Urteil des BPatG vom 11.05.2015

Unterscheidungskraft, Eugh, Begriff, Wegweiser

BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
26 W (pat) 72/14
_______________________
(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 30 2013 040 833.0
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
11. Mai 2015 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Kortge, des Richters
Reker und der Richterin Werner
- 2 -
beschlossen:
1.
Die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen
Patent- und Markenamts vom 12. November 2013 und
16. Oktober 2014 werden aufgehoben, soweit die Anmeldung
bezüglich der Waren und Dienstleistungen der
Klasse 9:
Wissenschaftliche, Schifffahrts-, Vermessungs-,
fotografische, Film-, optische, Wäge-, Mess-, Sig-
nal-, Kontroll-, Rettungs- und Unterrichtsapparate
und -Instrumente; Apparate und Instrumente zum
Leiten, Schalten, Umwandeln, Speichern, Regeln
und Kontrollieren von Elektrizität; Apparate zur
Aufzeichnung, Übertragung, Verarbeitung und
Wiedergabe von Ton, Bild oder Daten; Rechen-
maschinen, Hardware für die Datenverarbeitung,
Computer;
Klasse 35:
Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Ein-
zelhandelsdienstleistungen (auch über das Inter-
net und sonstige Kommunikationsnetze), betref-
fend
wissenschaftliche, Schifffahrts-, Vermes-
sungs-, fotografische, Film-, optische, Wäge-,
Mess-, Signal-, Kontroll-, Rettungs- und Unter-
richtsapparate und -Instrumente; Apparate und In-
strumente zum Leiten, Schalten, Umwandeln,
Speichern, Regeln und Kontrollieren von Elektri-
zität; Apparate zur Aufzeichnung, Übertragung,
Verarbeitung und Wiedergabe von Ton, Bild oder
Daten; Rechenmaschinen, Hardware für die Da-
tenverarbeitung, Computer
;
- 3 -
Klasse 38:
Dienstleistungen von Presseagenturen; Vermie-
tung von Telekommunikationsgeräten; Auskünfte
;
Klasse 41:
Erziehung; Ausbildung; Unterhaltung; sportliche
und kulturelle Aktivitäten;
Klasse 42:
Wissenschaftliche
und
technologische
Dienstleistungen und Forschungsarbeiten und
diesbezügliche Designerdienstleistungen; indust-
rielle Analyse- und Forschungsdienstleistungen;
Entwurf und Entwicklung von Computerhardware;
technische Beratung; Vermietung von Datenver-
arbeitungsgeräten; Gestaltung von Webseiten für
Dritte.
zurückgewiesen worden ist.
2.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Die Wortfolge
Shopping Compass
ist am 10. Juli 2013 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und
Markenamt (DPMA) geführte Register für folgende Waren und Dienstleistungen
angemeldet worden:
- 4 -
Klasse 9:
Wissenschaftliche, Schifffahrts-, Vermessungs-, fotografi-
sche, Film-, optische, Wäge-, Mess-, Signal-, Kontroll-, Ret-
tungs- und Unterrichtsapparate und -Instrumente; Apparate
und Instrumente zum Leiten, Schalten, Umwandeln, Spei-
chern, Regeln und Kontrollieren von Elektrizität; Apparate zur
Aufzeichnung, Übertragung, Verarbeitung und Wiedergabe
von Ton, Bild oder Daten; Magnetaufzeichnungsträger; Re-
chenmaschinen, Hardware für die Datenverarbeitung, Com-
puter; CDs, DVDs und andere digitale Aufzeichnungsträger;
Computersoftware; elektronisch gespeicherte Daten (herun-
terladbar); elektronische Publikationen (herunterladbar);
Klasse 35:
Werbung;
Geschäftsführung;
Unternehmensverwaltung;
Sammeln, Systematisierung, Zusammenstellung und be-
triebswirtschaftliche Analyse von Daten und Informationen in
Computerdatenbanken; Einzelhandelsdienstleistungen (auch
über das Internet und sonstige Kommunikationsnetze), be-
treffend Waren der Klasse 9;
Klasse 38:
Telekommunikation; Dienstleistungen von Presseagenturen;
Vermietung von Telekommunikationsgeräten; Auskünfte über
Telekommunikation;
Klasse 41:
Erziehung; Ausbildung; Unterhaltung; sportliche und kultu-
relle Aktivitäten;
Klasse 42:
Wissenschaftliche und technologische Dienstleistungen und
Forschungsarbeiten und diesbezügliche Designerdienstleis-
tungen; industrielle Analyse- und Forschungsdienstleistun-
gen; Entwurf und Entwicklung von Computerhardware, -soft-
ware und Datenbanken; Wartung von Software; technische
Beratung; elektronische Datenspeicherung; Vermietung von
Datenverarbeitungsgeräten; Gestaltung von Webseiten für
Dritte.
