Urteil des BPatG vom 15.01.2015

Hauptsache, Gebrauchsmuster, Verzicht, Zukunft

BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
35 W (pat) 1/13
_______________________
(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
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betreffend das Gebrauchsmuster 203 21 745
(isolierte Kostenbeschwerde)
hat der 35. Senat (Gebrauchsmuster-Beschwerdesenat) des Bundespatentge-
richts am 15. Januar 2015 durch die Vorsitzende Richterin Werner sowie durch
Richter Dipl.-Ing. Schmidt-Bilkenroth und Richter Dipl.-Ing. Veit
beschlossen:
Die Beschwerde der Löschungsantragstellerin und Beschwerde-
führerin wird zurückgewiesen.
Die Beschwerdeführerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfah-
rens.
G r ü n d e
I.
Die Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin (im Folgenden: Antragsgegnerin)
ist die eingetragene Inhaberin des Gebrauchsmusters 203 21 745 (Streitge-
brauchsmuster) mit der Bezeichnung „Waage“. Das Streitgebrauchsmuster ist aus
der Patentanmeldung 103 08 804 mit Anmeldetag vom 27. Februar 2003 abge-
zweigt und am 9. Juli 2009 in das Gebrauchsmusterregister eingetragen worden.
Die Schutzdauer des Streitgebrauchsmusters ist auf zehn Jahre verlängert wor-
den.
Die im patentamtlichen Verfahren anwaltlich vertretene Löschungsantragstellerin
und Beschwerdeführerin (im Folgenden: Antragstellerin) hat beim Deutschen Pa-
tent- und Markenamt (DPMA) mit Schriftsatz vom 17. März 2011 die Löschung des
Streitgebrauchsmusters nach §§ 15, 16, und 17 GebrMG beantragt und als Lö-
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schungsgrund fehlende Schutzfähigkeit nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 GebrMG geltend
gemacht. Nach fristgerechtem Widerspruch gegen den Löschungsantrag hat die
Antragsgegnerin das Streitgebrauchsmuster zunächst auf der Linie verteidigt,
dass sein Gegenstand neu sei und auf einem erfinderischen Schritt beruhe. Die
Gebrauchsmusterabteilung I hat mit Zwischenbescheid vom 28. März 2012 eine
vorläufige Beurteilung der Erfolgsaussichten des Löschungsantrages abgegeben,
wonach eine vollständige Löschung des Streitgebrauchsmusters wahrscheinlich
erschien. Danach hat die Gebrauchsmusterabteilung I Termin zur mündlichen
Verhandlung auf den 23. Oktober 2012 anberaumt. Mit anwaltlichem Schriftsatz
vom 17. Oktober 2012, eingegangen beim DPMA am selben Tage, hat die An-
tragsgegnerin u. a. folgende Erklärungen abgegeben:
„…
Wir erklären daher namens und in Vollmacht der L
… AG, ohne
damit den geltend gemachten Löschungsgrund anzuerkennen,
gleichwohl aber verbindlich, den vorbehaltlosen Verzicht auf das
deutsche Gebrauchsmuster 203 21 745 U1. Ferner erklären wir
namens und in Vollmacht der L
… AG, dass die L… AG
keine Rechte aus dem Gebrauchsmuster aufgrund von Verletzun-
gen, die in der Vergangenheit liegen, gegenüber der Antragstelle-
rin und weiteren Dritten geltend machen wird.
… .“
In der mündlichen Verhandlung vom 23. Oktober 2012 hat die Antragstellerin ei-
nen Schriftsatz vom 22. Oktober 2012 übergeben. Die Ausführungen und Erklä-
rungen in diesem Schriftsatz sowie die Ausführungen und Erklärungen der An-
tragsgegnerin in deren Schriftsatz vom 17. Oktober 2012 wurden
– neben ande-
rem - zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht. Gegenstand der
mündlichen Verhandlung war weiter die Frage, welches konkrete Rechtsschutzin-
teresse die Antragstellerin für ihren Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit des
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Streitgebrauchsmusters von Anfang an geltend machen konnte. Das wurde auch
in Ansehung der Erklärungen der Antragsgegnerin in ihrem Schriftsatz vom
17. Oktober 2012 erörtert.
In dieser Verhandlung hat die Antragstellerin jedenfalls den Antrag gestellt festzu-
stellen, dass das Streitgebrauchsmuster von Anfang an unwirksam war, die An-
tragsgegnerin beantragte die Verwerfung diese Antrages, hilfsweise dessen Zu-
rückweisung.
