Urteil des BPatG vom 16.07.2015

Treu Und Glauben, Bösgläubigkeit, Verzicht, Dvd

BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
29 W (pat) 17/12
_______________________
(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Marke 305 34 852
(Löschungsverfahren S168/10
– Kostenanträge)
- 2 -
hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts im
schriftlichen Verfahren am 16. Juli 2015 durch die Vorsitzende Richterin
Dr. Mittenberger-Huber und die Richterinnen Uhlmann und Akintche
beschlossen:
Die Kostenanträge der Beschwerdeführerin und der Beschwerde-
gegnerin werden zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Die Beteiligten des Löschungsverfahrens betreffend die am 15. Juni 2005 ange-
meldete und am 25. Oktober 2006 eingetragene Wortmarke
BALLOONING
begehren wechselseitig Kostenauferlegung auf die Gegenseite, nachdem das Lö-
schungsverfahren durch Verzicht auf die angegriffene Marke und anschließende
Rücknahme des Löschungsantrags in der Hauptsache erledigt ist.
Den Anträgen liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Der
Anmelder
und
frühere
Inhaber
der
angegriffenen
Marke
S
unterhielt im Jahr 2005 geschäftliche Beziehungen zu dem Mandaten der Lö-
schungsantragstellerin
G
….
Herr S
war
zum
damaligen
Zeit-
punkt Geschäftsführer der jetzigen Inhaberin der angegriffenen Marke und Be-
schwerdegegnerin. Diese vertrieb Fitnessgeräte, unter anderem Trainingsstangen
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unter der Bezeichnung „Staby“. Herr G… seinerseits war Inhaber eines Insti-
tuts für Fitness, Wellness und Gesundheit. Er hatte bereits im Jahr 2002 ein Trai-
ningskonzept namens „Ballooning“ entwickelt, bei dem ein Luftballon in Schwin-
gung gebracht und mit der dadurch entstehenden Resonanz die Tiefenmuskulatur
trainiert wird. Er hatte dieses Konzept in den Jahren 2003 und 2004 sowie vor
Eintragung der angegriffenen Marke im Jahr 2005 in Fernsehsendungen und
Printmedien beworben und mehrere Seminare und Vorträge dazu gehalten. Au-
ßerdem ist er Mitautor eines Buches mit dem Titel „Ballooning“, das dieses Trai-
ningskonzept zum Gegenstand hat und bereits im Februar 2005 im V
…-
… erschienen ist. Der Verlag hatte am 25. Mai 2004 Titelschutz beantragt.
Daneben hat Herr G
… im Juni 2005 eine DVD mit dem Titel „Ballooning“ pro-
duziert.
Am 15. Juni 2005 kam es zu einer gemeinsamen Besprechung zwischen
Herrn S
… und Herrn G… bei der Firma F…, wo die Produktion
einer DVD über das Fitnessgerät Staby nach dem Beispiel der DVD über das
Ballooningkonzept des Herrn G
… besprochen wurde. Am selben Tag meldete
Herr S
… die verfahrensgegenständliche Marke auf seinen Namen zur
Eintragung für Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 16, 25, 28
– hier unter
anderem „Sportbälle, Spielbälle und/oder Luftballons“ - sowie der Klassen 35 und
41 in das Markenregister an. Mit Wirkung vom 20. April 2007 wurde das Waren-
und Dienstleistungsverzeichnis durch den Zusatz „ausgenommen Luftballons“ in
Klasse 28 und hinsichtlich der übrigen Klassen durch den Zusatz
„aber nicht mit
Luftballons“ beschränkt.
Nachdem Herr G
… sein Sportkonzept im Herbst 2005 noch auf einem Messe-
stand der Beschwerdegegnerin präsentiert hatte, endete am 2. Januar 2006 die
Zusammenarbeit zwischen ihm und der S1
.… GmbH. Herr G… meldete
seinerseits am 13. April 2006 eine Wort-/Bildmarke 30624894
beim Markenregister an, die am 23. August 2006 für Waren und Dienstleistungen
der Klassen 9, 16 und 41 eingetragen wurde.
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Bereits am 29. August 2006 hat Herr G
… dann Herrn S…, den damali-
gen Inhaber der angegriffenen Wortmarke, die hiesige Beschwerdegegnerin
S1.
