Urteil des BPatG vom 26.03.2015

Firma, Muster, Neuheit, Zahl

BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
30 W (pat) 801/14
_______________________
(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
- 2 -
betreffend das Design 40 2013 000 415-0040
(hier: Nichtigkeitsverfahren N 18/14; Beschwerde gegen die Versagung von
Verfahrenskostenhilfe
)
hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des Bundespatentge-
richts in der Sitzung vom 26. März 2015 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Rich-
ters Prof. Dr. Hacker und der Richterinnen Werner und Uhlmann
beschlossen:
Der Beschluss der Designabteilung 3.7 des Deutschen Patent-
und Markenamtes vom 20. August 2014 wird aufgehoben.
G r ü n d e
I.
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Versagung von Verfahrenskosten-
hilfe für die Verteidigung seines Designs im Nichtigkeitsverfahren vor dem Deut-
schen Patent- und Markenamt (DPMA).
- 3 -
Der Beschwerdeführer ist Inhaber des am 23. Januar 2013 angemeldeten und am
15. Juli 2013 eingetragenen Sammeldesigns 40 2013 000 415, bestehend aus
62 Designs, die unter der Erzeugnisangabe
„Zäune“, Warenklasse 25-02, einge-
tragen sind. Die Wiedergabe des Designs laufende Nr. 0040 zeigt folgendes Zaun-
element in hellen Graustufen mit Flechtstruktur:
Der Beschwerdegegner hat am 28. Februar 2014 Antrag auf Feststellung der
Nichtigkeit des Designs lfd. Nr. 0040 gestellt und den Antrag auf fehlende Neu-
heit/Eigenart gemäß § 2 DesignG gestützt.
Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Der Beschwerdeführer hatte im Ja-
nuar 2014 ein Ebay-Angebot des Beschwerdegegners entfernen lassen, indem er
auf sein Designrecht hingewiesen hatte. Gleichzeitig hatte er den Beschwerdegeg-
ner aufgefordert, den Vertrieb des geschützten Designs zu unterlassen. Mit E-Mail
seines Verfahrensbevollmächtigten vom 17. Februar 2014 forderte der Beschwer-
deführer den Beschwerdegegner erneut zur Unterlassung der Nutzung und zur
Abgabe einer Unterwerfungserklärung auf.
- 4 -
Der Antragsteller hat unter Beweisantritt vorgetragen, das angegriffene Design sei
weder neu noch habe es Eigenart. Er benutze es seit mehreren Jahren, jedenfalls
vor Januar 2013, und sei damit auf dem deutschen Markt vertreten. Sein Sohn ha-
be die notwendige Form zur Produktion im Jahr 2007 von dem Produzenten der
Musterform,
Herrn W
gekauft
(Beweis
Erklärung W
in
deutscher
Übersetzung
Anlage 2,
Bl. 65 VA,
Angebot
Zeugnis W
…)
und ihm sodann zur Verfügung gestellt. Das Muster sei 2009 und 2010 außerdem
von der Firma B
… GmbH & Co. KG offenbart worden, und zwar auf
Baumessen in R
… in den Jahren 2009 und 2010 (Beweis Auszüge einer In-
ternetrecherche mit Fotografien Anlage 3a Bl. 66 f. VA; Angebot Zeugnis der Ge-
schäftsführer
M…,
Bl. 57 d. A.).
Der
Antragsteller
selbst habe das Muster offenbart, indem er einen entsprechenden Zaun für
Frau
S…
im
Jahr 2011
errichtet
habe
(Beweis
Foto
vom
28. Februar 2012, Bl. 33 VA; Angebot Zeugnis S
… Anschrift Bl. 17 VA; Au-
genscheineinnahme des Zauns).
Der Beschwerdeführer und Inhaber des angegriffenen Designs hat dem ihm mit
Verfügung
vom
28. März 2014
zugestellten
Nichtigkeitsantrag
mit
am
11. April 2014 eingegangenem Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom
10. April 2014 widersprochen und gleichzeitig unter Abgabe einer Erklärung über
seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse Antrag auf Gewährung von
Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung seines Verfahrensbevollmächtigten
Rechtsanwalt U
… gestellt. Zur Begründung hat er vorgetragen, die Entgegen-
haltungen des Löschungsantragstellers seien entweder nicht brauchbar, da ver-
schwommen und verzerrt, oder sie enthielten kein identisches oder denselben Ge-
samteindruck vermittelndes Muster. Der Vortrag des Antragstellers zum Erwerb
der Formen werde bestritten. Die angebliche Erklärung des Produzenten liege
nicht in der Amtssprache Deutsch vor. Das angegriffene Design verfüge nicht über
große sichtbare, sich deutlich absetzende augenartige Astlöcher, die auf den Ent-
gegenhaltungen zu erkennen seien. Es sei dagegen glatt bzw. gemasert ausge-
führt. Im Bereich des Zaunbaus und gerade bei Betonzäunen gebe es eine Viel-
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zahl von Mustern, sodass bereits geringe Abweichungen vom Formenschatz
schutzbegründend seien. Die angegebenen Daten, das Angebot aus dem
Jahr 2011, Herstellung des Zauns in Anlage 2 im September 2011 sowie die An-
gebote auf Ebay würden bestritten. Zudem stimmten die in den Anlagen erkennba-
ren Designs nicht mit dem angegriffenen überein.
