Urteil des BPatG vom 15.04.2015

Markt, Bösgläubigkeit, Absicht, Beschreibende Angabe

BPatG 154
05.11
BUNDESPATENTGERICHT
29 W (pat) 13/12
_______________
(Aktenzeichen)
Verkündet am
15. April 2015
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
- 2 -
betreffend die Marke 306 53 608
(hier: Löschungsverfahren S 315/10)
hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 15. April 2015 unter Mitwirkung der Vorsitzenden
Richterin Dr. Mittenberger-Huber und der Richterinnen Uhlmann und Akintche
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Zurückweisung ihres Löschungs-
antrags gegen die Marke 306 53 608 durch die Markenabteilung 3.4 des Deut-
schen Patent- und Markenamtes (DPMA).
Die am 1. September 2006 angemeldete Wortmarke
BiM- Markt
ist am 6. Juni 2007 unter der Nummer 306 53 608 für Dienstleistungen der Klas-
se 35 in das beim DPMA geführte Register eingetragen worden, nämlich für:
Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroar-
beiten; Einzelhandelsdienstleistungen mit Lebensmitteln aller Art.
- 3 -
Die Beschwerdeführerin hat am 26. November 2010 beim DPMA die vollständige
Löschung der Marke wegen absoluter Schutzhindernisse nach §§ 50 Abs. 1, 8
MarkenG beantragt. Mit Schriftsatz vom 11. April 2011 hat sie ihren Löschungs-
antrag begründet und eine Bösgläubigkeit des Markenanmelders geltend ge-
macht.
Bei der Antragstellerin handele es sich um ein türkisches Unternehmen, das im
Jahr 1995 gegründet worden sei. Sie betreibe in der Türkei und in anderen Län-
dern eine Supermarktkette unter der Bezeichnung BIM. „BIM“ sei auch ihr Firmen-
schlagwort, da es sich bei den übrigen Bestandteilen des Firmennamens lediglich
um beschreibende Zusätze handele. Ihr Name werde mit „BIM United Stores
Inc.“ übersetzt. Ihre BIM-Märkte verfolgten ein ähnliches Konzept wie A… und
würden auch als das türkische Gegenstück hierzu beschrieben. Im Jahr der An-
meldung der angegriffenen Marke 2006 habe die Löschungsantragstellerin 1.454
Filialen in der Türkei betrieben, derzeit betreibe sie bereits 3035 Filialen, vorwie-
gend in der Türkei. Mittlerweile expandiere sie auch in Länder außerhalb der Tür-
kei. Im Jahr 2006 habe sie einen Umsatz von umgerechnet
… Mio. Euro erzielt
und 2010 hochgerechnet auf ein volles Jahr einen Umsatz von
… Mio. Euro.
Ferner betreibe sie intensiv Werbung in der Türkei. Sie sei dort auch Inhaberin
diverser eingetragener „BIM“-Marken. Ihre Marke BIM sei für Einzelhandelsdienst-
leistungen in der Türkei vom Türkischen Patentinstitut als berühmt anerkannt wor-
den.
Aufgrund der Bekanntheit der Marke BIM in der Türkei sei dem Markenanmelder,
bei dem davon auszugehen sei, dass er einen türkischen Migrationshintergrund
habe, diese Marke bekannt gewesen. Dies werde auch dadurch deutlich, dass er
sogar das konkrete rote BIM-Logo der Antragstellerin auf dem von ihm betriebe-
nen Supermarkt in Wo
rms verwende. Der Bestandteil „Markt“ der streitgegen-
ständlichen Marke trage nicht zur Unterscheidungskraft bei, da es sich um eine
beschreibende Angabe handele. Es sei offensichtlich, dass die Anmeldung der
Marke bösgläubig erfolgt sei. Sie sei mit dem Ziel vorgenommen worden, den er-
- 4 -
kannten schutzwürdigen Besitzstand der Antragstellerin zu stören, ihr den Ge-
brauch der vorbenutzten Bezeichnung zu sperren und die Marke als zweckfrem-
des Mittel des Wettbewerbskampfes einzusetzen. Die Absicht des Antragsgegners
sei es, die Antragstellerin zu behindern und deren guten Ruf auf unlautere Weise
auszunutzen. Es sei anerkannt, dass eine ausländische Vorbenutzung einen
schutzwürdigen Besitzstand begründen könne, wenn die im Ausland erfolgte Be-
nutzung zu einer überragenden Verkehrsgeltung geführt habe, was vorliegend der
Fall sei. Es liege zudem nahe, dass der deutsche Markt für türkische Unterneh-
men interessant sei, da in Deutschland die größte Anzahl von Türken bzw. Ein-
wohnern türkischen Ursprungs außerhalb der Türkei lebe. Deshalb habe es sich,
auch aufgrund der rasanten Expansion der Antragstellerin, dem Antragsgegner
aufdrängen müssen, dass die Antragstellerin in absehbarer Zeit die Marke BIM in
Deutschland benutzen wolle. Selbst wenn ein markenrechtlich zweckfremder Ein-
satz sich erst aus einer Ausübung des damit erworbenen Monopolrechts zu einem
späteren Zeitpunkt ergebe, stehe in solchen Fällen zu vermuten, dass der Anmel-
der bereits zum Zeitpunkt der Anmeldung bösgläubig gehandelt habe. Dass der
Anmelder die betreffende Marke selbst benutze, stehe der Annahme der Unlauter-
keit nicht entgegen, wenn zumindest das Motiv die Absicht sei, die Marke zweck-
fremd als Mittel des Wettbewerbskampfes einzusetzen. Durch die verfahrensge-
genständliche Marke hindere der Antragsgegner die Antragstellerin daran, selbst
ein rechtsbeständiges Markenrecht in Deutschland an der Marke „BIM“ zu erwer-
ben. Die Antragstellerin habe ein Interesse am deutschen Markt, was schon die
IR-Marke Nr. 938
106 „BIM“ der Antragstellerin, welche am 7. Juli 2007 registriert
und auf Deutschland erstreckt worden sei, belege.
