Urteil des BPatG vom 11.09.2014

Stand der Technik, Fig, Anhörung, Vertreter

BPatG 154
05.11
BUNDESPATENTGERICHT
23 W (pat) 4/12
_______________
(Aktenzeichen)
Verkündet am
11. September 2014
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Patentanmeldung 10 2004 034 166.4
hat der 23. Senat (Techn. Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 11. September 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzen-
den Richters Dipl.-Phys. Dr. Strößner sowie der Richter Dipl.-Phys. Brandt, Dipl.-
Phys. Dr. Friedrich und der Richterin Dr. Hoppe
- 2 -
beschlossen:
1. Der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H01L des Deut-
schen Patent- und Markenamtes vom 25. Februar 2011 wird auf-
gehoben.
2. Es wird ein Patent erteilt
mit der Bezeichnung „Lichtemittierende Vorrichtung“,
dem Anmeldetag 15. Juli 2004
und den japanischen Prioritäten: JP 2003-276099 vom
17. Juli 2003, JP 2003-353007 vom 10. Oktober 2003 und
JP 2003-358308 vom 17. Oktober 2003,
auf der Grundlage folgender Unterlagen:
Patentansprüche 1
bis 5,
eingereicht
am
11. September 2014 sowie
Beschreibungsseiten 1 bis 5, 8 bis 9 und 12 bis 24 vom
11. September 2014 eingereicht am gleichen Tag sowie
9 Blatt ursprüngliche deutschsprachige Zeichnungen mit
Figuren 1 bis 9, vom 30. September 2004, eingegangen
beim Deutschen Patent- und Markenamt am gleichen
Tag.
G r ü n d e
I.
Die vorliegende Anmeldung mit dem Aktenzeichen 10 2004 034 166.4
– 33 und
der Bezeichnung „Lichtemittierende Vorrichtung“ wurde am 15. Juli 2004 unter
Inanspruchnahme der drei ausländischen Prioritäten JP 2003-276099 vom
- 3 -
17. Juli 2003, JP 2003-353007 vom 10. Oktober 2003 und JP 2003-358308 vom
17. Oktober 2003 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht.
Die Prüfungsstelle für Klasse H01L hat im Prüfungsverfahren den Stand der
Technik gemäß den Druckschriften
D1 JP 11-186 596 A
D2 DE 196 38 667 A1
D3 DE 199 62 765 A1
D4 JP 11-204838 A
(von der Anmelderin genannt)
D5 JP 2000-150967 A
(von der Anmelderin genannt)
berücksichtigt und in den Prüfungsbescheiden vom 11. August 2005 und
28. September 2006 u. a. ausgeführt, dass der Gegenstand des damals jeweils
geltenden Patentanspruchs 1 wegen fehlender Neuheit bzw. erfinderischer Tätig-
keit nicht patentfähig sei. In der daraufhin am 30. April 2009 durchgeführten Anhö-
rung hat der Vertreter der Anmelderin einen neuen und von der Prüfungsstelle als
voraussichtlich gewährbar angesehenen Anspruchssatz überreicht, diesen jedoch
mit Eingabe vom 2. September 2009 in Bezug auf Anspruch 1 abgeändert und
gleichzeitig eine weitere Anhörung beantragt, woraufhin die Prüfungsstelle die
Anmeldung durch Beschluss vom 25. Februar 2011 mit der Begründung fehlender
Neuheit bezüglich der Druckschrift D3 zurückgewiesen hat.
Gegen diesen Beschluss, dem Vertreter der Anmelderin am 21. März 2011 zu-
gestellt, richtet sich die fristgemäß am 18. April 2011 eingegangene Beschwerde.
Mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung und in der Verhandlung sind der An-
melderin als weiterer Stand der Technik die Druckschriften
D6
JP 2003-110134 A
D7
US 6 498 355 B1 und
D8
US 5 187 547 A
- 4 -
überreicht worden.
Die Anmelderin beantragt:
1. Den angefochtenen Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H01L
des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 25. Februar 2011
aufzuheben.