- 5 -
Mit Beschlüssen vom 12. November 2013 und 16. Oktober 2014, von denen letz-
terer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, hat die Markenstelle für Klasse 38 die
Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft gemäß § 37 Abs. 1, § 8 Abs. 2
Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, das engli-
sche Wort
„Shopping“ werde mit Einkaufen übersetzt. Der englische Begriff „Com-
pass
“ bzw. das fast wortgleiche deutschsprachige Wort „Kompass“ werde nicht
nur für ein Messgerät zur Bestimmung der Himmelsrichtung, sondern aktuell auch
im Sinne von „Wegweiser, Gebrauchsanleitung, Hinweisgeber“ verwendet („Der
WIE EINFACH! Marktplatz ist der Shopping-Kompass mit Geschmack und redak-
tioneller Kompetenz.“, www.wie-einfach.de, Anlage zum angefochtenen Erinne-
rungsbeschluss, Bl. 74 VA). Das Anmeldezeichen sage daher aus, dass die bean-
spruchten Waren und Dienstleistungen Kompasse, Hinweisgeber, Hilfesteller oder
Wegweiser für das Einkaufen darstellten oder damit in Verbindung stünden. In
diesem Sinne werde die angemeldete Wortfolge auch tatsächlich eingesetzt.
Dementsprechend seien bisher zahlreiche Markenanmeldungen mit dem Be-
standteil „compass“ bzw. „kompass“ zurückgewiesen worden. Nach ständiger
höchstrichterlicher nationaler und europäischer Rechtsprechung komme selbst
identischen Voreintragungen keine Bindungswirkung zu.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie beantragt,
die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 38 des DPMA vom
12. November 2013 und 16. Oktober 2014 aufzuheben.
Sie trägt vor,
die Bezeichnung „Shopping Compass“ werde in dieser Zusammen-
setzung in der deutschen Sprache nicht verwendet, wie eine Internetrecherche
(Anlage 1, Bl. 19
– 28 GA) ergeben habe. Die Google-Suchmaschine habe 4.800
Treffer geliefert, die entweder die Homepage der Beschwerdeführerin
(www.shoppingcompass.de) oder Portale anzeigten, die einen Download der
Shopping Compass App anbieten. Der teilweise angezeigte Begriff „E-Shopping-
Compass“ richte sich an das amerikanische und nicht an das deutsche Publikum.
- 6 -
Der vom Amt vorgelegte Ausdruck der Webseite „wie einfach“ belege nur eine
einmalige Verwendung in einem Fließtext ohne schlagwortartige Bedeutung. Um
auf die Gesamtbedeutung „Hilfesteller“ oder „Wegweiser“ für das Einkaufen zu
kommen, müssten die angesprochenen Verkehrskreise die beiden Begriffe zer-
gliedern und analysieren. Denn für die beiden englischen Wörter gebe es vielfäl-
tige Übersetzungsmöglichkeiten (www.leo.org, Anlage 2, Bl.