Auf die mündliche Verhandlung vom 23. Oktober 2012 hat die Gebrauchsmuster-
abteilung I den Feststellungsantrag der Antragstellerin verworfen und der Antrag-
stellerin die Kosten des patentamtlichen Verfahrens auferlegt. Zur Begründung hat
die Gebrauchsmusterabteilung ausgeführt, dass der Feststellungsantrag der An-
tragstellerin mangels eines konkreten Rechtsschutzinteresses der Antragstellerin
unzulässig und deswegen zu verwerfen war. Als Unterlegene müsse die Antrag-
stellerin die Kosten des patentamtlichen Verfahrens tragen.
Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 23. November 2012 hat die Antragstellerin er-
klärt, gegen den Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung Beschwerde einzule-
gen. Der zweite Satz dieses Schriftsatzes lautet:
„Es wird beantragt, den Beschluss in Bezug auf die Kostenent-
scheidung aufzuhe
ben.“
In der darauf folgenden Beschwerdebegründung vom 21. März 2013 lautet der
erste Satz unter I. auf Seite 1:
„Die Beschwerde vom 23. November 2012 richtet sich gegen die
Kostenentscheidung im Beschluss vom 29. Oktober 2012 des
Deutschen Patent- und
Markenamts.“
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Zur Erläuterung ist dazu anzumerken, dass die Gebrauchsmusterabteilung I die
schriftliche, begründete Fassung des am 23. November 2012 verkündeten Be-
schlusses auf den 29. Oktober 2012 datiert hatte.
Die Antragstellerin meint, dass sie im Laufe des Löschungsverfahrens vor der Ge-
brauchsmusterabteilung des DPMA alle Zwecke dieses Verfahrens erreicht hätte
und deswegen nicht ihr, sondern der Antragsgegnerin die Kosten des patentamtli-
chen Verfahrens auferlegt werden müssten. Im Wesentlichen trägt die Antragstel-
lerin vor:
Seit dem Verzicht der Antragsgegnerin auf das Streitgebrauchsmuster und der
Erklärung der Antragsgegnerin, weder gegenüber der Antragstellerin noch gegen-
über Dritten Rechte aus dem Streitgebrauchsmuster für in der Vergangenheit
liegende Verletzungshandlungen geltend machen zu wollen, gälte das Streitge-
brauchsmuster als von Anfang an gelöscht. Mit ihren Erklärungen hätte sich die
Antragsgegnerin als Verfahrensbeteiligte des Gebrauchsmuster-Löschungsverfah-
rens in die Stellung einer vollständig Unterlegenen begeben. Deswegen müssten
ihr und nicht der Antragstellerin die Kosten des patentamtlichen Verfahrens aufer-
legt werden.
Jedenfalls müsse der Verzicht der Antragsgegnerin, mit dem das Erlöschen des
Streitgebrauchsmusters für die Zukunft und damit ein Teilerfolg des Löschungs-
antrages der Antragstellerin bewirkt worden sei, nach dem geltenden Unterlie-
gensprinzip, bzw. nach § 93a ZPO (Anmerkung des Senats: gemeint ist wohl § 93
ZPO) dazu führen, dass der Antragsgegnerin derjenige Teil der Kosten des pa-
tentamtlichen Verfahrens auferlegt würden, der der Erledigung der Hauptsache im
Umfang dieses Verzichts entspräche. Für diese Quotelung müsse auch das Ver-
hältnis zwischen der maximalen Schutzdauer des Streitgebrauchsmusters einer-
seits und der restlichen Schutzdauer bei Stellung des Löschungsantrages berück-
sichtigt werden. Danach hätte es nahegelegen, die Kosten des patentamtlichen
Verfahrens gegeneinander aufzuheben.