… GmbH, sowie eine weitere Partei wegen Schutzrechtsverletzung abge-
mahnt und zur Abgabe einer Unterlassungserklärung aufgefordert. Daran schloss
sich ein Klageverfahren gegen Herrn G
… seitens der S1.… GmbH vor dem
Landgericht München I (17 HKO 25500/09) wegen unberechtigter Schutzrechts-
verwarnung an, in dessen Verlauf Herr G
… der Löschungsantragstellerin mit
Schriftsatz vom 1. März 2010 den Streit verkündete.
Auf eine Klage des Herrn G
… vom 23. Januar 2007 wurde Herr S…,
durch Urteil des Landgerichts München vom 20. November 2007 (33 O 1370/07)
zur Einwilligung in die Löschung der angegriffenen Marke verurteilt. Bereits zuvor
war die angegriffene Marke mit Wirkung vom 18. September 2007 auf die jetzige
Beschwerdegegnerin umgeschrieben worden. In dem gegen die Verurteilung ge-
richteten Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht München (6 U 5833/07)
erklärten die Streitparteien sodann in der mündlichen Verhandlung vom
2. Juli 2009 zu Protokoll:
[Einfügung durch den Senat: Herr S…]
[Einfügung durch den Senat: Herr G…]
Nach der Streitverkündung im Verfahren vor der Handelskammer des Landge-
richts München I (17 HKO 25500/09) durch Herrn G
… stellte die hiesige Be-
schwerdeführerin und damalige anwaltliche Vertreterin des Herrn G
… am
30. Juni 2010 den verfahrensgegenständlichen Löschungsantrag, dem die Inhabe-
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rin der angegriffenen Marke entgegen getreten ist. Das Klageverfahren vor dem
Landgericht München wurde nach Teilverurteilung des Beklagten Herrn G
… in
erster Instanz am 11. April 2013 vor dem Oberlandesgericht München
(29 U 3765/12) durch einen Vergleich beendet, in dem Herr G
… sich bei Ab-
geltung der wechselseitigen Ansprüche zur Zahlung eines Geldbetrages an die
S1.
… GmbH verpflichtete.
Die Löschungsantragstellerin hat vor der Markenabteilung vorgetragen, die Mar-
kenanmeldung durch Herrn S
… am 15. Juni 2005 sei ohne Kenntnis des
Herrn G
… erfolgt. Es sei kein anderer Grund für die Anmeldung ersichtlich, als
dessen Besitzstand zu stören und ihn in der Vermarktung des Zeichens zu behin-
dern. Dies ergebe sich schon daraus, dass vom Warenverzeichnis ursprünglich
auch „Videobänder“ und „Druckereierzeugnisse“ umfasst gewesen seien, da der
Anmelder beabsichtigt habe, eigene Videobänder unter der Marke BALLOONING
herauszubringen, was einen Eingriff in die Titelrechte des Herrn G
… darge-
Luftballons
mit Luftballons
eine Einschränkung erst im Laufe der Auseinandersetzung vorgenommen worden
sei, spreche für die Störungsabsicht des Anmelders. Herr G
… habe auch ei-
nen schutzwürdigen Besitzstand hinsichtlich anderer Bälle, da ihm eine entspre-
chende Beschränkung seines Besitzstandes auf Luftballons nicht zumutbar sei.
Herr S
… sei immer bestrebt gewesen, Herrn G… die Benutzung von
„BALLOONING“ auch für ein Trainingskonzept zu verbieten, bei dem Sportbälle
statt Luftballons benutzt würden. Die jetzige Markeninhaberin setze die beste-
hende Markenregistrierung nun zweckfremd ein, um Schadensersatzansprüche
wegen angeblich unberechtiger Schutzrechtsverletzungen zu generieren. Denn
ohne die eingetragene verfahrensgegenständliche Marke könne die Inhaberin
keine älteren Rechte gegenüber der Marke 30624894
des Herrn
G
… geltend machen. Sie habe die Marke demnach durch ihren damaligen
Geschäftsführer nur angemeldet, um gegen Herrn G
… Schadensersatzpro-
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zesse wegen angeblich unberechtigter Schutzrechtsverwarnung führen zu kön-
nen.
Die Antragstellerin sei wie jedermann zur Löschungsantragstellung berechtigt. Zu-
dem habe sie ein Interesse an der Löschung, da ihr andernfalls Regressansprü-
che aus der Schutzrechtsverwarnung drohten.