2. Ein Patent zu erteilen mit
der Bezeichnung „Lichtemittierende Vor-
richtung“, dem Anmeldetag 15. Juli 2004 und den japanischen Pri-
oritäten: JP 2003-276099 vom 17. Juli 2003, JP 2003-353007 vom
10. Oktober 2003 und JP 2003-358308 vom 17. Oktober 2003 auf
der Grundlage folgender Unterlagen:
- Patentansprüche 1
bis 5,
eingereicht
am
11. September 2014 sowie
- Beschreibungsseiten 1 bis 5, 8 bis 9 und 12 bis 24 vom
11. September 2014 eingereicht am gleichen Tag sowie
- 9 Blatt ursprüngliche deutschsprachige Zeichnungen mit
Figuren 1 bis 9, vom 30. September 2004, eingegangen
beim Deutschen Patent- und Markenamt am gleichen
Tag.
Die Anmelderin regt zudem an, die Beschwerdegebühr zurück zu erstatten.
Der geltende, in der Verhandlung überreichte Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut
(Gliederung hinzugefügt):
(a)
„Lichtemittierende Vorrichtung mit einem lichtemittierenden Ele-
ment (3) das Licht mit einer vorbestimmten Wellenlänge emit-
tiert, sowie einem Versiegelungsabschnitt (2), der das lichtemit-
tierende Element versiegelt, wobei:
- 5 -
(b) das lichtemittierende Element mit Verspannungen reduzieren-
den Abschnitten (33) versehen ist, die eine interne Verspannung
in dem Versiegelungsabschnitt reduzieren, wobei
(c) das lichtemittierende Element von einer Flipchipbauart istbei
der eine Emissionsoberflächenseite eine erste Oberfläche eines
Substrats (30)ist, die einer zweiten Oberfläche des Substrats
gegenüberliegt, auf der eine Lichtemissionsschicht (31) zum
Emittieren des Lichts gebildet ist;
(d) Elektroden des lichtemittierenden Elements auf einer unteren
Oberfläche des lichtemittierenden Elements gebildet sind, die
der ersten Oberfläche gegenüberliegt;
(e) die Verspannungen reduzierenden Abschnitte so ausgebildet
sind, dass die Ecken auf der Emissionsoberflächenseite abge-
rundet sind, so dass runde Abschnitte bereitgestellt werden; und
(f) der Versiegelungsabschnitt aus Glas mit einem niedrigen
Schmelzpunkt ist.
Bezüglich der abhängigen Ansprüche 2 bis 5 sowie der weiteren Einzelheiten wird
auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die form- und fristgerecht erhobene Beschwerde ist zulässig und hinsichtlich der
in der mündlichen Verhandlung vom 11. September 2014 eingereichten Unterla-
gen auch begründet, denn die Ansprüche 1 bis 5 sind zulässig und die lichtemittie-
rende Vorrichtung des geltenden Anspruchs 1 ist durch den im Verfahren befindli-
chen Stand der Technik nicht patenthindernd getroffen (§§ 1 - 5 PatG), so dass
der angefochtene Beschluss der Prüfungsstelle aufzuheben und das Patent in
dem beantragten Umfang zu erteilen war (§ 79 Abs. 1 PatG i.V.m. § 49 Abs. 1
PatG).
- 6 -
1.
Die geltenden Patentansprüche 1 bis 5 sind zulässig.
Die Merkmale (a) und (b) des Anspruchs 1 ergeben sich aus dem ursprünglichen
Anspruch 1 und die Merkmale (c) und (d) aus dem letzten Absatz der ursprüngli-
chen Beschreibungsseite 13 und dem ersten Absatz der Beschreibungsseite 16
i.V.m. Figur 3. Die Offenbarung des Merkmals (f) findet sich im zweiten Absatz der
ursprünglichen Beschreibungsseite 13 und die Abrundung der Ecken gemäß
Merkmal (e) entnimmt der Fachmann der Fig. 5 und der zugehörigen Beschrei-
bung auf Seite 17, letzter Absatz, bis Seite 18, zweiter Absatz. Zwar wird dort ex-
plizit auf vier abgerundete Ecken Bezug genommen, doch gibt bereits der ur-
sprüngliche Anspruch 1 dem Fachmann die Lehre, dass die Anzahl der die Ver-
spannungen reduzierenden Abschnitte nicht auf vier beschränkt ist, so dass auch
das Merkmal (e) den ursprünglichen Unterlagen als zur angemeldeten Erfindung
gehörend entnehmbar ist, vgl. BGH GRUR 2014, 542, Rn. 23
– Kommunikations-
kanal.
