Urteil des BPatG vom 05.04.2016

Stand der Technik, Fluor, Stickstoff, Are

BPatG 154
05.11
BUNDESPATENTGERICHT
23 W (pat) 26/14
_______________
(Aktenzeichen)
Verkündet am
5. April 2016
B E S C H L U S S
In der Einspruchsbeschwerdesache
betreffend das Patent 10 2010 017 155
hat der 23. Senat (Techn. Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 5. April 2016 unter Mitwirkung des Vorsitzenden
Richters
Dipl.-Phys. Dr. Strößner
sowie
der
Richter
Dipl.-Phys. Brandt,
Dipl.-Phys. Dr. Zebisch und Dr. Himmelmann
- 2 -
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Die Prüfungsstelle für Klasse H01L des Deutschen Patent- und Markenamts hat
das am 31. Mai 2010 beim Deutschen Patent- und Markenamt
von der Q…
in W…, angemeldete und mit der DE 10 2010 017 155 A1 am
1. Dezember 2011 offengelegte Patent 10 2010 017 155 (Streitpatent) mit der Be-
zeichnung „Solarzelle“ in der Anhörung am 7. Februar 2011 erteilt. Der zugehörige
schriftliche Beschluss ist auf den 19. September 2011 datiert. Das Patent wurde
am 26. Januar 2012 mit der DE 10 2010 017 155 B4 veröffentlicht.
Im Prüfungsverfahren hat die Prüfungsstelle den Stand der Technik gemäß den
folgenden Druckschriften zitiert:
P1
US 5 270 267 A,
P2
US 2008/0 072 959 A1
und
P3
US 2005/ 0 030 629 A1.
Gegen das Patent hat die
S… AG in M… mit
Schriftsatz vom 25. April 2012, am 26. April 2012 beim Deutschen Patent- und
Markenamt über Fax eingegangen, Einspruch erhoben. In ihrem Schriftsatz hat sie
beantragt, das Streitpatent in vollem Umfang zu widerrufen (§ 61 PatG), wobei sie
als Widerrufsgrund fehlende Patentfähigkeit (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG) auf Grund
fehlender Neuheit (§ 3 PatG) und mangelnde Ausführbarkeit der Lehre des Streit-
patents (§ 21 Abs. 1 Nr. 2 PatG) angegeben hat. Sie hat sich bei ihrer Begründung
- 3 -
im Einspruchsschriftsatz und in einem weiteren Schriftsatz im Hinblick auf die
fehlende Patentfähigkeit auf folgende Dokumente gestützt:
D1
M.C. Ntsama-
Etoundi et al.: „Remote microwave plasma enhanced
chemical vapour deposition of alumina on metallic substrates“; in:
Surface and Coatings Technology 120-121 (1999), S. 233-237;
D2
Bram
Hoex, Promotionsarbeit: “Functional Thin Films for High-Effi-
ciency Solar Cells”, Technische Universität Eindhoven, 8. Mai 2008,
S. 8-10, 36, 82-84;
D3
P. Saint-
Cast et al.: „Very low surface recombination velocity on p-
type c-Si by high-rate plasma-
deposited aluminum oxide“; in: Applied
Physics Letters 95, 151502 (2009);
D4
G. Dingemans et al.: „Stability of Al
2
O
3
and Al
2
O
3
/a-SiN
x
:H stacks for
surface passivation of crystalline silicon”; in: Journal of Applied
Physics 106, 114907 (2009);
D5
WO 2006/097 303 A1
D6
H.-
Q. Xiao et al.: „Excellent Passivation of p-Type Si Surface by Sol-
Gel Al
2
O
3
Films“; in Chin.Phys.Lett. Vol. 26, No. 8 (2009) 088102;
D7
Sh. Miyajima et al.: „High Quality Aluminum Oxide Passivation Layer
for Crystalline Silicon Solar Cells Deposited by Parallel-Plate
Plasma-
Enhanced Chemical Vapor Deposition“; in: Applied Physics
Express 3 (2010) 012301;
D8
WO 2009/062 882 A2;
D9
G. Dingemans et al.: „Firing Stability of Atomic Layer Deposited Al
2
O
3
for c-
Si Surface Passivation”; in: Proceedings of the 34
th
IEEE Pho-
tovoltaic Specialists Conference, Philadelphia, PA, 7.-12. Juni 2009;
D10 US 2008/0 308 143 A1.
Auf den Einspruch hin hat die Patentinhaberin mit Schriftsatz vom 15. April 2013
den Darlegungen der Einsprechenden in allen Punkten widersprochen und insbe-
sondere ausgeführt, dass die Gegenstände der mit diesem Schriftsatz einge-
- 4 -
reichten Ansprüche sowohl neu seien als auch auf einer erfinderischen Tätigkeit
des Fachmanns beruhten. Zudem sei die Lehre der Ansprüche auch ausführbar.
In einem weiteren Schriftsatz vom 10. Juli 2014 hat sie nochmals zwei Sätze
neuer Ansprüche eingereicht und wiederum ihre Ansicht, dass deren Gegen-
stände neu und erfinderisch seien und ihre Lehre auch ausführbar sei, dargelegt.
In der darauf folgenden, von der Einsprechenden beantragten Anhörung vor der
Patentabteilung 33 des Deutschen Patent- und Markenamts am 24. Juli 2014 hat
die Einsprechende den Antrag, das Patent zu widerrufen, wiederholt.
