Urteil des BPatG vom 03.03.2015

Stand der Technik, Patent, Fig, Einspruch

BPatG 154
05.11
BUNDESPATENTGERICHT
23 W (pat) 22/12
_______________
(Aktenzeichen)
Verkündet am
3. März 2015
B E S C H L U S S
In der Einspruchsbeschwerdesache
- 2 -
betreffend das Patent 10 2006 025 453
hat der 23. Senat (Techn. Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 3. März 2015 unter Mitwirkung des Richters
Dipl.-Phys. Brandt als Vorsitzenden, des Richters Dipl.-Phys. Dr. Friedrich, der
Richterin Dr. Hoppe und des Richters Dipl.-Phys. Dr. Zebisch
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Die Prüfungsstelle für Klasse H01L des Deutschen Patent- und Markenamts hat
das am 31. Mai 2006 beim Deutschen Patent- und Markenamt angemeldete und
mit der DE 10 2006 025 453 A1 offengelegte Patent 10 2006 025 453 (Streitpa-
tent) mit der Bezeichnung
„Halbleiterschaltungsanordnung“ durch Beschluss vom
23. Juli 2009 erteilt. Das Patent wurde am 24. Dezember 2009 mit der
DE 10 2006 025 453 B4 veröffentlicht.
Im Prüfungsverfahren hat die Prüfungsstelle den Stand der Technik gemäß den
folgenden Druckschriften zitiert:
D1
US 6 417 532 B2,
D2
DE 103 06 643 A1,
D3
DE 10 2004 037 656 A1
und
D4
DE 103 16 355 B3.
- 3 -
Gegen das Patent hat die Einsprechende mit Schriftsatz vom 16. März 2010, am
22. März 2010 beim Deutschen Patent- und Markenamt über Fax eingegangen,
fristgerecht Einspruch erhoben. In ihrem Schriftsatz hat sie beantragt, das Streit-
patent in vollem Umfang zu widerrufen (§ 61 PatG), wobei sie als Widerrufsgrund
fehlende Patentfähigkeit (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG) auf Grund fehlender erfinderi-
scher Tätigkeit (§ 4 PatG) angegeben hat. Sie hat sich bei ihrer Begründung im
Hinblick auf die fehlende Patentfähigkeit auf folgende Dokumente gestützt:
E1
M.Thoben et al.: Press-Fit Technology, a Solderless Method for
Mounting Power Modules. In: Proceedings of the PCIM 2005 Europe,
7-9. Juni 2005, Nürnberg, Germany, S. 794-798.
E2
DE 103 06 643 A1 (= D2)
E3
DE 196 30 173 A1
Auf den Einspruch hin hat die Patentinhaberin mit Schriftsatz vom 27. Juli 2010
den Darlegungen der Einsprechenden in allen Punkten widersprochen und insbe-
sondere ausgeführt, dass der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 auf einer er-
finderischen Tätigkeit des Fachmanns beruhe.
In der mündlichen Verhandlung vor der Patentabteilung 33 des Deutschen Patent-
und Markenamts am 12. Dezember 2011 hat die Einsprechende den Antrag, das
Patent zu widerrufen, wiederholt.
Die Patentinhaberin hat beantragt, das Patent mit den Patentansprüchen gemäß
der erteilten Fassung aufrecht zu erhalten und die Fig. 5 als nicht zur Erfindung
gehörig zu kennzeichnen.
Als Ergebnis der Anhörung wurde das Streitpatent durch Beschluss der Patent-
abteilung 33 des Deutschen Patent- und Markenamts in der Anhörung gemäß
§ 61 Abs. 1 Satz 1 PatG widerrufen.