Mit Beschluss vom 20. August 2014 hat die Designabteilung 3.7 des DPMA den
Antrag auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe wegen fehlender Erfolgsaus-
sicht des Verteidigungsvorbringens zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie aus-
geführt, das angegriffene Design sei in der Internetveröffentlichung der Fa.
B
… GmbH & Co. KG,
einem
von
dem
Nichtigkeitsantragsteller
un-
abhängigen, seriösen mittelständischen Unternehmen, bereits vorweggenommen.
Sowohl das verfahrensgegenständliche Design als auch die Entgegenhaltung
zeigten ein Zaunelement mit rechteckiger Grundform und einer prägenden Flecht-
struktur mit erkennbar nachgeahmten Astlöchern. Die Entgegenhaltung weise eine
identische Flechtstruktur aus 13 Elementen auf, die sich um 4 Stege winden und
an der Oberseite einen bogenförmigen Abschluss finden. Auch die Farbgestaltung
erscheine - in hellen Graustufen bzw. einem hellen Beige (bzw. Natur, Sand)
sehr ähnlich.
Gegen den ihm am 27. August 2014 zugestellten Zurückweisungsbeschluss hat
der Inhaber des angegriffenen Designs mit am 12. September 2014 eingegange-
nem Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten Beschwerde eingelegt.
Er trägt vor, seine Rechtsverteidigung gegen den Nichtigkeitsantrag habe Aussicht
auf
Erfolg.
Aus
der
Veröffentlichung
der
Firma
B
… GmbH & Co. KG
im Internet könne nicht hergeleitet werden, dass das dort abgebildete Muster be-
reits 2009 und 2010 auf einer Messe veröffentlicht worden sei. Webseiten könnten
- auch von Dritten - ständig verändert werden; die Behauptung auf der Website er-
bringe deshalb keinen Beweis. Diese sei wohl nachträglich eingestellt worden, um
das vorliegende Verfahren zu beeinflussen. Auch sei nicht feststellbar, wann das
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Bild auf der Webseite veröffentlicht worden sei. Die Verwendung des Designs im
Verkehr werde bestritten, ebenso, dass es dem Verkehr bereits zugänglich ge-
macht worden sei.
Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,
den angegriffenen Beschluss aufzuheben und dem Beschwerde-
führer Verfahrenskostenhilfe für das Designnichtigkeitsverfahren
vor dem Deutschen Patent- und Markenamt betreffend das Design
40 2013 000 415-0040 zu gewähren.
Der Beschwerdegegner stellt den Antrag,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er trägt vor, der Beschwerdeführer sei nicht bedürftig. Er verfüge über insgesamt
62 eingetragene Designs, die er wahrscheinlich vermarkte oder zu vermarkten pla-
ne. Zudem sei seine Ehefrau Geschäftsführerin der R
… UG, die Beton- und
Bauelemente vertreibe. Die Gründung dieser Gesellschaft stehe auch in engem
zeitlichen Zusammenhang mit der Design-Anmeldung durch den Beschwerdefüh-
rer. Daher liege es nahe, dass der Beschwerdeführer auch an dieser Firma betei-
ligt sein könne. Zudem habe die Rechtsverteidigung keine Aussicht auf Erfolg. Die
Veröffentlichung
der
Firma
B
… GmbH & Co. KG
sei
ein
objektiver
Beweis, dass die Bilder der Zäune auf den Messen 2009 und 2010 gemacht wor-
den seien. Die Teilnahme an den entsprechenden Messen sei dem Beschwerde-
gegnervertreter auch telefonisch bestätigt worden. Für eine Manipulation der Web-
site fehle jeder Hinweis.
- 7 -
II.
1.