Dass die Antragstellerin die Benutzung der angegriffenen Marke
– wie es der An-
tragsgegner einwende - fünf aufeinander folgende Jahre in Kenntnis der Benut-
zung geduldet und daher den Löschungsanspruch nach § 51 Abs. 2 MarkenG
verwirkt habe, treffe nicht zu. Denn es gehe hier um eine Löschung wegen Bös-
gläubigkeit nach §§ 50, 54 MarkenG. Ohnehin habe die Antragstellerin nach
Kenntnis der Benutzung der Marke durch den Antragsgegner diesen mit Schrift-
- 5 -
satz vom 20. Oktober 2010 im Wege einer Berechtigungsanfrage anschreiben las-
sen und auch das vorliegende Löschungsverfahren eingeleitet. Das Löschungs-
verfahren verfolge nicht unmittelbar den Zweck der Beseitigung des Logos. Die
Verwendung des Logos zeige allerdings, dass dem Antragsgegner die Antragstel-
lerin und deren Marke bei seiner Anmeldung bekannt gewesen und er daher bei
der Anmeldung bösgläubig gewesen sei.
Der Antragsgegner hat dem Löschungsantrag, der ihm mit am 13. Dezember 2010
zur Post abgesandten Einschreiben zugestellt worden war, mit Schriftsatz vom
3. Januar 2011, eingegangen beim DPMA am 7. Januar 2011, widersprochen.
Er ist der
Auffassung, dass die türkische Marke „BIM“ in Deutschland nicht be-
kannt sei. Zudem verwende er
die Bezeichnung „BIM-Markt“, während die Antrag-
stellerin mit „BIM United Stores Inc.“ übersetzt werde, wie sie selbst angebe.
Durch den Zusatz „Markt“ bestehe ein Unterschied zwischen den Marken. Eine
Priorität der älteren Marke könne nur bei Identität der Marken angenommen wer-
den. Weiterhin sei vorliegend die Löschung gemäß § 51 Abs. 2 MarkenG wegen
Verwirkung ausgeschlossen, weil der Inhaber der prioritätsälteren Marke die Be-
nutzung der jüngeren Marke während eines Zeitraums von fünf aufeinander fol-
genden Jahren in Kenntnis der Benutzung geduldet habe. Es existiere keine ein-
zige Filiale in Deutschland, obwohl die Antragstellerin seit 1995 in der Türkei in
diesem Bereich arbeite. Wenn ihr der deutsche Markt so wichtig gewesen wäre,
hätte sie von 1995 bis 2006 die Möglichkeit gehabt, die Marke eintragen zu las-
sen. Die Antragstellerin hätte schon früher nach Deutschland expandieren können,
habe aber stattdessen den Antragsgegner gewähren lassen. Die Ausführungen
über die Werbung in der Türkei seien irrelevant, da der Antragsgegner sich in
Deutschland befinde und daraus keinen Nutzen ziehe. Bezüglich des am Super-
markt angebrachten Logos hätte die Antragstellerin dessen Beseitigung verlangen
können, nicht jedoch die Löschung der Marke. Das Schild mit dem Logo sei auch
erst nach Eintragung der Marke angebracht worden.
- 6 -
Die Markenabteilung 3.4 des DPMA hat den Löschungsantrag mit Beschluss vom
15. November 2011 zurückgewiesen.
Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass eine zum Anmeldezeitpunkt bestehende
Bösgläubigkeit des Antragsgegners nicht festgestellt werden könne. Es sei zwi-
schen den Parteien unstreitig, dass bisher eine Geschäftstätigkeit der Löschungs-
antragstellerin in Deutschland auf dem Gebiet der vom Antragsgegner bean-
spruchten Dienstleistungen nicht stattgefunden habe. Selbst wenn dem Antrags-
gegner bekannt gewesen wäre, dass die von der Antragstellerin betriebenen Su-
permärkte in der Türkei existierten und den in Deutschland lebenden Türken oder
türkischstämmigen Bewohnern bekannt seien, habe er nicht davon ausgehen
müssen, dass die Antragstellerin, die seit 1995 die betreffenden Supermärkte in
der Türkei betreibe, diese auch in Deutschland eröffnen wolle. Eine auf die Benut-
zung der Marke im Ausland bezogene Bösgläubigkeit bei der Anmeldung in
Deutschland komme aber nur in Betracht, wenn besondere Umstände hinzuträten,
die das Verhalten des Anmelders als wettbewerbswidrig erscheinen ließen. Vo-
raussetzung sei, dass die im Ausland erfolgte Benutzung dort zu einer überragen-
den Verkehrsgeltung geführt habe und der inländische Anmelder wisse, dass das
ausländische Unternehmen die Absicht habe, in absehbarer Zeit die Marke auch
im Inland einzusetzen. Dafür gebe es hier keine Anhaltspunkte und es habe sich
dem Markenanmelder aufgrund des langen Zeitablaufs zwischen der Einführung
der Supermärkte 1995 in der Türkei und seiner Markenanmeldung in Deutschland
2006 auch nicht die Vermutung aufdrängen müssen, dass sich die Antragstellerin
auf dem deutschen Markt etablieren wolle. Die Antragstellerin habe von 1995 bis
2006 soweit bekannt keine Aktivitäten hinsichtlich eines Auftritts auf dem deut-
schen Markt unternommen und den Antragsgegner erst am 20. Oktober 2010,
mehr als vier Jahre nach der Anmeldung der Marke, auf die Verwendung des Lo-
gos an seinem Supermarkt hin angeschrieben und ihn lediglich gebeten mitzutei-
len, weshalb er sich berechtigt fühle, Einzelhandelsdienstleistungen unter der Be-
zeichnung „BIM“ in Deutschland anzubieten. Das Logo sei hier aber nicht Gegen-
stand des Verfahrens, da lediglich eine Wortmarke angemeldet worden sei.
