Urteil des BPatG vom 01.10.2014

Materielle Rechtskraft, Hauptsache, Patent, Vollmacht

BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
26 W (pat) 38/14
_______________________
(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Marke 30 2009 012 084
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hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 1. Oktober 2014 unter Mitwirkung des Richters Reker als Vorsitzen-
dem sowie der Richterin Eder und des Richters Dr. Himmelmann
beschlossen:
Der Antrag des Markeninhabers auf Nichterhebung von Kosten
und
die
Gegenvorstellung
des
Markeninhabers
vom
18. August 2014 werden zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Der Senat hat mit Beschluss vom 23. Juli 2014 die Beschwerde des Markeninha-
bers zurückgewiesen und ihm die Kosten des Verfahrens einschließlich der den
Beteiligten erwachsenen Kosten auferlegt.
Der Markeninhaber, dem der genannte Beschluss am 14. August 2014 zugestellt
worden ist, hat mit Schreiben vom 15. August 2014, das im BPatG am
18. August 2014 eingegangen ist,
„Antrag auf Nichterhebung von Kosten wegen unrichtiger Sachbe-
handlung u. Bitte um Nachreichung der Originalunterschriften be-
züglich der Beschlüsse mit den Az. 26 W (pat) 39/14 u.
26 W (pat) 38/14
gestellt.
Der Markeninhaber trägt vor, der Senat habe es genügen lassen, dass Rechtsan-
walt F
… eine Vollmacht beim Deutschen Patent- und Markenamt hinterlegt
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habe. Es bestünden erhebliche Zweifel daran, dass die Widersprechende alleinige
Inhaberin der Marke
„Bionade
®
“ sei. Seiner Bitte um Vervollständigung der Voll-
machtskette habe der Senat nicht entsprochen. Nach einem Inhaberwechsel auf
Seiten der Widersprechenden sei ein nicht geklärter Bruch von Zuständigkeiten
entstanden. Rechtsanwalt F
… sei den Beweis dafür schuldig geblieben, dass
die Widersprechende ihn damit beauftragt habe, beim Deutschen Patent- und
Markenamt Antrag auf Löschung nach § 50 MarkenG zu stellen. Es sei ein schwe-
rer Verfahrensfehler des Senats, den Ausführungen des Rechtsanwalts
F…
zu folgen. Ausweislich des Beschlusses vom 23. Juli 2014 habe der Markeninha-
ber die Kosten zu tragen. Dieser Feststellung werde vehement widersprochen. Die
Nichterhebung von Kosten habe zwangsläufig auch das Nichtanfallen von Rechts-
anwaltsgebühren zur Folge. Sein Schreiben sei im Wesentlichen auch als
„Ge-
genvorstellung
“ zu betrachten.
II.
Der Antrag des Markeninhabers vom 18. August 2014 auf Nichterhebung von Kos-
ten ist nach § 99 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 82 Abs. 1 S. 1 MarkenG unzulässig, weil
der Markeninhaber gegen die Entscheidung des Senats in der Hauptsache kein
Rechtsmittel eingelegt hat.
Auch wenn zu Gunsten des Markeninhabers unterstellt wird, dass eine Gegenvor-
stellung als gesetzlich nicht ausdrücklich geregelter Rechtsbehelf grundsätzlich
statthaft ist, ist die Gegenvorstellung des Markeninhabers vom 18. August 2014
nicht statthaft, weil die Kostenentscheidung des Senats zum einen nach § 71
Abs. 1 MarkenG in materielle Rechtskraft erwächst und zum anderen zusammen
mit der Entscheidung in der Hauptsache mit dem Rechtsmittel der Rechtsbe-
schwerde nach § 83 MarkenG angefochten werden konnte.
1.
Unzulässigkeit der isolierten Anfechtung der Kostenentscheidung
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Die Anfechtung der Kostenentscheidung seitens des Markeninhabers vom
18. August 2014 ist nach § 99 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 82 Abs. 1 S. 1 MarkenG un-
zulässig, weil der Markeninhaber gegen die Entscheidung des Senats in der
Hauptsache kein Rechtsmittel eingelegt hat.
