
ben des anwaltlichen Vertreters des Antragsgegners bestätigt.
Der Gegenstand des Schutzanspruchs 1 könne ohne erfinderischen Schritt aus
dem Stand der Technik entwickelt werden. Aus D1 seien aus nachwachsenden
Rohstoffen gewonnene CGM-Fasermaterialien bekannt, die für die Untersuchung
und Entwicklung von neuen kosmetischen Zubereitungen von Interesse seien. D2
beschreibe zudem die spezielle Form der streitgebrauchsmustergemäßen
Glucane als Inhaltsstoff verschiedener Pilze, wobei D2 zudem auf die positiven
Effekte dieser Glucane im Bereich der Dermatologie hinweist. Der Gegenstand
des Hauptanspruchs des Streitgebrauchsmusters sei daher durch den Stand der
- 6 -
Technik nahegelegt. Auch die Gegenstände der darauf rückbezogenen Unteran-
sprüche 2 und 3 seien nicht schutzwürdig.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Antragsgegners. Er hält
die ursprünglich eingetragenen Schutzansprüche 1 bis 3 für schutzfähig und hat
dazu im Beschwerdeverfahren zur Stützung seiner Argumente folgende Doku-
mente vorgelegt:
Anlage 1:
Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung IAP,
Analysenergebnisse, Potsdam, 12. März 2013, 2 Seiten
Anlage 2:
Vetter, J., und Siller, I., "Chitingehalt von höheren Pilzen", Z.
Lebensm. Unters. Forsch. 1991, 193, S. 36 bis 37
Anlage 3:
Nitschke, J., "Extraktion und Charakterisierung zellwand-gebun-
dener Polysaccharide aus Pilzen", Dissertation, Bergische Uni-
versität Wuppertal, Oktober 2011, S. 73
Anlage 4:
Dörfler, Ch., et al., "Vergleichende Zellwandanalysen an
Basidiomycetenhefen aus Homobasidiomyceten", Zeitschrift für
Mykologie, 1986, 52, S. 347, 350, 353 und 354
Anlage 5:
3 Aufnahmen der Fasern des Formes Formentarius, ohne Da-
tum
Anlage 6:
Lindequist, U., "ß-Glucane - ihr Nutzen für Prophylaxe und
Therapie", Beitrag zum Forschungssymposium des For-
schungsinstitut Biopol e.V., 7 Seiten, ohne Datum.
Mit Schriftsatz vom 13. Januar 2016 hat der Antragsgegner u. a. die Hilfsan-
träge 2, 3 und 5 eingereicht.
Schutzanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 lautet:
„1.
CGM Kosmetika,
dadurch gekennzeichnet,
- 7 -
dass der Naturkomplex Chitin-, ß1,3/1,6 D Glucan-, Melanin produ-
ziert aus dem nachwachsenden Rohstoff Formes Formentarius Be-
standteil der Kosmetika ist
.“
(Die Unterstreichungen kennzeichnen die Unterschiede zum einge-
tragenen Schutzanspruch 1.)
Die Schutzansprüche 2 und 3 sind auf Schutzanspruch 1 rückbezogen.
Schutzanspruch 1 nach Hilfsantrag 3 lautet:
„1.
CGM Kosmetika,
dadurch gekennzeichnet,
dass der Naturkomplex Chitin-, ß1,3/1,6 D Glucan-, Melanin, gewon-
nen aus dem nachwachsenden Rohstoff Formes Formentarius Be-
standteil der Kosmetika ist.“
(Die eine Unterstreichung kennzeichnet den Unterschied zu Schutzan-
spruch 1 nach Hilfsantrag 2.)
Die Schutzansprüche 2 und 3 sind auf Schutzanspruch 1 rückbezogen.
Der einzige Schutzanspruch nach Hilfsantrag 5 lautet:
„1.
CGM Kosmetika,
dadurch gekennzeichnet,
dass der Naturkomplex Chitin-, ß1,3/1,6 D Glucan-, Melanin, gewon-
nen aus dem nachwachsenden Rohstoff Formes Formentarius, als
Bestandteil der Kosmetika zugeführt ist,
wobei der Naturkomplex Chitin, -Beta 1,3/1,6 D Glucan-, Melanin
verwendet wird, unabhängig vom prozentualen Anteil und den zur
- 8 -
Wirkung kommenden Eigenschaften, die über diesen prozentualen
Anteil variabel gestaltbar sind und
der Naturkomplex Chitin, -Beta 1,3/1,6 D Glucan-, Melanin in die
Grundsu
bstanz der Kosmetika eingebracht ist.“
(Die Unterstreichungen kennzeichnen die Unterschiede zu Schutzan-
spruch 1 nach Hilfsantrag 3.)