Die Patentinhaberin hat in der Anhörung zwei weitere Anspruchssätze als Hilfsan-
träge 2 und 3 eingereicht und beantragt, das Patent mit einem der Anspruchssätze
nach dem zu diesem Zeitpunkt bestehenden Hauptantrag oder einem der drei
Hilfsanträge 1 bis 3 in dieser Reihenfolge beschränkt aufrecht zu erhalten.
Als Ergebnis der Anhörung wurde das Streitpatent durch Beschluss der Patent-
abteilung 33 des Deutschen Patent- und Markenamts in der Anhörung gemäß
§ 61 Abs. 1 Satz 1 PatG widerrufen.
Die Patentabteilung hat in ihrer Beschlussbegründung ausgeführt, dass die Lehren
der zulässigen Ansprüche nach allen vier Anträgen zwar ausführbar seien, jedoch
gegenüber der Lehre der Druckschrift D3 nicht neu (§ 3 PatG) und damit nicht
patentfähig seien. Diese schriftliche Beschlussbegründung wurde sowohl dem
Vertreter der Patentinhaberin als auch dem der Einsprechenden am
18. August 2014 zugestellt.
Gegen diesen Beschluss der Patentabteilung 33 hat die Patentinhaberin mit
Schriftsatz vom 18. September 2014, am selben Tag beim Deutschen Patent- und
Markenamt über Fax eingegangen, Beschwerde eingelegt und diese mit Schrift-
satz vom 16. Februar 2015 begründet. Mit diesem Schriftsatz hat sie auch vier
neue Anspruchssätze als Hauptantrag und Hilfsanträge 1 bis 3 eingereicht.
- 5 -
Mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung hat der Senat die Patentinhaberin
und die Einsprechende noch auf die im parallelen US-amerikanischen Patentprü-
fungsverfahren genannte Druckschrift
D11 US 2001/0 031 365 A1
hingewiesen.
In der mündlichen Verhandlung am 5. April 2016 hat die Patentinhaberin zwei
weitere neue Sätze Patentansprüche als Hilfsanträge I und II eingereicht, welche
die mit Hilfsantrag 1 und 2 bezeichneten Anspruchssätze ersetzen. Sie beantragt:
Den Beschluss der Patentabteilung 33 des Deutschen Pa-
tent- und Markenamts vom 24. Juli 2014 (schriftlich begrün-
det durch Beschluss vom 18. August 2014) aufzuheben.
2a. Hauptantrag
Das Patent Nr. 10 2010 017
155 mit der Bezeichnung „So-
larzelle“
dem Anmeldetag 31. Mai 2010 in beschränktem Umfang auf-
recht zu erhalten
nach Maßgabe folgender Unterlagen:
-
Patentansprüche 1 bis 8 gemäß Hauptantrag vom
16. Februar 2015, eingegangen am 17. Februar 2015,
wobei Patentanspruch 8 gestrichen ist;
-
Beschreibung Absatz [0001] bis Absatz [0035] gemäß
Patentschrift.
- 6 -
2b. Hilfsantrag 1
Hilfsweise das unter 2a. genannte Patent in beschränktem
Umfang aufrecht zu erhalten nach Maßgabe folgender Un-
terlagen:
-
Patentansprüche 1 bis 7 gemäß Hilfsantrag I, über-
reicht
in
der
mündlichen
Verhandlung
am
5. April 2016;
-
die unter 2a. genannte Beschreibung.
2c. Hilfsantrag 2
Weiter hilfsweise das unter 2a. genannte Patent in be-
schränktem Umfang aufrecht zu erhalten nach Maßgabe fol-
gender Unterlagen:
-
Patentansprüche 1 bis 6 gemäß Hilfsantrag II, über-
reicht
in
der
mündlichen
Verhandlung
am
5. April 2016;
-
die unter 2a. genannte Beschreibung.
2d. Hilfsantrag 3
Weiter hilfsweise das unter 2a. genannte Patent in be-
schränktem Umfang aufrecht zu erhalten nach Maßgabe fol-
gender Unterlagen:
-
Patentansprüche 1 bis 7 gemäß Hilfsantrag 3 vom
16. Februar 2015, eingegangen am 17. Februar 2015;
-
die unter 2a. genannte Beschreibung.
Die Einsprechende hat mit Schriftsatz vom 12. Februar 2016 ihren Einspruch zu-
rückgenommen.