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Ohne eine Berücksichtigung der vorgenannten Umstände bei der angefochtenen
und nach dem Antrag der Antragstellerin neu zu treffenden Kostengrundentschei-
dung für das patentamtliche Verfahren stünde es in den Gebrauchsmuster-Lö-
schungsverfahren dem Antragsgegner regelmäßig frei, bei einer sich abzeichnen-
den vollständigen oder teilweisen Löschung seines Gebrauchsmusters durch ei-
nen Verzicht auf sein Schutzrecht und auf die Geltendmachung von Rechten aus
dem Gebrauchsmuster für die Vergangenheit dem Löschungsverfahren seinen
Gegenstand in der Hauptsache zu entziehen und die Kostenlast auf den Antrag-
steller abzuwälzen.
Weiter beanstandet die Antragstellerin auch die Entscheidung des angegriffenen
Beschlusses in der Hauptsache, wonach der Feststellungsantrag der Antragstelle-
rin als unzulässig verworfen worden ist. Der Feststellungsantrag hätte nicht als
unzulässig verworfen werden dürfen, weil die Antragstellerin ein konkretes
Rechtsschutzinteresse an einer Löschung des Streitgebrauchsmusters auch für
die Vergangenheit hatte. Das Streitgebrauchsmuster sei identisch mit dem Klage-
patent eines im Zeitpunkt der angegriffenen Entscheidung parallel geführten Ver-
letzungsstreits zwischen den Verfahrensbeteiligten. Für diesen Verletzungsstreit
hätte es auf die Entscheidung der Gebrauchsmusterabteilung über den Bestand,
bzw. die vollständige oder teilweise Löschung des Streitgebrauchsmusters wegen
mangelnder Schutzfähigkeit ankommen können.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen
Patent- und Markenamts vom 23. Oktober 2012 insoweit aufzuhe-
ben, als darin die Kosten des patentamtlichen Verfahrens der An-
tragstellerin auferlegt worden sind,
und der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens in beiden In-
stanzenzügen aufzuerlegen;
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hilfsweise:
der Antragsgegnerin die Kosten des patentamtlichen Verfahrens in
dem Umfang aufzuerlegen, in dem sich das Löschungsverfahren
durch den Verzicht der Antragsgegnerin auf das Streitgebrauchs-
muster in der Hauptsache erledigt hat.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde der Antragstellerin kostenpflichtig zurückzuwei-
sen,
hilfsweise: Termin zur mündlichen Verhandlung anzuberaumen.
Die Antragsgegnerin hält die angegriffene Kostengrundentscheidung in dem Be-
schluss der Gebrauchsmusterabteilung I vom 23. Oktober 2012 für begründet und
tritt der Beschwerde in allen Punkten entgegen.
Auf den Inhalt der Verfahrensakten aus beiden Instanzenzügen wird in vollem
Umfang Bezug genommen. Dazu gehören auch die Hinweise der Senatsvor-
sitzenden vom 2. Oktober 2014 an die Verfahrensbeteiligten, Blatt 72 ff. der Ge-
richtsakte.
Die Antragstellerin hat einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren zugestimmt,
die Antragsgegnerin hat einer Zurückweisung der Beschwerde im schriftlichen
Verfahren zugestimmt.
II.
Die in zulässiger Weise auf den Kostenausspruch des angegriffenen Beschlusses
der Gebrauchsmusterabteilung I beschränkte Beschwerde der Antragstellerin ist in
der Sache nicht begründet und war deswegen kostenpflichtig zurückzuweisen.
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I.
Gegenüber
den
Beschlüssen
des
DPMA
in
Gebrauchsmuster-
Löschungsverfahren ist die isolierte Kostenbeschwerde grundsätzlich zulässig
(BPatGE 22, 114, 115; Busse/Keukenschrijver GebrMG 7. Auflage, § 18 Rdnr. 7,
Bühring GbmG 8. Auflage, § 18 Rdnr. 15). Hier hat die anwaltlich vertretene An-
tragstellerin ihre Beschwerde in dieser Weise beschränkt. Das ergibt sich aus der
Beschwerdeschrift vom 23. November 2012, in dem die Antragstellerin beantragte,
den Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung in Bezug auf die Kostenentschei-
dung aufzuheben. Dass die Antragstellerin die Beschränkung ihrer Beschwerde
auf die Kostengrundentscheidung des angegriffenen Beschlusses auch im weite-
ren Verfahren als geschehen vorausgesetzt hat, ergibt sich aus ihrem Schriftsatz
vom 21. März 2013, worin auf Seite 1 im ersten Satz unter I. noch einmal wieder-
holt wird, dass sich die Beschwerde vom 23. November 2012 gegen die Kosten-
entscheidung in dem angegriffenen Beschluss richtet.