Abs. 2, Abs. 1 Satz 1 PatG i. V. m. §§ 114 bis 116 ZPO begründet. Die Rechtsver-
teidigung des Verfahrenskostenantragstellers und Designinhabers erscheint weder
mutwillig noch kann ihr nach dem jetzigen Sach- und Streitstand die Erfolgsaus-
sicht abgesprochen werden.
Gemäß § 24 Satz 2 DesignG ist einem Beteiligten im Nichtigkeitsverfahren nach
§ 34a DesignG auf Antrag unter entsprechender Anwendung des § 132 Abs. 2 des
Patentgesetzes Verfahrenskostenhilfe zu gewähren. Gemäß § 132 Abs. 2 PatG ist
die Vorschrift des § 132 Abs. 1 Satz 1 PatG auf den Einsprechenden und die Be-
teiligten im Verfahren wegen Erklärung der Nichtigkeit des Patents entsprechend
anzuwenden, wenn der Antragsteller ein eigenes schutzwürdiges Interesse glaub-
haft macht. Gemäß § 132 Abs. 1 Satz 1 PatG erhält der Patentinhaber auf Antrag
unter entsprechender Anwendung der §§ 114 bis 116 ZPO Verfahrenskostenhilfe.
Auf § 132 Abs. 1 Satz 2, wonach nicht zu prüfen ist, ob die Rechtsverteidigung
des Inhabers des mit dem Einspruch angegriffenen Patents hinreichende Aussicht
auf Erfolg bietet, verweist § 132 Abs. 2 PatG nicht.
Gemäß § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen
und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum
Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die
beabsichtigte Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht
mutwillig erscheint.
2.
nach dem jetzigen Sachstand nicht von vornherein versagt werden. Zwar ist der
Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit des angegriffenen Designs gemäß §§ 33
Abs. 1, 34, 34a DesignG zulässig. Der Antrag nach § 33 Abs. 1 DesignG kann von
jedermann gestellt werden. Er ist gemäß § 34a DesignG schriftlich beim DPMA
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eingereicht worden. Er ist auf fehlende Neuheit/Eigenart gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 2
i. V. m. § 2 Abs. 1 DesignG gestützt; die zur Begründung dienenden Tatsachen
und Beweismittel sind angegeben.
Der Beschwerdeführer und Inhaber des angegriffenen Designs hat dem Nichtig-
keitsantrag rechtzeitig gemäß § 34a Abs. 2 DesignG innerhalb eines Monats wi-
dersprochen.
3.
auch das gegen ihn gerichtete Verteidigungsvorbringen haben nach derzeitigem
Sachstand Aussicht auf Erfolg. Über die streitigen Tatsachenbehauptungen wird
Beweis zu erheben sein, dessen für den Beschwerdeführer ungünstiger Ausgang
derzeit nicht vorhersehbar ist.
a)
hier also dem 23. Januar 2013, kein identisches Design offenbart worden ist. De-
signs gelten als identisch, wenn sich ihre Merkmale nur in unwesentlichen Einzel-
heiten unterscheiden. Gemäß § 5 DesignG ist ein Design offenbart, wenn es be-
kannt gemacht, ausgestellt, im Verkehr verwendet oder auf sonstige Weise der Öf-
fentlichkeit zugänglich gemacht wurde, es sei denn, dass dies den in der Gemein-
schaft tätigen Fachkreisen des betreffenden Sektors im normalen Geschäftsver-
lauf vor dem Anmeldetag des Designs nicht bekannt sein konnte.
Gemäß § 2 Abs. 3 DesignG hat ein Design Eigenart, wenn sich der Gesamtein-
druck, den es beim informierten Benutzer hervorruft, von dem Gesamteindruck un-
terscheidet, den ein anderes Design bei diesem Benutzer hervorruft, das vor dem
Anmeldetag offenbart worden ist. Bei der Beurteilung der Eigenart wird der Grad
der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei der Entwicklung des Designs berück-
sichtigt. Da der Wortlaut der Vorschrift identisch mit der Vorläuferregelung des § 2
GeschmMG ist, kann die dazu entwickelte Rechtsprechung auch der neuen Vor-
schrift zugrunde gelegt werden.
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Maßgeblich für die Beurteilung der Eigenart sind die Vorstellungen des informier-
ten Benutzers. Dies ist eine Person, die sowohl mit dem Warengebiet des jeweili-
gen Erzeugnisses vertraut ist als auch über Kenntnisse des Designbestands in der
maßgeblichen Warengruppe verfügt (Eichmann/von Falckenstein, Geschmacks-
mustergesetz, 4. Aufl. 2010, § 2 Rn. 27).
b)
fene Design von dem auf der Website der Firma B
… abgebildeten
Betonzaun und von dem von dem Beschwerdegegner angebotenen Betonzaun al-
lenfalls in unwesentlichen Einzelheiten abweicht und sich von diesen auch im Ge-
samteindruck nicht wesentlich unterscheidet.