Der geltende, mit Schriftsatz vom 16. Februar 2015 eingereichte Anspruch 1 nach
Hauptantrag
- 7 -
„1. Solarzelle,
1.1 aufweisend ein Halbleitersubstrat mit einer Halbleitersubstratoberflä-
che
1.2 und eine Passivierung aus mindestens einer Passivierungsschicht,
welche die Halbleitersubstratoberfläche derart oberflächenpassiviert,
dass
die
Rekombinationsaktivität
von
Ladungsträgern
über
Oberflächenzustände herabgesetzt ist,
1.2.1 wobei die Passivierungsschicht eine Verbindung aus Aluminiumoxid,
Aluminiumnitrid oder Aluminiumoxynitrid umfasst,
1.2.2 wobei die Verbindung zumindest ein weiteres Element enthält, wel-
ches stöchiometrisch signifikant in der Passivierungsschicht
enthalten ist,
1.2.3 - wobei die Verbindung der Passivierungsschicht als ein weiteres
Element Stickstoff, Kohlenstoff, Phosphor, Bor, Fluor und / oder ein
Metall der seltenen Erden umfasst und
1.2.4 die Passivierungsschicht als Antireflexionsschicht oder als Teil einer
derartigen Schicht ausgelegt ist
oder
1.2.5 - wobei die Verbindung der Passivierungsschicht als ein weiteres
Element Stickstoff, Kohlenstoff, Phosphor, Bor und / oder Fluor
und/oder ein Metall umfasst und
1.2.6 die Passivierung eine oder mehrere weitere zwischen der Passivie-
rungsschicht und der Halbleitersubstratoberfläche angeordnete
Passivierungsschichten umfas
st.“
Hilfsantrag I
lautet (mit bei unverändertem Wortlaut eingefügter Gliederung):
„1. Solarzelle,
1.1
aufweisend ein Halbleitersubstrat mit einer Halbleitersubstratoberfläche
- 8 -
1.2
und eine Passivierung aus mindestens einer Passivierungsschicht, wel-
che die Halbleitersubstratoberfläche derart oberflächenpassiviert, dass
die Rekombinationsaktivität von Ladungsträgern über Oberflächenzu-
stände herabgesetzt ist,
1.2.1‘ wobei die Passivierungsschicht aus Aluminiumoxid, Aluminiumnitrid
oder Aluminiumoxynitrid gebildet ist und
1.2.2‘ ein weiteres Element enthält, welches stöchiometrisch signifikant in
der Passivierungsschicht enthalten ist,
1.2.3a - wobei die Passivierungsschicht als ein weiteres Element Stick-
stoff, Phosphor, Bor und / oder ein Metall enthält und
1.2.4 die Passivierungsschicht als Antireflexionsschicht oder als Teil einer
derartigen Schicht ausgelegt ist
oder
1.2.5 - wobei die Passivierungsschicht als ein weiteres Element Stickstoff,
Kohlenstoff, Phosphor, Bor, Fluor und/oder ein Metall enthält und
1.2.6 die Passivierung eine oder mehrere weitere zwischen der Passivie-
rungsschicht und der Halbleitersubstratoberfläche angeordnete
Passivierungsschichten umfasst.
Bei den selbständigen Ansprüchen 2 des Hauptantrags und des Hilfsantrags I
ist jeweils das Merkmal 1.2.4 durch das Merkmal
1.2.4‘ die Passivierungsschicht als Reflexionsschicht oder als Teil einer
derartigen Schicht ausgelegt ist
ersetzt.
Hilfsan-
trags II
dass die mit den Merkmalen 1.2.3a und 1.2.4 beanspruchte Alternative wegge-
lassen ist.
- 9 -
Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 lautet (mit bei unverändertem Wortlaut einge-
fügter Gliederung):
„1. Solarzelle,
1.1
aufweisend ein Halbleitersubstrat mit einer Halbleitersubstratoberflä-
che
1.2
und eine Passivierung aus mindestens einer Passivierungsschicht,
welche die Halbleitersubstratoberfläche derart oberflächenpassiviert,
dass die Rekombinationsaktivität von Ladungsträgern über Oberflä-
chenzustände herabgesetzt ist,
1.2.1 wobei die Passivierungsschicht eine Verbindung aus Alumini-
umoxid, Aluminiumnitrid oder Aluminiumoxynitrid umfasst,
1.2.2 wobei die Verbindung zumindest ein weiteres Element enthält,
welches stöchiometrisch signifikant in der Passivierungsschicht
enthalten ist,
1.2.3b - wobei die Verbindung der Passivierungsschicht als ein weiteres
Element Stickstoff, Phosphor, Bor und / oder Fluor umfasst
oder
1.2.5‘ - wobei die Verbindung der Passivierungsschicht als ein weiteres
Element ein Metall umfasst und
1.2.6 die Passivierung eine oder mehrere weitere zwischen der
Passivierungsschicht und der Halbleitersubstratoberfläche ange-
ordnete Passivierungsschichten umfasst
1.2.7 und wobei zusätzlich die Passivierung zumindest eine weitere
Passivierungsschicht umfasst, welche auf einer der Halb-
leitersubstratoberfläche abgewandten Seite der Passivierungs-
schicht angeordnet ist.
Bei den Hilfsanträgen II und 3 gibt es keine weiteren selbständigen Ansprüche. Zu
den Unteransprüchen aller Anträge sowie zu den weiteren Einzelheiten wird auf
den Akteninhalt verwiesen.
- 10 -
II.
Die fristgerecht eingegangene Beschwerde ist zulässig, erweist sich aber als un-
begründet, da die Gegenstände der Anspruche 1 aller vier gestellten Anträge
nicht patentfähig sind, da sie entweder durch die Druckschrift D3 neuheitsschäd-
lich vorweggenommen werden (§ 3 PatG) oder gegenüber einer Zusammenschau
der Lehren der Druckschriften D3 und D11 auf keiner erfinderischen Tätigkeit des
Fachmanns beruhen (§ 4 PatG). Die Beschwerde war deshalb zurückzuweisen.
1.
Die
Einsprechende
hat
ihren
Einspruch
mit
Schriftsatz
vom
12. Februar 2016 zurückgenommen. Sie ist somit nicht mehr am Einspruchsver-
fahren und damit auch nicht an dem diesen nachgeordneten Einspruchsbe-
schwerdeverfahren beteiligt (
). Da das Einspruchsverfahren, dessen Beschluss noch nicht rechtskräftig
geworden ist, bei der Rücknahme des Einspruchs von Amts wegen fortgesetzt
wird (§ 61 Abs. 1, Satz 2 PatG), hat die Rücknahme des Einspruchs keinen Ein-
fluss auf die Wirksamkeit des von der Patentabteilung gefällten Beschlusses, so
dass sie in der Folge auch keinen Einfluss auf eine Beschwerde des Patentinha-
bers gegen diesen Beschluss hat.
