Urteil des BPatG vom 02.09.2014

Beschreibende Angabe, Begriff, Bebauungsplan, See

BPatG 154
05.11
BUNDESPATENTGERICHT
27 W (pat) 4/14
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Aktenzeichen
Verkündet am
2. September 2014
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
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betreffend die Wortmarke Nr. 302 42 336,
S 213/12 (wg. Löschung),
hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung am 2. September 2014 durch Vorsitzenden Richter
Dr. Albrecht, Richter Hermann und Richter k.A. Schmid
beschlossen:
Auf die Beschwerde wird der Beschluss der Markenabteilung 3.4
des Deutschen Patent- und Markenamts vom 8. November 2013
G r ü n d e
I.
Die am 23. August 2002 angemeldete Wortmarke Nr. 302 42 336
Pullman Ferienpark
wurde am 23. September 2002 für Dienstleistungen der Klassen 35, 41 und 43 in
das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Markenregister eingetragen.
Der Antragsteller hat mit Schriftsatz vom 20. August 2012 die teilweise Löschung
dieser Marke beantragt, nämlich bezogen auf die eingetragene Dienstleistung
„Be-
herbergung von Gästen". Das eingetragene Zeichen sei dafür als geografische
Herkunftsangabe von der Eintragung ausgeschlossen und entbehre überdies jeg-
licher Unterscheidungskraft. Das angegriffene Zeichen diene der Bezeichnung ei-
nes Areals in Eging am See, das im einschlägigen Bebauungsplan aus dem Jahr
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1994 unter der Bezeichnung
„Sondergebiet Pullman Ferienpark" ausgewiesen sei
und auf dem in den Jahren 1996/97 etwa 80 Ferienhäuser errichtet worden seien.
Die Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Marke,
nachdem die Markeninhaberin dem Löschungsantrag wirksam widersprochen
hatte, durch Beschluss vom 8. November 2013 antragsgemäß teilweise gelöscht.
Die angegriffene Marke sei insoweit dem Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2
MarkenG ausgesetzt, weil sie als beschreibende Angabe des Erbringungsortes
der angegriffenen Dienstleistung dienen könne.
Der Begriff "Pullman Ferienpark" sei bereits am Anmelde- und Eintragungstag der
angegriffenen Marke als Bezeichnung eines touristischen Zwecken gewidmeten
Bebauungsgebietes im Ortsteil Ruberting der Marktgemeinde Eging am See ein-
geführt gewesen.
Ein von der Gemeinde als der zur Vergabe von Straßen- oder Ortsnamen zustän-
digen Stelle vergebener Name müsse frei benutzt werden können. Der von der
Antragstellerin vorgelegte Auszug eines Bebauungsplans für ein "Sondergebiet
Pullman Ferienpark" bestätige in Verbindung mit den weiteren vom Antragsteller
beigebrachten Belegen die Vergabe des Namens vor dem Anmeldetag, etwa die
Ankündigung einer diesbezüglichen Beratung des Gemeinderats in der „Passauer
Neue Presse
“ vom 9. Juni 1997 und ferner die Verwendung des Begriffs in Ange-
botsschreiben.
Aufgrund ihres klaren beschreibenden Gehalts fehle der Marke auch jegliche Un-
terscheidungskraft i.S. des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.
Gegen den am 26. November 2013 zugestellten Beschluss richtet sich die am
19. Dezember 2013 eingelegte Beschwerde der Markeninhaberin.
Die Eignung eines Zeichens als geografische Angabe richte sich nach dem Ver-
ständnis der beteiligten Verkehrskreise
, denen die Angabe „Pullman Ferienpark“
ganz überwiegend unbekannt sei. Selbst eine objektiv beschreibende Verwendung
des Zeichens sei nicht nachgewiesen. Anhaltspunkte dafür, dass die Bezeichnung
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als geografische Herkunftsangabe ernsthaft in Betracht komme und benötigt wer-
de, fehlten. Die bloß theoretische Möglichkeit einer solchen Entwicklung genüge
nicht.
Die Verwendung des angegriffenen Zeichens als geografische Bezeichnung sei
nicht erkennbar. Die Markenabteilung sei nicht auf den Umstand eingegangen,
dass eine (unterstellte)
Verwendung des Begriffs „Ferienpark Pullman“ im Bebau-
ungsplan nicht auf die erforderliche Kenntnis der Gemeindeöffentlichkeit und erst
recht nicht von außerhalb oder der Ferne anreisenden Personen schließen lasse.
Die Abteilung habe weiter nicht berücksichtigt, dass nicht die Bezeichnung eines
Ortsteils in Rede stehe, sondern allenfalls diejenige eines baurechtlichen Sonder-
gebiets, die als geografische Angabe unüblich sei, zumal die Angabe "Ruberting"
als eingeführter Ortsname zur Verfügung gestanden habe. Das Publikum kenne
das Zeichen im Hinblick auf die angrenzende "Pullman-City Westernstadt", die von
der Markeninhaberin betrieben werde, allenfalls als betrieblichen Herkunftshin-
weis. Der Beschluss entbehre außerdem einer Feststellung zu beschreibenden
Bedeutung des Zeichens zum Zeitpunkt der Entscheidung.