Mit der wirksamen Beschränkung der Beschwerde auf die Kostengrundentschei-
dung des angegriffenen Beschlusses erwächst die Entscheidung über die Haupt-
sache in dem angegriffenen Beschluss in Bestandskraft und ist kein Gegenstand
des Beschwerdeverfahrens.
II.
Der Senat entscheidet in der Besetzung mit einem rechtskundigen Mitglied
und zwei technischen Mitgliedern, § 18 Abs. 3 Satz 2, 2. Halbsatz GebrMG.
Gemäß § 18 Abs. 3 Satz 2, 2. Halbsatz GebrMG entscheidet der Senat über Be-
schwerden gegen Beschlüsse der Gebrauchsmusterabteilungen über Löschungs-
anträge in der Besetzung mit einem rechtskundigen Mitglied und zwei technischen
Mitgliedern. In dieser Besetzung überprüft der Senat auch regelmäßig die Kosten-
entscheidung des DPMA. Das folgt daraus, dass die Kostenentscheidung Be-
standteil der Entscheidung über den Löschungsantrag ist. Wie sich aus § 17
Abs. 4 GebrMG i. V. m. § 84 Abs. 2 S. 2 PatG, §§ 91 ff. ZPO ergibt, spiegelt die
Kostenentscheidung das Ergebnis der Entscheidung in der Hauptsache wieder, ist
also ohne diese nicht denkbar. Insofern handelt es sich auch bei der isolierten
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Anfechtung der Kostenentscheidung um nichts anderes als um einen Angriff auf
einen Teil einer Entscheidung über den Löschungsantrag. Die zuständige Be-
setzung mit einem juristischen und zwei technischen Mitgliedern ergibt sich somit
unmittelbar aus § 18 Abs. 3 S. 2 GebrMG (im Anschluss an BPatG, Beschluss
vom 24. Oktober 2013, Az.: 35 W (pat) 402/10, veröffentlicht in der fortlaufenden
Entscheidungssammlung des Bundespatentgerichts auf www.bundespatentge-
richt.de).
III.
Die Kostenbeschwerde der Antragstellerin ist nicht begründet. Mit ihrem
Feststellungsantrag in der mündlichen Verhandlung vom 23. Oktober 2012 hat die
Antragstellerin das Löschungsverfahren in der Hauptsache fortgesetzt. Nachdem
das Streitgebrauchsmuster durch den Verzicht der Antragsgegnerin für die Zukunft
erloschen war und nur noch für die Vergangenheit Bestand hatte, hätte die An-
tragstellerin für die Zulässigkeit ihres Feststellungsantrages ein individuelles
Rechtsschutzinteresse glaubhaft machen müssen. Das hat sie nach der Überzeu-
gung der Gebrauchsmusterabteilung I nicht getan, die daher den Feststellungsan-
trag der Antragstellerin bereits als unzulässig verworfen hat. Damit war die An-
tragstellerin in Ansehung des Gegenstandes des Löschungsverfahrens in vollem
Umfang unterlegen. Als in der Hauptsache Unterlegene waren der Antragstellerin
– wie in dem angegriffenen Beschluss angeordnet – gemäß § 91 ZPO i. V. m. § 84
Abs. 2 Satz 2 PatG i. V. m. § 17 Abs. 4 GebrMG die Kosten des patentamtlichen
Verfahrens vollständig aufzuerlegen. Etwas Anderes gilt grundsätzlich nur dann
und soweit, wie die Billigkeit eine andere Entscheidung erfordert, § 84 Abs. 2
Satz 2 PatG. Die Antragstellerin hat keine solchen Billigkeitsgründe vorgetragen.
Sie sind auch sonst nicht ersichtlich.
1.
