Urteil des BPatG vom 27.02.2014

Beschreibende Angabe, Marke, International, Unterscheidungskraft

BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
25 W (pat) 540/12
_______________________
(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die international registrierte Marke IR 1 014 774
hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
27. Februar 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Knoll, der Richterin
Grote-Bittner und des Richters kraft Auftrags Portmann
beschlossen:
Die Beschwerde der Markeninhaberin wird zurückgewiesen.
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G r ü n d e
I.
Die Bezeichnung
XPRESSIV
ist am 23. April 2009 unter der Nummer 1 014 774 für Waren der Klasse 19 als
Marke international registriert worden. Die Markeninhaberin begehrt Schutz für
das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland für folgende Waren:
Klasse 19:
Panneaux, plaques et éléments moulés en fibrociment ou autres
matières premières d'origine minérale combinés avec des liants
tels que ciment, gypse ou synthétiques destinés à la construction
de revêtements en particulier de parois, cloisons, plafonds, et
tuyaux et façades et pour la construction d'éléments préfabriqués;
murs et façades autoportantes et prêtes pour assemblage, non
métalliques.
Die mit einer Beamtin des gehobenen Dienstes besetzte Markenstelle für
Klasse 19 - Internationale Markenregistrierung - des Deutschen Patent- und Mar-
kenamts hat der international registrierten Marke nach entsprechender Beanstan-
dung in einem Beschluss vom 29. November 2011 den Schutz in der Bundesre-
publik Deutschland verweigert.
Der international registrierten Marke fehle die Unterscheidungskraft gemäß § 8
Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Der B
egriff „XPRESSIV“ sei eine Verkürzung des Begriffs
„EXPRESSIV“ im Sinne von „ausdrucksstark, ausdrucksvoll“ (Duden, Deutsches
Universalwörterbuch, 7. Auflage, S. 561).
Die Verkürzung des Präfix „EX-“ auf „X-“
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sei werbeüblich und den angesprochenen Verkehrskreisen aus zahlreichen Wort-
verbindungen, wie z.B. „XPRESS“ für „EXPRESS“, „XTRA“ für „EXTRA“ oder
„XCHANGE“ für „EXCHANGE“ bekannt. Diese Annahme werde durch das Ergeb-
nis einer Internet-Recherche
unter dem Stichwort „XPRESSIV“ gestützt, die allein
… Treffer unter Google TM ergeben habe. Ein sprachregelwidrig gebildeter
Fantasiebegriff liege somit nicht vor.
Ob das Markenwort „IXPRESSIV“ oder
„EXPRESSIV“ ausgesprochen werde, spiele in diesem Zusammenhang keine
Rolle.
Die angesprochenen Verkehrskreise würden in dem
Wort „XPRESSIV“ lediglich
eine beschreibende Angabe dahingehend sehen, dass die beanspruchten Waren
expressiv gestaltet sind und/oder zu einer expressiven Gestaltung beitragen. Das
Wort „XPRESSIV“ werde lediglich in seinem Wortsinne verstanden und weise da-
her keine die Unterscheidungskraft begründende Aussage auf. Dem stehe nicht
entgegen, dass der Begriff „XPRESSIV“ im Kontext mit Bildern oder Musikdarbie-
tungen verwendet werde, dass also auch künstlerische Auftritte oder ein Bild als
expressiv bezeichnet werden könnten, denn eine ausschließlich auf diesen Be-
reich beschränkte Verwendung des Begriffs
„XPRESSIV“, die die Verwendung in
einem anderen Kontext als abwegig erscheinen lasse, sei nicht feststellbar.
Einer Marke fehle die Unterscheidungskraft nicht nur wenn sie die Ware an sich
benenne, sondern auch dann, wenn sie
– wie im vorliegenden Fall – deren Be-
schaffenheit bezeichne. Zur Verständlichkeit des Wortes „XPRESSIV“ trage die
Tatsache bei, dass es sich um eine werbeübliche Abwandlung eines deutschen
Begriffs handele, die somit lediglich in ihrem Wortsinn und nicht als betriebliches
Unterscheidungsmittel verstanden werde.