Die abhängigen Ansprüche 2 bis 5 sind die angepassten ursprünglichen Ansprü-
che 4 bis 7.
2.
Die Anmeldung betrifft eine lichtemittierende Vorrichtung, die eine lichte-
mittierende Diode (LED) als Lichtquelle verwendet und die mit einem Glas
versiegelt ist.
Gemäß der Beschreibungseinleitung der Anmeldung erfolgt die Versiegelung
lichtemittierender Vorrichtungen, die LEDs als Lichtquelle aufweisen, häufig mit
Epoxidharz. Dieses ist zwar gut verfügbar und leicht zu gießen, jedoch kann es
durch das von dem LED-Element emittierte intensive Licht in nachteiliger Weise
gelb gefärbt werden. Aus diesem Grund schlägt die Druckschrift D4 den teilweisen
Ersatz der Epoxidharzschicht durch eine Glasschicht vor. Aufgrund der erheblich
größeren Viskosität der Glasschicht verglichen mit der von Epoxidharz können
aber bei diesem Verfahren unerwünschte Luftblasen in der Glasschicht verbleiben.
- 7 -
Zudem werden bei der Versiegelung des LED-Elements mit Glas Höchsttempera-
turen von 300°C oder mehr erreicht, was wegen der unterschiedlichen Wär-
meausdehnungskoeffizienten von LED-Element und Glasmaterial zu Spannungen
in dem Glasmaterial führen und bei Bestrahlung durch das LED-Element Risse in
dem Glasmaterial verursachen kann. Da Hochleistungs-LEDs eine bedeutende
Wärmemenge erzeugen, weisen entsprechende lichtemittierende Vorrichtungen
zur Wärmeabfuhr Wärmesenken unter dem LED-Element auf, bspw. in einen An-
schlussrahmen eingefügte Metallstücke wie in der Druckschrift D5. Das dort be-
schriebene LED-Gehäuse erfordert jedoch ein zusätzliches Stützelement zum
Übergießen des Anschlussrahmens, was die Anzahl der erforderlichen Teile er-
höht und die Herstellung kompakter Gehäuse erschwert,
Vor diesem Hintergrund liegt der Anmeldung als technisches Problem die Aufgabe
zugrunde, eine lichtemittierende Vorrichtung bereitzustellen, welche die Verringe-
rung von Restblasen sowie die Verringerung einer internen Verspannung in ihrem
Versiegelungsmaterial ermöglicht,
Diese Aufgabe wird durch die lichtemittierende Vorrichtung nach Anspruch 1 ge-
löst.
Diese zeichnet sich dadurch aus, dass sie ein lichtemittierendes Element und ei-
nen das lichtemittierende Element versiegelnden Versiegelungsabschnitt aus Glas
aufweist, wobei das lichtemittierende Element mit Abschnitten versehen ist, die
eine interne Verspannung in dem Versiegelungsabschnitt reduzieren und die dazu
so ausgebildet sind, dass die Ecken auf der Emissionsoberflächenseite abgerun-
det sind. Zudem ist das lichtemittierende Element von einer Flipchipbauart, bei der
eine Emissionsoberflächenseite eine erste Oberfläche eines Substrats ist, die ei-
ner zweiten Oberfläche des Substrats gegenüberliegt, auf der eine Lichtemissi-
onsschicht zum Emittieren des Lichts gebildet ist, und bei der die Elektroden auf
- 8 -
einer unteren Oberfläche des lichtemittierenden Elements gebildet sind, die der
ersten Oberfläche gegenüberliegt.
Aufgrund der Abrundung der Substratecken wird eine Verwirbelung des Versie-
gelungsmaterials beim Aufbringen auf das lichtemittierende Element reduziert und
die Homogenität des Glases gewährleistet, da der Einschluss von Luft weitgehend
vermieden wird. Zudem wird das Auftreten von Rissen durch einen Wärmeschock
in dem Versiegelungsabschnitt weitgehend verhindert,
3.
Die lichtemittierende Vorrichtung des Anspruchs 1 ist hinsichtlich des nach-
gewiesenen Stands der Technik neu (§ 3 PatG) und beruht diesem gegenüber
auch auf einer erfinderischen Tätigkeit des zuständigen Fachmanns (§ 4 PatG),
der im vorliegenden Fall als in der Halbleiterindustrie tätiger, berufserfahrener
Diplom-Physiker mit Hochschulabschluss zu definieren ist, der mit der Entwicklung
von Hochleistungsleuchtdioden und deren Versiegelung betraut ist.