2.
Die Zulässigkeit des Einspruchs ist von Amts wegen in jedem
Verfahrensstadium, auch im Beschwerdeverfahren, zu prüfen (
), da nur das Vorliegen eines zulässigen Einspruchs die weitere
sachliche Überprüfung eines erteilten Patents erlaubt.
Vorliegend ist der form- und fristgerecht erhobene Einspruch zulässig, weil sowohl
zu dem geltend gemachten Einspruchsgrund der fehlenden Ausführbarkeit (§ 21
Abs. 1 Nr. 2 PatG) als auch zu dem geltend gemachten Einspruchsgrund der
mangelnden Patentfähigkeit auf Grund fehlender Neuheit und fehlender erfinderi-
scher Tätigkeit (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG i. V. m. §§ 3, 4 PatG) substantiiert Stellung
- 11 -
genommen wurde. So hat die Einsprechende substantiiert vorgetragen, im Hin-
blick auf welches Merkmal und warum der Fachmann nicht in die Lage versetzt
werde, die Lehre der Erfindung nachzuarbeiten. Auch hat sie genau angegeben,
wo welche Merkmale des Gegenstands des unabhängigen Anspruchs in den ein-
zelnen Druckschriften offenbart seien, oder wie sie sich in naheliegender Weise
aus dem Stand der Technik ergäben. Die Einsprechende hat zudem noch aus-
führlich angegeben, wo oder wie sich die Merkmale der Unteransprüche ergäben.
Insgesamt wurden somit die Tatsachen, die den Einspruch rechtfertigen, im Ein-
zelnen aufgeführt (§ 59 Abs. 1 Satz 4 PatG). Die Patentabteilung des Deutschen
Patent- und Markenamts und auch die Patentinhaberin wurden demnach in die
Lage versetzt, ohne eigene Nachforschungen festzustellen, ob die behaupteten
Einspruchsgründe vorliegen
.
3.
Das Streitpatent betrifft eine Solarzelle. Eine der begrenzenden Faktoren
für die Effizienz von Halbleiterbauelementen und -vorrichtungen ist die Rekombi-
nation von Ladungsträgern an Halbleiteroberflächen, welche die Rekombinations-
aktivität begünstigende Oberflächenzustände aufweisen. Dieses Problem ist ins-
besondere bei Solarzellen von Bedeutung. Denn in diesem Fall stehen die rekom-
binierten Ladungsträger nicht mehr für die Stromerzeugung zur Verfügung. Um
Rekombinationen zu vermindern, muss die Halbleiteroberfläche passiviert werden,
indem die Rekombinationsaktivität von Ladungsträgern über Oberflächenzustände
herabgesetzt wird ().
Für die Passivierung von Halbleiteroberflächen wird gegenwärtig vielfältig Alumini-
umoxid eingesetzt (Al
2
O
3
oder AlO
x
, wodurch ganz allgemein jede geeignete stö-
chiometrische Zusammensetzung von Aluminium und Sauerstoff gemeint ist).
Aluminiumoxid weist eine hohe negative Flächenladungsdichte auf und kann,
wenn mittelbar über eine Zwischenschicht oder unmittelbar auf die Halbleiterober-
fläche aufgetragen, Ladungsträger von der Halbleiteroberfläche in das Halbleiter-
- 12 -
volumen verdrängen. Aufgrund dieser feldeffektpassivierenden Wirkung wird die
Halbleiteroberfläche wirksam passiviert ().
Derartige Passivierungsschichten aus Aluminiumoxid haben jedoch den Nachteil,
dass sie gegenüber bestimmten Herstellungsprozessen, insbesondere bei der
Herstellung von Solarzellen, nicht beständig sind, beispielsweise gegenüber nass-
chemischen Reinigungs- oder Ätzprozessen. Sie müssen daher mittels zusätzli-
cher Deckschichten geschützt werden. Dies führt zu höheren Produktionskosten
und längeren Produktionszeiten ().
Darüber hinaus muss insbesondere bei Solarzellen nicht nur auf die elektrischen
Eigenschaften der Schichtfolgen geachtet werden, sondern auch die optischen
Eigenschaften der einzelnen Schichten müssen aufeinander abgestimmt sein.
Wird als Material der Passivierungsschicht jedoch lediglich Aluminiumoxid ver-
wendet, so ist man im Design der Solarzelle auf einen bestimmten Brechungsin-
dex (nämlich etwa 1,6) festgelegt ().
Im Stand der Technik sind bereits einige Passivierungsschichten oder optisch
wirksame Schichten auf Halbleiteroberflächen sowie Methoden, diese aufzubrin-
gen, bekannt. So ist in der Druckschrift US 5 270 267 A (= P1) ein Verfahren zur
Erzeugung einer Schutzschicht auf einem Halbleitersubstrat beschrieben. Hierbei
wird mittels Rotationsbeschichtung ein Film auf die Halbleitersubstratoberfläche
aufgeschleudert und dieser Film anschließend in mehreren Schritten gehärtet. Auf
diese Weise können unter anderem Nitride und Oxynitride unterschiedlicher Ele-
mente hergestellt werden, darunter Bor, Phosphor, Arsen, Aluminium, Zink, Gold,
etc. ().