Der Gegenstand des Schutzanspruchs 1 des Gebrauchsmusters wie eingetragen
sei sowohl neu gegenüber D1 als auch gegenüber D2. Denn D1 beschreibe mit
dem Produkt "Mycoton" keinen streitgebrauchsmustergemäßen CGM-Naturkom-
plex. Eine in der Natur vorkommende CGM-Zusammensetzung habe einen Chitin-
gehalt unter 20 %. Anlage 1 weise dies anhand des im Streitgebrauchsmuster
aufgezeigten CGM-Naturkomplexes aus Fomes Fomentarius nach. Demgegen-
über sei "Mycoton" eine aufbereitete Zusammensetzung und weise gemäß D1
einen Chitingehalt von 60 bis 95 % auf. Die D1 offenbare als Bestandteil der Zu-
sammensetzung "Mycoton" auch nicht das
-D-Glucan mit der speziellen 1,3/1,6-
Verknüpfung. Schließlich bezögen sich die Ausführungen im vorletzten Absatz auf
Seite 639 der D1 auf das deacetylierte Chitin-Derivat Chitosan und nicht auf Chitin
selbst, wobei zudem die kosmetische Anwendung in diesem Absatz der D1 nur für
eine Zusammensetzung mit den beiden Komponenten Chitosan und Glucan und
ohne dem Bestandteil Melanin erwähnt sei. Aus D2 sei lediglich bekannt, dass
-
Glucane eine dermatologische Wirkung besäßen.
Der Gegenstand des Streitgebrauchsmusters weise auch einen erfinderischen
Schritt auf. Das Streitgebrauchsmuster sei auf die Nutzbarmachung von Stoffen
der Natur mit gesundheitsfördernden und pflegenden Eigenschaften für den Men-
schen gerichtet. Der Stand der Technik gebe keine Anregung, zur Lösung einen
Naturkomplex aus nachwachsenden Rohstoffen, vorzugsweise aus Fomes
Fomentarius, in Betracht zu ziehen. Insbesondere erhalte der Fachmann, ein Mik-
- 9 -
robiologe oder Biotechniker, aus der D1 mit dem Hinweis, dass ein Chitosan-
Glucan-Komplex auch für kosmetische Zwecke verwendbar sein solle, ohne dabei
weiter den streitgebrauchsmustergemäß erforderlichen Anteil an Melanin zu er-
wähnen, keine Veranlassung, die in D1 beschriebene Zusammensetzung
"Mycoton" als Ausgangspunkt seiner Überlegungen zu wählen und dabei für kos-
metische Anwendungen das deacetylierte Chitinderivat Chitosan durch Chitin zu
ersetzen, Melanin als weitere Komponente in Betracht zu ziehen und sich von
dem Gehalt dieser Komponenten in dem aufbereiteten und damit nicht mehr na-
türlichen Produkt "Mycoton" gemäß D1 abzuwenden, um einen nicht weiter aufbe-
reiteten Chitin-, Glucan- und Melanin-haltigen Naturkomplex auf seine Eignung für
kosmetische Zwecke zu testen. Vielmehr musste er davon ausgehen, dass dies
bereits erfolgt sei, sonst hätte die Weiterentwicklung zum Produkt "Mycoton" kei-
nen Sinn gehabt. Somit könne auch eine Zusammenschau von D1 und D2 allein
schon wegen des Chitingehalts nicht zum Streitgegenstand führen.
Mit den Hilfsanträgen werde präzisiert, dass streitgebrauchsmustergemäß als
nachwachsender Rohstoff insbesondere Fomes Fomentarius verwendet werde,
und durch die Formulierung "gewonnen" unterstrichen, dass die streitgebrauchs-
mustergemäße CGM-Zusammensetzung ein Naturkomplex darstelle, dessen in
der Natur vorkommendes Verhältnis der Bestandteile zueinander nicht durch eine
Aufbereitung verändert worden sei.
