Urteil des BPatG vom 28.09.2015

Akteneinsicht, Patentgesetz, Klagerücknahme, Form

BPatG 152ni_adler
07.12
BUNDESPATENTGERICHT
3 ZA (pat) 37/15 zu
3 Ni 6/14 (EP)
_______________________
(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Akteneinsichtssache
- 2 -
wegen Akteneinsicht
betreffend die Akten des Nichtigkeitsverfahrens 3 Ni 6/14
hat
der
3. Senat
(Nichtigkeitssenat)
des
Bundespatentgerichts
am
28. September 2015 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Schramm sowie
des Richters Kätker und der Richterin Dipl.-Chem. Dr. Wagner
beschlossen:
Den Antragstellern wird Akteneinsicht in die Akten des Nichtig-
keitsverfahrens 3 Ni 6/14 gewährt, mit Ausnahme folgender Ak-
tenteile:
1. Anlagen K2 bis K9 und K11 bis K16 zur Klageschrift vom
22. Januar 2014 (Bl. 42 bis 49 und Bl. 51 bis 56 der Akte),
2. Schriftsatz der Nebenintervenientin vom 24. März 2014
(Bl. 74, 75 der Akten),
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3. Schriftsatz der Klägerin vom 9. September 2014, Seite 4 unten
bis Seite 5 oben, dort Abschnitt
III. „Streitwert“ (Bl. 168-Rück-
seite, 169-Vorderseite und Bl. 173, 174 der Akten),
4. Schriftsatz der Klägerin vom 20. November 2014 (Bl. 190, 191
und 192, 193 der Akte),
5. Schriftsatz der Beklagten vom 4. Dezember 2014 (Bl. 196, 197
und 198, 199 der Akten),
6. Beschluss über die Festsetzung des Streitwerts vom
15. Dezember 2014 (Bl. 200 bis 209 der Akten).
G r ü n d e
I.
Die Antragsteller beantragen Einsicht in die Akten des Patentnichtigkeitsverfah-
rens 3 Ni 6/14 (EP).
Die Antragsgegnerin I und Nichtigkeitsbeklagte hat dem Antrag widersprochen.
Zur Begründung führt sie aus, dass es sich bei den Anlagen K2 bis K9, K11 bis
K16 der Klageschrift um nicht der Öffentlichkeit allgemein zugängliche Dokumente
handele, die Dritten ungerechtfertigte Wettbewerbsvorteile verschaffen könnten.
Zudem seien dem Streitwert indirekt bestimmte Angaben über Betriebsinterna zu
entnehmen, die bspw. den Verkauf entsprechender Produkte beträfen.
Es sei auch davon auszugehen, dass der von Rechtsanwälten eingereichte Ak-
teneinsichtsantrag im Auftrag eines Dritten gestellt worden sei. Ohne Kenntnis der
vertretenen Partei sei es der Antragsgegnerin nicht möglich, abschließend zu be-
urteilen, ob weitere Gründe der Gewährung der Akteneinsicht entgegenstehen.
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Die Antragsgegnerin III und Nebenintervenientin hat der Akteneinsicht widerspro-
chen, soweit ihre Schriftsätze betroffen seien. Im Übrigen beständen Bedenken,
dass der Name des Antragstellers im Akteneinsichtsantrag nicht bekannt gegeben
worden sei.
Die Antragsgegnerinnen I und III stellen sinngemäß den Antrag,
den Antrag auf Akteneinsicht zurückzuweisen.
Die Antragsgegnerin II und Nichtigkeitsklägerin hat sich auf den Antrag nicht ge-
äußert.
Die Antragstellerin hat daraufhin mit Schriftsatz vom 22. September 2015 erklärt,
dass „Einverständnis mit einer eingeschränkten Akteneinsicht besteht“.
II.
Gemäß § 99 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. § 31 PatG steht die Einsicht in die Akten eines
Patentnichtigkeitsverfahrens dritten Personen grundsätzlich frei. Es bedarf in der
Regel weder der Geltendmachung eines eigenen berechtigten Interesses des An-
tragstellers noch der Darlegung, für wen um Akteneinsicht nachgesucht wird, § 99
Abs. 3
Satz 3
PatG
(vgl.