Die Markeninhaberin hat vorgetragen, der Löschungsantrag sei unzulässig.
Herr G
… habe bereits mit dem gerichtlichen Vergleich vor dem Oberlandes-
gericht München (6 U 5833/07) am 2. Juli 2009 auf den materiellen Löschungs-
anspruch wegen bösgläubiger Markenanmeldung verzichtet. Dies stehe dem hie-
sigen Löschungsantrag entgegen, weil die Antragstellerin als Strohmann des
Herrn G
… anzusehen sei. Sie habe kein eigenes Interesse an der Löschung
der Marke. Die Schadensersatzpflicht wegen der unberechtigten Schutzrechts-
verwarnung bestehe unabhängig von dem Bestand der Marke deshalb, weil
Herrn G
… keine Schutzrechte zugestanden hätten.
Mit Beschluss vom 8. Dezember 2011 hat die Markenabteilung 3.4. des Deut-
schen Patent- und Markenamtes den Löschungsantrag zurückgewiesen.
Zur Begründung hat sie ausgeführt, der Löschungsantrag wegen bösgläubiger
Anmeldung sei zwar zulässig, aber unbegründet. Der Einwand der Markeninhabe-
rin, der Antragstellung stünden die in einem anderen Verfahren vergleichsweise
getroffenen Absprachen entgegen, führe nicht zur Unzulässigkeit des Löschungs-
antrags, da entgegenstehende vertragliche Abmachungen im Hinblick auf den
Popularklagecharakter des Löschungsantrags grundsätzlich nicht geltend gemacht
werden könnten. Zudem handele es sich bei den Parteien des Vergleichs und den
Beteiligten des Löschungsverfahrens um unterschiedliche Personen. Die Antrag-
stellerin sei auch nicht als Strohmann des Herrn G
… anzusehen. Sie habe ein
eigenes Interesse an dem Ausgang des Verfahrens, da ihr in dem parallelen
Schadensersatzprozess wegen unberechtigter Schutzrechtsverwarnung der Streit
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verkündet worden sei und sie deshalb mit Regressansprüchen des Herrn G
rechnen müsse.
Es sei jedoch nicht mit hinreichender Sicherheit von einer Bösgläubigkeit des An-
melders auszugehen. Zwar habe bei Anmeldung bereits ein wertvoller Besitzstand
für Herrn G
… bestanden, da er sowohl am Buchtitel „Ballooning“ als auch an
der gleichnamigen DVD prioritätsältere Titelschutzrechte erworben gehabt habe.
Der damalige Markenanmelder und Geschäftsführer der jetzigen Markeninhaberin
S
… habe mit der Anmeldung ohne vorherige Absprache auch objektiv ge-
gen die Interessen des Herrn G
… verstoßen. Ob Herr G… sein Einver-
ständnis zu der Anmeldung erteilt habe, solle dahingestellt bleiben und sei nicht
erwiesen. Allein daraus lasse sich aber nicht der sichere Schluss ziehen, dass es
dem Anmelder im Anmeldezeitpunkt ausschließlich oder überwiegend um die
rechtsmissbräuchliche Behinderung oder Störung des Wettbewerbs gegangen sei.
Denn beide hätten miteinander erwogen, die Marke anzumelden, Herr G
habe der Anmeldung jedoch keine große Chance eingeräumt. Für das Verneinen
der Bösgläubigkeit spreche zum einen das Eigeninteresse an der Markenanmel-
dung, zum anderen das nachträgliche Verhalten der Antragsgegnerin. Die An-
tragsgegnerin habe ein eigenes Konzept verfolgt und dafür einen Übungsball ent-
wickelt. Luftballons seien vom Schutz der angegriffenen Marke gerade ausge-
nommen, der dortige Kläger also nicht gehindert gewesen, sein Konzept mit Luft-
ballons zu betreiben. Auch das spätere Verhalten der Markeninhaberin erlaube
keine sicheren Rückschlüsse auf eine Behinderungsabsicht im Anmeldezeitpunkt.