Die von der Markeninhaberin genannten nationalen Eintragungen sowie die Ein-
tragung einer Gemeinschaftsmarke führe zu keiner anderen rechtlichen Beurtei-
lung, da selbst identische oder vergleichbare Marken nach ständiger Rechtspre-
chung bei der Prüfung auf absolute Eintragungshindernisse zwar zu berücksichti-
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gen seien, aber keine rechtlich bindende Wirkung entfalten könnten. Die Recht-
mäßigkeit von Entscheidungen über Markeneintragungen sei nicht auf der Grund-
lage einer vorherigen Entscheidungspraxis zu beurteilen, sondern allein auf der
Grundlage des Gesetzes.
Dagegen richtet sich die von der Inhaberin der international registrierten Marke
erhobene Beschwerde.
Sie ist der Meinung, die international registrierte Marke sei gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1
MarkenG unterscheidungskräftig. Das
Wort „EXPRESSIV“ habe stets eine perso-
nenbezogene Bedeutung und beziehe sich auf den aktiven Ausdruck eines Men-
schen, wie eines Künstlers oder Redners bei einer künstlerischen Aktion. Es sei
nach seinem Wortsinne keine unmittelbare Bezeichnung eines „toten“ Objekts wie
einer Faserzementplatte oder einer Hausfassade. Allenfalls könne man hierin eine
mittelbare Anspielung auf eine Eigenschaft des Entwicklers, Designers etc. sehen.
Aber auch das sei für die beanspruchten Waren nicht beschreibend, da diese in
der Regel nicht „designt“, sondern schlicht nach funktionalen Erwägungen gebaut
würden. Zudem wäre eine solche Angabe keine direkte Beschreibung der Ware
selbst, sondern nur eines vorgelagerten Umstands.
Bei dem
Wort „EXPRESSIV“ handele es sich angesichts der nüchtern-technischen
Natur der beanspruchten Waren um eine deutliche Überhöhung und Übertreibung.
Das Markenwort könne daher nicht als ernsthafte Sachangabe aufgefasst werden
und komme als seriöse Warenbeschreibung nicht in Betracht. Bezeichnungen, die
in einem erkennbaren übertriebenen Missverhältnis zu der von ihnen vermeintlich
beschriebenen Sache stehen würden, verstehe der Verkehr nicht mehr als ernst-
hafte Sachangabe, sondern als betriebliches Unterscheidungsmittel.
Hinzu komme, dass es sich vorliegend um bautechnisch/handwerkliche Waren
handele, die sich an ein professionelles Fachpublikum wie Dachdecker, Bauträger
etc. richten würden. Auch Endverbraucher, die solche Waren erwerben, seien zu-
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mindest technisch insoweit vorgebildet, dass sie Baumaterialien richtig auswählen
und selbst verbauen könnten. Alle beteiligten Verkehrskreise würden den hier be-
troffenen bautechnischen Waren in der Erwartung einer nüchtern-sachlichen An-
sprache und Information über die technischen Parameter der Waren begegnen.
Saloppe oder wie hier völlig überspitzte Beschreibungen vermeintlicher Beschaf-
fenheitsmerkmale seien weder üblich noch würden sie erwartet. Es sei anerkannt,
dass der Verkehr in einer unerwartet unsachlichen, überspitzten und saloppen
Ansprache keine ernsthafte Sachangabe, sondern vielmehr einen Herkunftshin-
weis auf einen bestimmten Geschäftsbetrieb sehe.
