Urteil des BPatG vom 16.03.2016

Geographische Herkunftsangabe, Burg, Beschreibende Angabe, Stadt

BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
28 W (pat) 531/13
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 30 2013 020 605.3
hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts im
schriftlichen Verfahren am 16. März 2016 unter Mitwirkung des Vorsitzenden
Richters Prof. Dr. Kortbein, der Richterin Uhlmann und des Richters am
Landgericht Dr. Söchtig
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beschlossen:
Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 29 des Deutschen
Patent- und Markenamtes vom 2. Juli 2013 wird aufgehoben.
G r ü n d e
I.
Das Wortzeichen
Burgkäse
ist am 6. März 2013 zur Eintragung als Marke in das bei dem Deutschen Patent-
und Markenamt (DPMA) geführte Register für die folgenden Waren der
Klasse 29:
Milch- und Milchprodukte, insbesondere Käse und
Käsezubereitungen
angemeldet worden.
Mit Beschluss vom 2. Juli 2013 hat die Markenstelle für Klasse 29 die Anmeldung
gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG wegen fehlender Unterscheidungskraft
und Bestehen eines Freihaltebedürfnisses vollständig zurückgewiesen.
Zur Begründung hat sie ausgeführt, das Anmeldezeichen werde als geogra-
phischer Herkunftshinweis auf die angemeldeten Waren in dem Sinne verstanden,
dass diese aus einer Stadt namens Burg stammten. Es enthalte den Wort-
bestandteil „Burg“, der der Name mehrerer Städte in Deutschland sei. Der Name
der Kreisstadt des Landkreises Jerichower Land in Sachsen-Anhalt laute Burg,
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ferner gebe es die Stadt Burg an der Wupper südlich von Remscheid und die
Stadt Burg Stargard süd-östlich von Neubrandenburg. Der weitere Wortbestandteil
„Käse“ bezeichne ein aus Milch (von Kühen, Schafen oder Ziegen) hergestelltes
Nahrungsmittel, das als Brotbelag, -aufstrich oder Käsezubereitung gegessen
werde. Als Gesamtheit könne das Anmeldezeichen deshalb zur Beschreibung von
Käse und Käsezubereitungen und deren Grundstoffen dienen, die von einem
Unternehmen mit Geschäftssitz in der Stadtregion „Burg“ erzeugt, hergestellt oder
vertrieben werden könnten. Die genannten Stadtregionen erschienen aufgrund
ihrer ländlichen Struktur für die Erzeugung, die Produktion und den Vertrieb von
Nahrungsmitteln wie Käse auch geeignet. Zudem werde das Wortzeichen schon
von Konkurrenzanbietern branchenüblich verwendet, was ein starkes Indiz für
seine Schutzunfähigkeit sei.
Zudem fehle dem Anmeldezeichen jegliche Unterscheidungskraft. Es erschöpfe
sich in einer eng beschreibenden Sachinformation hinsichtlich der Art, Be-
schaffenheit und geographischen Produktions-/Vertriebstätte der angebotenen
Waren bzw. des schwerpunktmäßigen Geschäftsbetriebs der Anmelderin. Ihm
fehle es an kennzeichnungskräftigen Bestandteilen wie Originalität, Prägnanz,
Merkfähigkeit oder Interpretationsbedürftigkeit. Auf Voreintragungen könne sich
die Anmelderin nicht berufen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie sinngemäß
beantragt,
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 29 des Deutschen
Patent- und Markenamtes vom 2. Juli 2013 aufzuheben.
Sie trägt vor, das Anmeldezeichen enthalte keine geographische Herkunfts-
angabe. Der angesprochene Verbraucher werde das Element „Burg“ in dem
Anmeldezeichen nicht als Hinweis auf eine bestimmte Stadt mit dem Namen
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„Burg“ verstehen. Eine Burg sei für den Verbraucher eine Burg, also ein
geschlossener bewohnter Wehrbau, und keine geographische Herkunftsangabe.