Die Markeninhaberin habe Herrn G
… niemals behindert, im Vergleich sogar
vereinbart, dass dieser „Ballooning“ für sein Trainingskonzept mit Luftballons wei-
ter benutzen könne und dem auch durch die Teillöschung im Waren- und Dienst-
leistungsverzeichnis Rechnung getragen. Ein aggressives Verhalten der Marken-
inhaberin sei nicht feststellbar. Die bloße Anmeldung eines Zeichens in Kenntnis
dessen, dass ein anderer dasselbe oder ein ähnliches Zeichen bereits nutzt, ohne
hierfür formalen Kennzeichenschutz erworben zu haben, genüge nicht für die An-
nahme der Bösgläubigkeit. Die bloße Vorbenutzung der Marke begründe keine
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bessere Priorität. Besondere Umstände, die die Erwirkung des Markenschutzes
als wettbewerbs- oder sittenwidrig erscheinen ließen, hätten nicht ermittelt werden
können. Eine Kostenauferlegung sei nicht veranlasst.
Gegen den Zurückweisungsbeschluss hat die Antragstellerin am 5. Januar 2012
Beschwerde eingelegt und vorgetragen, der Anmelder der angegriffenen Marke,
Herr S
…, sei jedenfalls im Zeitpunkt der Anmeldung bösgläubig gewesen.
Dies habe auch das Landgericht München I nach der Beweisaufnahme festge-
stellt. Die Marke sei deshalb ungeachtet der vergleichsweisen Einigung der Par-
teien in der Berufungsinstanz jenes Prozesses zu löschen. Weder Herr S
…-
… noch die S1.… hätten im Jahr 2005 ein Trainingskonzept oder eine Prä-
sentation gehabt, die dem „Ballooning“-Konzept des Herrn G… ähnlich gewe-
sen sei. Herr G
… habe sein Trainingskonzept auf dem „Staby“-Stand der
S1.
… unter eigenem Namen der breiten Öffentlichkeit vorgestellt. Aus dem
Umstand, dass Herr S
… die angegriffene Marke noch am Tag der Bespre-
chung bei F
…, am 15. Juni 2005 auf seinen eigenen Namen angemeldet
habe, ohne Herrn G
… darüber zu informieren, sei offensichtlich, dass der An-
melder sich die Möglichkeit eröffnen wollte, zu einem späteren Zeitpunkt die aus
dem Markenrecht folgenden Ausschließlichkeitsrechte gegen Herrn G
… ein-
setzen zu können. Herr S
… habe auch ohne eine partnerschaftliche Zu-
sammenarbeit mit Herrn G
… von dessen geschäftlichem Erfolg und der Be-
kanntheit des Zeichens finanziell profitieren und ihn gegebenenfalls an einer wei-
teren Benutzung des Zeichens hindern wollen. Besonders deutlich werde dies da-
ran, dass das angemeldete Waren- und Dienstleistungsverzeichnis expressis ver-
bis „Luftballons“ enthalten habe, obgleich dieser Begriff sich in der Nizza-Klassifi-
kation der Klassen-Oberbegriffe nicht finde. In Kenntnis des Ballooning-Konzeptes
habe die Markeninhaberin einen eigenen Ballooning-Ball entwickelt und auch so-
mit den schutzwürdigen Besitzstand des Herrn G
… nachhaltig gestört. Eine
Störung des Besitzstandes sei schon durch die Anmeldung gegeben gewesen und
liege auch dann vor, wenn sich Herr G
… mit seinem Produkt infolge der An-
meldung nicht mehr habe entwickeln können. Dies sei hier der Fall, weil Herr
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S
… Herrn G… nur noch die identische Nutzung für spezielle Luftbal-
lons genehmigt habe. Dass der Bezug zu Luftballons später aus dem Waren- und
Dienstleistungsverzeichnis gestrichen worden sei, ändere nichts an der Bösgläu-
bigkeit im Zeitpunkt der Anmeldung, sondern sei im Gegenteil ein Beleg für diese.
Auch ob und inwieweit die Markeninhaberin ihr Trainingsgerät inzwischen in
„IO-
Ball
“ umbenannt habe, spiele für die Bösgläubigkeit der Anmeldung keine Rolle.
