Urteil des BPatG vom 28.07.2014

Unterscheidungskraft, Abmahnung, Computersoftware, Sorgfaltspflicht

BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
29 W (pat) 38/13
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
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betreffend die Marke 302 09 266
(hier: Löschungsverfahren S 164/12,
Antrag auf Kostenauferlegung)
hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts im
schriftlichen Verfahren am 28. Juli 2014 unter Mitwirkung der Vorsitzenden
Richterin Dr. Mittenberger-Huber, der Richterin Uhlmann und der Richterin kraft
Auftrags Akintche
beschlossen:
Der Antrag der Beschwerdegegnerin, der Beschwerdeführerin die
Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen, wird zurückge-
wiesen.
G r ü n d e
I .
Die Beschwerdeführerin hat am 25. Juni 2012 Antrag auf Löschung der Wort-
marke 302 09 266
2be
gestellt, die am 15. Februar 2002 angemeldet und am 27. Juni 2002 für die fol-
genden Waren und Dienstleistungen der
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Klasse 16: Druckereierzeugnisse; graphische Darstellungen und
Reproduktionen; Fotografien; Papier, Pappe (Karton)
und Waren aus diesen Materialien, soweit nicht in an-
deren Klassen enthalten; Schreibwaren;
Klasse 35: Werbung;
Klasse 38: Telekommunikation;
Klasse 41: Ausbildung;
Klasse 42: Dienstleistungen eines Grafikers und Designers; Ent-
wicklung, Gestaltung und Unterhalt von Websites für
Dritte; Entwurf, Entwicklung, Design und Wartung von
Computersoftware
eingetragen worden ist. Nach einer eingeschränkten Schutzverlängerung mit Wir-
kung zum 1. März 2012, also vor Erhebung des Löschungsantrags, ist die Marke
noch für folgende Waren und Dienstleistungen der Klassen 35, 41 und 42 (nicht
gruppiert) geschützt:
Werbung;
Ausbildung;
Dienstleistungen eines Grafikers und Designers; Entwicklung,
Gestaltung und Unterhalt von Websites für Dritte; Entwurf, Ent-
wicklung, Design und Wartung von Computersoftware.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat dem ihr am 16. Juli 2012 zugestellten
Löschungsantrag am 16. September 2012 widersprochen.
Das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA) hat den Löschungsantrag mit Be-
schluss vom 7. März 2013 zurückgewiesen. Weder fehle dem Zeichen die er-
forderliche Unterscheidungskraft, noch sei es bösgläubig angemeldet worden.
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Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin hat den Löschungsantrag im Be-
schwerdeverfahren zunächst weiterverfolgt und vorgetragen, die Beschwerdegeg-
nerin habe bereits bei Anmeldung gewusst, dass dem Zeichen die Unterschei-
dungskraft fehle. Das Zeichen we
rde als „to be“ verstanden und sei für die bean-
spruchten Waren und Dienstleistungen beschreibend. Die Dienstleistungen dien-
ten dazu, Dritte „zu etwas zu machen“, was durch das Zeichen beschrieben
werde. Deshalb bestehe insoweit auch ein Freihaltebedürfnis. Entsprechend sei
auch die vergleichbare Marke „2beknown“ (30 2008 074 795.1) vom DPMA ge-
löscht worden. Die Markeninhaberin habe bei Anmeldung Kenntnis von dem be-
schreibenden Inhalt des Zeichens und seiner Verwendung in der Branche gehabt,
weshalb die Anmeldung bösgläubig gewesen sei. Sie nutze die Marke zur Abmah-
nung von Wettbewerbern, wobei sie mit ihrem Anwalt vereinbart habe, für Kosten
der Abmahnung, die von den Gegnern nicht bezahlt würden, nicht aufkommen zu
müssen. Die Antragstellerin benutze das Zeichen bereits seit längerem als Unter-
nehmenskennzeichen und sei von der Beschwerdeführerin abgemahnt worden.