Der Antragsgegner hat zuletzt im Beschwerdeverfahren in der mündlichen Ver-
handlung vom 26. Januar 2016 beantragt,
den Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung I des DPMA vom
18. März 2013 aufzuheben und den Feststellungsantrag der An-
tragstellerin zurückzuweisen,
- 10 -
hilfsweise:
den Feststellungsantrag der Antragstellerin im Umfang der Hilfs-
anträge 2, 3 und 5 des Antragsgegners aus dem Schriftsatz vom
13. Januar 2016, GA Bl. 103 bis 105, zurückzuweisen.
Die Antragstellerin hat beantragt,
die Beschwerde des Antragsgegners zurückzuweisen.
Sie macht im Hinblick auf die Dokumente D1 und D2 mangelnden erfinderischen
Schritt geltend. Dabei sieht sie die streitgebrauchsmustergemäße Aufgabe darin,
ausgehend vom Stand der Technik gemäß D1 eine CGM-haltige Zusammen-
setzung für gesundheitsfördernde und pflegende kosmetische Anwendungen be-
reitzustellen. Dazu entnehme der Fachmann der D1, dass CGM-Zusammen-
setzungen aus nachwachsenden Rohstoffen, insbesondere auch aus Fomes
Fomentarius, gewonnen werden könnten und diese für kosmetische Anwen-
dungen geeignet seien. Einziger Unterschied zum Streitgegenstand sei, dass D1
nicht expressis verbis das streitgebrauchsmustergemäße
-1,3/1,6 D-Glucan
aufzeige. Diese spezielle Form der Glucane sei aber als Inhaltsstoff verschiedener
Pilzarten mit positiven Effekten im Bereich der Dermatologie aus D2 bekannt. Vor
diesem Hintergrund sei es für den Fachmann naheliegend, die Lehre der D1
anhand der Lehre der D2 zu ergänzen, um zum Streitgegenstand zu gelangen.
Für das Fehlen eines erfinderischen Schrittes spreche im Übrigen auch, dass das
Streitgebrauchsmuster keinerlei Aspekte aufzeige, die für eine besondere erfin-
derische Qualität sprechen würden oder die als Beweisanzeichen für einen
erfinderischen Schritt tauglich wären. Bezüglich des vom Antragsgegner ange-
führten vermeintlichen unterschiedlichen Gehalts an Chitin bei den Extrakten ge-
mäß D1 und dem Streitgebrauchsmuster führt sie an, dass im Streitgebrauchs-
muster weder in den Schutzansprüchen noch in der Beschreibung quantitative
Angaben zu Chitingehalten angegeben seien und die im Schutzanspruch 1 ange-
- 11 -
führte Formulierung "Naturkomplex" kein dem Fachmann geläufiger Fachbegriff
sei. Daher sei die einschränkende Auslegung des Antragsgegners, dass es sich
dabei um Zusammensetzungen mit Chitingehalten von maximal 20 % handele,
unzutreffend. Vielmehr umfasse der angegriffene Schutzanspruch 1 auch CGM-
Zusammensetzungen gemäß D1 mit Chitingehalten von über 60 %. Dafür spreche
aus ihrer Sicht auch, dass der Fachmann durch die Wortwahl "aus nachwachsen-
den Rohstoff produziert" im Streitgebrauchsmuster eher die Vorstellung erhalte,
dass der Gehalt einzelner Komponenten im Naturkomplex nicht dem ursprüngli-
chen Gehalt im nachwachsenden Rohstoff entsprechen müsse.
In der mündlichen Verhandlung am 26. Januar 2016 hat der Senat u. a. die Druck-
schrift
D3
Wenninger, J. A., et al. (Ed.), "International Cosmetic Ingredient
Dictionary and Handbook", The Cosmetic, Toiletry, and Fragrance
Association, Washington, D.C., 8. Aufl., 2000, Vol. 2, S. 1651
überreicht.
Zu weiteren Einzelheiten des Verfahrens wird auf den Inhalt der Verfahrensakten
beider Instanzenzüge verwiesen.
II.
1.
Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners ist nicht begründet, weil die
Gebrauchsmusterabteilung I des DPMA in ihrem Beschluss vom 18. März 2013 zu
Recht die Feststellung getroffen hat, dass das Streitgebrauchsmuster von Anfang
an nicht i. S. v. §§ 1 bis 3 GebrMG schutzfähig und deswegen unwirksam war.
- 12 -
2.