BGH
GRUR 1972, 441
- Akteneinsicht IX;
GRUR 2001, 143
- Akteneinsicht XV;
GRUR 2007, 133
- Akteneinsicht XVII;
GRUR 2007, 815 - Akteneinsicht XVIII; Busse/Schuster/Keukenschrijver, Patent-
gesetz, 7. Aufl., § 99 Rn. 36). Erst wenn von einem Beteiligten ein der Aktenein-
sicht entgegenstehendes Interesse substantiiert dargetan und gegebenenfalls
glaubhaft gemacht wird, ist ein schutzwürdiges Gegeninteresse durch den jeweili-
gen Antragsteller darzulegen und eine Abwägung der geltend gemachten Interes-
- 5 -
sen vorzunehmen (vgl. BGH, GRUR 2007, 133 - Akteneinsicht XVII; Schulte, Pa-
tentgesetz, 9. Aufl., § 99 Rdn. 26 ff.; Busse, a. a. O., § 99 Rn. 25 ff.).
Nachdem die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 22. September 2015 sinngemäß
der Beschränkung der Akteneinsicht dahingehend zugestimmt hat, dass die von
den Antragsgegnerinnen I und III ausdrücklich genannten Aktenteile von der Ak-
teneinsicht ausgenommen werden, ist zwischen den Parteien nur noch streitig, ob
Einsicht auch in die darüber hinausgehenden Aktenteile zu gewähren ist.
Vorliegend haben die Antragsgegnerinnen jedoch kein beachtliches schutzwürdi-
ges Interesse substantiiert vorgetragen, das einer Akteneinsicht in die übrigen
Aktenteile entgegenstehen könnte. Vielmehr haben sie, wenn überhaupt, allenfalls
pauschal eine Besorgnis der Offenbarung vertraulicher Informationen geäußert,
jedoch nicht näher dargelegt, weshalb der weitere Akteninhalt geheimhaltungsbe-
dürftig sein soll. Daher war insoweit die Akteneinsicht zu gewähren.
Dies gilt unter Auslegung des Schriftsatzes der Antragsgegnerin I vom
7. September 2015 auch für Aktenteile, die Angaben zum Streitwert enthalten,
soweit sie bis zur Klagerücknahme entstanden sind (Klageschrift, Widerspruchs-
begründung, Beschluss über die vorläufige Streitwertfestsetzung und Gebühren-
anforderung sowie -zahlung). Denn diese Aktenteile enthalten erkennbar keine
Betriebsinterna der Antragsgegnerin I sondern nur übereinstimmende Streitwert-
schätzungen der Parteien
in Form eines „runden“ Betrages ohne jegliche Erläute-
rungen, die dann vom Senat im Beschluss vom 11. Februar 2014 über die vorläu-
fige Streitwertfestsetzung (ebenfalls ohne Begründung) übernommen worden sind.
Gemeint waren offensichtlich nur die nach der Klagerücknahme entstandenen
Aktenteile, die - soweit sie den Streitwert betreffen - von der Akteneinsicht aus-
genommen werden (Ziff. 4. bis 6. des Entscheidungsausspruchs).
Soweit die Antragsgegnerinnen I und III im Übrigen sinngemäß Bedenken vorge-
tragen haben, dass der Auftraggeber der antragstellenden Anwälte nicht bekannt
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ist, steht auch dies der Akteneinsicht nicht entgegen. Die Gewährung der Akten-
einsicht scheitert nicht bereits daran, dass der Antrag von einem Anwalt gestellt
und ein eventueller Mandant nicht genannt worden ist. Abgesehen davon, dass
„jedermann“, d.h. auch ein Patentanwalt im eigenen Namen den Antrag stellen
kann, verneint die Rechtsprechung angesichts der grundsätzlich freien Aktenein-
sicht das Erfordernis, einen möglicherweise dahinterstehenden Dritten namhaft zu
machen (vgl. Busse, a. a. O., § 99 Rn. 36, 40 m. w. N.; Schulte, a. a. O., § 99
Rn. 28, vgl. a. Rn. 36 zur Einsicht in die Rechtsbeschwerdeakten).
Schramm
Kätker
Dr. Wagner
Pr