- 7 -
Der Vortrag der Antragstellerin liefere keine schlüssigen Belege für das Vorliegen
einer Bösgläubigkeit des Antragsgegners. Dass dem Antragsgegner die Super-
märkte des Namens „BIM“ in der Türkei bekannt wären und er sich möglicher-
weise von deren Berühmtheit eine positive Ausstrahlung auf die in Deutschland
lebenden Türken und Bewohnern türkischer Herkunft versprochen habe, stelle
noch keine Bösgläubigkeit oder Rufausbeutung dar. Die erforderliche Zielrichtung
bei einer Rufausbeutung sei, vom Ruf z. B. einer sehr bekannten Marke in anstö-
ßiger Weise zu profitieren, eine Anlehnung an eine solche Marke reiche noch nicht
aus. Hier liege aber schon gar keine bekannte Marke in Deutschland vor und da
der Antragsgegner offensichtlich nur einen Supermarkt in Deutschland betreibe,
also eher regional tätig sei, könne er auch kaum von einer großen Zahl türkischer
oder türkischstämmiger Mitbewohner in Deutschland, die die Supermärkte der An-
tragstellerin in der Türkei kennen würden, profitieren. Es gebe auch keine An-
haltspunkte dafür, dass der Markeninhaber seine Marke nicht nutze und diese nur
angemeldet habe, um die Antragstellerin von der Nutzung der Bezeichnung BIM
am Markt auszuschließen. Diese habe bisher auch nichts über konkrete Planun-
gen für die Unternehmenserweiterung nach Deutschland vorgetragen. Auch dass
die Antragstellerin Inhaberin einer IR-Marke mit Schutzerstreckung auf Deutsch-
land sei, belege eine solche Absicht nicht. Zum Zeitpunkt der Anmeldung der an-
gegriffenen Marke am 1. September 2006 habe der Antragsgegner nicht wissen
können, ob die Antragstellerin beabsichtigte, auch auf dem deutschen Markt auf-
zutreten, denn deren IR-Marke mit Schutzerstreckung auf Deutschland sei erst im
Juni 2007 registriert worden. In Würdigung der gesamten Umstände könne das
Verhalten des Antragsgegners daher nicht als bösgläubig angesehen werden; in
erster Linie sei das Verhalten auf seine eigene Tätigkeit am Markt und nicht auf
die Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltung der Mitbewerberin gerichtet.
Hiergegen wendet sich die Beschwerde der Antragstellerin.
Im Wesentlichen wiederholt sie ihren Vortrag aus dem Amtsverfahren, wobei sie
insbesondere Zahlen aktualisiert, z. B. bezogen auf die Anzahl der mittlerweile
- 8 -
betriebenen Filialen, den Umsatz und die Aufwendungen für Werbung. Sie expan-
diere mittlerweile auch in Länder außerhalb der Türkei und habe beispielsweise im
Jahr 2010 19 Filialen in Marokko eröffnet. Gegenstand der an den Antragsgegner
gerichteten Berechtigungsanfrage sei das Anbieten von Einzelhandelsdienstleis-
tungen unter der Bezeichnung BIM, nicht lediglich die Verwendung des Logos ge-
wesen. Nachdem sie anschließend von der verfahrensgegenständlichen Marke
Kenntnis erlangt habe, habe sie Löschungsantrag gestellt. Insoweit seien die Aus-
führungen der Markenabteilung unzutreffend, die suggerierten, sie habe sich ge-
genüber dem Beschwerdegegner untätig verhalten. Die Beschwerdeführerin legt
zwei Entscheidungen des Türkischen Patentinstituts vor, denen zu entnehmen sei,
dass jedenfalls in der Türkei in Deutschland bekannte Marken geschützt würden;
so sei dort festgestellt worden, dass die Marke ALDI wegen ihrer Bekanntheit auch
für solche Waren Schutz genieße, welche ansonsten als unähnlich zu den Waren
der A
…-Marken angesehen würden. Wegen der rasanten Expansion der Be-
schwerdeführerin und des für türkische Unternehmen wichtigen deutschen Mark-
tes habe es sich dem Beschwerdegegner zumindest aufdrängen müssen, dass die
Beschwerdeführerin in absehbarer Zeit die Marke BIM auch in Deutschland benut-
zen wolle. Dass eine Expansion nach Deutschland nicht gleich nach der Gründung
des Unternehmens in der Türkei erfolgt sei, sei nachvollziehbar und entspreche
der auf dem Gebiet des Einzelhandels üblichen Praxis, wie die Beispiele ALDI und
WALMART zeigten. Denn der Eintritt einer Einzelhandelskette in einen ausländi-
schen Markt sei ungleich aufwändiger als der Markteintritt mit einem bestimmten
Produkt, bei dem zum Vertrieb auf bestehende Infrastrukturen zurückgegriffen
werden könne, wohingegen diese bei einer Einzelhandelskette erst aufgebaut
werden müssten. Im Hinblick auf die streitgegenständliche Marke sei es der Be-
schwerdeführerin nicht zuzumuten, derzeit Filialen in Deutschland zu eröffnen,
bevor nicht eine Löschung der Marke erfolgt sei. Den Ausführungen der Mar-
kenabteilung folgend, wäre die Beschwerdeführerin rechtlos gestellt: Einerseits
hindere die Sperrwirkung der Marke die Beschwerdeführerin an der Benutzung
von BIM in Deutschland, andererseits werde ihr die Nichtbenutzung und Nichtex-
pansion nach Deutschland vorgeworfen. Danach bliebe kein Raum mehr für die
- 9 -
vom Bundesgerichtshof entwickelten und bestätigten Grundsätze betreffend die
Löschung bösgläubig angemeldeter Marken mit überragender Verkehrsgeltung im
Ausland. Die angegriffene Marke entfalte Sperrwirkung für die ganze Bundesre-
publik. Die Markenabteilung, die darauf hingewiesen habe, dass der Beschwerde-
gegner nur einen Supermarkt in Deutschland betreibe, also nur regional tätig sei,
verkenne die Relevanz des vorliegenden Löschungsverfahrens.
Die Tatsache, dass der Beschwerdegegner die Marke selbst benutze, führe nicht
zu einem Ausschluss der Bösgläubigkeit. Die Benutzung - insbesondere des kon-
kreten Logos der Beschwerdeführerin - zeige vielmehr, dass es dem Beschwerde-
gegner gerade darum gehe, die Bekanntheit und Wertschätzung des Zeichens
auszubeuten und daraus Vorteile zu ziehen. Das Gericht der Europäischen Union
(EuG) spreche hier in einem vergleichbaren Fall
von „parasitärer“ Ausbeutung der
Wertschätzung. Es stelle einen Wertungswiderspruch dar, wenn der Beschwerde-
gegner für die Benutzung des Logos dadurch belohnt werden solle, dass gerade
diese Ausbeutung der Wertschätzung des Zeichens der Beschwerdeführerin zu
einer Verneinung der Bösgläubigkeit führe. Der Umstand, dass die Beschwerde-
führerin keine Filialen in Deutschland betreibe, werde dadurch aufgewogen, dass
es sich bei dem Zeichen um ein in der Türkei wertvolles Zeichen handle, welches
in der Türkei eine bekannte Marke sei. Die Beschwerdeführerin ist schließlich der
Auffassung, dass eine Bekanntheit der Marke bei einem großen und klar definier-
ten Teil der Bevölkerung im Inland auch zur Begründung eines schutzwürdigen
Besitzstandes im Inland führe. Dies gelte insbesondere dann, wenn durch die
Marke gerade diese Bevölkerungsgruppe angesprochen werde und diese daher
als maßgeblicher Verkehrskreis angesehen werden müsse. Falls der Senat diese
Auffassung nicht teile, werde angeregt, die Rechtsbeschwerde zum Bundesge-
richtshof (BGH) zuzulassen.