Der Feststellungsantrag der Antragstellerin ist zulässig; denn die Antrag-
stellerin hat schlüssig und von dem Antragsgegner unbestritten vorgetragen, dass
sie das Streitgebrauchsmuster in der Zeit seiner Geltung verletzt habe und dem
Antragsgegner deswegen zum Schadensersatz verpflichtet sein könnte. Der An-
tragsgegner hat auch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Se-
nat am 26. Januar 2016 auf seine Rechte aus dem Streitgebrauchsmuster gegen-
über der Antragstellerin nicht verzichtet. Bei dieser Sach- und Rechtslage hat die
Antragstellerin ein individuelles Interesse an der von ihr beantragten Feststellung,
dass das Streitgebrauchsmuster von Anfang an unwirksam gewesen sei.
3.
Die Erfindung betrifft Chitin-, ß-1,3/1,6 D-Glucan- und Melanin-haltige
Kosmetika (im Folgenden wird "Chitin-,
-1,3/1,6 D-Glucan- und Melanin-" mit
"CGM-" abgekürzt), wobei der Naturkomplex Chitin-, ß1,3/1,6 D Glucan-, Melanin
aus nachwachsenden Rohstoffen, wie zum Beispiel aus Fomes Fomentarius, pro-
duziert und als Bestandteil in die Grundsubstanzen von Kosmetika hinzugefügt
wird (vgl. Streitgebrauchsmuster Schutzanspruch 1 i. V. m. Abs. [0001] und
[0002]).
4.
Das
Streitgebrauchsmuster
beschreibt
einleitend,
dass
der
aus
nachwachsenden Rohstoffen, wie zum Beispiel aus Fomes Fomentarius, produ-
zierte CGM-Naturkomplex definierte gesundheitsfördernde und pflegende Eigen-
schaften hat (vgl. Streitgebrauchsmuster Abs. [0001]). Chitin-, Glucan- und Mela-
nin-haltige Zusammensetzungen werden auch in D1 offenbart, worin zudem be-
schrieben wird, dass das Chitin- und Glucan-haltige Produkt "Mycoton" in Anwe-
senheit von Melanin bakteriostatische und damit gesundheitsfördernde Eigen-
schaften aufweist sowie dass "Mycoton" für kosmetische Anwendungen geeignet
sei (vgl. D1 S. 632 "Summary", S. 639 Abs. 2 und vorle. Abs.).
Davon ausgehend liegt dem Streitgebrauchsmuster die Aufgabe zu Grunde, CGM-
haltige Zusammensetzungen für gesundheitsfördernde und pflegende Kosmetika
bereitzustellen.
- 13 -
Die Aufgabe liegt somit nicht darin, Stoffe der Natur mit gesundheitsfördernden
und pflegenden Eigenschaften für den Menschen nutzbar zu machen. Da eine
Aufgabe in der Beschreibung der Streitgebrauchsmusterschrift nicht ausdrücklich
angegeben ist, ist bei der Bestimmung des Problems darauf zu achten, was die
Erfindung gegenüber dem Stand der Technik tatsächlich leistet (vgl. BGH GRUR
2011, 607, 608 Rn. [12]
– kosmetisches Sonnenschutzmittel III). In der Streitge-
brauchsmusterschrift ist kein Stand der Technik angeführt. Ge-
mäß Absatz [0001] beschäftigt es sich mit dem aus nachwachsenden Rohstoffen
produzierten Naturkomplex Chitin-, ß-1,3/1,6 D-Glucan- und Melanin und dessen
gesundheitsfördernden und pflegenden Eigenschaften. Genau diese Eigenschaf-
ten von Chitin-, Glucan- und Melanin-haltigen Zusammensetzungen sind aber
auch aus D1 bekannt, so dass die Aufgabe ausgehend von D1 nicht mehr in der
Nutzbarmachung dieser Zusammensetzungen als Stoffe aus der Natur mit ge-
sundheitsfördernden und pflegenden Eigenschaften liegt, sondern in deren Bereit-
stellung für Kosmetika.
Gelöst wird diese Aufgabe gemäß geltendem Schutzanspruch 1 durch die Bereit-
stellung von
1
CGM-Kosmetika, wobei
2
der Naturkomplex Chitin-, ß-1,3/1,6 D-Glucan- und Melanin,
3
produziert aus nachwachsenden Rohstoffen,
4
als Bestandteil von Kosmetika zugeführt wird.