- 4 -
Die Patentabteilung hat in ihrer auf den 27. Februar 2012 datierten Beschlussbe-
gründung ausgeführt, dass der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 gegenüber
einer Zusammenschau der Druckschriften D1 und E1 auf keiner erfinderischen
Tätigkeit des Fachmanns beruhe. Dabei ist auch eine Auseinandersetzung mit
Argumenten der Patentinhaberin erfolgt. In der elektronischen Akte des DPMA
finden sich zwei PDF-
Dateien mit der Bezeichnung „Beschluss Widerruf - Signiert“
und jeweils drei zugehörige Signaturdatei
en „SIG-1“, „SIG-2“ und „SIG-3“, mit un-
terschiedlichen Angaben im Adressenfeld.
Der Beschluss wurde dem Vertreter der Patentinhaberin am 5. März 2012 zuge-
stellt. Er wurde der Einsprechenden am 2. März 2012 übersandt.
Gegen diesen Beschluss der Patentabteilung 33 hat die Patentinhaberin mit
Schriftsatz vom 5. April 2012, am selben Tag beim Deutschen Patent- und Mar-
kenamt eingegangen, rechtzeitig Beschwerde eingelegt und diese begründet. Mit
diesem Schriftsatz hat sie auch einen neuen Anspruchssatz und als Beleg für ihre
Argumentation die Druckschrift
E4
DIN EN 60352-
5, „Lötfreie Verbindungen Teil 5: Einpressverbindun-
gen - Allgemeine Anforderungen, Prüfverfahren und Anwendungs-
hinwei
se“
eingereicht.
In der mündlichen Verhandlung am 3. März 2015 hat die Patentinhaberin einen
neuen Satz Patentansprüche, der bis auf eine geringfügige Änderung mit dem in
der Beschwerdebegründung eingereichten Anspruchssatz übereinstimmt, und
eine überarbeitete Beschreibung eingereicht.
- 5 -
Sie beantragt:
1.
Den angefochtenen Beschluss der Patentabteilung 33 des
Deutschen
Patent-
und
Markenamts
vom
2.
Das
Patent
10 2006 025 453
mit
der
Bezeichnung
„Halbleiterschaltungsanordnung“ und dem Anmeldetag
-
Patentansprüche 1 bis 12 vom 3. März 2015
-
Beschreibung vom 3. März 2015
-
Zeichnungen
mit
Figuren
gemäß
Patentschrift
10 2006 025 453 B4.
Die Einsprechende beantragt:
Die Beschwerde zurückzuweisen.
Der geltende, in der mündlichen Verhandlung überreichte Anspruch 1 lautet (mit
bei unverändertem Wortlaut eingefügter Gliederung):
1.
„Halbleiterschaltungsanordnung (1), mit:
M1 einer Platine (10) mit mindestens einem Platinenkontakt
(11),
M2 einem Halbleitermodul (20) mit mindestens einem Modulkon-
takt (21) und
M3 mindestens einer Schraube (50), welche zur Befestigung des
Halbleitermoduls (20) an der Platine (10) ausgebildet ist,
M4 wobei jeder Modulkontakt (21) einem Platinenkontakt (11)
zugeordnet ist,
- 6 -
M5 wobei ein Kühlkörper (30) zum Kühlen zumindest des Halb-
leitermoduls (20) vorgesehen ist,
M6 wobei zwischen der Platine (10) und dem Kopf (52) der
Schraube (50) ein Deckelelement (60) vorgesehen ist,
M7 wobei sich der Kopf (52) der Schraube (50) auf dem De-
ckelelement (60) abstützt,
M8 wobei durch die Befestigung mit der Schraube (50) gleichzei-
tig ein mechanischer und elektrischer Kontakt zwischen dem
Platinenkontakt (11) und dem zugeordneten Modulkontakt
(21) einerseits und ein mechanischer und thermischer Kon-
takt und eine Befestigung zwischen dem Halbleitermodul
(20) und dem Kühlkörper (30) andererseits herstellbar und
ausgebildet sind,
M9 wobei ein jeweiliger Modulkontakt (21) als Einpresskontakt
und ein jeweils zugeordneter Platinenkontakt (11) als Ein-
pressausnehmung ausgebildet sind,
M10 wobei das Halbleitermodul (20) durch die Befestigung mit der
Schraube (50) mit seinem mindestens einen Modulkontakt
(21) in die Platine (10) eingepresst ist.“
Wegen der auf den Anspruch 1 direkt oder indirekt rückbezogenen Unteransprü-
che 2 bis 12 sowie der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug ge-
nommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet, da der Gegenstand des An-
spruchs 1 auf keiner erfinderischen Tätigkeit des Fachmanns beruht (§ 4 PatG),
weshalb das Patent zu widerrufen war (§§ 59 Abs. 1, 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG).