Die Behinderungsabsicht ergebe sich schon aus dem Umstand, dass der Anmel-
der und Herr G
… mit dem flexiblen Ball als Trainingsgegenstand in einer Wett-
bewerbssituation gestanden hätten, zudem hätten sie miteinander kooperiert; das
Konzept sei die wesentliche Existenzgrundlage des Herrn G
… gewesen, die
durch Herrn S
… inzwischen zerstört worden sei. Dies sei wesentliches
Motiv der Anmeldung gewesen, was für die Annahme einer Behinderungsabsicht
genüge. Zudem habe der Anmelder gegen die aus den Geschäftsbeziehungen mit
Herrn G
… resultierenden Rücksichtnahmepflichten gemäß § 241 Abs. 2 BGB
verstoßen. Der Anmelder habe mit der Anmeldung und Benutzung der angegriffe-
nen Marke die Absicht verfolgt, die geplante Nutzung des Zeichens durch Herrn
G
… zu sperren oder zu erschweren und dies sei auch das wesentliche Motiv
der Anmeldung, weshalb man von einem zweckfremden Einsatz der Marke im
Wettbewerb ausgehen könne. Dabei sei auch die Bekanntheit des Zeichens
„BALLOONING“ im Zeitpunkt der Anmeldung zu berücksichtigen. Die an Fitness-
training interessierten Verkehrskreise hätten die Produkte und das Trainingskon-
zept des Herrn G
… bereits gekannt, wie sich aus den vorgelegten Unterlagen
entnehmen lasse.
Die Beschwerdegegnerin hat zur Begründung ihres Antrags, die Beschwerde als
unzulässig zu verwerfen, hilfsweise zurückzuweisen und der Beschwerdeführerin
sämtliche Kosten aufzuerlegen, vorgetragen, der Löschungsantrag sei unzulässig.
Die Löschungsantragstellerin sei als Strohmann des Herrn G
… anzusehen, da
dieser in Person durch den am 2007 geschlossenen Vergleich auf die Geltendma-
chung von Löschungsansprüchen gegen die Marke verzichtet habe und daher
keinen Löschungsantrag hätte stellen können. Dies wirke auch für die Löschungs-
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antragstellerin, da sie kein eigenes Interesse an der Löschung habe und sich ihr
geltend gemachtes Interesse ausschließlich aus dem Interesse des Herrn G
ableite. Zudem seien die von der Antragstellerin befürchteten Regressansprüche
unabhängig von dem Bestand der angegriffenen Marke, sie resultierten aus-
schließlich daraus, dass dem dortigen Beklagten Herrn G
… die behaupteten
Schutzrechte gegenüber der hiesigen Beschwerdegegnerin nicht zugestanden
hätten, unabhängig von dem Bestand der angegriffenen Marke. Auch wenn für
das registerrechtliche Löschungsverfahren wegen absoluter Schutzrechte kein
individueller Löschungsanspruch erforderlich sei, sei in den Fällen, in denen die
Bösgläubigkeit der Anmeldung - wie hier
– nur den Schutz einer einzelnen Person
betreffe, ein entsprechender Verzicht auf die Löschung durch diese Person im
Wege der teleologischen Reduktion zu berücksichtigen mit der Folge, dass der
Löschungsantrag zumindest unbegründet sei. In der Sache sei ferner zu beach-
ten, dass die DVD des Herrn G
… erst nach der Markenanmeldung herausge-
bracht worden sei. Von einem wertvollen Besitzstand des Herrn G
… sei nicht
auszugehen, wie sich aus den Umsatzzahlen für sein Buch ergebe, die sich in den
Jahren ab 2006 jeweils nur im zweistelligen Bereich bewegt hätten. Zudem habe
Herr G
… den Begriff Ballooning nur für sein Trainingskonzept benutzt, nicht für
Luftballons selbst. Den von ihm benutzten Luftballon habe er unter der Bezeich-
nung „DIDIballoon“ vermarktet. Die Benutzung des Begriffs „BALLOONING“ sei
zudem eine titelschutzartige Verwendung gewesen, nicht aber eine Verwendung
als betrieblicher Herkunftshinweis, sodass aus dieser Benutzung ein wertvoller
Besitzstand nicht entstanden sein konnte. Zudem habe Herr G
… die Marken-
anmeldung im Mai 2005 mit Frau B
… ausführlich diskutiert, er habe von ihr
Kenntnis gehabt und ihr zugestimmt, er sei nur nicht bereit gewesen, sich an der
Anmeldung zu beteiligen, weil er ihr keine Erfolgsaussicht beigemessen habe. Er
selbst habe kein Interesse an der Markenanmeldung gehabt. Dies ergebe sich
auch daraus, dass die entsprechenden Waren der Klasse 28 nicht Gegenstand
seiner Markenanmeldung vom 13. April 2006 gewesen seien. Nicht die Anmel-
dung der angegriffenen Marke, sondern persönliche Differenzen hätten zu der
Trennung der Geschäftspartner geführt. Die Anmeldung für Luftballons sei erfolgt,
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weil man im Zeitpunkt der Anmeldung noch davon ausgegangen sei, mit Herrn
G
… zusammenzuarbeiten und auch dessen Schutzinteresse berücksichtigt
habe.