4.
Gemäß der Lehre des Anspruchs 1 ist das lichtemittierende Element von
einer Flipchipbauart und umfasst ein Substrat mit einer ersten und einer gegen-
überliegenden zweiten Oberfläche, auf der sich eine Lichtemissionsschicht befin-
det, wobei die Elektroden des lichtemittierenden Elements auf der der ersten Sub-
stratoberfläche gegenüberliegenden Unterseite des lichtemittierenden Elements
gebildet sind und die erste Substratoberfläche abgerundete Ecken aufweist, die
eine interne Verspannung in einem Versiegelungsabschnitt aus Glas reduzieren.
Für ein derartiges lichtemittierendes Element gibt es in dem nachgewiesenen
Stand der Technik keine Anregung.
Zwar offenbaren die Druckschriften D1, D3 und D6 jeweils lichtemittierende Vor-
richtungen mit lichtemittierenden Elementen, die abgerundete Ecken aufweisen,
- 9 -
vgl. bspw. die Abstracts der Druckschriften D1 und D6 sowie die Fig. 3 der Druck-
schrift D3. Jedoch ist im Gegensatz zur Lehre des Anspruchs 1 bei keinem der in
diesen Dokumenten offenbarten Vorrichtungen das Substrat der lichtemittierenden
Elemente mit Abrundungen versehen, sondern entweder die Lichtemissions-
schicht, vgl. die Abstracts der Druckschriften D1 und D6, oder eine zusätzlich auf-
gebrachte Abstandsschicht aus Epoxidharz oder Glas, vgl. Fig. 3 der Druckschrift
D3 mit Beschreibung in Spalte 5, Zeile 42 bis Spalte 6, Zeile 21. Der Fachmann
kann diesen Druckschriften auch keinen Hinweis entnehmen, stattdessen, wie in
Anspruch 1 gelehrt, die Substratoberfläche abzurunden. Vielmehr verweist Druck-
schrift D1 in der Beschreibung, vgl. die Abs. [0006] bis [0010] und [0014] der eng-
lischen Computerübersetzung, ausdrücklich darauf, dass aufgrund der speziellen
mechanischen Eigenschaften von AlGaInP die aus diesem Halbleiter bestehende
Lichtemissionsschicht mit abgerundeten Ecken versehen werden muss, damit der
von der Versiegelungsschicht auf die Lichtemissionsschicht ausgeübte Stress das
Kristallgitter des Halbleitermaterials nicht zu stark schädigt. Ebenfalls dem Schutz
der Lichtemissionsschicht dient auch die nach der Lehre der Druckschrift D6 vor-
gesehene Eckenabrundung. Insbesondere soll damit, wie in Fig. 1 und 4 der D6
gezeigt und im zugehörigen Abstract angedeutet, eine Überätzung der Schutz-
schicht 9 im Kantenbereich 10 und eine damit einhergehende Schädigung der da-
runter liegenden Lichtemissionsschicht während der Ausbildung des Kontaktfens-
ters oberhalb der Elektrode 7 verhindert werden. In Druckschrift D3 schließlich
werden weder die Ecken des Substrats noch der Lichtemissionsschicht abgerun-
det, sondern es wird stattdessen eine Schutzschicht mit abgerundeten Ecken auf-
gebracht.
Druckschrift D8 offenbart mit den Worten des geltenden Anspruchs 1 eine
(a) lichtemittierende Vorrichtung mit einem lichtemittierenden Element
, das Licht mit einer vorbestimmten Wellenlänge emittiert,
sowie einem Versiegelungsabschnitt, der das lichtemittierende Element
versiegelt
- 10 -
,
wobei:
(b) das lichtemittierende Element mit Verspannungen reduzierenden Abschnit-
ten versehen ist, die eine interne Verspannung in dem Versiegelungsab-
schnitt reduzieren
,
(c) wobei das lichtemittierende Element von einer Flipchipbauart ist
, bei der eine
Emissionsoberflächenseite eine erste Oberfläche eines Substrats
ist, die einer zweiten Oberfläche des Substrats gegen-
überliegt, auf der eine Lichtemissionsschicht
zum
Emittieren des Lichts gebildet ist.