- 7 -
1.
eren zwei mit „Beschluss Widerruf -
Signiert“ bezeichnete PDF-Dateien, die zudem, ebenso wie die Dokumentanzeige
in den Signaturdateien, jeweils mehrere Beschlusstexte enthalten, so dass eine
präzise Bestimmung der Urschrift nicht möglich ist. Da aber der Tenor und die
Gründe der mehrfach vorhandenen Beschlusstexte in den beiden PDF-Dateien
alle übereinstimmen, ist der Inhalt der Entscheidung, die mit den qualifizierten
Signaturen versehen werden sollte, zumindest bestimmbar (
), weshalb der Senat keine Veranlassung sieht, das Verfahren nach § 79
Abs. 3 Nr. 2 PatG an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuverweisen.
2.
dium, auch im Beschwerdeverfahren, zu prüfen (
), da nur das
Vorliegen eines zulässigen Einspruchs die weitere sachliche Überprüfung eines
erteilten Patents erlaubt.
Vorliegend ist der form- und fristgerecht erhobene Einspruch jedoch zulässig, weil
zu dem geltend gemachten Einspruchsgrund der mangelnden Patentfähigkeit auf
Grund fehlender erfinderischer Tätigkeit (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG i. V. m. § 4 PatG)
substantiiert Stellung genommen wurde. So hat die Einsprechende im Einzelnen
angegeben, wo welche Merkmale des Gegenstands des Anspruchs 1 in den ein-
zelnen Druckschriften offenbart seien. Zudem gibt sie an, wie sich der Gegenstand
des Anspruchs 1 durch Zusammenschau der Druckschriften ihrer Meinung nach
ergebe. Auch zu den Unteransprüchen wurde Stellung genommen und angege-
ben, wo in den genannten Druckschriften die in diesen Ansprüchen beanspruchten
Merkmale offenbart seien, oder wie sie sich ergäben. Insgesamt sind somit die
Tatsachen, die den Einspruch rechtfertigen, im Einzelnen aufgeführt (§ 59, Abs. 1,
Satz 4 PatG). Die Patentabteilung des Deutschen Patent- und Markenamts und
auch die Patentinhaberin wurden demnach in die Lage versetzt, ohne eigene
Nachforschungen festzustellen, ob die behaupteten Einspruchsgründe vorliegen
- 8 -
).
3.
trifft das Streitpatent einerseits ein so genanntes Press-Fit-Modul und andererseits
ein so genanntes Einpress-Leistungshalbleitermodul - z. B. ein Einpress-
IGBT/MOSFET-Modul - für einfache Kühlkörper und die PCB (printed circuit board
= gedruckte Leiterplatte)-Montage mit oder ohne Deckel und insbesondere ent-
sprechende Module mit in einem Deckel integrierter Ansteuer- und/oder Schutz-
funktion ().
Beim Aufbau einer der Erfindung zugrunde liegenden Halbleiterschaltungsanord-
nung wird auf einem Trägersubstrat, welches zum Beispiel als Leiterkarte, als
Träger oder als Platine ausgebildet sein kann, eine Vielzahl von diskreten elektro-
nischen Bauelementen sowie monolithisch oder hybrid integrierten Schaltungen
untereinander verbunden. Zudem erfolgt eine Verbindung mit zumindest einem
Halbleitermodul, in dem eine nennenswerte Verlustleistung entsteht, so dass für
das oder die Halbleitermodule zusätzlich eine Verbindung mit einem Kühlkörper
hergestellt werden muss ().