Entscheidungen des BPatG über die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach
§ 71 Abs. 1 bis 3 MarkenG, die im Rahmen einer Hauptsacheentscheidung i. S. d.
§ 70 Abs. 1 MarkenG über Beschwerden nach § 66 Abs. 1 S. 1 MarkenG ergehen,
sind in Verbindung mit der Hauptsache im Rechtsbeschwerdeverfahren überprüf-
bar. Sie sind nicht isoliert, d. h. unabhängig von der Anfechtung der Hauptsache-
entscheidung, anfechtbar. Dies ergibt sich aus § 99 Abs. 1 ZPO, den § 82 Abs. 1
S. 1 MarkenG für entsprechend anwendbar erklärt. Nach § 99 Abs. 1 ZPO ist die
Anfechtung der Kostenentscheidung unzulässig, wenn nicht gegen die Entschei-
dung in der Hauptsache ein Rechtsmittel eingelegt wird (s. , in: Strö-
bele/Hacker, Markengesetz, 10. Auflage 2012, § 71 Rn. 10, § 83 Rn. 10 jeweils
m. w. N.).
2.
Gegenvorstellung
a)
Grundsätzliche Zulässigkeit der Gegenvorstellung
Zu Gunsten des Markeninhabers wird von der grundsätzlichen Zulässigkeit der
Gegenvorstellung des Markeninhabers vom 18. August 2014 ausgegangen (eben-
so BPatG, Beschluss vom 14. November 2007, 26 W (pat) 74/05, PAVIS
PROMA - Crysta/cristal).
Die Gegenvorstellung ist ein gesetzlich nicht ausdrücklich geregelter Rechtsbe-
helf, durch den das Gericht, das entschieden hat, veranlasst werden soll, seine
Entscheidung aus übersehenen oder neuen tatsächlichen und rechtlichen Grün-
den zu ändern. Die Gegenvorstellung wird aus einer analogen Anwendung von
§ 321a ZPO oder aus Art. 19 Abs. 4 GG abgeleitet (, in: Thomas/Putzo,
Zivilprozessordnung, Kommentar, 35. Auflage 2014, Vorbem. § 567 Rn. 13
m. w. N.).
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In der markenrechtlichen Literatur wird teilweise die Auffassung vertreten (,
a. a. O., § 83 Rn. 4 m. w. N.), dass die Praxis zur Gegenvorstellung in Verfahren
vor dem BPatG nicht mehr aufrechterhalten werden könne, nachdem das BVerfG
(Beschluss vom 30. April 2003, NJW 2003, 1924, 1927 ff., Rn. 68-70) das verfas-
sungsrechtliche Gebot der Rechtsmittelklarheit durch spezielle gesetzliche Rege-
lungen hervorgehoben habe. Mit der durch das
„Anhörungsrügengesetz“ am
1. Januar 2005 in Kraft getretenen Neufassung des § 321a ZPO sei eine derartige
konkrete gesetzliche Bestimmung getroffen worden, die bei nicht mit der Rechts-
beschwerde anfechtbaren, insbesondere erstinstanzlichen Entscheidungen des
BPatG die Gegenvorstellung ersetzen könne.
Allerdings hat das BVerfG mit Beschluss vom 25. November 2008 (NJW 2009,
829, Rn. 34-37) erklärt, aus seinem Beschluss vom 30. April 2003 lasse sich nicht
herleiten, dass eine Gegenvorstellung gegen gerichtliche Entscheidungen von
Verfassungs wegen unzulässig sei. Auch einfachrechtlich sei die Gegenvorstel-
lung nach der Rechtsprechung der Fachgerichte nicht als offensichtlich unzulässig
anzusehen.
b)
Statthaftigkeit
der
Gegenvorstellung
des
Markeninhabers
vom
18. August 2014
Die Gegenvorstellung des Markeninhabers vom 18. August 2014 ist nicht statthaft,
weil die Kostenentscheidung des Senats zum einen nach § 71 Abs. 1 MarkenG in
materielle Rechtskraft erwächst und zum anderen zusammen mit der Entschei-
dung in der Hauptsache mit dem Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde nach § 83
MarkenG angefochten werden konnte.