Im Vergleich stehen sich folgende Designs gegenüber:
(1.) Angegriffenes Design:
- 10 -
(2.) Muster des nach Vortrag des Nichtigkeitsantragstellers von ihm selbst in 2011
angebotenen und installierten Zaunelements:
- 11 -
(3.) Nach dem Vortrag des Nichtigkeitsantragstellers offenbartes Zaunelement der
Firma B
… GmbH & Co. KG:
Vergleicht man die vorgelegten Bilder mit dem oben abgebildeten Ausdruck der
Datei des Designs, die sich auf einer DVD in der Registerakte befindet, erkennt
man, dass die Form jener Zaunteile mit dem angegriffenen Design nahezu voll-
ständig identisch ist, und zwar nicht nur hinsichtlich der Flechtführung und der
Zahl und Anordnung der senkrechten Stege, sondern sogar hinsichtlich der Mase-
rung. Besonders deutlich wird das an der identischen Position der Astlöcher. Die
Abbildung des braunen Zaunes unterscheidet sich nur in der Farbe und der Zahl
der Lamellen. Bis zur 13. Lamelle von oben ist die Musterung identisch. Lediglich
die Verbindungspfosten weichen voneinander ab, da der braune Zaun Pfosten mit
Steinmotiv aufweist, während in dem angegriffenen Design Pfosten mit unauffälli-
ger Holzstruktur gewählt sind.
- 12 -
Der ausgestellte hell-beige Zaun der Firma B
… (Anlage 3B) stimmt
im Muster und Form ebenfalls mit dem angegriffenen Design überein. Er weist
auch die identische Lamellenzahl auf. Lediglich die Farbe weicht geringfügig ab, er
scheint eher in beige gehalten, während das angegriffene Design in Grautönen
eingetragen ist.
Damit hat die Argumentation des Beschwerdeführers, das Design unterscheide
sich von den Vergleichsmustern durch Differenzen in der Struktur, da es anders
als diese keine Astlöcher aufweise, keine Aussicht auf Erfolg. Die vorgelegten
Muster geben das angegriffene Design identisch wieder. Die Abweichungen in
Farbe und Zahl der Lamellenelemente dürften als unwesentliche Einzelheiten ge-
mäß § 2 Abs. 2 DesignG einzuordnen sein, da es allgemein und damit auch dem
informierten Benutzer bekannt ist, dass Betonteile in jeder Wunschfarbe eingefärbt
werden können und Zaunelemente je nach Bedarf mit identischem Muster in un-
terschiedlicher Höhe angeboten werden. Auch Eigenart dürfte dem Design bei Of-
fenbarung der Vergleichsmuster nicht zukommen. Die farblichen Unterschiede be-
wegen sich im Rahmen des bekannten Formenkreises. Gleiches gilt für die Hö-
hendifferenzen.
c)
dung des angegriffenen Designs jedoch in zulässiger Weise sowohl im Ausgangs-
verfahren als auch im Beschwerdeverfahren bestritten. Er bestreitet sowohl die
Ausstellung auf den Messen als auch die Echtheit der vorgelegten Webseitenaus-
drucke sowie die Veröffentlichung der dort erkennbaren Bilder vor Anmeldung des
angegriffenen Designs.
- 13 -
Zugunsten des Rechtsinhabers wird gemäß § 39 DesignG vermutet, dass die an
die Rechtsgültigkeit eines eingetragenen Designs zu stellenden Anforderungen,
also auch die Anforderung von Neuheit und Eigenart, erfüllt sind. Der Antragsteller
muss daher die fehlende Neuheit oder Eigenart darlegen und bei Bestreiten durch
den Inhaber des Designs auch den Beweis für die Offenbarung der Entgegenhal-
tungen vor Anmeldung erbringen (Eichmann/von Falckenstein, a. a. O., § 5
Rn. 21).
Dieser Beweis ist nach dem bisherigen Sach- und Streitstand entgegen der Auf-
fassung der Designabteilung noch nicht erbracht. Die als Anlage 1 zum Schriftsatz
vom 28. Februar 2014 vorgelegten mit dem Datum 28.02.2012 versehenen Farb-
kopien von Fotografien sind nicht geeignet, den Beweis dafür zu erbringen, dass
diese Fotografien tatsächlich im Februar 2012 aufgenommen worden sind. Denn
es ist allgemein bekannt, dass die Datumsanzeige in Kameras beliebig verändert
werden kann.