Die Druckschrift US 2008/0 072 959 A1 (= P2) offenbart eine Solarzelle, auf der
ein mittels Atomlagenabscheidung hergestelltes Mehrschichtsystem aufgebracht
ist. Gemäß einer Ausführungsform weist das Mehrschichtsystem eine alternie-
- 13 -
rende Schichtfolge aus Aluminiumoxid und Zinkoxid auf und bildet eine Antireflexi-
onsbeschichtung ().
Vor diesem Hintergrund liegt dem Streitpatent als technisches Problem die Auf-
gabe zugrunde, eine Solarzelle bereitzustellen, welche mit geringerem Kosten-
und Zeitaufwand herstellbar ist und eine effektive und zugleich gegenüber Her-
stellungsprozessschritten beständige Passivierung aufweist (
).
Diese Aufgabe wird durch die Solarzellen nach den selbständigen Ansprüchen
des Hauptantrags und der drei gestellten Hilfsanträge gelöst.
Das Wesentliche der beanspruchten Solarzelle ist somit die besondere Ausfüh-
rung einer Passivierung. Diese Passivierung besteht aus mindestens einer Passi-
vierungsschicht, welche die Halbleitersubstratoberfläche derart oberflächenpassi-
viert, dass die Rekombinationsaktivität von Ladungsträgern über Oberflächenzu-
stände herabgesetzt ist. Letzteres kann prinzipiell auf zwei verschiedene Weisen
erreicht werden. Die eine besteht darin, dass die Anzahl der für die Rekombination
von Ladungsträgern wirksamen Oberflächenzustände herabgesetzt werden. Die
andere besteht darin, dass die Minoritätsträger elektrostatisch von der Oberfläche
des Halbleiters verdrängt werden, so dass sie für eine Rekombination nicht zur
Verfügung stehen. Letzteres kann auch durch eine Verschiebung des Fermini-
veaus von den Niveaus der Rekombinationszentren weg beschrieben werden.
Das Streitpatent macht zum Mechanismus der Reduzierung im Anspruch keine
Angabe, geht jedoch in erster Linie vom zweiten Mechanismus aus (
), was sich insbesondere aus den beanspruchten
Materialien, die die Passivierungsschicht umfasst oder aus denen sie gebildet ist,
nämlich Aluminiumoxid, Aluminiumnitrid oder Aluminiumoxinitrid, ergibt, da diese
eine relativ starke negative Flächenladungsdichte aufweisen und somit Elektronen
von der Oberfläche verdrängen.
- 14 -
Entscheidend ist nun, dass die Passivierungsschicht zumindest ein weiteres Ele-
ment enthält, welches stöchiometrisch signifikant in der Passivierungsschicht ent-
halten ist. Dabei bleibt offen, welche Menge als stöchiometrisch signifikant zu be-
zeichnen ist, denn letztendlich stören bereits wenige Atome die Stöchiometrie,
auch wenn diese Menge nicht als stöchiometrisch signifikant zu bezeichnen ist.
Die explizite Angabe, dass das weitere Element stöchiometrisch signifikant ent-
halten sein soll, schließt somit geringe Mengen aus, ohne eine eindeutige Unter-
grenze anzugeben.
Im Weiteren werden im Anspruch 1 nach Hauptantrag zwei Alternativen für die
Passivierungsschicht angegeben. Die erste besteht darin, dass die Verbindung,
aus der die Passivierungsschicht besteht, als ein weiteres Element Stickstoff,
Kohlenstoff, Phosphor, Bor, Fluor und/oder ein Metall der seltenen Erden umfasst.
Dieses weitere Element kann das weitere Element sein, das stöchiometrisch sig-
nifikant enthalten ist, muss aber auf Grund des verwendeten unbestimmten Arti-
kels nicht dieses sein. Die Passivierungsschicht ist als Antireflexionsschicht oder
als Teil einer solchen Schicht ausgelegt. Letzteres deutet auf einen als Antireflexi-
onsschicht wirkenden dielektrischen Schichtenstapel hin.
Die zweite Alternative gibt als weiteres Element, das die Passivierungsschicht
enthält, Stickstoff, Kohlenstoff, Phosphor, Bor und/oder Fluor und/oder ein Metall,
diesmal nicht auf seltene Erden beschränkt, an und gibt zudem an, dass sich zwi-
schen der Passivierungsschicht und der Halbleitersubstratoberfläche mindestens
eine weitere Passivierungsschicht befindet, was bedeutet, dass es sich um einen
Schichtenstapel aus mindestens zwei Schichten handelt. Ob dieser Schichtensta-
pel reflektierend oder antireflektierend, also entspiegelnd wirkt, wird dabei nicht
angegeben.
Im Anspruch 1 des Hilfsantrags I sind in der ersten Alternative die in der Passivie-
rungsschicht enthaltenen Elemente gegenüber Anspruch 1 des Hauptantrags ge-
ändert. So sind zum einen die Möglichkeiten, dass es sich bei den weiteren Ele-
- 15 -
menten um Kohlenstoff oder Fluor handelt, weggefallen, dafür sind die Metalle
nicht mehr auf seltene Erden beschränkt. Die zweite Alternative ist unverändert
geblieben.
Beim Anspruch 1 des Hilfsantrags II wurde die erste Alternative des Anspruchs 1
des Hilfsantrags I weggelassen, so dass nunmehr nur noch die zweite Alternative
des Anspruchs 1 nach Hauptantrag beansprucht wird.
Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 beansprucht mit seinen beiden Alternativen einen
Schichtenstapel, denn auf der der Halbleitersubstratoberfläche abgewandten Seite
der Passivierungsschicht ist für beide Alternativen eine weitere Passivierungs-
schicht angeordnet. Die erste Alternative ist auf die Elemente Stickstoff, Phosphor,
Bor und/oder Fluor beschränkt, während die zweite Alternative auf ein Metall be-
schränkt ist. Bei der zweiten Alternative ist wiederum mindestens eine weitere
Passivierungsschicht zwischen der Halbleitersubstratoberfläche und der Passivie-
rungsschicht angeordnet. Damit entsteht eine Passivierung, die mindestens drei
Schichten umfasst.
4.
Die Gegenstände der Ansprüche 1 des Hauptantrags und der Hilfsanträge I
und II sind gegenüber der Offenbarung der Druckschrift D3 nicht neu (§ 3 PatG),
der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 3 beruht gegenüber der Zu-
sammenschau der Lehren der Druckschriften D3 und D11 auf keiner erfinderi-
schen Tätigkeit des Fachmanns (§ 4 PatG), so dass er nicht patentfähig ist.
Bei dieser Sachlage kann die Zulässigkeit der Ansprüche sowie die Ausführbarkeit
deren Lehre dahingestellt bleiben (
).
Als zuständiger Fachmann ist hier ein berufserfahrener Diplom-Ingenieur der
Elektrotechnik oder ein Festkörperphysiker mit Hochschul- oder Fachhochschul-
- 16 -
abschluss sowie speziellen Kenntnissen auf dem Gebiet der Entwicklung von So-
larzellen zu definieren, der zudem über fundierte Kenntnisse der Optik verfügt.
4.1.
Druckschrift D3 offenbart eine Aluminiumoxidschicht und deren Herstellung
mittels PECVD (= Plasma Enhanced Chemical Vapor Deposition) auf p-Typ Sili-
zium. In der geschilderten Arbeit wurden die Aufwachsgeschwindigkeit und die
chemische Zusammensetzung der Schicht sowie ihre negative Flächenladungs-
dichte und damit ihre Wirksamkeit als Passivierungsschicht zur Herabsetzung der
Rekombinationsrate an Oberflächenzuständen untersucht. Als Hintergrund für die
Untersuchung wird der Einsatz der Schicht in Solarzellen genannt. Damit ist aus
der Druckschrift D3 in Übereinstimmung mit dem Wortlaut des geltenden An-
Hauptantrag
1. Solarzelle (
) bekannt,
1.1
aufweisend ein Halbleitersubstrat mit einer Halbleitersubstratoberfläche
(
)
1.2
und eine Passivierung aus mindestens einer Passivierungsschicht, welche
die Halbleitersubstratoberfläche derart oberflächenpassiviert, dass die Rekombi-
nationsaktivität von Ladungsträgern über Oberflächenzustände herabgesetzt ist
(
),
- 17 -
1.2.1 wobei die Passivierungsschicht eine Verbindung aus Aluminiumoxid,
Aluminiumnitrid oder Aluminiumoxynitrid, nämlich aus Aluminiumoxid, umfasst
(
),
1.2.2 wobei die Verbindung zumindest ein weiteres Element enthält, welches stö-
chiometrisch signifikant in der Passivierungsschicht enthalten ist (
),
1.2.3 - wobei die Verbindung der Passivierungsschicht als ein weiteres Element
Stickstoff, Kohlenstoff, Phosphor, Bor, Fluor und / oder ein Metall der seltenen Er-
den umfasst, nämlich Kohlenstoff (
) und
1.2.4 die Passivierungsschicht als Antireflexionsschicht oder als Teil einer derarti-
gen Schicht ausgelegt ist (
).
In der zuletzt angegeben Textstelle ist die Verwendung der Al
2
O
3
-Schicht als Be-
standteil einer Antireflexionsschicht (ARC = Anti Reflection Coating) genauso of-
fenbart wie auch die Verwendung als Bestandteil einer Reflexionsschicht. Da die
- 18 -
Merkmale 1.2.5 und 1.2.6 zusammen eine Alternative zu den Merkmalen 1.2.3
und 1.2.4 bilden und damit im Hinblick auf die Prüfung der Neuheit unbeachtet
bleiben können, ist folglich der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hauptantrag
gegenüber der Druckschrift D3 nicht neu (§ 3 PatG) und damit nicht patentfähig.
4.2
Hilfsantrags I
Druckschrift D3 offenbart. So sind dort, wie bereits zum Anspruch 1 des Hauptan-
trags dargelegt, die Merkmale 1, 1.1, 1.2, 1.2.1‘ und 1.2.2‘ offenbart. Für die letz-
ten beiden Merkmale ergibt sich dies daraus, dass das Aluminiumoxid nicht nur
einen geringen Anteil des Materials der Passivierungsschicht bildet, sondern die
Schicht zu etwa 96% aus Aluminiumoxid besteht.
Aus Druckschrift D3 sind jedoch auch die Merkmale 1.2.5 und 1.2.6 bekannt. So
1.2.5 enthält die Passivierungsschicht als ein weiteres Element Stickstoff, Kohlen-
stoff, Phosphor, Bor, Fluor und/oder ein Metall, nämlich Kohlenstoff (
) und
1.2.6 die Passivierung umfasst eine oder mehrere weitere zwischen der Passivie-
rungsschicht und der Halbleitersubstratoberfläche angeordnete Passivierungs-
schichten (
).