Die Markeninhaberin beantragt,
den Beschluss der Markenabteilung vom 8. November 2013 auf-
zuheben und den Teillöschungsantrag zurückzuweisen.
Der Löschungsantragsteller beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er hat seinen Antrag in der mündlichen Verhandlung begründet und weitere
Dokumente vorgelegt, die nach seiner Auffassung die Verwendung der Marke als
geografische Angabe zeigen.
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II.
Die zulässige Beschwerde der Markeninhaberin hat Erfolg
. Die Marke „Pullman
Ferienpark“ ist im Umfang der Teillöschung nicht entgegen
eingetragen worden. Die Markenabteilung hat auf den zulässigen Antrag
auf Löschung der Eintragung der Marke wegen Nichtigkeit für den in Rede stehen-
den Teil der Waren deshalb zu Unrecht die Löschung der Eintragung angeordnet
bs. 1, Abs. 2,
1. Der am 20. August 2012 und damit binnen der Frist von 10 Jahren seit der
Eintragung der Marke am 23. September 2002 ge-
stellte und auch sonst zulässige Löschungsantrag greift in der Sache nicht durch.
Der Antrag bezieht sich, wie der Antragsteller in der mündlichen Verhandlung klar-
gestellt hat, ausschließlich auf die Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nrn. 1 und 2
MarkenG.
2. Eine Löschung kann nur erfolgen, wenn das Eintragungshindernis sowohl im
Zeitpunkt der Anmeldung der Marke bestanden hat als auch im Zeitpunkt der Ent-
scheidung über den Löschungsantrag noch besteht
BGH GRUR 2014, 565, 566 Rn. 10
– smartbook). Ist eine solche Feststellung,
auch unter Berücksichtigung der von den Beteiligten vorgelegten und von Amts
wegen zusätzlich ermittelten Unterlagen, nicht möglich, muss es bei der Eintra-
gung der angegriffenen Marke sein Bewenden haben
Salatfix).
a) Nachsind von der Eintragung solche Marken aus-
geschlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die (u.a.) zur Bezeich-
nung der geografischen Herkunft der Waren dienen können. Dabei ist die Eintra-
gung auch dann zu versagen, wenn die fragliche Benutzung als geografische
Herkunftsangabe noch nicht zu beobachten ist, aber eine zukünftige Verwendung
vernünftigerweise zu erwarten ist (vgl. EuRn. 37
– Chiem-
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see; BGH GRUR 2009, 994 Rn. 14 f.
– Vierlinden; BPatG, Beschluss vom
21. Mai 2014, 29 W (pat) 80/11, BRONX).
Zwar kommen Zeichen, die Ortsteile oder -flächen benennen, als (mittelbare) geo-
grafische Angaben in Betracht (vgl. z.B. BPatG MarkenR 2010, 342, 343 f.
Speicherstadt; Beschluss vom 2.11.2004, 33 W (pat) 36/03 - Isar-Süd). Dem steht
vorliegend auch nicht zwingend entgegen, dass für das hier in Rede stehende
Ortsgebiet die eingeführte Angabe
„Ruberting“ zu Verfügung gestanden haben
mag. Denn Mitbewerbern soll nach dem Zweck des Eintragungshindernisses un-
abhängig bestehender Ausweichmöglichkeiten die Verwendung aller geeigneter
Angaben unbenommen bleiben (vgl. BPatG, Beschluss vom 3. Dezember 2008,
29 W (pat) 45/07 - Traunsteiner Tagblatt).
Die von der Antragstellerin eingebrachten und von Amts wegen durch den Senat
ermittelten Tatsachen bieten aber keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass
die angegriffene Marke zum Zeitpunkt ihrer Anmeldung am 23. August 2002 in Be-
zug auf die Dienstleistung „Beherbergung von Gästen“ als geografische Angabe
benutzt worden ist oder eine derartige Verwendung zu erwarten war (§ 8 Abs. 2
Nr. 2 MarkenG). Zudem fehlen jegliche tatsächliche Anzeichen, die diese Fest-
stellung (noch) für den Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag, also am
2. September 2014, zuließen.
Dabei kann mit dem Vortrag des Löschungsantragstellers von einer Verwendung
des Begriffs
„Sondergebiet Pullman Ferienpark“ im Bebauungsplan des Marktes
Eging am See im Zeitraum 1996/1997 ausgegangen werden. Dieser Sprachge-
brauch hat jedoch ausschließlich bauplanungsrechtlichen Charakter (§ 10
BauNVO). Der Begriff hat als solcher den Charakter eines bloßen Arbeitstitels und
zielt für sich genommen nicht auf die Einführung einer verbindlichen Gebietsbe-
zeichnung ab. Hiervon ist umso weniger auszugehen, als der Zeichenbestandteil
„Pullman“ an den in der Nähe des Ferienparks gelegenen gewerblichen Vergnü-
gungspark
„Pullman-City Westernstadt“ anknüpft und die Gemeinde diesen Begriff
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nicht frei als geografische Angabe aufgreifen konnte. Die Annahme der Markenab-
teilung, hierin liege die Vergabe eines Namens für einen Ortsteil, entbehrt daher
einer Grundlage.