Zudem würden geographische Herkunftshinweise bei Lebensmitteln üblicherweise
dadurch ausgedrückt, dass die geographische Angabe mit der Endung „-er“
versehen und in adjektivischer Form der Benennung des Lebensmittels voran-
gestellt werde, wie bei Frankfurter Würstchen, Wiener Schnitzel, Dresdner Stollen,
Allgäuer Emmentaler etc. Eine Zusammenziehung zu einem einzigen Wort sei
nicht üblich. Um deshalb als geographische Herkunftsangabe aus einer Stadt Burg
wahrgenommen zu werden, müsse die Bezeichnung deshalb „Burger Käse“ und
nicht „Burgkäse“ heißen. Entsprechend werde unter einem „Burgfräulein“ auch
keine ledige Dame aus der Stadt Burg verstanden und unter einem „Burgverlies“
kein Gefängnis der Stadt Burg etc. Zudem seien die von der Markenstelle
aufgeführten Orte und Stadtteile derart klein und unbekannt, dass der Durch-
schnittsverbraucher von ihnen keine Kenntnis habe.
Ein Freihaltebedürfnis bestehe auch nicht wegen einer branchenüblichen Ver-
wendung des Zeichens, eine solche existiere nicht. Die diesbezügliche Recherche
des Amtes sei ungenügend. Die Erwähnung des
Begriffs „Burg“ in dem Be-
standteil „Soltauer Burgkäse“ zeige gerade, dass der Wortbestandteil „Burg“ nicht
auf eine bestimmte Stadt, sondern auf eine Wehranlage hinweise. Auch das
Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft sei nicht gegeben, da der
Begriff als geographische Herkunftsangabe aus den genannten Gründen
ausscheide.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Der Eintragung des Anmeldezeichens
stehen keine Schutzhindernisse gemäß § 8 MarkenG entgegen, insbesondere
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besteht an ihm weder ein Freihaltebedürnis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG,
noch fehlt ihm jegliche Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.
1. Ein Freihaltebedürfnis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG kann an dem
Einwortzeichen „Burgkäse“ für die beanspruchten Waren der Klasse 29 „Milch und
Milchprodukte, insbesondere Käse und Käsezubereitungen“ nicht festgestellt
werden. Nach dieser Vorschrift sind von der Eintragung solche Marken aus-
geschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im
Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestim-
mung, des Wertes, der geographischen Herkunft, der Zeit der Herstellung oder
sonstiger Merkmale der Waren dienen können.
Das Wortzeichen „Burgkäse“ ist nicht geeignet, als geografische Herkunftsangabe
der angemeldeten Waren zu dienen. Es besteht aus einer Kombination des
vorangestellten Wortbestandteils „Burg“ mit der glatt beschreibenden Waren-
angabe „Käse“ in einem einzigen Wort. Unter einer Burg versteht man einen
befestigten Wohn- und Verteidigungsbau mittelalterlicher Feudalherren (Duden,
Deutsches Universalwörterbuch, 4.
Aufl., Mannheim 2001). Daneben ist „Burg“ der
Name mehrerer Ortschaften in Deutschland, nämlich der Stadt Burg in Sachsen-
Anhalt mit rund 23.000 Einwohnern, einer Gemeinde im Landkreis Bernkastel-
Wittlich mit rund 400 Einwohnern, der Gemeinde Burg (Dithmarschen) in
Schleswig-Holstein mit etwas über 4.000 Einwohnern und der Gemeinde Burg
(Spreewald) in Brandenburg mit rund 4.300 Einwohnern. Die genannten Orte sind
kleine Gemeinden ohne bundesweite Bekanntheit. Zwar ist es nicht ausge-
schlossen, dass sie als Herstellungsort für die Milch- und Käseproduktion
gegenwärtig oder in Zukunft in Frage kommen. In der angemeldeten Wort-
schöpfung tritt jedoch das Verständnis des Wortelements „Burg“ im Sinne eines
Ortsnamens zurück. Denn der Begriff „Burgkäse“ fügt sich nicht in die gewöhnliche