Der in der mündlichen Verhandlung geäußerten Ansicht der Patentinhaberin, dass
es sich bei der in Druckschrift D3 offenbarten SiO
2
-Schicht um keine Passivie-
rungsschicht im Sinne des Streitpatents handelt, ist nicht zu folgen. So begründet
die Patentinhaberin dies damit, dass die SiO
2
-Schicht für die Reduzierung der Re-
kombinationsrate an der Oberfläche nicht wirksam sei, was sich aus der Druck-
- 19 -
schrift D2 ergebe, wo die Wirksamkeit einer vergleichbaren SiO
2
-Schicht unter-
sucht wurde (
).
Unabhängig davon, ob dieses Ergebnis auch für die SiO
2
-Schicht in Druckschrift
D3 gilt, wird im Merkmal 1.2 auch nicht beansprucht, dass jede Passivierungs-
schicht die Oberfläche dadurch passiviert, dass sie die Rekombinationsaktivität
von Ladungsträgern über Oberflächenzustände herabsetzt. Dies muss nur durch
die gesamte Passivierung oder aber eine der in der Passivierung enthaltenen
Mehrzahl von Schichten erfolgen. Der Anspruch lässt zu, dass der Begriff Passi-
vierungsschicht so verstanden wird, dass eine solche Schicht die Oberfläche vor
irgendeinem Einfluss, so beispielsweise vor Feuchtigkeit aus der Umgebung oder
anderen Umwelteinflüssen passiviert. Dies macht eine SiO
2
-Schicht auf einem
Siliziumsubstrat und damit insbesondere auch die in Druckschrift D3 offenbarte
SiO
2
-Schicht. Merkmal 1.2 lässt sogar zu, dass eine Schicht nur deshalb als wei-
tere Passivierungsschicht bezeichnet wird, weil sie Teil der als Passivierung die-
nenden Schichtenfolge ist und selbst für die Passivierung überhaupt keinen Zweck
erfüllt.
Die Patentschrift stützt dies, denn dort werden Schichtenfolgen aus SiO
2
und AlO
x
-
Schichten beschrieben, wobei jede der Schichten - auch die SiO
2
-Schichten - als
Passivierungsschichten beschrieben werden
- 20 -
“). Und auch eine durch die Oxidation der Halbleiter-
oberfläche entstehende Schicht, also bei einem Siliziumsubstrat eine SiO
2
-
Schicht, wie sie auch im Falle der Druckschrift D3 vorliegt, wird in der Streitpatent-
schrift als Passivierungsschicht bezeichnet (
). Diese Stelle stützt auch die In-
terpretation der Passivierungsschicht als Schicht, die die Oberfläche in anderer
Weise als im Merkmal 1.2 beansprucht passiviert.
Damit handelt es sich auch bei der in Druckschrift D3 offenbarten SiO
2
-Schicht um
eine Passivierungsschicht.
Da die Merkmale 1.2.5 und 1.2.6 wiederum eine von zwei Alternativen beanspru-
chen, können die die andere Alternative beanspruchenden Merkmale 1.2.3a und
1.2.4 unbeachtet bleiben, so dass auch der Gegenstand des Anspruchs 1 des
Hilfsantrags I nicht neu (§ 3 PatG) und damit nicht patentfähig ist.
Im Übrigen nimmt damit Druckschrift D3 auch die zweite Alternative des An-
spruchs 1 des Hauptantrags neuheitsschädlich vorweg.
- 21 -
4.3
Hilfsantrags II
spruch 1 des Hilfsantrags I behandelte Alternative enthält, gilt für den Gegenstand
dieses Anspruchs das, was für Anspruch 1 des Hilfsantrags I dargelegt wurde.
Dies bedeutet, dass auch der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags II
nicht neu (§ 3 PatG) und damit nicht patentfähig ist.
4.4
Druckschrift D3 offenbart als weiteres Element in der Passivierungsschicht
Hilfsan-
trags 3
sammenschau dieser Schrift mit Druckschrift D11 nahegelegt.
Wie bereits zu Anspruch 1 des Hauptantrags ausgeführt, offenbart die Druckschrift
D3 die auch im Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 enthaltenen Merkmale 1, 1.1, 1.2,
1.2.1 und 1.2.2. Sie offenbart weiter, dass die Aluminiumoxidschichten auch in
Antireflexionsschichten in Kombination mit amorphem SiN:H eingesetzt werden
können, wie sie bei Solarzellen üblich sind (
). Da dort von Al
2
O
3
-Schichten die Rede ist und nicht von Al
2
O
3
als Material, wird der Fachmann dies so verstehen, dass es sich um einen die-
lektrischen Schichtenstapel aus abwechselnden Al
2
O
3
- und a-SiN:H-Schichten
handelt, aus dem die Antireflexionsschicht besteht. Damit liegt es zumindest für
vier oder mehr Schichten, aus denen der Schichtenstapel besteht, nahe, dass es
mindestens eine Al
2
O
3
-Schicht gibt, bei der sich sowohl auf der dem Halb-
leitersubstrat zugewandten Seite als auch auf der dem Halbleitersubstrat abge-
wandten Seite jeweils eine weitere Passivierungsschicht befindet, so dass damit
bereits das Merkmal 1.2.7 und übrigens auch das Merkmal 1.2.6 nahegelegt sind.
Daneben offenbart Druckschrift D11 Stapel dielektrischer Schichten, die als Anti-
reflexionsschichten oder als Reflexionsschichten wirken. Als Substrat wird dabei
allerdings nicht Silizium, sondern Glas oder ein anderes transparentes, aus orga-
nischen Polymeren bestehendes Material verwendet (
- 22 -
).