Nach der mündlichen Verhandlung vom 4. Februar 2015 hat die Beschwerdegeg-
nerin mit Schreiben vom 4. März 2015 gegenüber dem DPMA vollumfänglich auf
die angegriffene Marke verzichtet und die Beschwerdeführerin mit weiterem
Schriftsatz vom 29. April 2015 von allen Ansprüchen aus der angegriffenen Marke
für die Zeit vor dem Verzicht freigestellt. Lediglich ihren Kostenantrag hat sie wei-
ter aufrechterhalten. Die Beschwerdeführerin hat den Löschungsantrag daraufhin
zurückgenommen und zugleich Kostenantrag gegen die Beschwerdegegnerin ge-
stellt. Sie habe den Löschungsantrag nämlich ausschließlich im eigenen Interesse
gestellt, nachdem ihr in dem überraschend von der Antragsgegnerin erhobenen
Schadensersatzprozess gegen Herrn G
… der Streit verkündet worden sei.
Die Beschwerdeführerin beantragt nunmehr,
der Beschwerdegegnerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Die Beschwerdegegnerin stellt sinngemäß den Antrag,
den Kostenantrag der Beschwerdeführerin zurückzuweisen und
der Beschwerdeführerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Sie ist der Auffassung, die Anmeldung der angegriffenen Marke sei nicht bösgläu-
big erfolgt. Insbesondere habe Herr G
… der Anmeldung explizit zugestimmt.
Selbst bei einer bösgläubigen Anmeldung scheide eine Kostenauferlegung im
konkreten Fall aus. Denn Herr G
… habe sich mit der Inhaberin der angegriffe-
nen Marke geeinigt und auf sämtliche Ansprüche gegenüber der angegriffenen
Marke verzichtet. Die Beschwerdeführerin werde hier als Strohmann des Herrn
G
… tätig, jedenfalls sei sie nach Treu und Glauben daran gehindert, die Ver-
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einbarung der Beschwerdegegnerin mit Herrn G
… zu umgehen. Daher seien
ihr die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Da die Beschwerdegegnerin auf die angegriffene Marke verzichtet und die Be-
schwerdeführerin den Löschungsantrag zurückgenommen hat, ist gemäß § 71
Abs. 1 und 4 MarkenG nur noch über die Kostenanträge der Beteiligten zu ent-
scheiden.
Die wechselseitigen Kostenanträge der Parteien werden zurückgewiesen, weil
hinreichende Billigkeitsgründe für eine Kostenauferlegung auf einen der Beteilig-
ten gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG nicht vorliegen. Es verbleibt beim Grund-
satz, dass jeder Verfahrensbeteiligte seine eigenen Kosten trägt.
1. Der Kostenantrag der Beschwerdeführerin ist unbegründet, da nach dem jetzi-
gen Sach- und Streitstand nicht vom Vorliegen besonderer Billigkeitsgründe aus-
gegangen werden kann.
Das Vorliegen eines Billigkeitsgrundes setzt voraus, dass besondere Umstände
eine Abweichung von der als Regelfall vorgesehenen Kostenaufhebung nach § 71
Abs. 1 Satz 2 MarkenG rechtfertigen (vgl. BGH GRUR 1972, 600, 601
– Lewapur;
Knoll in: Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Aufl., § 71 Rn. 12). Ein derartiger
Sonderfall kann regelmäßig angenommen werden, wenn der Löschungsantrag
wegen bösgläubiger Markenanmeldung voraussichtlich Erfolg gehabt hätte. Denn
wer missbräuchlich Markenschutz in Anspruch nimmt, muss sich notwendige
Maßnahmen, die auf Beseitigung der rechtswidrigen Zeichenlage gerichtet sind,
zurechnen lassen (vgl. BPatG GRUR 2001, 744, 748 - S100; Knoll in Strö-
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bele/Hacker, a. a. O., § 71 Rn. 15 m. w. N.). Ob diese Voraussetzungen erfüllt
sind, ist nach Wegfall des Hauptanspruchs durch Markenverzicht bzw. Rück-
nahme des Löschungsantrags anhand des bisherigen Sach- und Streitstands zu
beurteilen, das Gericht hat sich dabei auf eine summarische Prüfung der Erfolg-
saussichten des Verfahrens zu beschränken (vgl. § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO; siehe
auch Thomas/Putzo, Zivilprozessordnung, 35. Aufl. 2014, § 91a Rn. 46a).