- 10 -
Die Beschwerdeführerin beantragt:
Der Beschluss der Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent-
und Markenamtes vom 15. November 2011 wird aufgehoben und
die Löschung der Marke 306 53 608 angeordnet.
Der Beschwerdegegner beantragt zuletzt:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Er verteidigt die Entscheidung der Markenabteilung, der dortigen Begründung
werde vollumfänglich zugestimmt und sie werde zum eigenen Vortrag gemacht.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, in der Sache aber nicht begründet.
1. Die Voraussetzungen für eine Löschung der angegriffenen Marke wegen bös-
gläubiger Anmeldung nach §§ 50 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG sind nicht
gegeben. Die Markenabteilung hat den zulässigen Löschungsantrag deshalb zu
Recht zurückgewiesen.
a) Dass die Antragstellerin ihren Löschungsantrag erst im November 2010, also
knapp dreieinhalb Jahre nach Eintragung der verfahrensgegenständlichen Mar-
ke beim DPMA eingereicht hat, kann ihr nicht entgegengehalten werden. Der
Löschungsantrag nach Abs. 2 Nr. 10 MarkenG wegen bösgläu-
biger Anmeldung ist nicht fristgebunden, was sich aus einem Umkehrschluss
aus der Regelung des § 50 Abs. 2 Satz 2 MarkenG ergibt (vgl. Kirschneck in
- 11 -
Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Auflage, § 50 Rn. 18). Ungeachtet des
Umstands, dass im Hinblick auf diese Spezialregelung eine Anwendung der all-
gemeinen Grundsätze der Verwirkung kennzeichenrechtlicher Ansprüche in der
Regel ausgeschlossen ist, wäre für eine Verwirkung des Löschungsanspruchs
aber ohnehin nichts ersichtlich. Denn nach ihrem unbestrittenen Vortrag hat die
Antragstellerin erst kurz vor ihrer Berechtigungsanfrage vom Oktober 2010 von
der Eintragung der angegriffenen Marke Kenntnis erlangt und dann zeitnah im
November 2010 Löschungsantrag gestellt.
b) Für sämtliche absoluten Löschungsgründe nach § 50 Abs. 1 MarkenG gilt, dass
eine Löschung nur erfolgen kann, wenn das Vorliegen von Eintragungshinder-
nissen in den maßgeblichen Zeitpunkten zweifelsfrei feststeht (BGH
Rn. 18 - smartbook). Mithin muss im Falle der beantragten Lö-
schung wegen Bösgläubigkeit des Anmelders im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 10
MarkenG diese für den insoweit allein maßgeblichen Zeitpunkt der Anmeldung
der Marke (vgl. EuGH GRUR 2009, 763
– Lindt & Sprüngli/Franz Hauswirth;
Ströbele in Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Auflage, § 8 Rn. 847 m. w. N.) mit
der gebotenen Sicherheit festgestellt werden können. Ist dies nach der erfor-
derlichen gründlichen Prüfung sämtlicher von den Beteiligten eingereichten o-
der von Amts wegen zusätzlich ermittelter Unterlagen nicht möglich, z. B. weil
der Sachverhalt nicht (mehr) weiter aufgeklärt werden kann oder hinreichend
sichere Rückschlüsse auf die subjektiven Absichten des Anmelders zum dama-
ligen Zeitpunkt nicht mehr möglich sind, so muss es aufgrund der Feststel-
lungslast der Antragstellerin für die Umstände einer bösgläubigen Anmeldung
bei der Eintragung der angegriffenen Marke sein Bewenden haben (BGH
GRUR 2010, 138 Rn. 48
– ROCHER-Kugel; GRUR 2009, 669 Rn. 32 – POST
II; BPatG, Beschluss vom 13.03.2014, 30 W (pat) 16/12
– VCV; Beschluss vom
08.07.2011, 29 W (pat) 30/10 Kaupmann). So verhält es sich aus den nachfol-
gend dargestellten Gründen im vorliegenden Fall.
- 12 -
c) Nach §§ 50 Abs. 1 i. V. m. 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG wird eine Marke auf Antrag
wegen Nichtigkeit gelöscht, wenn sie bösgläubig angemeldet worden ist. Von
einer Bösgläubigkeit ist dann auszugehen, wenn der Anmelder das angemel-
dete Zeichen nicht als Marke, d. h. als Herkunftshinweis benutzen, sondern die
formale Rechtsstellung als Inhaber des Kennzeichenrechts lediglich zum Zwe-
cke der rechtsmissbräuchlichen oder sittenwidrigen Behinderung Dritter einset-
zen will (vgl. BGH GRUR 2009, 780
– Ivadal).
Ein Anmelder handelt nicht allein deshalb unlauter, weil er weiß, dass ein ande-
rer dasselbe Zeichen für dieselben Waren benutzt, ohne hierfür einen formalen
Kennzeichenschutz erworben zu haben (vgl. EuGH GRUR Int 2013, 792,
Rn. 37 - Malaysia Dairy Industries); ein Vorbenutzungsrecht in diesem Sinne ist
dem Markenrecht fremd. Es müssen vielmehr besondere Umstände hinzutre-
ten, die das Verhalten des Anmelders als wettbewerbswidrig erscheinen lassen.
Derartige Umstände können darin liegen, dass die Markenanmeldung in der
Absicht vorgenommen wird, die Marke nicht selbst zu benutzen, sondern (nur)
andere an ihrer Benutzung zu hindern (vg
- Classe E). Eine bösgläubige Markenanmel-
dung kommt auch dann in Betracht, wenn der Anmelder in Kenntnis eines
schutzwürdigen Besitzstandes des Vorbenutzers ohne zureichenden sachlichen
Grund für gleiche oder ähnliche Waren und/oder Dienstleistungen die gleiche
oder eine zum Verwechseln ähnliche Bezeichnung mit dem Ziel, den Besitz-
stand des Vorbenutzers zu stören, oder in der Absicht, für diesen den Gebrauch
des Zeichens zu sperren, als Kennzeichen hat eintragen lassen, oder dass er
die mit der Eintragung des Zeichens kraft Markenrechts entstehende Sperrwir-
kung zweckfremd als Mittel des Wettbewerbskampfes einsetzt (BGH GRUR
2010, 1034 Rn. 13
– LIMES LOGISTIK; GRUR 2009, 780 Rn. 13 – Ivadal).