Wie üblich bestehen diese Schichtenstapel aus einer Vielzahl von Schichten, bei
denen abwechselnd eine Schicht mit hohem und eine Schicht mit niedrigem
Brechungsindex übereinander angeordnet sind (
). Die Schichten mit dem niedrigen Brechungsindex
bestehen dabei u. a. aus Aluminiumoxid oder Aluminiumoxifluorid und können
halogeniert sein (
). Dies bedeutet, dass die Verwendung von Aluminiumoxid, welches als
weiteres Element Fluor enthält, als Teil eines Antireflexionsschichtenstapels zum
Anmeldezeitpunkt bereits bekannt war.
Der Fachmann wird nun auch die in Druckschrift D3 vorgeschlagene Antireflexi-
onsbeschichtung mit einer solchen Schicht ausführen, da er auf diese Weise auch
dort den Brechungsindex beispielsweise durch die enthaltene Fluormenge anpas-
sen kann. Damit kommt er ohne erfinderisch tätig zu werden zu einer Solarzelle,
die auch das Merkmal 1.2.3b aufweist. Damit ist der Gegenstand des Anspruchs 1
des Hilfsantrags 3 ebenfalls nicht patentfähig.
- 23 -
Die Einwände der Patentinhaberin, dass zum einen Schichten aus Mischungen
etwas anderes seien als die beanspruchten Schichten und zum anderen die in
Druckschrift D11 offenbarten Schichten als Hauptbestandteil SiO
2
enthielten, lau-
fen ins Leere. So gibt Druckschrift D11 u.a. an, dass die dort in einer Antireflexi-
onsschichtenfolge verwendete Schicht aus Aluminiumoxifluorid besteht, dessen
chemische Formel mit AlO
x
F
y
angegeben wird (
), was äquivalent zu der im Streitpatent in Abs. [0013] angegeben Formel
Al
x
M
y
O
z
ist, wenn als weiteres Element Fluor (M = F) verwendet wird und die For-
mel dann auf ein Aluminiumatom normiert wird. Für diesen Fall gibt Druckschrift
D11 gar keine Mischung an, so dass offen bleiben kann, was Druckschrift D11
unter einer Mischung versteht.
Auch wird als Möglichkeit angegeben, dass diese Schichten aus Aluminiumoxifluo-
rid gemacht sind, so dass Druckschrift D11 als Ausführungsbeispiele zwar in ers-
ter Linie Schichten offenbart, die einen relativ hohen SiO
2
-Anteil aufweisen, jedoch
trotzdem als weitere Möglichkeit eine Schicht offenbart, die nur aus Alumini-
umoxifluorid besteht. Im Übrigen schließt der Wortlaut des Anspruchs 1 nach
Hilfsantrag 3 nicht aus, dass auch die beanspruchten Passivierungsschichten ei-
nen großen Anteil einer anderen Verbindung aufweisen, denn die Passivierungs-
schicht „umfasst“ gemäß Merkmal 1.2.1 nur eine Verbindung aus Aluminiumoxid,
Aluminiumnitrid oder Aluminiumoxynitrid.
Auch der Einwand der Patentinhaberin, dass der Fachmann keine weiteren Ele-
mente in die Passivierungsschicht eingebracht hätte, da nicht vorhersehbar sei, ob
die dann entstehenden Schichten noch die gewünschte Passivierungswirkung
hätten oder ob das darin enthaltene Element nicht die Oberfläche chemisch schä-
digen könnte, läuft ins Leere. So zeigt Druckschrift D3 bereits, dass ein weiteres
Element, wie der dort offenbarte Kohlenstoff, die erwünschte Passivierungswir-
kung nicht verhindert, so dass anzunehmen ist, dass auch eine nicht zu große
Menge eines anderen Stoffes diese Wirkung nicht verhindert. Außerdem be-
schreibt Druckschrift D3, wie bereits ausgeführt, dass sich auf der Oberfläche eine
- 24 -
SiO
2
-Schicht ausbildet, welche auch ein Hindernis für das Eindringen von Ele-
menten aus der Passivierungsschicht in die Halbleiteroberfläche darstellt. Es gibt
somit keinen Grund, der den Fachmann an der zumindest versuchsweisen Nut-
zung der in Druckschrift D11 offenbarten Aluminiumoxifluoridschicht als Passivie-
rungsschicht hindern könnte.
5.
gen Ansprüche 2, sowie die jeweils auf Anspruch 1 direkt oder indirekt zurückbe-
zogenen Unteransprüche (
).
6.
sen, so dass der Beschluss der Patentabteilung, das Patent zu widerrufen, beste-
hen bleibt.
III.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Rechts-
beschwerde
sie nur statthaft, wenn einer der nachfolgenden Verfahrensmängel gerügt wird,
nämlich
1. dass das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt
war,
2. dass bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der
Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder
wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. dass einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
- 25 -
4. dass ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Geset-
zes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens
ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat,
5. dass der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung
ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des
Verfahrens verletzt worden sind, oder
6. dass der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
innerhalb eines Monats
schlusses
schriftlich durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als
Bevollmächtigten beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, ein-
zureichen oder
durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevoll-
www.bundesgerichtshof.de/erv.html. Das elektronische Dokument ist mit einer
prüfbaren qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz oder
mit einer prüfbaren fortgeschrittenen elektronischen Signatur zu versehen. Die
Eignungsvoraussetzungen für eine Prüfung und für die Formate des elektroni-
schen Dokuments werden auf der Internetseite des Bundesgerichtshofs
www.bundesgerichtshof.de/erv.html bekannt gegeben.
Dr. Strößner
Brandt
Dr. Zebisch
Dr. Himmelmann
prö