Die Gegenvorstellung ist nur zulässig gegen Entscheidungen, die nicht in mate-
rielle Rechtskraft erwachsen. Sie ist zudem nur bei Beschlüssen statthaft, die nicht
die Instanz abschließen (sonst Gehörsrüge, § 321a Abs. 1 S. 2 ZPO), nicht mit so-
fortiger Beschwerde oder Rechtsbeschwerde anfechtbar sind und die vom Gericht
mangels materieller Rechtskraft (z. B. Prozesskostenhilfe-Beschluss) abgeändert
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werden dürfen, wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs, bei Verstößen gegen
die Garantie des gesetzlichen Richters oder gegen das Willkürverbot des Art. 20
GG und bei greifbar gesetzwidrigen Entscheidungen (, a. a. O., Vorbem.
§ 567 Rn. 13 m. w. N.).
Die Gegenvorstellung des Markeninhabers ist unstatthaft, weil die Kostenent-
scheidung des Senats vom 23. Juli 2014 nach § 71 Abs. 1 MarkenG in materielle
Rechtskraft erwächst. Denn Kostenfestsetzungsbeschlüsse nach § 104 ZPO, die
mit Kostenentscheidungen nach § 71 Abs. 1 MarkenG vergleichbar sind, werden
hinsichtlich zu- oder aberkannter Kosten formell und materiell rechtskräftig (
, in: Zöller, Zivilprozessordnung, Kommentar, 30. Auflage 2014, § 104 Rn. 21
zu
„Rechtskraft“).
Die Gegenvorstellung des Markeninhabers ist auch deshalb unstatthaft, weil die
Kostenentscheidung des Senats zusammen mit der Entscheidung in der Hauptsa-
che mit dem Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde nach § 83 MarkenG angefochten
werden konnte.
c)
Vollmacht
Soweit der Markeninhaber reklamiert, dass die Widersprechende den Beweis da-
für schuldig geblieben sei, dass sie Rechtsanwalt F
… damit beauftragt habe,
beim Deutschen Patent- und Markenamt Antrag auf Löschung nach § 50 MarkenG
zu stellen, weist der Senat darauf hin, dass die Markenabteilung 3.4 des Deut-
schen Patent- und Markenamts in ihrem Beschluss vom 23. April 2014 im Lö-
schungsverfahren mit dem Aktenzeichen 30 2009 012 084.6/32 - S 203/13 zutref-
fend auf die beim Deutschen Patent- und Markenamt hinterlegte Allgemeine Voll-
macht der Antragstellerin verwiesen hat. Die Allgemeine Vollmacht erstreckt sich
auf alle Angelegenheiten, die zum Geschäftskreis des Deutschen Patent- und
Markenamts gehören und gilt daher auch für markenrechtliche Löschungsverfah-
ren nach § 54 MarkenG. Dass der Senat dies hat genügen lassen, stellt
– anders
als es der Markeninhaber meint
– keinen schweren Verfahrensfehler dar. Hinsicht-
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lich des Antrags des Markeninhabers auf Nichterhebung von Kosten und seine
Gegenvorstellung vom 18. August 2014 ist die Bevollmächtigung der Antragstelle-
rin irrelevant, weshalb es für den Senat keinen Anlass gibt, die Bevollmächtigung
der Antragstellerin zu prüfen.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das
Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht
zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass
1.
das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2.
bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des
Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Be-
fangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3.
einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4.
ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war,
sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend
zugestimmt hat,
5.
der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der
die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind,
oder
6.
der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlus-
ses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen
beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schrift-
lich einzulegen.
Reker
Eder
Dr. Himmelmann
Bb