29 f. GA). „Shopping“
werde mit „die Einkäufe, das Einkaufen, der Einkauf, der Ladenbesuch“ und
„Compass“ mit Bussole, Zirkel, Ausdehnung, Bereich, Marschkompass und
Sphäre übersetzt. Die von der Markenstelle angenommenen Bedeutungen „Weg-
weiser, Gebrauchsanleitung oder Hinweisgeber“ könnten dem Duden nicht ent-
nommen werden (www.duden.de, Anlage 3, Bl. 31
– 33 GA). Sie träfen vielmehr
auf das englische Wort „guide“ zu (www.leo.org, Anlage 4, Bl. 34 GA). Besonders
erschwerend komme hinzu, dass der Gesamtbegriff einen gewissen Widerspruch
b
einhalte. Während das Wort „Shopping“ einen modernen Anglizismus darstelle,
bezeichne der aus dem 12. Jahrhundert stammende Begriff „Kompass“ ein – leicht
antiquiertes
– Messgerät zur Bestimmung der Himmelsrichtungen. Dieser werde
aus seinem Kontext gerissen, so dass es einen nicht unerheblichen Interpretati-
onsaufwand erfordere, um zu einem beschreibenden Aussagegehalt zu gelangen.
Im Zusammenhang mit dem modernen Wort „Shopping“ werde eher ein deutlich
jüngerer Begriff wie „GPS“ erwartet, zumal es für „Shopping“ keiner Anzeige der
Himmelsrichtungen, sondern der verschiedenen Einkaufsläden bedürfe. Bei dem
Gesamtzeichen „Shopping Compass“ handele es sich daher um eine neu gebil-
dete Fantasiebezeichnung, die im Wortschatz der angesprochenen Verkehrs-
kreise nicht existiere und deren Bedeutung sich auch nicht unmittelbar erschließe.
Ferner fehle jeder unmittelbare oder enge beschreibende Bezug zu den angemel-
deten Waren und Dienstleistungen. Das Anmeldezeichen sei vergleichbar mit der
für Dienstleistungen der Klassen
35 und 42 eingetragenen Wortmarke „Brand-
Compass“ (398 03 896) und der für Dienstleistungen der Klasse 35 eingetragenen
Wortmarke „Independent Life Compass (30 2009 037 310), die das BPatG beide
für schutzfähig erachtet habe (33 W (pat) 200/99 - BrandCompass, Bl. 63
– 69 VA;
29 W (pat) 539/10
– Independent Life Compass, Anlage 5, Bl. 35 – 39 GA). Mit
- 7 -
dem Gleichbehandlungsgrundsatz sei es zudem unvereinbar, dass zahlreiche
Marken mit dem Bestandteil „Compass“, „Kompass“ oder „Guide“ eingetragen
worden seien. Wegen der Voreintragungen im Einzelnen wird auf die Anlage 1
zum Schriftsatz der Beschwerdeführerin vom 22. Oktober 2013 (Bl. 13
– 32 VA)
und das Anlagenkonvolut 1 zum Schriftsatz der Beschwerdeführerin vom
11. März 2014 (Bl. 51
– 61) Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat überwiegend Erfolg, weil einer Eintragung des an-
gemeldeten Zeichens für die im Tenor genannten Waren und Dienstleistungen
Schutzhindernisse nicht entgegenstehen. Im Übrigen ist die Beschwerde unbe-
gründet.
1.
Der angemeldeten Bezeichnung „Shopping Compass“ fehlt hinsichtlich der fol-
genden nicht im Tenor genannten Waren und Dienstleistungen die erforderliche
Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG:
Klasse 9:
Magnetaufzeichnungsträger; CDs, DVDs und andere digitale
Aufzeichnungsträger; Computersoftware; elektronisch ge-
speicherte Daten (herunterladbar); elektronische Publikatio-
nen (herunterladbar);
Klasse 35:
Werbung; Sammeln, Systematisierung, Zusammenstellung
und betriebswirtschaftliche Analyse von Daten und Informati-
onen in Computerdatenbanken; Einzelhandelsdienstleistun-
gen (auch über das Internet und sonstige Kommunikations-
netze), betreffend Magnetaufzeichnungsträger; CDs, DVDs
- 8 -
und andere digitale Aufzeichnungsträger; Computersoftware;
elektronisch gespeicherte Daten (herunterladbar); elektroni-
sche Publikationen (herunterladbar);
Klasse 38:
Telekommunikation;
Klasse 42:
Entwurf und Entwicklung von Computersoftware und Daten-
banken; Wartung von Software; elektronische Datenspeiche-
rung.
a) Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer
Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel
aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen als
von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren
oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet
(EuGH GRUR 2010, 228 Rdnr. 33 - Audi AG/HABM [Vorsprung durch Technik];
GRUR 2008, 608 Rdnr. 66 f. - EUROHYPO; BGH GRUR 2012, 270 Rdnr. 8 - Link
economy; GRUR 2010, 825 Rdnr. 13 - Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2010,
935 Rdnr. 8 - Die Vision). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die
Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu ge-
währleisten (EuGH a. a. O. - Audi AG/HABM [Vorsprung durch Technik]; GRUR
2006, 233 Rdnr. 45 - Standbeutel; GRUR 2006, 229 Rdnr. 27 - BioID; BGH GRUR
2009, 949 Rdnr. 10 - My World; GRUR, 2008, 710 Rdnr. 12 - VISAGE). Da allein
das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist
ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unter-
scheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH GRUR
2014, 569, 570 Rdnr. 10
– HOT; GRUR 2014, 872, 873 Rdnr. 12 – Gute Laune
Drops; a. a. O. - Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2009, 411 Rdnr. 8 -
STREETBALL; GRUR 2009, 778 Rdnr. 11 - Willkommen im Leben; a. a. O. - My
World). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwende-
- 9 -
tes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie
es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unter-
ziehen (EuGH GRUR 2004, 428 Rdnr. 53 - Henkel; BGH GRUR 2001, 1151 -
marktfrisch; MarkenR 2000, 420 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION).
Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die bean-
spruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der be-
teiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels
und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen
Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustel-
len ist (EuGH GRUR 2006, 411 Rdnr. 24 - Matratzen Concord/Hukla; GRUR 2004,
943 Rdnr. 24 - SAT 2; BGH GRUR 2014, 376 Rdnr. 11 - grill meister).
Ausgehend hiervon besitzen Wortzeichen dann keine Unterscheidungskraft, wenn
ihnen die angesprochenen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehen-
den beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (EuGH GRUR 2004, 674, Rdnr. 86 -
Postkantoor; BGH GRUR 2012, 270 Rdnr. 11 - Link economy; GRUR 2009, 952
Rdnr. 10 - DeutschlandCard; GRUR 2006, 850 Rdnr. 19 - FUSSBALL WM 2006)
oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen
Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die - etwa wegen einer
entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien - stets nur als
solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (BGH GRUR 2014,
872, 874 Rdnr. 21 - Gute Laune Drops; GRUR 2010, 1100 Rdnr. 20 -TOOOR!;
a. a. O. - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2003, 1050 - Cityservice; GRUR 2001,
1043 - Gute Zeiten - Schlechte Zeiten). Darüber hinaus besitzen keine Unter-
scheidungskraft vor allem auch Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche
die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen,
durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und die
sich damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen (BGH GRUR 2014, 1204
Rdnr. 12 - DüsseldorfCongress; a. a. O. Rdnr. 16 - Gute Laune Drops; a. a. O.
Rdnr. 23 - TOOOR!; a. a. O. Rdnr. 28 f. - FUSSBALL WM 2006). Hierfür reicht es
- 10 -
aus, dass ein Wortzeichen, selbst wenn es bislang für die beanspruchten Waren
und Dienstleistungen nicht beschreibend verwendet wurde oder es sich gar um
eine sprachliche Neuschöpfung handelt, in einer seiner möglichen Bedeutungen
ein Merkmal dieser Waren und Dienstleistungen bezeichnen kann (EuGH GRUR
2004, 146 Rdnr. 32 - DOUBLEMINT; a. a. O. Rdnr. 97 - Postkantoor; a. a. O.