Wortbildung von geografischen Herkunftsangaben für Lebensmittel und insbe-
sondere Milcherzeugnisse ein. Diese werden, worauf die Anmelderin zutreffend
hinweist, durch die Voranstellung des geografischen Namens in adjektivischer
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Form gebildet, wie zum Beispiel Harzer Käse, Hessischer Handkäse, Nieheimer
Käse, Altenburger Ziegenkäse, Allgäuer Emmentaler, Allgäuer Bergkäse, Pinz-
gauer Bierkäse, Gailtaler Almkäse etc. (zu Benennungen von Käsesorten im
Einzelnen Joseph Kammerlehner, Käsetechnologie, Gotha 2012, S. 450 ff.). Die
Verbindung eines Stadtnamens mit dem Warenbegriff in einem einzigen Wort ist
dagegen völlig unüblich. Deshalb steht das Verständnis des Begriffs „Burg“ im
Sinne einer Befestigungsanlage im Vordergrund, zumal der allgemeine Ver-
braucher an vergleichbare Wortbildungen in dieser Bedeutung gewöhnt ist, wie
Burgbrunnen, Burgherr, Burgfried, Burgfräulein oder Burghof. In der konkreten
Kombination werden die Verbraucher wie der Fachverkehr die Wortschöpfung
nicht als Hinweis auf die Herkunft des Käses aus einer bestimmten Stadt oder
Region mit Namen Burg verstehen, sondern einen Zusammenhang zwischen dem
Warenbegriff und einer mittelalterlichen Wehr- und Befestigungsanlage herstellen.
In dieser Bedeutung ist der Begriff jedoch keine beschreibende Angabe für Käse.
Die Annahme, dass der mit dem Begriff bezeichnete Käse auf einer Burg
hergestellt ist, liegt fern, da Burgen zwar als Touristenattraktionen dienen, aber
nicht als Herstellungsorte von Milchprodukten, zumal sie in der Regel nur noch als
Ruinen oder Kulturdenkmäler existieren. Auch eine Tradition, Käse auf Burgen
herzustellen, existiert nicht. Anders als die vergleichbaren Begriffe „Berg-“ oder
„Höhlen-“, die im Zusammenhang mit dem Begriff „Käse“ die Sachaussage
dahingehend vermitteln können, dass die Milch für die Käseproduktion aus einer
Bergregion stammt (Brigitte Engelmann, Das Feinschmeckerhandbuch Käse,
Berlin 2006, S. 54) oder der Käse in Höhlen gereift ist, und damit einen
Qualitätshinweis enthalten, vermittelt der Begriff „Burg“ dem Verbraucher auch
keinen Hinweis auf eine Zutatenqualität, ein besonderes Herstellungsverfahren,
eine bestimmte Rezeptur oder ein sonstiges Merkmal, wie etwa die Form der
Waren. Es wird allenfalls eine unklare und vage Assoziation mit Tradition und Adel
hervorgerufen, ohne dass die Ware dadurch näher beschrieben wird.
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Aus dem von der Markenstelle herangezogenen Beleg „Soltauer Burgkäse“ (vgl.
https://www.waltmann.de) ergibt sich ebenfalls keine abweichende Beurteilung.
Hier wird der Begriff „Burgkäse“ namensmäßig verwendet. Der Käse wird als
halbfester Schnittkäse aus der Lüneburger Heide - worauf der adjektivisch
gebrauchte
Stadtnamen „Soltauer“ hinweist - aus Rohmilch beschrieben. Ein
Sachbezug zu einer Burg lässt sich auch aus den weiteren Produktinformationen
nicht entnehmen.
Das Anmeldezeichen ist deshalb als unmittelbar beschreibende Angabe nicht
geeignet.
2. Auch das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft gemäß § 8
Abs. 2 Nr. 1 MarkenG steht der Eintragung nicht entgegen. Denn das Anmelde-
zeichen „Burgkäse“ enthält, wie bereits dargelegt, keinen beschreibenden Be-
griffsinhalt für die beanspruchten Waren. Auch ein sonstiger enger beschreibender
Bezug ist zu ihnen nicht erkennbar.
Deshalb kann dem Anmeldezeichen - wenn es auch einen stark beschreibenden
Anklang hat - die Eignung als betrieblicher Herkunftshinweis nicht abgesprochen
werden. Der angegriffene Beschluss war aufzuheben.
Dr. Kortbein
Uhlmann
Dr. Söchtig
Me