Die beanspruchten Waren seien praktisch-funktionale Rohmaterialien im Rahmen
des Baus von Gebäuden und sonstigen Anlagen. In deren Rohzustand sei Ästhe-
tik keine wesentliche Eigenschaft. Die Anbringung von künstlerischen Gestal-
tungselementen nach dem individuellen Geschmack des Besitzers sei für Fertig-
bauteile schon ihrer Natur nach ausgeschlossen. Bei den beanspruchten Wänden,
Decken und Verkleidungen werde eine optische Komponente erst später durch
Tapeten- oder Malerarbeiten geschaffen. Eine expressive Eigenschaft wäre auch
keine direkte Beschreibung der Waren, sondern nur eines vorgelagerten Um-
stands. Die vom Senat mit Schreiben vom 22. Januar 2014 übersandten Internet-
ausdrucke (Anlagen 1 bis 6) seien von eingeschränkter Relevanz, da sich die
Fundstellen nicht auf die konkret beanspruchten Waren beziehen würden.
Jedenfalls werde das Wort „XPRESSIV“ wie „IXPRESSIV“ ausgesprochen, so
dass allenfalls eine Anlehnung an eine beschreibende Angabe vorliegen könne,
nicht um die beschreibende Angabe selbst. Die Schutz suchende Marke sei daher
mit dem Wort „EXPRESSIV“ nicht gleichzusetzen. Insbesondere für das entschei-
dungserhebliche Warengebiet seien keine entsprechenden Nachweise vorgelegt
worden. Auf dem bautechnischen Gebiet der Faserzementplatten, Wänden und
Fassadenteilen sei die Verwendung des Buchstabens „X-“ als Abkürzung für die
Silbe „EX-“ nicht üblich. Insoweit verweist die Inhaberin der international re-
gistrierten Marke auf die Entscheidung „XPLANT“ (BPatG 28 W (pat) 20/09), in der
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eine solche Verkürzung auf dem Gebiet der medizinischen Fachterminologie als
unbekannt angesehen worden sei.
Zudem sei die Tatsache, dass das
Wort „XPRESSIV“ in mehreren europäischen
Ländern geschützt sei, ein Indiz für die Schutzfähigkeit.
Die Markeninhaberin beantragt,
den angefochtenen Beschluss des Deutschen Patent- und Mar-
kenamts aufzuheben.
Ferner hat die Markeninhaberin hilfsweise beantragt bzw. angeregt, die Rechtsbe-
schwerde zuzulassen. Ihren mit der Beschwerdeerhebung hilfsweise gestellten
Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung hat sie zurückgenommen.
Der bereits bestimmte Termin zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist
daraufhin aufgehoben worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Mar-
kenstelle, die Schriftsätze der Anmelderin und auf den übrigen Akteninhalt verwie-
sen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere gemäß §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 Satz 1
MarkenG statthaft. Sie ist jedoch nicht begründet. Entgegen der Auffassung der
Markeninhaberin steht der Erstreckung des Schutzes der international registrierten
Marke IR 1 014774 auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland in Bezug auf
die beanspruchten Waren der Klasse 19 das Schutzhindernis der fehlenden Un-
terscheidungskraft entgegen, so dass die Markenstelle die Schutzerstreckung hin-
sichtlich dieser Waren zu Recht gemäß §§ 124, 113, 37 Abs. 1 MarkenG i.V.m.
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§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, Art. 5 Abs. 1 PMMA i.V.m. Art. 6 B quinquies PVÜ ver-
weigert hat.
1.
Unterscheidungskraft ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom
Verkehr als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst zu werden. Denn die
Hauptfunktion einer Marke liegt darin, die Ursprungsidentität der durch die Marke
gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. EuGH
GRUR 2004, 428, Tz. 30, 31 Henkel; BGH GRUR 2006, 850, Tz. 18 FUSSBALL
WM 2006). Keine Unterscheidungskraft besitzen insbesondere Bezeichnungen,
denen der Verkehr im Zusammenhang mit den beanspruchten Produkten lediglich
einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnet (vgl.
BGH GRUR 2006, 850, Tz. 19 FUSSBALL WM 2006; EuGH GRUR 2004, 674,
Tz. 86 Postkantoor). Darüber hinaus fehlt die Unterscheidungskraft u.a. aber auch
solchen Angaben, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten
Produkte zwar nicht unmittelbar betreffen, mit denen aber ein enger beschreiben-
der Bezug zu dem betreffenden Produkt hergestellt wird (vgl. BGH - FUSSBALL
WM 2006 a.a.O.).