5.
Der zuständige Fachmann, auf dessen Wissen und Können es insbesondere
für die Auslegung der Merkmale des Streitgebrauchsmusters und für die Beurtei-
lung des Standes der Technik ankommt, ist hier ein Team, das sich zusammen-
setzt aus einem Biologen mit mehrjähriger Erfahrung auf dem Gebiet der Inhalts-
stoffe von Pilzen und deren Gewinnung und aus einem Diplomchemiker oder ei-
nem Pharmazeuten, der sich in das spezielle Gebiet der Kosmetik und insbeson-
- 14 -
dere der pflegenden Hautbehandlung eingearbeitet hat (vgl. auch BGH GRUR
2003, 317, 319 I.4
– kosmetisches Sonnenschutzmittel).
6.
Der zwischen den Parteien umstrittene Begriff "Naturkomplex" im Merkmal 2
ist weder ein gängiger Fachbegriff, noch wird er im Streitgebrauchsmuster zwei-
felsfrei definiert. Dort finden sich die Angaben, dass der Naturkomplex aus Chitin,
-1,3/1,6 D-Glucan und Melanin besteht, dass er aus nachwachsenden Rohstof-
fen wie zum Beispiel Fomes Fomentarius produziert wird und dass er definierte
gesundheitsfördernde und pflegende Eigenschaften aufweist (vgl. Streitge-
brauchsmuster Schutzanspruch 1 und Abs. [0001]). Diese Offenbarungen bein-
halten keine Gehaltsangaben der Bestandteile Chitin,
-1,3/1,6 D-Glucan und
Melanin in dem Naturkomplex. Durch die Angabe "aus nachwachsenden Roh-
stoffen produziert" versteht der Fachmann lediglich, dass der streitgebrauchs-
mustergemäße Naturkomplex aus natürlich vorkommenden Materialien, wie bei-
spielsweise Pflanzen oder Pilzen gewonnen wird. Die Art der Gewinnung, d. h.
Aufschluss der Pflanze oder des Pilzes, Extraktion der Inhaltsstoffe und Aufreini-
gung des Extrakts sowie gegebenenfalls Anreicherung der Inhaltsstoffe, kann der
Fachmann diesen Angaben nicht entnehmen. Da eine einschränkende Auslegung
unterhalb des Wortlauts im Sinn einer Auslegung unterhalb des Sinngehalts gene-
rell nicht zulässig ist (vgl. BGH GRUR 2007, 309 Ls. 1, 311 Rn. 17
– Schussfä-
dentransport), kann somit einer Auslegung nicht gefolgt werden, nach der der
Naturkomplex einen maximalen Chitingehalt von 20 % aufweisen soll. Vielmehr
sind unter dem Begriff Naturkomplex im streitgebrauchsmustergemäßen Zusam-
menhang sämtliche CGM-haltige Zusammensetzungen zu verstehen, die aus
nachwachsenden Rohstoffen, insbesondere aus Pilzen wie z. B. Fomes Fomenta-
rius, unabhängig von deren Gehalt an den einzelnen Inhaltsstoffen Chitin,
-
1,3/1,6 D-Glucan und Melanin und deren individuellen Anreichungsgrad nach der
Aufarbeitung gewonnen werden.
Der Senat kann dabei insbesondere einer Auslegung des streitgebrauchsmuster-
gemäßen Begriffs Naturkomplex als einen in der Natur vorkommenden Komplex,
- 15 -
der hinsichtlich seiner Inhaltsstoffe Chitin-,
-1,3/1,6 D-Glucan- und Melanin die in
der Natur vorkommende Gehaltszusammensetzung aufweist, nicht beitreten.
Denn durch einen Extraktionsvorgang wird die natürliche Zusammensetzung in
der Regel verändert. So werden eingelagerte und in der Regel unerwünschte
Proteine entfernt. Zudem weicht der Wassergehalt des Extrakts vom Wasser-
gehalt der ursprünglichen Zusammensetzung ab. Dadurch unterscheidet sich
zwangsläufig die Gehaltszusammensetzung an Chitin-,
-1,3/1,6 D-Glucan- und
Melanin des Extrakts von derjenigen im nachwachsenden Rohstoff.