Die Antragstellerin verkennt den spezifischen verfahrensrechtlichen Gegen-
stand der Löschungsverfahren nach §§ 15
– 17 GebrMG, wenn sie meint, dass
nach dem Verzicht der Antragsgegnerin auf das Gebrauchsmuster und der Erklä-
rung der Antragsgegnerin, keine Rechte aus dem Gebrauchsmuster aufgrund von
Verletzungen, die in der Vergangenheit liegen, gegenüber der Antragstellerin und
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gegenüber Dritten geltend zu machen, das Streitgebrauchsmuster als vollständig
erloschen gälte, sich damit der Gegenstand des Löschungsverfahrens vollständig
erledigt hätte und die Antragsgegnerin, die diese Erledigung herbeigeführt hätte,
auch die Kosten des patentamtlichen Verfahrens tragen müsste. Gegenstand der
Löschungsverfahren nach §§ 15
– 17 GebrMG ist der Löschungsantrag, der mate-
riell-rechtlich auf eine vollständige oder auch nur teilweise Löschung des jeweili-
gen Streitgebrauchsmusters gerichtet ist, im materiell-rechtlichen Umfang des
konkreten Löschungsantrages aber immer auf eine Beseitigung des Streitge-
brauchsmusters für alle Zeiten, künftige und vergangene, gerichtet ist. Eine zeitli-
che Beschränkung des Löschungsantrages auf einen bestimmten Ausschnitt der
Schutzdauer, etwa nur auf die noch in der Zukunft liegende Schutzdauer, ist nicht
möglich.
Eine Löschung von Anfang an tritt nur ein, soweit ein Löschungsantrag nach
§§ 15 - 17 GebrMG erfolgreich ist. Sie tritt nicht ein, wenn das Gebrauchsmuster,
wie hier durch Verzicht, oder durch Ablauf der Schutzdauer nur für die Zukunft
erlischt. Auch die Erklärungen der Antragsgegnerin, aus dem Streitgebrauchs-
muster gegenüber der Antragstellerin und Dritte keine Rechte wegen in der Ver-
gangenheit liegender Verletzungen geltend zu machen, haben den Bestand des
Streitgebrauchsmusters für die Vergangenheit nicht berührt. Diese Erklärung, ihre
Wirksamkeit unterstellt, wäre ausschließlich schuldrechtlicher Natur und hat daher
in erster Linie für etwaige Verletzungsverfahren Bedeutung (vgl. BGH,
GRUR 1998, 910
– 913 (Rz. 35) - Scherbeineis). Das Streitgebrauchsmuster hat
weiterhin uneingeschränkte Geltung für die Zeit seit seiner Eintragung bis zum
Wirksamwerden des Verzichts, u. a. mit der Folge, dass es unverändert der
Rechtsgrund aller in diesem Zeitraum bereits abgewickelten Forderungen der An-
tragsgegnerin aus Verletzungshandlungen bleibt.
Mit
ihrem
Feststellungsantrag
in
der
mündlichen
Verhandlung
vom
23. Oktober 2012 hat die Antragstellerin die vollständige Beseitigung des Streitge-
brauchsmusters auch für die Vergangenheit begehrt und damit das Verfahren in
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der Hauptsache fortgesetzt. Mit diesem Antrag ist die Antragstellerin vollständig
unterlegen und deswegen sind ihr die Kosten des patentamtlichen Verfahrens
auferlegt worden.
Aufgrund der vorstehenden Feststellungen trifft es auch nicht zu, dass sich die
Antragsgegnerin mir ihren Erklärungen in ihrem Schriftsatz vom 17. Oktober 2012
im Rahmen des Löschungsverfahrens in die Position der Unterlegenen begeben
hätte und deswegen die Kosten des patentamtlichen Verfahrens tragen müsste.
Vielmehr hat die Antragsgegnerin mit ihren Erklärungen vom 17. Oktober 2012
von eben den Rechten Gebrauch gemacht, die ihr auf der Grundlage ihrer Inha-
berschaft an dem Streitgebrauchsmuster
– im Rahmen der Gesetze – zur beliebi-
gen Verfügung stehen.
2.