Auch wenn auf Seiten des Vorbenutzers ein schutzwürdiger Besitzstand im In-
land noch nicht besteht, kann sich die Bösgläubigkeit der Markenanmeldung
daraus ergeben, dass der Anmelder das Zeichen ohne eigene Benutzungsab-
sicht als Marke hat eintragen lassen, um den Marktzutritt eines Dritten
– insbe-
- 13 -
sondere des Vorbenutzers - zu verhindern (vgl. BGH GRUR 2012, 429
Nr. 10 - Simca m. w. N.). Die Absicht, die Marke zweckfremd als Mittel des
Wettbewerbskampfes einzusetzen, braucht dabei nicht der einzige Beweggrund
für die Anmeldung zu sein; vielmehr reicht es aus, wenn diese Absicht das we-
sentliche Motiv war (BGH - AKADEMIKS;
- EROS). Daher wird die Annahme der Bösgläubigkeit nicht
schon durch die Behauptung oder den Nachweis eines eigenen Benutzungs-
willens ausgeschlossen.
Die Feststellung, ob der Anmelder die Eintragung der Marke bösgläubig bean-
tragt hat, erfordert eine Beurteilung aller sich aus den relevanten Umständen
des Einzelfalls ergebenden Anhaltspunkte Rn. 37, 51-
53 - Lindt & Sprüngli / Franz Hauswirth). Soweit der einheitliche nationale und
gemeinschaftsrechtliche Begriff der Bösgläubigkeit der Anmeldung eine subjek-
tive Einstellung des Anmelders im Sinne einer unredlichen oder sonstigen un-
lauteren Motivs voraussetzt, ist darauf aus den relevanten objektiven Umstän-
den zu schließen (BGH a. a. O. Rn 18
– Ivadal).
d) Bei Anwendung vorgenannter Grundsätze kann die Markenanmeldung nicht als
bösgläubig eingestuft werden.
Der Beschwerdegegner hat am 1. September 2006 das Wortzeichen
„BiM-
Markt
“ angemeldet. Dieses ist mit der ausländischen Marke bzw. dem Unter-
nehmensschlagwort der Beschwerdeführerin
„BIM“ verwechselbar ähnlich,
denn der weitere Wortbestandteil „Markt“ ist – jedenfalls für die Einzelhandels-
dienstleistungen - unmittelbar beschreibend. Die angemeldeten und für die an-
gegriffene Marke geschützten Einzelhandelsdienstleistungen mit Lebensmitteln
sind identisch zu den Dienstleistungen, für die die Beschwerdeführerin
– eine
türkische Einzelhandelskette im Bereich Lebensmittelvertrieb - in der Türkei ihr
Kennzeichen BIM nutzt und nutzte. Die streitgegenständliche Marke vermag
daher eine Sperrwirkung zu entfalten. Die übrigen angegriffenen Dienstleistun-
- 14 -
gen „Werbung; Geschäftsführung; Büroarbeiten“ liegen allerdings schon nicht
im Ähnlichkeitsbereich zu dem vorbenutzten Zeichen (vgl. BPatG, Beschluss
vom 16.04.2014, 29 W (pat) 547/13
– BioGourmet). Zwar ist das Zeichen „BIM“
in der Türkei wie auch die IR-Marke 938 106 für Werbedienstleistungen ge-
schützt. Es ist aber weder von der Beschwerdeführerin vorgetragen worden
noch ansonsten erkennbar, dass das Zeichen BIM in der Türkei für diese weite-
ren Dienstleistungen der Klasse 35 tatsächlich in relevantem Umfang zum hier
maßgeblichen Anmeldezeitpunkt vorbenutzt worden wäre.
Der Senat geht davon aus, dass der Beschwerdegegner das - unstreitig bisher
nur in der Türkei benutzte - Kennzeichen für die Einzelhandelskette bei Mar-
kenanmeldung auch kannte. Hierfür spricht nicht zuletzt, dass er auf seinem
Ladengeschäft sogar das farbige Logo des türkischen Zeichens verwendete.
Zudem hat der Antragsgegner zwar geltend gemacht, dass das Zeichen in
Deutschland
– auch in der türkeistämmigen Bevölkerung - keine Bekanntheit
besitze, die eigene Kenntnis von der Vorbenutzung durch die Beschwerdeführe-
rin hat er jedoch nicht bestritten.
Diese Umstände allein können - wie oben ausgeführt - eine Bösgläubigkeit nicht
begründen. Denn besondere Schutzregelungen für ausländische Kennzeichen,
die allein auf die Kenntnis oder das Kennenmüssen einer ausländischen Marke
abstellen, sind nicht zulässig (EuGH GRUR-Int. 2013, 792 Rn. 29 und Rn. 41 ff.
– Malaysia Dairy Industries; Ströbele in Ströbele/Hacker, a. a. O., § 8 Rn. 884
a. E.). Als besondere Umstände, die zur Kenntnis von der Benutzung im Aus-
land hinzutreten und das Verhalten des Anmelders als bösgläubig erscheinen
lassen können, kommen wegen des markenrechtlichen Territorialitätsgrundsat-
zes nur solche Sachverhalte in Betracht, die einen hinreichenden Inlandsbezug
haben. An solchen weiteren Voraussetzungen fehlt es vorliegend.
aa) Von einer Ausnutzung oder Störung eines inländischen Besitzstandes der
Beschwerdeführerin kann nicht ausgegangen werden. Denn zum Anmeldezeit-
- 15 -
punkt am 1. September 2006 bestand kein solch schutzwürdiger Besitzstand
der Beschwerdeführerin als Vorbenutzerin.
Die Annahme eines schutzwürdigen Besitzstandes setzt eine durch hinrei-
chende Marktpräsenz folgende Bekanntheit der Kennzeichnung im Inland vo-
raus (Ströbele in Ströbele/Hacker, a. a. O. § 8 Rn. 877; Ingerl/Rohnke, Mar-
kenG, 3. Auflage, § 8 Rn. 308). Wer einen (eigenen) Besitzstand geltend macht,
hat dessen Voraussetzungen spezifiziert darzulegen und
– jedenfalls wenn dies
wie vorliegend bestritten wird
– auch zu beweisen.