Die Beschwerdegegnerin hat beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen und der
Antragstellerin die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen. Sie hat vor-
getragen, die Marke sei unterscheidungskräftig. Ihr Bedeutungsgehalt gehe über
das englische Verb „sein“ hinaus und verdeutliche die moderne Ausrichtung der
Geschäftsinhaberin. Sie könne auch als Hinweis auf die beiden Geschäftsführer
verstanden werden, die zusammen etwas machen und besondere Fähigkeiten
besitzen.
Der Vortrag der Beschwerdeführerin über die Abmahnpraxis der Beschwerde-
gegnerin sei unzutreffend. Die Beschwerdegegnerin sei seit über 10 Jahren mit
der Marke erfolgreich im Geschäftsverkehr tätig. Von einer bösgläubigen Anmel-
dung könne nicht die Rede sein. Auf frühere Rechte könne sich die Beschwer-
deführerin nicht berufen, weil sie selbst erst seit 2008, also 6 Jahre nach Eintra-
gung der angegriffenen Marke, als Unternehmen tätig geworden sei.
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Nach einem Hinweis des Gerichts über die fehlende Erfolgsaussicht der Be-
schwerde hat die Beschwerdeführerin die Beschwerde zurückgenommen.
Die Beschwerdegegnerin beantragt,
der Beschwerdeführerin (zumindest) die Kosten des Verfahrens
vor dem Bundespatentgericht aufzuerlegen.
Sie trägt vor, es sei grob unbillig, die Beschwerdegegnerin nicht von den Kosten
des Löschungsverfahrens zu entlasten. Die Beschwerdeführerin habe die ge-
schützte Marke der Beschwerdegegnerin als Firmenkennzeichen gewählt, um
konkurrierend auf gleichem Feld tätig zu sein, und habe sie trotz einer Abmahnung
weiterhin genutzt. Der Löschungsantrag sei ersichtlich nur aus Gründen des Zeit-
gewinns gestellt worden, um das rechtswidrige Verhalten weiterhin ausüben zu
können. An diesem Verhalten habe die Beschwerdeführerin auch nach dem ein-
deutigen Beschluss des DPMA festgehalten und erst auf Hinweis des Gerichts die
Beschwerde zurückgenommen.
Die Beschwerdeführerin hat sich zu dem Kostenantrag nicht geäußert.
II.
Der zulässige Kostenantrag der Beschwerdegegnerin ist unbegründet.
Auszugehen ist von dem Grundsatz, dass gemäß § 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG
jeder Beteiligte die ihm erwachsenen Kosten des Bescherdeverfahrens selbst
trägt. Dies gilt gemäß § 71 Abs. 4 MarkenG auch im Fall der Rücknahme einer
Beschwerde. Eine Kostenentscheidung zulasten eines Beteiligten setzt voraus,
dass die Kostentragung der Billigkeit entspricht. Das Gesetz knüpft damit die
Kostenerstattung nicht generell an den Ausgang des Verfahrens an, sondern sieht
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eine Kostenerstattung nur in den Fällen vor, in denen die Anwendung des
Grundsatzes, dass die Beteiligten ihre Kosten unabhängig vom Ausgang des
Verfahrens selbst tragen, wegen besonderer Umstände unbillig erscheint. Solche
besonderen Umstände liegen in der Regel nur vor bei Einlegung offensichtlich
aussichtsloser Beschwerden, bei Verstößen gegen die prozessuale Sorgfalts-
pflicht oder wenn die Verfahrensverursachung durch eindeutig bösgläubige,
rechtsmissbräuchliche oder unlautere Markenanmeldung und/oder Widerspruchs-
einlegung erfolgt ist (vgl. Ingerl/ Rohnke, Markengesetz, 3. Auflage, § 71 Rdnr. 17;
Knoll in Ströbele/Hacker, 10. Auflage, § 71 Rdnr. 12). Die Einlegung einer Be-
schwerde ist z.B. dann offensichtlich aussichtslos, wenn das Prozessverhalten des
Beschwerdeführers erkennen lässt, dass er die mangelnden Erfolgsaussichten
kennt und daher verfahrensfremde Ziele wie Verzögerung oder Behinderung des
Verfahrens naheliegen. Zu berücksichtigen ist dabei insbesondere auch, ob der
Beschwerdeführer nicht wenigstens subjektiv, objektiv nicht von vornherein völlig
unbegründete, Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung
haben durfte (vgl. BGH GRUR 1972, 600, 601
– Lewapur; BPatGE 12, 238, 240).