Bei der Beurteilung von Schutzhindernissen ist maßgeblich auf die Auffassung der
beteiligten inländischen Verkehrskreise abzustellen, wobei dies alle Kreise sind, in
denen die fragliche Marke Verwendung finden oder Auswirkungen haben kann.
Dabei kommt es auf die Sicht des normal informierten und angemessen aufmerk-
samen und verständigen Durchschnittsverbrauchers im Bereich der einschlägigen
Waren und Dienstleistungen an (Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 8,
Rdn. 29, 30). Die beanspruchten Waren richten sich zum einen an breite Ver-
kehrskreise, wie z.B. Hausbesitzer, Mieter, und zum anderen an den Fachverkehr,
der z.B. Fertigbauteile einbaut oder Fassaden für Häuser errichtet.
Ausgehend von diesen Grundsätzen kann der international registrierten Marke
nicht die Eignung zugesprochen werden, als Hinweis auf die betriebliche Herkunft
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der beschwerdegegenständlichen Waren zu dienen. Vielmehr wird der Verkehr in
dem Wort
„XPRESSIV“ im Zusammenhang mit diesen Waren ausschließlich eine
im Vordergrund stehende produktbeschreibende Angabe sehen.
Das Wort „XPRESSIV“ ist dem Begriff „EXPRESSIV“ gleichzusetzen. Der Verkehr
ist aufgrund einer
– auch im allgemeinen amerikanischen Sprachgebrauch – weit
verbreiteten Übung auf zahlreichen Warengebieten an die verkürzte Wiedergabe
von Wörtern mit der Anfangssilbe „EX-“ durch Weglassen des Buchstabens „E“
gewöhnt, wie z.B. xact, xpress, xtra (vgl. dazu auch Entscheidungen wie BPatG
30 W (pat) 3/02
– PlantXpert; BPatG 28 W (pat) 59/00 – XPERT, die Entschei-
dungen sind über die Homepage des Gerichts öffentlich zugänglich). Die von der
Inhaberin der international registrierten Marke zitierte Entscheidung des BPatG
„XPLANT“ (BPatG 28 W (pat) 20/09), in der eine solche Verkürzung auf dem Ge-
biet der medizinischen Fachterminologie als unbekannt angesehen wurde, steht
einer solchen Annahme nicht entgegen. Wände, Fassaden und zur Verkleidung
geeignete Tafeln, Platten und Formteile sind Produkte, die sich nicht an ein (medi-
zinisches) Fachpublikum wenden und bei deren Beschreibung nicht ausschließlich
auf eine bestimmte Fachterminologie ohne Amerikanismen zurückgegriffen wird.
Der Begriff „EXPRESSIV“ hat die Bedeutung von „ausdrucksvoll“ (Duden, Deut-
sches Universalwörterbuch, 7. Auflage, S. 561). Im Zusammenhang mit den bean-
spruchten Waren handelt es sich um eine werbeüblich übertreibende im Vorder-
grund stehende beschreibende Angabe über die Art und die Beschaffenheit der
Waren. Die beanspruchten Wände und Fassaden sowie die beanspruchten Ta-
feln, Platten und Formteile können durch künstlerische bzw. ornamentale Ele-
mente ausdruckvoll gestaltet sein. Wände und Fassaden werden oft individuell
nach dem Geschmack des Besitzers verziert oder mit architektonischen Mitteln in
besonderer Weise gestaltet. Wenn sich ein solches Design von herkömmlichen
(nüchternen) Stilmitteln abhebt, kann
dies mit den Adjektiven „ausdrucksvoll“ oder
„expressiv“ beschrieben werden. So finden sich an Hauswänden oft Malereien
oder auch Stuckarbeiten, die sowohl traditionelle Motive zeigen als auch mo-
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dernste Stilelemente wiedergeben. Auch dreidimensionale Formgestaltungen sind
zu finden, um so Individualität und Kreativität des Besitzers zu betonen. Das Wort
„EXPRESSIV“ kann in kurzer schlagwortartiger Form eine solche Gestaltung hin-
reichend verständlich beschreiben, ohne dass sich konkret daraus ergeben muss,
aufgrund welcher Stilelemente
sich die „expressive“ bzw. „ausdrucksstarke“ Ge-
staltung ergibt. Die weiterhin beanspruchten Tafeln, Platten und Formteile dienen
ausweislich des Warenverzeichnisses für den Bau von Verkleidungen, sind also
wie Wände und Fassaden nach außen hin ebenfalls sichtbar und können daher
„expressive“ Stilmittel aufweisen, mithin expressiv sein.