Weiter ist es unzutreffend, wenn die Antragstellerin meint, dass die Antrags-
gegnerin allein durch ihren Verzicht auf das Streitgebrauchsmuster und mit ihrer
Freistellungserklärung gegenüber der Antragstellerin für etwaige Verletzungs-
handlungen in der Vergangenheit die Kostenlast für das patentamtliche Lö-
schungsverfahren von sich abgewandt hätte. Wäre die Gebrauchsmusterabteilung
bei ihrer Entscheidung von einem konkreten Rechtsschutzinteresse der Antrag-
stellerin an einer Feststellung der Unwirksamkeit des Streitgebrauchsmusters
ausgegangen, so wäre das Streitgebrauchsmuster auf seine Schutzfähigkeit über-
prüft und gegebenenfalls ganz oder teilweise als von Anfang an unwirksam erklärt
worden. Dann hätte die Antragsgegnerin die Verfahrenskosten in dem Umfang
tragen müssen, in dem die Antragstellerin mit ihrem Feststellungsantrag obsiegt
hätte. Auf den Verzicht der Antragsgegnerin wäre es für diese Kostenentschei-
dung nicht angekommen. Denn ob ein Streitgebrauchsmuster eine längere oder
kürzere Schutzdauer hatte, lässt den Gegenstand eines Löschungsverfahrens
wegen fehlender Schutzfähigkeit unberührt. Entscheidend ist nur die Frage, ob
und wenn ja, in welchem Umfang, das Streitgebrauchsmuster aus dem Grunde
der fehlenden Schutzfähigkeit gelöscht wird.
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Wenn der Antragstellerin die Erfolgsaussichten für ihren Vortrag zum konkreten
Rechtsschutzinteresse an einem Feststellungsantrag zu riskant erschienen wären,
hätte sie im Übrigen in der mündlichen Verhandlung vom 23. Oktober 2012 die
Hauptsache für erledigt erklären und eine Kostengrundentscheidung in direkter
oder analoger Anwendung von § 91a ZPO beantragen können. Nach einer sol-
chen Erklärung seitens der Antragstellerin hätte die Gebrauchsmusterabteilung I
zwar keine Löschung mehr aussprechen können. Es hätte jedoch zu einer
Kostengrundentscheidung in direkter oder analoger Anwendung von § 91a ZPO
kommen können, entweder wenn sich die Antragsgegnerin der Erledigungserklä-
rung der Antragstellerin angeschlossen hätte (übereinstimmende Erledigungser-
klärung i. S. v. § 91a ZPO) oder wenn die Gebrauchsmusterabteilung bei nur ein-
seitiger Erledigungserklärung durch die Antragstellerin im Wege einer streitigen
Entscheidung die Erledigung des Löschungsverfahrens in der Hauptsache festge-
stellt und dann
– jetzt in analoger Anwendung von § 91a ZPO – eine Kosten-
grundentscheidung getroffen hätte. Für die Kostengrundentscheidung in direkter
oder analoger Anwendung von § 91a ZPO wäre es nur darauf angekommen, in
welchem Umfang das Streitgebrauchsmuster im Zeitpunkt der Erledigung der
Hauptsache nach dem bisherigen Sach- und Streitstand löschungsreif erschien.
Ergänzend wird an dieser Stelle festgestellt, dass die hier angesprochenen Erklä-
rungen über eine Erledigung des Löschungsverfahrens in der Hauptsache im Be-
schwerdeverfahren vor dem Bundespatentgericht nicht mehr wirksam abgegeben
werden konnten. Denn wegen der Beschränkung der Beschwerde auf die Kosten-
entscheidung des angegriffenen Beschlusses war das Hauptsacheverfahren kein
Gegenstand des Beschwerdeverfahrens.
3.
Schließlich kann der Antragstellerin auch nicht darin gefolgt werden, dass
der Antragsgegnerin wegen ihres Verzichts auf das Streitgebrauchsmuster die
Kosten des patentamtlichen Verfahrens wenigstens teilweise auferlegt werden
müssten.
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Der Gegenstand der Löschungsverfahren nach §§ 15
– 17 GebrMG lässt sich
nicht aufteilen in einen auf die Vergangenheit gerichteten Löschungsantrag und
einen weiteren Antrag, der auf die Löschung für die Zukunft gerichtet wäre. Viel-
mehr ist der Löschungsantrag immer auf die Herbeiführung der rechtlichen Un-
wirksamkeit des Streitgebrauchsmusters von Anfang an gerichtet. Das führt bei
Streitgebrauchsmustern, die Geltung auch für die Zukunft beanspruchen können,
bei Erfolg des Löschungsantrages notwendiger Weise zu einem Unwirksamwer-
den auch für die Zukunft. Streitgebrauchsmuster, die im Zuge eines Löschungs-
verfahrens im Zeitpunkt der Entscheidung über ihre Wirksamkeit bereits erloschen
sind, können ebenso notwendiger Weise nur noch für die Vergangenheit für un-
wirksam erklärt werden.