Die Verwendung des Begriffs
„Sondergebiet Pullman Ferienpark“ im Bebauungs-
plan kann allerdings eine bereits bestehende geografische Angabe aufgreifen oder
die tatsächliche Verwendung als geografische Angabe nach sich ziehen. Aussa-
gekräftige Hinweise für eine derartige Sachlage bzw. eine dadurch eingeleitete
Entwicklung fehlen allerdings. Die vorgelegten Unterlagen beschränken sich auf
wenige Nennungen des Begriffs in Geschäftsdokumenten, in denen der Begriff
nicht als geografische Angabe, sondern als Projekt- oder Unternehmensbezeich-
nung verwendet worden ist (Anl. 3 - Kaufvertrag 1997 - und Anl. 4 - Mietabrech-
nung 1997 - zum Schriftsatz des Löschungsantragstellers vom 13. Juni 2013;
Protokoll über die Eigentümersammlung des Pullman Ferienparks am 10.12.1999,
s. dort auch unter TOP 11 der Gesellschaftsname “Pullman Ferienpark Betriebs
GmbH“ bzw. Prospekt „PULLMAN FERIENPARK“). Soweit der Löschungsantrag-
steller in der mündlichen Verhandlung erstmalig auf eine Straßenbeschilderung
mit der Aufschr
ift „Pullman Ferienpark“ hingewiesen hat, boten die in Bezug auf
Art und Zeitpunkt der Beschilderung nicht näher substantiierten Angaben keine
Grundlage für zusätzliche Ermittlungen.
Nachdem das angegriffene Zeichen in den Jahren unmittelbar nach der Errichtung
der
Ferienhäuser (1996/1997) trotz der planungsrechtlichen Ausweisung als „Son-
dergebiet Pullman Ferienpark“ nicht als geografische Angabe benutzt worden ist,
fehlte zum Zeitpunkt der Anmeldung der angegriffenen Marke im August 2002 ein
vernünftiger Anhalt dafür, dass eine derartige Entwicklung noch eintreten könnte.
Da auch keine Hinweise für Verwendungen des Begriffs in der Zeit nach der An-
meldung vorliegen, gilt dies erst recht für den zudem erheblichen Entscheidungs-
zeitpunkt (vgl. § 50 Abs. 2 Satz 1 MarkenG).
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b) Die angegriffene Marke entbehrte auch weder zum Zeitpunkt ihrer Anmeldung
noch zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Löschungsantrag jeglicher Unter-
scheidungskraft.
Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die Eignung einer
Marke, die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem be-
stimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen (BGH GRUR 2014, 569
Rn. 10
– HOT). Dabei ist auf die mutmaßliche Wahrnehmung eines normal infor-
mierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrau-
chers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen (BGH GRUR 2013,
731 Rn. 11
– Kaleido).
Die angegriffene Marke entzog bzw. entzieht sich einem Verständnis als Angabe
über den Ort, an dem eine Beherbergungsdienstleistung erbracht wird. Der Wort-
sinn des Zeichens
„Pullman Ferienpark“ als solcher kann ein derartiges Verständ-
nis nicht tragen, da der Begriff nicht einer typischen Ortsbezeichnung entspricht.
Denn der Bestandteil „Pullman“ wird dem englischen Sprachraum zugeordnet und
vorrangig als Eigen- oder Fantasiename in einer Betriebsbezeichnung wahrge-
nommen. Wie unter 2.a) ausgeführt, fehlen ferner Anhaltspunkte für eine beachtli-
che tatsächliche Verwendung des Ausdrucks als geografische Angabe, auf der ein
entsprechendes Verkehrsverständnis beruhen könnte. Das Publikum wird die an-
gegriffene Marke daher als individuelle Wortprägung ohne objektive Eignung zur
Bezeichnung eines geografischen Gebietes verstanden haben bzw. verstehen.
Der angegriffene Beschluss war daher aufzuheben.
3. Zur Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bestand kein Anlass, vgl. § 71
Abs. 1 Satz 1 MarkenG.
4. Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen (§ 83 Abs. 2 MarkenG). Der Ent-
scheidung liegt ein rechtlicher Maßstab zugrunde, der der einschlägigen Recht-
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sprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesgerichtshof entspricht.
Da nicht von Entscheidungen anderer Senate des Bundespatentgerichts oder an-
derer nationaler Gerichte abgewichen worden ist, ist die Rechtsbeschwerde auch
nicht zur Rechtsfortbildung oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung
zuzulassen.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss können die am Beschwerdeverfahren Beteiligten das
Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde einlegen. Da der Senat die Rechtsbeschwer-
de nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass
1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des
Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der
Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten
war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder still-
schweigend zugestimmt hat,
5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei
der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden
sind, oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
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Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlus-
ses beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim
Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich
oder in elektronischer Form einzulegen.
Dr. Albrecht
Hermann
Schmid
Hu