Rdnr. 38 - BIOMILD; GRUR 2003, 58 Rdnr. 21 - Companyline); dies gilt auch für
ein zusammengesetztes Zeichen, das aus mehreren Begriffen besteht, die nach
diesen Vorgaben für sich genommen schutzunfähig sind. Der Charakter einer
Sachangabe entfällt bei der Zusammenfügung beschreibender Begriffe jedoch
dann, wenn die beschreibenden Angaben durch die Kombination eine ungewöhn-
liche Änderung erfahren, die hinreichend weit von der Sachangabe wegführt
(EuGH MarkenR 2007, 204 Rdnr. 77 f. - CELLTECH; a. a. O. Rdnr. 98 - Postkan-
toor; a. a. O. Rdnr. 39 f. -BIOMILD; BGH a. a. O. Rdnr. 28 - SAT 2; a. a. O
Rdnr. 16 - DüsseldorfCongress).
b) Den vorgenannten Anforderungen an die Unterscheidungskraft genügt das An-
meldezei
chen „Shopping Compass“ bereits zum Anmeldezeitpunkt nicht. Im Zu-
sammenhang mit den vorgenannten versagten Waren und Dienstleistungen hat
das Zeichen einen im Vordergrund stehenden Begriffsinhalt bzw. weist einen en-
gen sachlichen Bezug zu diesen auf.
aa) Bei den hier angesprochenen Verkehrskreisen handelt es sich sowohl um
Unternehmensinhaber bzw. Angehörige der unternehmerischen Führungsebene
als auch um Endverbraucher.
bb) Das Anmeldezeichen setzt sich aus den beiden englischen Substantiven
„Shopping“ und „Compass“ zusammen.
aaa) Das Wort „Shopping“ ist die Substantivierung des englischen Verbs „shop“
mit der Bedeutung „einkaufen“, das zum englischen Grundwortschatz gehört, der
- 11 -
auch dem inländischen Durchschnittsverbraucher geläufig ist, und mit der Bedeu-
tung „Einkaufen“ auch Eingang in die deutsche Sprache gefunden hat
(www.duden.de). Dieses Substantiv wird mit „Einkauf, Einkaufen, Ladenbesuch,
Einkäufe“ übersetzt (www.leo.org).
bbb) „Compass“ in der für den deutschen Verbraucher naheliegenden Überset-
zung „Kompass“ (Duden-Oxford – Großwörterbuch Englisch, a. a. O.) bedeutet in
erster Linie „Gerät zur Feststellung der Himmelsrichtung“ (Duden – Deutsches
Universalwörterbuch, 6. Aufl. 2006 [CD-ROM]; Duden
– Das Fremdwörterbuch,
9. Aufl. 2007 [CD-ROM]). Darüber hinaus wird der Begriff im deutschen Sprach-
gebrauch
– dabei insbesondere in Verbindung mit einem Substantiv, mit dem der
Themenbereich angegeben wird
– auch als „Wegweiser, Leitfaden, Lotse“ oder
„Orientierungshilfe“ verstanden und in diesem Sinne auch in zahlreichen Wortver-
bindungen oder Wortzusammenstellungen verwendet, wie z.
B. „E-Shopping-
Compass, data Compass, Krebs-Kompass, Wohnraum-Kompass, Ernährungs-
kompass, Senioren-
Kompass“ etc. (vgl. BPatG 29 W (pat) 539/10 – Independent
Life Compass; 25 W (pat) 287/01
– Compass; 27 W (pat) 155/09 – Schulkompass;
25 W (pat) 74/11
– WÜRZKOMPASS).
c) In ihrer Gesamtbedeutung weist die für die angesprochenen Verkehrskreise
ohne weiteres verständliche Wortfolge „Shopping Compass“ in Bezug auf die zu
versagenden Waren und Dienstleistungen daher darauf hin, dass diese als Ein-
kaufsratgeber dienen oder einen Wegweiser, Leitfaden oder eine Orientierungs-
hilfe für das Einkaufen zur Verfügung stellen. Wie eine Internetrecherche des Se-
nats ergeben hat, deren Belege der Anmelderin mit einer Hinweisverfügung des
Senats übersandt worden sind (Bl. 52
– 60 GA), wird der Begriff „Einkaufswegwei-
ser“ in diesem Sinne auch schon häufig verwendet. Die schutzsuchende Wortfolge
erschöpft sich somit in einer Sachaussage über die Art, Bestimmung und den Ge-
genstand der in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen oder stellt einen
engen beschreibenden Bezug zu ihnen her.