Auch die in den Anlagen 1 bis 4 aufgezeigten Gehaltsangaben stellen keinen ein-
deutigen Beweis für einen Chitin-Gehalt von unter 20 % im streitgebrauchs-
mustergemäßen Naturkomplex dar. Da im Streitgebrauchsmuster keine Angabe
zu den Gewinnungsbedingungen gemacht werden, mögen zwar die Anlagen 1 bis
4 Beispiele von Naturkomplexen mit Chitingehalten von unter 20 % darstellen. Es
ist aber gemäß Streitgebrauchsmuster nicht ausgeschlossen, dass die Naturkom-
plexe auch höhere Gehalte an Chitin enthalten, wie sie beispielsweise nach der
Aufarbeitung von Extrakten aus nachwachsenden Rohstoffen gemäß D1 erhalten
werden (vgl. D1 S. 635 Abs. 1 und 2).
7.
Es ist kann dahingestellt bleiben, inwiefern der von Seiten der Antragstellerin
geltend gemachte Löschungsgrund der mangelnden Neuheit tatsächlich begrün-
det ist, weil die Lehre des jeweiligen Schutzanspruchs 1 nach Hauptantrag und
Hilfsanträgen 2, 3 und 5 gegenüber dem Stand der Technik nicht auf einem erfin-
derischen Schritt beruht.
7.1. Die Bereitstellung der nach Schutzanspruch 1 gemäß Hauptantrag bean-
spruchten CGM-Kosmetika ist durch die Kombination der Dokumente D1 und D2
nahe gelegt.
Zur Lösung der streitgebrauchsmustergemäßen Aufgabe, CGM-haltige Zusam-
mensetzungen für gesundheitsfördernde und pflegende kosmetische Zusammen-
- 16 -
setzungen bereitzustellen, konnte der Fachmann von der D1 ausgehen. Denn aus
D1 sind Chitin-, Glucan- und Melanin-haltige Zusammensetzungen aus Pilzbio-
masse bekannt (vgl. D1 S. 632 "Summary" und S. 635 Abs. 2). Des weiteren of-
fenbart D1, dass die Chitin-Glucan-Zusammensetzung "Mycoton" mit einem Ge-
halt an Melanin bakteriostatische, also das Wachstum von Bakterien hemmende
und damit gesundheitsfördernde Eigenschaften aufweist und zudem für kosmeti-
sche Anwendungen vielversprechend ist, wobei Chitin das acetylierte Derivat von
Chitosan darstellt (vgl. D1 S. 639 Abs. 2 und vorle. Abs.; vgl. Anlage 1 S. 2
vorle. Abs. le. Satz). Weiterhin lehrt D1 dem Fachmann, dass Melanin eine gute
Schutzfunktion der lebenden Zelle gegen UV-Bestrahlung und gegen eindringende
Bestrahlung besitzt, weshalb ein Gehalt an Melanin nützlich ist (vgl. D1 S. 635
Abs. 1 vorle. und le. Satz). Somit entnimmt der Fachmann der D1, dass aus Pilz-
material
– ein nachwachsender Rohstoff gemäß Merkmal 3 – gewonnene Chitin-,
Glucan- und Melanin-haltige Zusammensetzungen sowohl für gesundheitsför-
dernde als auch für kosmetische Anwendungen von Vorteil sind, so dass er die
Veranlassung hatte sich mit den in D1 offenbarten, aus Pilzen gewonnenen
Chitin-, Glucan- und Melanin-haltigen Zusammensetzungen zu beschäftigen. D1
lehrt ihm dazu die streitgebrauchsmustergemäßen Merkmale 1, 3 und 4. Nur die
im Merkmal 2 als Bestandteil des CGM-Naturkomplexes beanspruchten Glucane
mit der speziellen 1,3/1,6-Verknüpfung und
-D-Konfiguration sind in D1 weder er-
wähnt, noch findet sich in dieser Druckschrift ein Hinweis darauf. Da es aber
fachmännisches Wissen ist, dass es verschiedene
-D-Glucane gibt (vgl. bei-
spielsweise D2 S. 640 Tab. 1 i. V. m. S. 638 Zusammenfassung und S. 639/640
seitenübergr. Abs.), und zudem bekannt ist, dass in Pflanzen und Pilzen enthal-
tene
-1,3/1,6 D-Glucane nachweislich die Wundheilung der Haut nach Verletzun-
gen und Verbrennungen fördern und zudem Hauttrockenheit und einen Elastizi-
tätsverlust der Haut ausgleichen, also hautverjüngend wirken (vgl. D2 S. 640
li. Sp. vorle. Abs.)