Eine Markenanmeldung ist
– mit der Folge der Kostenauferlegung – als bösgläu-
big im Sinn von § 8 Abs. 2 Nr. 10 i. V. m. § 50 Abs. 1 MarkenG anzusehen, wenn
das wesentliche Motiv der Anmeldung darin besteht, den schutzwürdigen Ge-
brauch eines fremden Kennzeichens zu stören (vgl. EuGH GRUR 2009, 763
Rn. 46, 53 - Lindt & Sprüngli/Franz Hauswirth; BGH GRUR 2000, 1032, 1034 -
EQUI 2000). Es ist nach dem vorliegenden Streitstand jedoch offen, ob von einem
derartigen Motiv auf Seiten des damaligen Markenanmelders ausgegangen wer-
den kann. Denn wenn Herr G
…, wie die Beschwerdegegnerin vorgetragen hat,
vorab von der Markenanmeldung informiert war, sie zwar für entbehrlich hielt, aber
sein Einverständnis dazu erklärt hat, besteht keine Grundlage für die Annahme
einer auf Störung seines Besitzstands gerichteten Zielsetzung des Anmelders. Die
Beschwerdeführerin hat den Vortrag der Beschwerdegegnerin allerdings bestritten
und sich demgegenüber für ihre Behauptung, Herr S
… als Anmelder habe
hinter dem Rücken des Herrn G
… gehandelt, auf dessen Zeugnis berufen. Die
Beschwerdegegnerin hat sich zum Beweis auf die Vernehmung der bereits im
Amtsverfahren benannten jetzigen Geschäftsführerin der Beschwerdegegnerin
B
… berufen. Diese hätte zwar wegen ihrer Stellung als Partei nicht
(mehr) als Zeugin vernommen werden können (Thomas/Putzo, a. a. O., § 51
Rn. 6, vor § 373 Rn. 6); jedenfalls ihre informatorische Anhörung wäre jedoch aus
Gründen der Waffengleichheit und im Rahmen der Beweiswürdigung einer Aus-
sage des Zeugen G
… geboten gewesen. Der Senat hat insoweit in der münd-
lichen Verhandlung vom 4. Februar 2015 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass
er eine Beweisaufnahme für erforderlich hält. Ohne eine Beweisaufnahme über
die näheren Umstände der Anmeldung und der in diesem Zusammenhang ge-
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troffenen Absprachen kann nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit von einer
bösgläubigen Markenanmeldung ausgegangen werden.
Ein entsprechender Beweis war nach Rücknahme des Löschungsantrags nicht
mehr zu erheben, sodass es an hinreichenden Tatsachen, die das Vorliegen von
Billigkeitsgründen für eine Kostenauferlegung auf die Inhaberin der angegriffenen
Marke nahelegen, fehlt.
2. Auch der Kostenantrag der Beschwerdegegnerin hat mangels besonderer Um-
stände, die die Abweichung von dem sich aus § 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG erge-
benden Grundsatz rechtfertigen, dass jeder Beteiligte seine Kosten selbst trägt,
keinen Erfolg.
Eine Kostenauferlegung auf die Beschwerdeführerin käme in Betracht, wenn von
einer missbräuchlichen Stellung des Löschungsantrags durch die Beschwerdefüh-
rerin auszugehen wäre. Diese Voraussetzungen sind vorliegend jedoch nicht ge-
geben.