Die Sorgfaltspflicht ist dagegen verletzt, wenn das Verhalten eines Verfahrens-
beteiligten nicht mehr mit der bei der Wahrnehmung von Rechten zu fordernden
prozessualen Sorgfalt vereinbar ist. Dies kann dann der Fall sein, wenn aus der
Sicht einer vernünftigen, rechtskundigen Partei das Verhalten eines Beteiligten
nach der Verfahrenslage nicht einer sorgfältigen und auf Verfahrensförderung
bedachten Prozessführung entspricht (BGH GRUR 1996, 399). Soweit eine Partei
insoweit das Verfahren zweckfremd verzögert oder behindert, überschneiden sich
die Fallgruppen der vorgenannten „besonderen“ Umstände.
Derartige Umstände sind vorliegend nicht ersichtlich.
Weder der Löschungsantrag noch die Beschwerde waren von vornherein offen-
sichtlich aussichtslos. Zwar hat das DPMA den Löschungsantrag mit zutreffender
Begründung zurückgewiesen. Auch lagen keinerlei hinreichende Anhaltspunkte für
das Bestehen eines Schutzhindernisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG vor.
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Im Hinblick auf die Zurückweisung der Eintragung ähnlich gebildeter Marken-
anmeldungen
durch
das
Bundespatentgericht
(BPatG,
Beschluss
vom
22.07.20012, 30 W (pat) 163/01 - click 4 cash) bzw. das DPMA (Beschluss vom
15.07.2009, Az. 30 2008 074 795.1/41 - 2beknown) kann der Löschungsantrag in
Bezug auf das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft gemäß § 8
Abs. 2 Nr. 1 MarkenG aber nicht als von vornherein offensichtlich aussichtslos
bewertet werden.
Auch ein missbräuchliches Verhalten kann der Beschwerdeführerin nicht vorge-
worfen werden. Der bloße Umstand, dass der Löschungsantrag auf eine bösgläu-
bige Markenanmeldung i.S.v. § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG gestützt ist, für die es
keine hinreichenden Anhaltspunkte gibt, ist noch hinnehmbar. Die Beschwerde-
führerin hat zwar einerseits aufgrund der fehlerhaften Annahme einer aggressiven
Abmahnpraxis der Beschwerdegegnerin falsche Schlussfolgerungen gezogen und
die Anmeldung unrichtig unter § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG subsumiert. Anderer-
seits hätte ihr klar sein müssen, dass eine Beeinträchtigung der Beschwerde-
führerin zum Anmeldezeitpunkt gar nicht vorliegen konnte, da diese zum Zeitpunkt
der Markenanmeldung noch nicht existent war und daher in ihrer Marktteilnahme
nicht beeinträchtigt werden konnte. Die in zweifacher Hinsicht fehlerhafte Sub-
sumtion rechtfertigt jedoch vorliegend die Annahme eines rechtsmissbräuchlichen
Verhaltens noch nicht.
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Die Beschwerdeführerin hat ferner nicht gegen ihre Prozessförderungspflicht
verstoßen. Denn sie hat die Beschwerde mit - wenn auch nicht stichhaltigen - Ar-
gumenten begründet und nach einem Verfahrenshinweis durch den Senat unver-
züglich zurückgenommen.
Dr. Mittenberger-Huber
Uhlmann
Akintche
Hu