– alles Eigenschaften, die der Fachmann mit Kosmetika errei-
chen will
–, wird er ausgehend von D1, die sich mit neuen Chitinmaterialien aus
Pilzen beschäftigt (vgl. D1 S. 632 Titel), sein Augenmerk auf Pilze als Rohstoffe
richten, die als Glucane
-1,3/1,6 D-Glucan enthalten (vgl. auch BGH, GRUR
- 17 -
2014, 647, Ls., 649 Rn. 25 und 26
– Farbversorgungssystem; BGH GRUR 2014,
461, 463 Rn. 38 - Kollagenase I). Inwieweit dann Pilze mit Glucanen, die die spe-
zielle 1,3/1,6-Verknüpfung und
-D-Konfiguration aufweisen, als Inhaltsstoffe tat-
sächlich als Rohstoffquelle geeignet sind, um die streitgebrauchsmustergemäße
Aufgabe erfolgreich zu lösen, kann der Fachmann in Versuchen, die seiner Routi-
netätigkeit zuzurechnen sind, überprüfen, ohne dabei selbst erfinderisch tätig sein
zu müssen.
Der Argumentation, dass sich in D1 die Eignung für kosmetische Anwendungen
wegen des 2. und 3. Satzes im vorletzten Absatz auf S. 639 nur auf Chitosan-
Glucan-Zusammensetzungen, die noch dazu kein Melanin enthielten, beziehe,
weshalb D1 den Streitgegenstand nicht nahe legen könne, kann nicht durchgrei-
fen. Denn die gesamte Druckschrift D1 betrifft Chitin-haltige und nicht Chitosan-
haltige Zusammensetzungen (vgl. D1 S. 632 "Summary", S. 632/633 seiten-
übergr. Abs., S. 634 le. Abs. bis S. 636 Abschnitt "Application of chitin-containing
fibrous materials" und S. 640 Abschnitt "Conclusion") und somit auch der Ab-
schnitt "Other fields of application", in dem sich der diskutierte Absatz befindet.
Zudem beschreibt die D1 die Verwendung von Chitosan und dessen Derivate in
kosmetischen Zusammensetzungen als wohl bekannt. Chitin fällt aber als acety-
liertes Derivat von Chitosan unter diese Definition (vgl. Anlage 1 des Antragsgeg-
ners vom 26. September 2013 S. 2 vorle. Abs. le. Satz). Weiterhin wird, wie be-
reits ausgeführt, Melanin in D1 eine Schutzfunktion gegen UV-Bestrahlung und
eindringende Bestrahlung zugeschrieben (vgl. D1 S. 635 Abs. 1 vorle. Satz), so
dass der Fachmann bei der Aufbereitung der Pilzrohstoffmasse sicher nicht auf
diesen kosmetisch wertvollen Stoff verzichten wird, auch wenn Melanin in dem die
kosmetische Anwendung betreffenden Absatz der D1 nicht an-
geführt ist.
Der Einwand, dass D1 eine Chitin-haltige Zusammensetzung mit einem angerei-
cherten und damit nicht natürlichen Chitingehalt betreffe, selbst wenn diese aus
Fomes Fomentarius gewonnen werde, und somit keine Anregung liefere, einen
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CGM-Naturkomplex aus nachwachsenden Rohstoffen mit einem in der Natur auf-
tretenden Chitingehalt, kann ebenfalls nicht überzeugen. Denn in der Streitge-
brauchsmusterschrift ist ein Chitingehalt weder in den Schutzansprüchen bean-
sprucht, noch in der Beschreibung offenbart. Da aber
– wie bereits bei der Ausle-
gung des Begriffs "Naturkomplex" dargelegt (vgl. II.6.)
– der Chitingehalt in einem
Pflanzen- oder Pilzextrakt von den Extraktions- und Aufarbeitungsbedingungen
abhängt, kann daher der Chitingehalt nicht zur Abgrenzung vom Stand der Tech-
nik herangezogen werden.
Der Streitgegenstand gemäß Schutzanspruch 1 nach Hauptantrag war daher aus
der D1 in Kombination mit dem Fachwissen, dokumentiert durch D2, nahe gelegt.