Die Einleitung des Löschungsverfahrens durch die Beschwerdeführerin stellt sich
nicht als Rechtsmissbrauch des Löschungsverfahrens durch die Einschaltung ei-
nes
sogenannten „Strohmanns“ dar. Von dem Betreiben eines Verfahrens durch
einen Strohmann ist nur auszugehen, wenn das Verfahren ausschließlich im Inte-
resse und im Auftrag
des „Hintermannes“ sowie auf dessen Weisung ohne jedes
eigenes Interesse betrieben wird (BGH GRUR 2010, 231 Rn. 21
– Legostein). Zu
beachten ist, dass die Anforderungen an das eigene Interesse im Löschungsver-
fahren nach § 50 MarkenG nicht allzu hoch angesetzt werden dürfen, da wegen
der Ausgestaltung als Popularantrag gemäß § 54 Abs. 1 Satz 2 MarkenG ein ei-
genes Interesse an dem Verfahren ohnehin nicht Antragsvoraussetzung ist. Kon-
krete Anhaltspunkte dafür, dass die Beschwerdeführerin ausschließlich im Auftrag
und auf Weisung des hier materiell von der Eintragung betroffenen Herrn G
tätig war, sind von der insoweit darlegungspflichtigen Markeninhaberin nicht vor-
getragen worden und auch nicht ersichtlich. Der Umstand, dass die Beschwerde-
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führerin als Verfahrensbevollmächtigte des Herrn G
… bei der Schutzrechts-
verwarnung und dem sich anschließenden Klageverfahren tätig war, genügt dafür
nicht. Sie hat dargetan, dass sie sich bei Antragstellung im Fall des weiteren Be-
stehens der Marke möglicherweise Regressansprüchen ausgesetzt sah. Ein ent-
sprechender Vortrag genügt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
(a. a. O.
– Legostein) für ein eigenes Interesse des Antragstellers. Dieses In-
teresse war bei (Löschungs-)Antragstellung
– mag eine Inanspruchnahme auch
unwahrscheinlich gewesen sein, da Herr G
… seine Abmahnung nicht auf sein
Recht aus einer eingetragenen Marke gestützt hat, sondern aus anderen
Anspruchsgrundlagen, nämlich Titelschutzrechten und einer benutzten Marke
vorgegangen ist - jedenfalls nicht von vornherein von der Hand zu weisen,
nachdem ihr Herr G
… als Beklagter in dem mit der S1.… geführten Scha-
densersatzprozess wegen einer unberechtigten Schutzrechtsverwarnung den
Streit verkündet hatte. Dass die begehrte Löschung der Marke die Erfolgsaussicht
des Beklagten in dem Schadensersatzklageverfahren erhöhen konnte, war bei
Antragstellung jedenfalls denkbar und scheidet als Grund für ein eigenes Interesse
der Antragstellerin an der Löschung der Marke nicht von vorn herein aus.
Auch sonstige Gründe für die Kostenauferlegung sind nicht ersichtlich. Eine Kos-
tenauferlegung auf die Löschungsantragstellerin kommt auch dann in Betracht,
wenn der Löschungsantrag auf Gründe gestützt wird, für die es weder in der
Rechtsprechung oder in der Literatur auch nur ansatzweise eine Bestätigung gibt
(Knoll in Ströbele/Hacker, a. a. O., § 71 Rn. 15). Der von der Beschwerdeführerin
unter Beweis gestellte Vortrag, der Anmelder habe die bereits von seinem Ge-
schäftspartner G
… seit längerer Zeit im einschlägigen Waren- und Dienstleis-
tungsbereich benutzte Bezeichnung „Ballooning“ auf seinen eigenen Namen ohne
Kenntnis und Zustimmung des Herrn G
… angemeldet, stellte einen deutlichen
Anhaltspunkt für die Absicht des Anmelders dar, mit Hilfe der Anmeldung den
schutzwürdigen Besitzstand seines Geschäftspartners zu stören. Die Begründung
des Löschungsantrags kann deshalb nicht als von vornherein aussichtslos einge-
- 16 -
ordnet werden. Sonstige eine Auferlegung der Kosten rechtfertigende Umstände
sind nicht vorgetragen und ersichtlich.
Auch die durch die Beteiligten veranlasste Beendigung des Verfahrens in der
Hauptsache führt zu keinem anderen Ergebnis. Insbesondere können weder der
Verzicht auf die Marke 305 34 852 noch die Rücknahme des Löschungsantrags
als Eingeständnis einer drohenden Niederlage im Beschwerdeverfahren oder als
Distanzierung von dem bisherigen Sachvortrag gewertet werden.
Daher hat es bei der gesetzlichen Regelung nach § 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG,
wonach jeder Verfahrensbeteiligte seine Kosten selbst trägt, zu bleiben.
Dr. Mittenberger-Huber
Uhlmann
Akintche
Hu