Entgegen der Ansicht der Markeninhaberin können die beanspruchten Waren sich
von der „nüchternen“ Standartware aufgrund von künstlerisch ornamentalen Ele-
menten abheben, was dann mit den Begriffen ausdrucksstark/ausdrucksvoll oder
eben auch mit dem Fremdwo
rt „expressiv“ für den Verkehr hinreichend verständ-
lich beschrieben werden kann. So können die Käufer von Fertighäusern oder Fer-
tigbauteilen oft aus einem umfangreichen Katalog von Einzelteilen, wie z.B. Wän-
den, Decken oder Fußböden eine individuelle Auswahl treffen. Eine solche Aus-
wahl ist zwar aufgrund der Fertigteilbauweise zahlenmäßig begrenzt, kann aber
ohne weiteres
im vorgenannten Sinne „expressive“ Elemente einschließen. Für
solche Waren ist es nicht zwingend erforderlich, erst nach dem Einbau durch Ma-
ler- oder Tapetenarbeiten gestaltet zu werden. Vielmehr kann eine
„expressive“
Gestaltung schon dem Grund- bzw. Fertigprodukt selbst zukommen.
Selbst wenn die beanspruchten Waren
– beispielsweise durch die Verwendung
von Farben oder Tapeten
– nachträglich bearbeitet werden sollen, schließt das
eine
„expressive“ Gestaltungsform nicht aus. Nachträglich anzubringende Farben
oder Tapeten können die Waren zwar optisch ansprechender gestalten, setzen
jedoch eine zu bearbeitende dreidimensionale Grundform voraus. Eine solche
dreidimensionale Grundform kann sich durch künstlerische Gestaltungsmittel von
der Masse abheben und damit
„expressiv“ sein.
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Soweit die Inhaberin der international registrierten Marke der Meinung ist, das
Wort „EXPRESSIV“ habe stets eine personenbezogene Bedeutung, kann dem
nicht gefolgt werden. Nicht nur Personen, sondern auch Gegenstände können
ausdrucksvoll sein. Es ist zwar zutreffend, dass die mit Senatshinweis vom
22. Januar 2014 übersandten Anlagen 1 bis 6 nicht konkret die beanspruchten
Waren betreffen. Gleichwohl wird darin deutlich, dass
mit Wörtern wie „Ausdrucks-
starke Akzente“, „Ausdrucksstark und stimmungsvoll“, „Massivholzdielen heben
sich ausdrucksstark von der Masse ab“, „Ausdrucksstarke Farben“, „Modern und
Aus
drucksstark“ und „Ausdrucksstark in Szene gesetzt“ auf bestimmte Gestal-
tungen von Produkten und damit Gegenständen hingewiesen wird. Entsprechen-
des muss für den eher bildungssprachlich gehobene
n Begriff „expressiv“ gelten.
Auch wenn die Verwendung des B
egriffs „expressiv“ im Zusammenhang mit der
Beschreibung der beanspruchten Baumaterialien wie z.B. Faserzementplatten in
der Regel wohl seltener vorkommt, ist sie aus den vorgenannten Gründen gleich-
wohl nicht ausgeschlossen. Eine schutzbegründende Verfremdung kann darin
nach Auffassung des Senats noch nicht gesehen werden.