Die als Anlage 3a zum Schriftsatz des Nichtigkeitsantragstellers vom 16. Mai 2014
vorgelegten
Ausdrucke
eines
Internetauftritts
der
Firma
B
sind
nicht datiert. Die dortige über dem entsprechenden Zaunbild positionierte Angabe
„Messen – Ausstellungen Besuchen Sie uns wie jedes Jahr auf einer Messe! Hier
einige Impressionen aus 2009 und 2010“ hat weder Beweiswert für die Behaup-
tung, die gezeigte Fotografie sei tatsächlich auf einer Messe in dieser Zeit entstan-
den, noch dafür, dass das Foto bereits vor Anmeldung des streitigen Designs im
Internetauftritt der Firma B
… veröffentlicht war. Wie das Bundespatentgericht
zum Patentanmeldeverfahren bereits entschieden hat, ist das Internet in der Regel
kein geeigneter Informationsdienst zur Ermittlung des Standes der Technik im Prü-
fungsverfahren, da aktuell gefundene Informationen nicht die Feststellung zulas-
sen, dass sie bereits zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Vergangenheit im In-
ternet eingestellt waren (BPatGE 46, 76, 80 f. - Computernetzwerk-Information;
Benkard/Melullis, PatG, 10. Aufl., § 3 Rn. 62c; Schulte/Moufang, PatG, 9. Aufl. § 3
Rn. 41). Nichts anderes kann für die Frage der Offenbarung von Designs gelten.
- 14 -
Dies gilt selbst unter Berücksichtigung des vom erkennenden Senat ermittelten
Umstands, dass das oben als Anlage 3b bezeichnete Bild des Zaunelements in
dem Internetarchiv
„archive.org“ bereits am 7. Dezember 2010 und am
3. Mai 2011 auf der Website www.b
….de erscheint. Denn die Zuverlässigkeit
von unter solchen Adressen abrufbaren Informationen ist nicht höher als die jeder
unter
einer
anderen
Internetadresse
abrufbaren
Information
(BPatG,
a. a. O., - Computernetzwerk-Information). Die Beweislage stellt sich anders dar
als bei einem gedruckten Katalog, der in der Regel mit dem Datum des Drucks
versehen ist und deshalb unter Umständen im Wege des Freibeweises oder in
Verbindung mit Zeugenaussagen als Beleg für den Zeitpunkt der Offenbarung die-
nen kann. Soweit der 17. Senat des Bundespatentgerichts davon abweichend
dem Internetarchiv archive.org Beweiskraft für den Zeitpunkt einer Veröffentli-
chung zugesprochen hat (BPatG 17 W (pat) 70/09 v. 11. Mai 2010 - Netbook mit
alphanumerischer Tastatur), handelt es sich um eine abweichende Rechtsauffas-
sung in einer nicht abschließend geklärten Rechtsfrage, auf die eine Versagung
von Verfahrenskostenhilfe nicht gestützt werden kann (Thomas/Putzo, a. a. O.,
§ 114 Rn. 5).
Bei dieser Sachlage durfte die Designabteilung bei der Beurteilung der Erfolgsaus-
sicht der Rechtsverteidigung die Offenbarung im Anmeldezeitpunkt nicht als be-
wiesen ansehen. Da somit über die Begründetheit des Nichtigkeitsantrages Be-
weis zu erheben ist und keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte für einen für
den Beschwerdeführer ungünstigen Ausgang der Beweisaufnahme bestehen,
kann das Verteidigungsvorbringen des Designinhabers nicht von vornherein als
aussichtslos bewertet und die Verfahrenskostenhilfe aus diesem Grund nicht ver-
sagt werden. Der Beschwerdeführer benötigt für die Wahrung seiner Rechte in der
Beweisaufnahme schon aus Gründen der Waffengleichheit auch die Beiordnung
eines Rechtsanwalts.
- 15 -
4.
hilfe ist nach dem jetzigen Sachstand noch nicht möglich, da nicht endgültig fest-
steht, dass der Beschwerdeführer nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen
Verhältnissen gemäß § 114 ZPO nicht in der Lage ist, die Kosten der Verfahrens-
führung ganz oder zum Teil selbst aufzubringen. Die Designabteilung wird dem
berechtigten Einwand des Nichtigkeitsantragstellers und Beschwerdegegners
nachgehen müssen, dass der Beschwerdeführer über 61 eingetragene Designs
verfügt, zu deren Wert, Verwertung und Verwertbarkeit er bisher keine Angaben
gemacht hat.
Hacker
Werner
Uhlmann