- 12 -
aa) Die in Klasse 9 aufgeführten Waren
„Magnetaufzeichnungsträger; CDs, DVDs und
andere digitale Aufzeichnungsträger; Computersoftware; elektronisch gespeicherte Daten
(herunterladbar); elektronische Publikationen (herunterladbar)“
können einen Einkaufs-
wegweiser oder
–ratgeber zum Inhalt haben (vgl. Internetbeleg: „ShoppingCom-
pass: Preisvergleich per App für Online- und Offline-
Shops“, Bl. 64 GA). Dieser für
die Waren beschreibende Begriffsinhalt erstreckt sich auch auf die in Klasse 35
angemeldeten Einzelhandelsdienstleistungen mit ihnen. Denn die Tätigkeit des
Einzelhandels setzt zu veräußernde Gegenstände voraus. Wegen dieses engen
funktionalen und damit beschreibenden Zusammenhangs zwischen den angemel-
deten Vertriebsdienstleistungen und den zu vertreibenden Waren wird der Verkehr
die Bezeichnung „Shopping Compass“ als reinen Sachhinweis und nicht als be-
trieblichen
Herkunftshinweis
auffassen
(vgl.
BPatG
29 W (pat) 41/12
CAMOMILLA; 29 W (pat) 525/10
– fashion.de; 29 W (pat) 196/10 - Küchenzauber;
29 W (pat) 62/10
winestyle;
29 W (pat) 505/10
-
Klebewelten.de;
29 W (pat) 43/04 - print24).
bb) Bei der in Klasse
35 angemeldeten „
Werbung
“ wird das angesprochene inlän-
dische Publikum in dem Anmeldezeichen einen beschreibenden Hinweis entweder
auf die Einkaufsbranche (vgl. Internetbelege, Bl. 61
– 63 GA) oder auf Einkaufs-
wegweiser als das Medium sehen, in welchen die Werbung erbracht werden kann,
weshalb auch hier der beschreibende Charakter der Wortfolge im Vordergrund
steht (BGH GRUR 2009, 949, 951 Rdnr. 24
– My World).
cc) Bei den Dienstleistungen
„Sammeln, Systematisierung, Zusammenstellung und
betriebswirtschaftliche Analyse von Daten und Informationen in Computerdatenbanken“
(Klasse 35) und
„Entwurf und Entwicklung von Computersoftware und Datenbanken;
Wartung von Software; elektron
ische Datenspeicherung“ (Klasse 42)
gibt die angemel-
dete Bezeichnung den Gegenstand der Datenverarbeitung, der Datenbanken so-
wie der Software an.
- 13 -
dd) Für die in Klasse 38 beanspruchte Dienstleistung
Telekommunikation
“ fasst das
angesprochene Publikum das Anmeldezeichen wegen seines thematischen Be-
zugs nur als Sachangabe auf. Denn zu den Telekommunikationsdienstleistungen
in Klasse 38 gehört neben der rein technischen Komponente auch die inhaltliche
Bereitstellung und Übermittlung von Informationen. Zwischen der technischen
Dienstleistung und der Contentvermittlung besteht ein so enger Bezug, dass das
entsprechende Verkehrsverständnis zwischen Technik und Inhalt insoweit nicht
mehr trennt (BPatG 29 W (pat) 223/04
– Dating TV; 29 W (pat) 59/10 – dress-for-
less; 27 W (pat) 525/14
– Therapie.TV; 29 W (pat) 525/13 – The European; vgl.
auch BGH GRUR 2010, 1100, 1102 Rdnr. 22
– TOOOR!).