Die verfahrensrechtliche Zäsur, die regelmäßig dann eintritt, wenn im Laufe eines
Löschungsverfahrens nach §§ 15
– 17 GebrMG das Streitgebrauchsmuster durch
Verzicht oder wegen Ablaufs der Schutzdauer nur für die Zukunft erlischt, hat den
Grund, dass mit dem Erlöschen eines Streitgebrauchsmusters für die Zukunft das
Löschungs
verfahren nicht mehr als sogenanntes „Popularverfahren“ betrieben
werden kann. Mit dem Ausdruck „Popularverfahren“ ist gemeint, dass das In-
teresse der Allgemeinheit an der Beseitigung eines zu Unrecht erteilten Schutz-
rechts für jedermann ohne weiteres ein Rechtsschutzinteresse an der Löschung
des Schutzrechts begründet, ohne dass der Antragsteller ein eigenes Interesse an
der Rechtsverfolgung zu besitzen braucht. Erst wenn das Interesse der Allge-
meinheit an der Löschung eines Gebrauchsmusters dadurch entfällt, dass das
Gebrauchsmuster durch Verzicht oder Zeitablauf erlischt, bedarf es zu
dem - nunmehr auf Feststellung der Unwirksamkeit des Gebrauchsmusters zu
richtenden
– Begehren eines besonderen eigenen Interesses des Antragstellers
an der begehrten Feststellung (BGH GRUR 1981, 515 ff.).
Diese verfahrensrechtlichen Folgen des Erlöschens des Streitgebrauchsmusters
nur für die Zukunft im Laufe eines Löschungsverfahrens nach §§ 15
– 17 GebrMG
lassen die Kostengrundentscheidung unberührt. Sie richtet sich nicht nach der
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konkreten Schutzdauer des Streitgebrauchsmusters, sondern ausschließlich da-
nach, ob und wenn ja, in welchem Umfang das Streitgebrauchsmuster aus dem
Grunde der fehlenden Schutzfähigkeit mit Wirkung von Anfang an gelöscht wird.
IV.
Im Hinblick auf den Vortrag der Antragstellerin zu der mit der Beschwerde
nicht angegriffenen Entscheidung der Gebrauchsmusterabteilung I in der Haupt-
sache gibt der Senat noch Folgendes zu bedenken:
Mit der Anhängigkeit eines Verletzungsverfahrens aus einem parallelen Patent
dürfte sich für ein Gebrauchsmusterlöschungsverfahren wohl kein individuelles
Rechtsschutzinteresse des Antragstellers begründen lassen. Schutzwürdig ist nur
das Interesse eines Antragstellers an der Verteidigung gegen seine Inanspruch-
nahme aus dem Streitgebrauchsmuster (Busse/Keukenschrijver, GebrMG, 7. Auf-
lage, § 16 Rdnr. 17). Auch bei anfänglicher Identität handelt es sich bei parallelen
Anmeldungen von einem Patent einerseits und einem Gebrauchsmuster
andererseits um zwei materiell-rechtlich verschiedene Schutzrechte, die sich
außerdem im Laufe der Zeit durch unterschiedliche Beschränkungen auch in ihren
Gegenständen und in ihrem Schutzumfang voneinander unterscheiden können
(vgl. für den Fall der parallelen Patentanmeldung ebenfalls ablehnend
Busse/Keukenschrijver a. a. O. und Bühring/Schmid, GebrMG 8. Auflage, § 15
Rdnr. 54).
V.
Die Entscheidung über die Kosten des patentgerichtlichen Beschwerdever-
fahrens folgt aus § 18 Abs. 2 Satz 2 GbrMG i. V. m. § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91
ZPO.
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III.
Rechtsmittelbelehrung
Werner
Veit
Schmidt-Bilkenroth
Bb