Eine Benutzung im Inland ist, was unstreitig ist, bisher nicht erfolgt.
Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin verfügte sie nicht schon al-
lein deshalb über einen Besitzstand im Inland, weil es sich in der Türkei bei
„BIM“ um ein sehr bekanntes, wertvolles Zeichen handelte. Die Beschwerdefüh-
rerin macht in diesem Zusammenhang geltend, dass eine Bekanntheit der Mar-
ke bei einem großen und klar definierten Teil der Bevölkerung im Inland zur Be-
gründung eines schutzwürdigen Besitzstandes im Inland führe, was insbe-
sondere dann gelte, wenn durch die Marke gerade diese Bevölkerungsgruppe
angesprochen werde und diese Bevölkerungsgruppe daher als maßgeblicher
Verkehrskreis angesehen werden müsse. Selbst wenn man der Auffassung
folgt, dass ein schutzwürdiger Besitzstand ohne Benutzung bzw. Marktpräsenz
im Inland auch dadurch entstehen kann, dass das Zeichen im Hinblick auf eine
überragende Verkehrsbekanntheit im Ausland auch im Inland eine gewisse Be-
kanntheit erreicht hat bzw. einen Werbewert besitzt (so z. B. v. Gamm in Bü-
scher, Dittmer, Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz Urheberrecht Medienrecht,
3. Auflage, Teil 1 Kapitel 3 Rn. 94; Fezer, Markenrecht 4. Auflage, § 8 Rn. 669;
Bous in HK-MarkenR, 3. Auflage, § 50 Rn. ), kann eine solche Fallgestaltung
vorliegend nicht bejaht werden.
- 16 -
Der Senat geht zwar davon aus, dass es sich bereits zum maßgeblichen An-
meldezeitpunkt bei dem
Kennzeichen „BIM“ der Beschwerdeführerin um ein in
der Türkei wertvolles Kennzeichen handelte. Eine Marke mit Weltgeltung oder
eine Notorietätsmarke liegt im Übrigen nicht vor. Die Beschwerdeführerin hat
aber ausreichend belegt
, dass der Bezeichnung „BIM“ angesichts der genann-
ten Filialzahlen (1.454 im Jahr 2006, Bl. 17 d. A.), der Umsatzzahlen
(ca. 1.180 Mio. Euro in 2006, Bl. 17 d. A.) und der Werbeausgaben (ca.
3,5 Mio. Euro, Bl. 18 d. A.) schon 2006 eine hohe Verkehrsbekanntheit auf dem
türkischen Markt zukam. Darüber hinaus hat die Beschwerdeführerin einen Be-
scheid bzw. Beschluss des Türkischen Patent-Institutes, Amt für Marken, vor-
gelegt, in dem festgestell
t wurde, dass die Marke „BIM“ in der Türkei für Einzel-
handelsdienstleistungen sehr bekannt ist. Der Beschluss datiert auf den
16. Mai 2008, er lässt aber durchaus Rückschlüsse auf eine hohe Verkehrs-
geltung schon im Jahr 2006 zu.
Die Beschwerdeführerin meint, dass eine sehr hohe Bekanntheit unter der tür-
kischen/türkischstämmigen Bevölkerung in Deutschland rein rechnerisch auch
zu einer gewissen Bekanntheit innerhalb der Gesamtbevölkerung und daher zur
Bejahung eines schutzwürdigen inländischen Besitzstands führe. Davon kann
aber vorliegend nicht ausgegangen werden. Es liegt zwar durchaus nahe, dass
die hohe Bekanntheit des Zeichens BIM in der Türkei zumindest auf Teile der
türkischen/türkischstämmigen Bevölkerung in Deutschland ausstrahlt, was aber
schon nicht zwangsläufig die
Annahme einer „sehr hohen Bekanntheit in dieser
Bevölkerungsgruppe“ – wie es die Beschwerdeführerin pauschal behauptet –
rechtfertigt; eine solche Schlussfolgerung wäre zu weitgehend. Überdies hat der
Beschwerdegegner eine entsprechende Bekanntheit in Deutschland auch in
diesem Bevölkerungsanteil ausdrücklich bestritten. Nachweise, denen zu ent-
nehmen ist, ob und in welchem Umfang das Zeichen BIM tatsächlich im Inland
bei diesen Verkehrskreisen bekannt ist, hat die Beschwerdeführerin jedenfalls
nicht vorgelegt.
- 17 -
Schließlich sind entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin als maßgeb-
liche - potentielle - inländische Verkehrskreise für Einzelhandelsdienstleistun-
gen mit Lebensmitteln nicht nur die in Deutschland lebenden türkischen bzw.
türkeistämmigen Abnehmer anzusehen - ca.
… Mio. türkische Staatsbürger
bzw. ca.
… Mio. türkeistämmige Menschen im Jahr 2006 in Deutschland bei
ca.
… Mio. Gesamtbevölkerung -, sondern alle inländischen Verbraucher; es
kommt daher nicht nur auf die Kenntnis des türkischstämmigen Endverbrau-
chers in Deutschland an. Die Einschränkung auf einen ganz bestimmten Ver-
kehrskreis wäre allenfalls dann gerechtfertigt, wenn feststellbar ist, dass der
Gebrauch des Kennzeichens gegenüber einem objektiv abgrenzbaren Ver-
kehrskreis erfolgt, wie etwa der allgemeine Verkehr und Fachkreise oder unter-
schiedliche Sprachkreise (vgl. BGH GRUR 2015, 587 Rn. 23 - Pinar; BGH,
GRUR 2013, 752 Rn. 32 - Duff Beer). Innerhalb eines einzigen Verkehrskreises
scheidet dagegen eine gespaltene Verkehrsauffassung aus (vgl. BGH, GRUR
2013, 631 Rn. 64 - AMARULA/Marulablu). Die Beschwerdeführerin hat aber
noch nicht einmal konkret behauptet, dass das von ihren Einzelhandelsdienst-
leistungen betroffene Sortiment
– auch bei einer Expansion in andere Märkte –
nur auf türkische/türkeistämmige Endkunden ausgerichtet ist bzw. werden soll
oder nur spezielle türkische Lebensmittel (z. B. zubereitet mit besonderem Ge-
schmack oder nach Halal-Vorschriften) betrifft. Ohne konkrete Anhaltspunkte
liegt eine derartige Beschränkung für eine Supermarktkette
– gerade wegen der
auch von der Beschwerdeführerin aufgeführten hohen Kosten des Aufbaus von
eigenen Infra- und Vertriebsstrukturen
– nicht ohne weiteres nahe.