2. Da es der angemeldeten Bezeichnung hinsichtlich der vorgenannten Waren und
Dienstleistungen an jeglicher Unterscheidungskraft mangelt, kann dahingestellt
bleiben, ob ihrer Eintragung auch ein schutzwürdiges Interesse der Mitbewerber
an ihrer freien Verwendbarkeit entgegen steht (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG).
3. Die von der Beschwerdeführerin genannte eingetragene Wortmarke „Brand-
Compass“, die vom BPatG für schutzfähig erachtet wurde (33 W (pat) 200/99)
unterscheidet sich von dem vorliegenden Anmeldezeichen dahingehend, dass
sich der Sinngehalt der Wortkombination „Shopping Compass“ den angesproche-
nen Verkehrskreisen sofort offenbart, während sich der Sinngehalt der Wortneu-
bildung „BrandCompass“ nicht ohne weiteres aufdrängt. Die beteiligten Verkehrs-
kreise ordnen den Wortbestandteil „Brand“ spontan der deutschen Sprache zu und
bringen ihn nicht ohne weiteres mit dem englischen Begriff für „Marke“, sondern
vielmehr mit Feuer in Verbindung. Wegen des erforderlichen weitergehenden
Denkprozesses, den diese Wortneubildung auslöst, wurde sie als schutzfähig ein-
gestuft.
4. Die von der Beschwerdeführerin angeführten Voreintragungen sind entweder
nicht vergleichbar oder liegen schon zu lange zurück. Die am 3. Mai 2013 einge-
tragene Wortmarke „Regional Kompass“ (30 2012 049 473) bezieht sich auf an-
- 14 -
dere Waren, nämlich solche der Klasse 16, sowie auf Dienstleistungen der
Klasse 35, u.
a. nämlich „Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung“ für die das
Anmeldezeichen ebenfalls als schutzfähig angesehen wird. Dies gilt auch für die
am 23. April
2013 registrierte Marke „Independent Life Compass“ (30 2009 037
310).
Soweit die Beschwerdeführerin auf ähnliche Gemeinschaftsmarken verweist, rei-
chen diese Eintragungen nicht aus, um die Schutzhindernisse im Inland auszu-
räumen. Die im Ausland, in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union
auf der Grundlage des harmonisierten Markenrechts oder vom Harmonisierungs-
amt aufgrund der Gemeinschaftsmarkenverordnung getroffenen Entscheidungen
über absolute Eintragungshindernisse sind für nachfolgende Verfahren in anderen
Mitgliedstaaten unverbindlich (EuGH GRUR 2004, 428, 432, Nr. 63
– Henkel;
GRUR 2004, 674 Rdnr. 43 f. - Postkantoor). Sie vermögen nicht einmal eine In-
dizwirkung zu entfalten (BGH GRUR 2014, 569, 572 Rdnr. 30 - HOT; GRUR 2009,
778, 779 Rdnr. 18
– Willkommen im Leben).
5.
Die angemeldete Bezeichnung „Shopping Compass“ mit der Bedeutung „Ein-
kaufswegweiser“ weist für die im Tenor aufgeführten Waren und Dienstleistungen
der Klassen 9, 35, 38, 41 und 42 weder einen im Vordergrund stehenden be-
schreibenden Begriffsgehalt auf, noch handelt es sich um eine Angabe, durch die
ein enger beschreibender Bezug zu ihnen hergestellt werden kann.
III.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde nur gege-
ben, wenn gerügt wird, dass
- 15 -
1.
das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2.
bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des
Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der
Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3.
einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4.
ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten
war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder still-
schweigend zugestimmt hat,
5.
der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei
der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden
sind, oder
6.
der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
Die Rechtsbeschwerdeschrift muss von einer beim Bundesgerichtshof zugelasse-
nen Rechtsanwältin oder von einem beim Bundesgerichtshof zugelassenen
Rechtsanwalt unterzeichnet und innerhalb eines Monats nach Zustellung des Be-
schlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe einge-
reicht werden. Die Frist kann nicht verlängert werden.
Kortge
Reker
Werner
prö