Die rückbezogenen Schutzansprüche 2 und 3 gemäß Hauptantrag werden von
dem Löschungsausspruch erfasst, da ein eigener schutzbegründender Gehalt we-
der geltend gemacht wurde, noch erkennbar ist.
7.2. Das Streitgebrauchsmuster ist auch in der Fassung gemäß den Hilfsanträ-
gen 2, 3 und 5 nicht schutzfähig.
a)
Der Gegenstand des Schutzanspruchs 1 nach Hilfsantrag 2 unterscheidet
sich vom Gegenstand des Schutzanspruchs 1 gemäß Hauptantrag darin, dass als
nachwachsender Rohstoff Fomes Fomentarius benannt ist. Diese Beschränkung
kann jedoch keinen Beitrag zur Begründung des erfinderischen Schritts leisten.
Extrakte aus Fomes Fomentarius sind zum einen als fachübliche Inhaltsstoffe in
Kosmetika bekannt (vgl. D3 S. 1651 re. Sp. Z. 15), so dass der Fachmann diese
im Auge hatte. Zum anderen beschreibt auch die D1 Fomes Fomentarius als
Quelle für die in dieser Druckschrift offenbarten Chitin-, Glucan- und Melanin-halti-
gen Zusammensetzungen (vgl. D1 S. 644 Fig. 4). Der Gegenstand des Schutzan-
spruchs 1 nach Hilfsantrag 2 ist somit ebenfalls aus dem Stand der Technik nahe
gelegt und damit nicht schutzfähig.
- 19 -
b)
Im Schutzanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 ist gegenüber dem Schutzan-
spruch 1 nach Hilfsantrag 2 das Wort "produziert" durch das Wort "gewonnen" er-
setzt. Diese Änderung stellt lediglich eine sprachliche Umstellung dar, da die Be-
griffe "produzieren" und "gewinnen" aus nachwachsenden Rohstoffen im streitpa-
tentgemäßen Zusammenhang als Synomyme anzusehen sind. Die Umstellung
führt somit zu keinem anderen Schutzgegenstand, weshalb für Schutzanspruch 1
gemäß Hilfsantrag 3 vollumfänglich dieselben Gründe wie für den Schutzan-
spruch 1 nach Hilfsantrag 2 gelten. Die Verteidigung des Gebrauchsmusters mit
diesem Hilfsantrag ist daher ebenfalls mangels erfinderischen Schritts nicht erfolg-
reich.
c)
Mit den Schutzansprüchen 1 der Hilfsanträge 2 und 3 fallen auch jeweils die
rückbezogenen Schutzansprüche 2 und 3 dieser Hilfsanträge. Eine eigenständige
schutzfähige Bedeutung dieser Schutzansprüche ist in der mündlichen Verhand-
lung nicht geltend gemacht worden und auch nicht erkennbar.
d)
Der einzige Schutzanspruch gemäß Hilfsantrag 5 unterscheidet sich vom
Schutzanspruch 1 nach Hilfsantrag 3 darin, dass er zusätzlich folgende Merkmale
aufweist:
5
Verwendung des CGM-Naturkomplexes, unabhängig vom prozentualen
Anteil und den zur Wirkung kommenden Eigenschaften, die über diesen
prozentualen Anteil variabel gestaltbar sind und
6
Einbringen des CGM-Naturkomplexes in die Grundsubstanz der
Kosmetika.
Die Merkmale 5 und 6 stellen lediglich selbstverständliche und fachübliche Maß-
nahmen bei der Bereitstellung von Kosmetika dar. So beschreibt beispielsweise
D1, dass Chitin in der Chitin- und Glucan-haltigen Zusammensetzung "Mycoton"
einen positiven Effekt auf viele pathologische Zustände hat, Glucan wertvolle im-
munomodulierende und onkostatische Aktivität aufweist und Mycoton durch einen
- 20 -
Gehalt an Melanin bakteriostatische Eigenschaften erhält (vgl. D1 S. 639 Abs. 2).
Daraus erkennt der Fachmann, dass er durch diese drei Inhaltsstoffe verschie-
dene gesundheitsfördernde Eigenschaften beeinflussen kann, so dass somit auch
die Merkmale 5 und 6 den erfinderischen Schritt des Streitgegenstands nicht be-
gründen können.
8.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 84 Abs. 2 PatG
i. V. m. § 18 Abs. 2 Satz 2 GebrMG.
III.
- 21 -
Werner
Dr. Jäger
Dr. Wagner
Bb