Der Bekanntheitsgrad und damit Werbewert des ausländischen Kennzeichens
in Deutschland wären daher nach alledem zur Bejahung eines inländischen Be-
sitzstands ohnehin zu gering.
bb) Auch ein wettbewerbsrechtlich zu beanstandender Eingriff in einen wert-
vollen ausländischen Besitzstand ist nicht zu bejahen. Dies setzte voraus, dass
die im Ausland erfolgte Benutzung dort zu einer überragenden Verkehrsgeltung
- 18 -
und damit zu einem wertvollen ausländischen Zeichen geführt hat. Außerdem
ist erforderlich, dass einerseits der inländische Anmelder weiß oder wissen
muss, dass das Zeichen im Ausland benutzt wird, und dass andererseits der
ausländische Nutzer die Absicht hat, es in absehbarer Zeit auch im Inland ein-
zusetzen. Diese Absicht muss dem inländischen Anmelder bekannt sein oder
sich ihm zumindest aufdrängen (vgl. Ströbele in Ströbele/Hacker, MarkenG,
11. Aufl., § 8 Rn. 884 m. w. N.).
Es lässt sich schon nicht feststellen, dass die Antragstellerin im Zeitpunkt der
Anmeldung der angegriffenen Marke im September 2006 eine Auslandsexpan-
sion in den deutschen Markt in absehbarer Zeit konkret beabsichtigte oder in
einer für die Entscheidung des Rechtsstreits beachtlichen Weise hierfür ent-
sprechende Vorkehrungen getroffen bzw. ernsthafte Schritte unternommen hat.
Entsprechendes hat die Beschwerdeführerin im Übrigen noch nicht einmal be-
hauptet. Jedenfalls fehlt es an einem substantiierten, aussagekräftigen Vortrag
hierzu.
Der Umstand, dass die Beschwerdeführerin mittlerweile
– also nach dem hier
relevanten Zeitpunkt
– ins Ausland, nämlich im Jahr 2010 mit 19 Filialen nach
Marokko expandiert hat und im Jahr 2013 Expansionsabsichten offenbar auch
für Ägypten vorlagen (vgl. den in der mündlichen Verhandlung übergebenen Ar-
tikel vom 16.03.2013: „Aufbruchsstimmung: Türkische Kette BIM will sich in
Ägypten etablieren“), lässt keine Rückschlüsse auf eine entsprechende Expan-
sionsabsicht auch für den
– mit Discountern gesättigten – deutschen Markt für
das Jahr 2006 oder konkret für die folgenden Jahre zu. Medienartikel, in denen
eine Expansionsabsicht nach Deutschland vor oder auch zum Anmeldezeit-
punkt thematisiert wurden oder auf eine solche hindeuten würden, wurden we-
der vorgelegt noch konnten solche ermittelt werden. Auch die internationale
Schutzerstreckung der türkischen Basismarke „BIM“ unter anderem auf
Deutschland (IR 938 106)
– gegen die der Antragsgegner im Übrigen keinen
Widerspruch eingelegt hatte
– ist unbehelflich, weil diese Registrierung erst am
- 19 -
7. Juni 2007, also nach dem maßgeblichen Zeitpunkt der streitgegenständli-
chen Markenanmeldung, erfolgte.
Soweit sich die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang auf die Ent-
scheidung des BGH in Sachen „Akademiks“ (GRUR 2008, 621) beruft, ist diese
Fallgestaltung mit der streitgegenständlichen nicht vergleichbar. Der BGH hatte
ausgeführt, dass es der Lebenserfahrung entspricht, dass gerade im Modebe-
reich auf dem US-amerikanischen Markt erfolgreiche Produkte auch in Deutsch-
land vermarktet werden.
Zwar entspricht es den üblichen Gepflogenheiten im Geschäftsverkehr, sich zu-
nächst im Heimatmarkt zu etablieren, ehe weitere Märkte erschlossen werden.
In der hier betroffenen Einzelhandelsbranche lässt sich jedoch nicht die Fest-
stellung treffen, dass ausländische Einzelhandelsketten ab einer bestimmten
Bekanntheit im Heimatmarkt üblicherweise nach Deutschland expandieren. Erst
recht kann nicht generell unterstellt werden, dass jederzeit mit einer Aus-
landsexpansion von erfolgreichen Supermarktketten zu rechnen ist; vielmehr
sprechen gerade die hohen Kosten des Aufbaus von eigenen Infra- und Ver-
triebsstrukturen und die Sättigung des deutschen Marktes im Discounterbereich
gegen eine solche Annahme. Die von der Beschwerdeführerin angeführten Bei-
spiele von A
…, M… und W… sind hier wenig hilfreich, weil es sich
um Einzelfälle handelt, die Rückschlüsse auf ein typisches Marktverhalten und
eine Branchenüblichkeit nicht zulassen. Lediglich W
… hat zudem aus dem
amerikanischen Heimatmarkt in den deutschen Markt expandiert und dabei im
Jahr 2006 auch zehn Jahre nach seinem Markteintritt fast keine Rolle gespielt.
Anders als in der Modebranche waren die Erfolgschancen für die erfolgreiche
Etablierung ausländischer Discounter nach diesem Misserfolg deutlich geringer
einzuschätzen.
Auch die Tatsache, dass in Deutschland viele türkische/türkischstämmige Mit-
bürger leben und erfolgreiche türkische Lebensmittelprodukte regelmäßig nach
- 20 -
Deutschland importiert und dort über türkische Lebensmittelläden vertrieben
werden, lässt nicht den Schluss zu, allein deshalb müsste mit einer entspre-
chenden Absicht von erfolgreichen türkischen Einzelhändlern stets gerechnet
werden mit der Folge, dass sich dies dann auch den Marktteilnehmern aufdrän-
gen müsse; soweit dies die Beschwerdeführerin pauschal behauptet, ist dem
nicht zu folgen.