Im Gegensatz zu Merkmal (e) des geltenden Anspruchs 1 sind die Ecken des
lichtemittierenden Elements aus Druckschrift D8 jedoch nicht abgerundet, um in-
terne Spannungen zu reduzieren, sondern abgeschrägt, um die Lichtausbeute zu
erhöhen und Verluste aufgrund von Lichtreflexionen innerhalb der Leuchtdiode zu
minimieren, vgl. in der D8 die Spalte 6, zweiter Absatz. Da auch aus den Druck-
schriften D1, D3 und D6 keine Eckenabrundung des Substrats des lichtemittieren-
den Elements zur Reduktion von Verspannungen in der Versiegelungsschicht be-
kannt ist, kann auch eine Kombination dieser Druckschriften die Vorrichtung nach
Anspruch 1 nicht nahelegen.
Die Druckschriften D2 bzw. D7 offenbaren Leuchtdioden mit Versiegelungsab-
schnitten aus Glas, vgl. Fig. 4 der D2 mit Beschreibung in Spalte 9, Zeile 60 bis
Spalte 10, Zeile 17, bzw. Leuchtdioden in Flipchipbauart mit auf einer gemeinsa-
men Seite angeordneten Elektroden, vgl. bspw. Fig. 1 der D7 mit Beschreibung in
- 11 -
Spalte 3, erster Absatz. Ein Hinweis bzgl. einer Eckenabrundung des Substrats
der LEDs ist diesen Druckschriften ebenfalls nicht zu entnehmen.
Die von der Anmelderin zum Stand der Technik genannten japanischen Patent-
anmeldungen D4 und D5 haben in der Verhandlung keine Rolle gespielt und kön-
nen dem Fachmann ebenfalls keinen Anlass bezüglich einer Eckabrundung des
Substrats des lichtemittierenden Elements geben.
Die lichtemittierende Vorrichtung des Anspruchs 1 ist daher neu und beruht auf
einer erfinderischen Tätigkeit des Fachmanns.
5.
An den Patentanspruch 1 können sich die Unteransprüche 2 bis 5 anschlie-
ßen, da sie vorteilhafte Weiterbildungen des Gegenstands nach Patentanspruch 1
angeben. Zudem ist in der geltenden Beschreibung mit Zeichnung die Vorrichtung
gemäß Anspruch 1 ausreichend erläutert.
6.
Bei dieser Sachlage war der angefochtene Beschluss aufzuheben und das
Patent im beantragten Umfang zu erteilen.
III.
Die von der Anmelderin angeregte Rückzahlung der Beschwerdegebühr nach § 80
Abs. 3 PatG war nicht anzuordnen.
Für die Entscheidung, ob die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen ist,
sind - ebenso, wie bei einer Kostenentscheidung nach § 80 Abs. 1
PatG -
Billigkeitsgründe
maßgebend
(BPatG
8 W (pat) 18/14;
BPatG
17 W (pat) 18/01; BPatG 21 W (pat) 14/05 - Injektionsgerät zur s. c. Injektion von
Medikamenten). Im Rahmen der Billigkeitsprüfung sind alle Umstände des Ein-
zelfalles zu berücksichtigen (vgl. Fitzner/Lutz/Bodewig, PatG, 4. Auflage 2012,
- 12 -
§ 80 PatG, Rn. 44 m.w.N.). Es müssen Umstände vorliegen, die es unbillig er-
scheinen lassen, die Beschwerdegebühr einzubehalten, weil der Beschwer-
deführer durch eine gesetzeswidrige oder unangemessene Sachbehandlung oder
durch einen offensichtlichen Fehler des Patentamts genötigt worden ist, Be-
schwerde einzulegen und die Beschwerdegebühr zu entrichten (vgl. Schulte,
PatG, 9. Aufl., § 73 Rn. 131 f. m.w.N., Busse, PatG, 7. Aufl., § 80 Rn. 90). Dem
entsprechend kann eine Verletzung des rechtlichen Gehörs als schwerwiegender
Verfahrensverstoß unter Umständen eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr
begründen (Schulte, PatG, 9. Aufl., § 73 Rn. 139, 142).
Hier liegen keine derartigen Umstände vor, insbesondere nicht die von der Anmel-
derin genannten Billigkeitsgründe
a)
Mängel der Begründung des Zurückweisungsbeschlusses und sachliche
Fehlbeurteilung,
b)
Änderung der Verfahrenslage und
c)
Verletzung des rechtlichen Gehörs.