Entgegen der Auffassung der Inhaberin der international registrierten Marke be-
darf es für die Annahme einer derart üblichen Verkürzung nicht der gesonderten
Feststellung, dass der V
erkehr die Angabe „XPRESSIV“ als eine beschreibende
Angabe auf dem entscheidungserheblichen Warengebiet bereits verwendet. Steht
nämlich
– wie im vorliegenden Fall – der Sinngehalt der beanspruchten Marke
fest, so bedarf es insoweit keiner Feststellung, dass und in welchem Umfang die
Bezeichnung im Verkehr verwendet wird (BPatG, a.a.O.
– EXPRESSIVE).
Auch wenn das Wort „XPRESSIV“ in mehreren europäischen Ländern als schutz-
fähig angesehen wurde, ist kein anderes Ergebnis gerechtfertigt. Für die Frage der
Unterscheidungskraft kommt es entscheidend auf das Verständnis der inländi-
schen Verkehrskreise an. Zudem wurden auch vom Harmonisierungsamt in
Alicante Wörter wie „bonusXpress“, „WireXpert“ und „XPERT“ (vgl. PAVIS
PROMA unter den entsprechenden Stichwörtern
)
als nicht schutzfähig angesehen.
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Im Übrigen sind bestehende Eintragungen zwar zu berücksichtigen, vermögen
aber keine für den zu entscheidenden Fall rechtlich bindende Wirkung zu
entfalten. Dies hat der EuGH mehrfach entschieden (ständige Rspr., vgl. EuGH
GRUR 2009, 667 - Bild.T-Online u. ZVS unter Hinweis u.a. auf die
Entscheidungen EuGH GRUR 2008, 229, Tz. 47-51 - BioID; GRUR 2004, 674,
Tz. 42-44 - Postkantoor; GRUR 2004, 428 Tz. 63 - Henkel). Das entspricht auch
ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundespatentgerichts
(vgl. BGH GRUR 2011, 230, Tz. 12
– SUPERgirl; GRUR 2008, 1093
Tz. 18 - Marlene-Dietrich-Bildnis; BPatG MarkenR 2010, 145
– Linuxwerkstatt;
GRUR 2007, 333
– Papaya). Die Entscheidung über die Schutzfähigkeit einer
Marke ist keine Ermessensentscheidung, sondern eine gebundene Entscheidung,
die allein auf der Grundlage des Gesetzes und nicht auf der Grundlage einer
vorherigen Entscheidungspraxis zu beurteilen ist. Aus dem Gebot rechtmäßigen
Handelns folgt, dass sich niemand auf eine fehlerhafte Rechtsanwendung
zugunsten eines anderen berufen kann, um eine identische Entscheidung zu
erlangen.
Ob darüber hinaus auch das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG vor-
liegt, wofür jedenfalls aufgrund der vorstehend dargelegten beschreibenden Be-
deutung vieles spricht, kann letztlich dahin gestellt bleiben, da bei der international
registrierten Marke das Schutzhindernis fehlender Unterscheidungskraft gegeben
ist.
Nach alledem war die Beschwerde zurückzuweisen.
2.
Die Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung getroffen werden. Die In-
haberin der international registrierten Marke hat ihren Antrag auf Durchführung
einer mündlichen Verhandlung (§ 69 Abs. 1 MarkenG) zurückgenommen.
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3.
Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht gegeben, da keine
Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden war, § 83 Abs. 2 Nr. 1
MarkenG oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert, § 83 Abs. 2
Nr. 2 MarkenG.
4.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss kann die am Beschwerdeverfahren beteiligte Markenin-
haberin das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde einlegen. Da der Senat die
Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird,
dass
1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des
Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der
Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten
war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder still-
schweigend zugestimmt hat,
5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei
der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden
sind, oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
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Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlus-
ses beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim
Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich
oder in elektronischer Form einzulegen.
Knoll
Grote-Bittner
Portmann
Hu