Ausgehend hiervon lag für den Anmelder und Antragsgegner zum maßgebli-
chen Zeitpunkt nicht die Annahme nahe, dass die schon seit 1995 auf dem tür-
kischen Markt tätige Antragstellerin ihr Dienstleistungsangebot alsbald auch
nach Deutschland ausweiten würde.
cc) Gegen eine bösgläubige Anmeldung spricht zudem die eigene Benutzung
des Zeichens durch den Beschwerdegegner. Es ist nichts dafür erkennbar,
dass diesem von vornherein ein ernsthafter Benutzungswille gefehlt hätte.
Vielmehr betreibt er nach unbestrittenem Vortrag nach wie vor einen eigenen
Lebensmittelmarkt in Worms und hat damit seinen ernsthaften Benutzungswil-
len dokumentiert.
dd) Auch der weitere Vortrag der Beschwerdeführerin bietet keine Anhalts-
punkte für eine Bösgläubigkeit. Der vorliegende Fall ist mit der von der Be-
schwerdeführerin
zitierten Entscheidung des EuG in Sachen „Simca“ (GRUR
Int. 2014, 1047 ff.)
– ungeachtet der Frage, ob die Ausführungen des EuG
überhaupt überzeugen - nicht vergleichbar; denn bei dem Zeichen Simca han-
delte es sich um eine bis Ende der 1970iger Jahre in Europa intensiv benutzte
und sehr bekannte Marke, der trotz fehlender Benutzung immer noch eine
(Rest)Bekanntheit zuerkannt und dem Anmelder einer gleichlautenden Ge-
meinschaftsmarke daher die Ausnutzung der Wertschätzung vorgeworfen wur-
de. Ohnehin hat das Bundespatentgericht in dem Beschwerdeverfahren be-
treffend einen vom DPMA zurückgewiesenen Löschungsantrag gegen die pa-
rallel angemeldete, nationale
Marke „Simca“ die Sache anders als das EuG be-
- 21 -
urteilt und eine bösgläubige Anmeldung nicht bejaht (BPatG, Beschluss vom
11.04.2011, 28 W (pat) 13/10
– Simca; bestätigt durch BGH GRUR 2012,
429 ff.). Soweit die Beschwerdeführerin schließlich zwei Urteile des Türkischen
Patentinstituts vorlegt, wonach jedenfalls in der Türkei in Deutschland bekannte
Marken geschützt würden, führt dies im vorliegenden Streitfall nicht zu einem
für sie günstigeren Ergebnis. Denn diese Entscheidungen betreffen schon keine
Löschungsverfahren wegen bösgläubiger Anmeldung, sondern Widerspruchs-
verfahren
; gegen die Anmeldung der Zeichen „aldi´s“ und „aldi“ beim Türki-
schen Patentinstitut durch die hiesige Beschwerdeführerin hatte die Firma A
aus ihren zwei älteren türkischen und dort sehr bekannten Marken Widerspruch
eingelegt, die streitgegenständliche Fallgestaltung ist hiermit nicht vergleichbar.
Dass es dem Markeninhaber zum Anmeldezeitpunkt in subjektiver Hinsicht aus-
schließlich oder vorwiegend um die rechtsmissbräuchliche Ausnutzung oder Stö-
rung der Antragstellerin ging, steht daher nach der erforderlichen Gesamtwürdi-
gung der maßgeblichen Umstände nicht fest. Es liegen keine ausreichenden An-
haltspunkte für eine bösgläubig erfolgte Anmeldung vor.
Die Beschwerde war nach alledem zurückzuweisen.
2. Zur Auferlegung von Kosten auf einen Beteiligten aus Billigkeitsgründen gemäß
§ 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG besteht kein Anlass.
Grundsätzlich hat jeder Verfahrensbeteiligte seine Kosten selbst zu tragen. Eine
Kostenauferlegung auf einen der Beteiligten kommt nur dann in Betracht, wenn
dies aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalles der Billigkeit entspricht.
Solche besonderen Umstände können nicht in der Tatsache des Unterliegens
oder Obsiegens gesehen werden. Vielmehr müssen darüber hinaus besondere
Umstände vorliegen, die eine Kostenauferlegung nach billigem Ermessen als
angebracht erscheinen lassen, z. B. dann, wenn ein Verhalten eines Verfah-
- 22 -
rensbeteiligten vorliegt, das mit der prozessualen Sorgfalt nicht zu vereinbaren
ist. Da eine bösgläubige Markenanmeldung nicht festgestellt werden kann, be-
stand keine Veranlassung, dem Inhaber der angegriffenen Marke die Kosten
des Verfahrens aufzuerlegen. Der Antragstellerin und Beschwerdeführerin wa-
ren gleichfalls die Kosten nicht aufzuerlegen, weil nicht von vornherein erkenn-
bar war, dass der Löschungsantrag nicht zum Erfolg führen konnte. Ein grob
sorgfaltswidriges Einschätzen der Rechtssituation kann der Antragstellerin nicht
vorgeworfen werden.
3. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde war nicht geboten. Eine Rechtsfrage von
grundsätzlicher Bedeutung steht nicht im Raum (§ 83 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG). Auch
ist die Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts oder zur Siche-
rung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht als erforderlich zu erachten (§ 83
Abs. 2 Nr. 2 MarkenG). Die der Entscheidung zugrundeliegenden Beurteilungsmaß-
stäbe entsprechen der im Eingang zitierten langjährigen Rechtsprechung des BGH.
Die Fragen einer bösgläubigen Anmeldung im Zusammenhang mit ausländischen
Kennzeichen bzw. der Behinderung ausländischer Konkurrenz sind im Grundsatz
geklärt. Vorliegend handelt es sich um die Gesamtwürdigung aller Umstände im kon-
kreten Einzelfall.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel der
Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statt-
haft, wenn gerügt wird, dass
1.
das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2.
bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richter-
amtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit
Erfolg abgelehnt war,
3.
einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
- 23 -
4.
ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, so-
fern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zuge-
stimmt hat,
5.
der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die
Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder
6.
der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
Die Rechtsbeschwerdeschrift muss von einer beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsan-
wältin oder von einem beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet und
innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herren-
straße 45a, 76133 Karlsruhe eingereicht werden. Die Frist ist nur gewahrt, wenn die Rechtsbe-
schwerde vor Fristablauf beim Bundesgerichtshof eingeht. Die Frist kann nicht verlängert werden.
Dr. Mittenberger-Huber
Uhlmann
Akintche
Hu