So war entgegen der Ansicht der Anmelderin der Zurückweisungsbeschluss der
Prüfungsstelle vollständig und korrekt begründet und auch der Anspruch auf Ge-
währung des rechtlichen Gehörs nicht verletzt. Auch hatte sich durch den von dem
Vertreter der Anmelderin nach der Durchführung der Anhörung neu vorgelegten
Anspruch 1 die Verfahrenslage nicht so wesentlich geändert, dass ein weiterer
Bescheid oder eine weitere Anhörung vor dem Absetzen des Zurückweisungsbe-
schlusses zur Wahrung des rechtlichen Gehörs geboten gewesen wäre.
Ausweislich des Protokolls hat die Prüfungsstelle zu Beginn der am 30. April 2009
durchgeführten Anhörung darauf verwiesen, dass, sofern das Merkmal abgerun-
deter Ecken nicht näher spezifiziert würde, die Druckschrift D3 als neuheitsschäd-
lich gegenüber dem Anmeldungsgegenstand gemäß dem damals geltenden An-
spruch 1 anzusehen wäre, woraufhin sich die Prüfungsstelle mit dem Vertreter der
- 13 -
Anmelderin auf folgenden, durch die Verfahrensmerkmale des Abschneidens und
Abrundens von Ecken charakterisierten Anspruch 1 geeinigt hat:
a) Lichtemittierende Vorrichtung mit einem lichtemittierenden Ele-
ment, das Licht mit einer vorbestimmten Wellenlänge emittiert,
b) sowie einem Versiegelungsabschnitt, der das lichtemittierende
Element versiegelt, wobei:
c) das lichtemittierende Element mit Verspannungen reduzierenden
Abschnitten versehen ist, die eine innere Verspannung in dem
Versiegelungsabschnitt reduzieren, wobei:
d) die Verspannungen reduzierenden Abschnitte ausgebildet sind, in-
dem Ecken des lichtemittierenden Elements schräg abgeschnitten
sind,
e) wobei die Ecken auf einer Emissionsoberfläche abgerundet sind,
so dass runde Abschnitte anstelle von abgeschnittenen Ecken be-
reitgestellt sind.
Zum Einreichen angepasster Gesamtunterlagen hat die Prüfungsstelle der Anmel-
derin zudem eine Frist von vier Monaten gesetzt.
Mit Eingabe vom 5. August 2009 hat der Vertreter der Anmelderin die Prüfungs-
stelle um erneute Zusendung der in der Anhörung vom 30. April 2009 von ihm
überreichten Ansprüche gebeten, dem die Prüfungsstelle mit Fax vom
31. August 2009 nachgekommen ist.
Entgegen der in der Anhörung vereinbarten weiteren Vorgehensweise hat die An-
melderin in ihrer daraufhin erfolgten Eingabe vom 2. September 2009 jedoch ei-
nen neuen Anspruch 1 vorgelegt und in diesem insbesondere die Merkmale d)
und e) durch die folgenden neuen Merkmale d‘) und e‘) ersetzt:
- 14 -
d') die Verspannungen reduzierenden Abschnitte ausgebildet sind, indem
Ecken des lichtemittierenden Elements entfernt sind,
e')
wobei die Ecken der Emissionsoberflächenseite so entfernt sind, dass
schräge Abschnitte oder abgerundete Abschnitte bereitgestellt sind.
Somit hat die anwaltlich vertretene Anmelderin trotz der eindeutigen Ausführungen
im Protokoll bezüglich der Relevanz der Druckschrift D3 die im vereinbarten An-
spruch 1
durch Aufnahme des Merkmals des „Abschneidens der Ecken“ vorge-
nommene Präzisierung gestrichen und durch das
– im Übrigen ursprünglich gar
nicht offenbarte
– breitere Merkmal des „Entfernens der Ecken“ ersetzt und dar-
über hinaus das Merkmal, „dass runde Abschnitte anstelle von abgeschnittenen
Ecken bereitgestellt sind
“ gestrichen und stattdessen das Merkmal eingefügt, wo-
nach „die Ecken der Emissionsoberflächenseite so entfernt sind, dass schräge
Abschnitte oder
abgerundete Abschnitte bereitgestellt sind“, obwohl die Variante
mit abgeschrägten Abschnitten von der Prüfungsstelle auch bereits in den vorher-
gehenden Bescheiden als nicht patentfähig beschieden worden war.
Folglich hat der Vertreter der Anmelderin mit seiner Eingabe vom
2. September 2009 einen neuen Anspruch 1 vorgelegt, dessen beide Varianten
(schräge bzw. abgerundete Ecken) inhaltlich bereits im Prüfungsverfahren, d. h. in
den Bescheiden und der Anhörung, abgehandelt worden waren. Eine Verletzung
des rechtlichen Gehörs ist daher nicht gegeben.
Insbesondere bestand auch keine Veranlassung für die Durchführung einer weite-
ren Anhörung aus Gründen der Sachdienlichkeit (§ 46 Abs. 1 S. 1 PatG). Es ist
nämlich nicht sachdienlich, wenn die Anhörung zu einer unnötigen Verfahrensver-
zögerung führen würde, wenn sie zu einer sachgerechten Entscheidung nichts
mehr beitragen kann oder wenn keine weitere Klärung entscheidungserheblicher
Sach- und Rechtsfragen und auch kein neuer, den Einwendungen der Prüfungs-
stelle
entgegenkommender
Antrag
erwartet
werden
kann
(BPatG
- 15 -
21 W (pat) 14/05 - Injektionsgerät zur s. c. Injektion von Medikamenten; vgl.
Busse, PatG, 7. Aufl., § 46 Rn. 19 m.w.N.).
Zudem ist der Zurückweisungsbeschluss auch korrekt begründet, da die Druck-
schrift D3 den Gegenstand des mit Eingabe vom 2. September 2009 eingereichten
Anspruchs 1 bezüglich der Variante mit abgerundeten Abschnitten neuheitsschäd-
lich vorwegnimmt.
Da der Senat auch sonst kein rechtsfehlerhaftes Vorgehen der Prüfungsstelle er-
kennen kann, gibt es keinen Grund, der eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr
aus Billigkeitsgründen rechtfertigen würde. Im Gegenteil hat sich die Anmelderin
den Grund für die Notwendigkeit einer Beschwerde selbst zuzuschreiben.
IV.
Soweit der Senat die Rückzahlung der Beschwerdegebühr entgegen der Anre-
gung der Anmelderin nicht angeordnet hat, ist die Rechtsbeschwerde nicht statt-
haft. Nach § 100 Abs. 1 PatG findet die Rechtsbeschwerde nur gegen Beschlüsse
der Beschwerdesenate statt, durch die über eine Beschwerde gegen einen Be-
schluss der Prüfungsstellen bzw. Patentabteilungen nach § 73 PatG entschieden
wird, nicht dagegen, über eine erst infolge der Beschwerde anstehende gerichtli-
che Entscheidung über die Gebührenerstattung nach § 80 Abs. 3 PatG (BPatG
20 W (pat) 80/05; BPatG 17 W (pat) 18/01; BPatGE 29, 194, 198; Schulte, PatG,
9. Aufl., § 100 Rn. 10, 12; vgl. Busse, PatG, 7. Auflage, § 100, Rn. 8).
Im Übrigen steht der Anmelderin gegen diesen Beschluss
– vorbehaltlich des Vor-
liegens der weiteren Rechtsmittelvoraussetzungen, insbesondere einer Beschwer
Rechtsbeschwerde
schwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn einer der nachfolgenden
Verfahrensmängel gerügt wird, nämlich
- 16 -
1. dass das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt
war,
2. dass bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der
Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen
oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt
war,
3. dass, einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. dass ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des
Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Ver-
fahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat,
5. dass der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung er-
gangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des
Verfahrens verletzt worden sind, oder
6. dass der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
innerhalb eines Monats
schlusses
schriftlich durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als
Bevollmächtigten beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, ein-
zureichen oder
durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmäch-
www.bundesgerichtshof.de/erv.html. Das elektronische Dokument ist mit einer
prüfbaren qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz oder mit
- 17 -
einer prüfbaren fortgeschrittenen elektronischen Signatur zu versehen. Die Eig-
nungsvoraussetzungen für eine Prüfung und für die Formate des elektronischen
Dokuments werden auf der Internetseite des Bundesgerichtshofs www.bundesge-
richtshof.de/erv.html bekannt gegeben.
Dr. Strößner
Brandt
Dr. Friedrich
Dr. Hoppe
Hu