Problematisch ist dabei die mechanische Befestigung der Halbleitermodule am
Substrat einerseits, andererseits deren elektrische Kontaktierung und Integration
in der gesamten Schaltungsanordnung und zum dritten eine gegebenenfalls not-
wendige thermische Anbindung an entsprechende Wärmesenken oder derglei-
chen ().
Bisher waren zur vollständigen Bestückung und Endfertigung entsprechender
Schaltungsanordnungen verschiedene Arbeitsschritte notwendig, z. B. ein Schritt
der Befestigung des Halbleitermoduls auf dem Träger, ein Schritt der Befestigung
des Kühlkörpers entweder auf der Platine oder auch am Halbleitermodul selbst
sowie ein Schritt der elektrischen Verbindung der angebrachten Module mit der
- 9 -
Platine und der darauf weiter vorgesehenen Schaltung (
).
Aus dem Stand der Technik (Druckschrift D1) ist beispielsweise ein Leistungs-
halbleitermodul bekannt, bei welchem Kontakte über Schrauben mit einer Platine
einerseits und mit einem Kühlkörper andererseits verbunden sind, um eine me-
chanische und elektrische/thermische Verbindung auszubilden. Außerdem ist eine
Druckkontaktierung für Leistungshalbleitermodule unter Verwendung so genannter
Federkontakte (Druckschrift D2) bekannt, und es gibt eine Bauteileanordnung
(Druckschrift D3) mit optimierter Montagefähigkeit, bei welcher in einem Gehäu-
seteil außerhalb eines Deckels ein Steuerelement vorgesehen ist. Daneben ist ein
Leistungshalbleitermodul bekannt (Druckschrift D4), welches insbesondere eine
besonders flexible äußere Anschlussbelegung besitzt und welches ebenfalls
Kontaktfedern aufweist, um Anschlüsse auf einem Halbleitersubstrat extern mit
Kontaktpunkten zu verbinden (
).
Vor diesem Hintergrund liegt dem Streitpatent als technisches Problem die Auf-
gabe zugrunde, eine Halbleiterschaltungsanordnung anzugeben, bei welcher die
notwendigen Montageschritte in ihrer Vielzahl reduziert und vereinfacht werden
können ().
Diese Aufgabe wird durch die Halbleiterschaltungsanordnung nach Anspruch 1
gelöst.
Die beanspruchte Halbleiterschaltungsanordnung weist demnach vier Bestandteile
auf, welche durch eine Schraube miteinander verbunden sind, nämlich ein Halb-
leitermodul, eine Platine, ein Deckelelement und einen Kühlkörper.
Die Platine weist mindestens einen Platinenkontakt auf, also einen Kontakt, mit
dem ein Kontakt eines anderen Bauteils in Verbindung treten kann (Merkmal M1).
- 10 -
Genauso weist jedes Halbleitermodul mindestens einen Modulkontakt auf (Merk-
mal M2). Jeder Modulkontakt ist dabei einem Platinenkontakt zugeordnet (Merk-
mal M4), was zunächst keinerlei einschränkendes Merkmal für den beanspruchten
Gegenstand darstellt, da eine Zuordnung nicht feststellbar ist. Erst die Angabe,
dass durch die Befestigung mit der Schraube gleichzeitig ein mechanischer und
elektrischer Kontakt zwischen dem Platinenkontakt und dem zugeordneten Modul-
kontakt herstellbar und ausgebildet ist (Merkmal M8), macht klar, worin die Zuord-
nung besteht, nämlich in einer Verbindung zwischen einem Platinenkontakt und
einem ihm gegenüberliegenden Modulkontakt. Die Tatsache, dass diese Verbin-
dung durch die Befestigung mit der Schraube ausgebildet ist, umfasst auch auto-
matisch, dass diese durch die Befestigung mit der Schraube herstellbar sein
muss, so dass auch hier eine Redundanz besteht. Durch diese Redundanz wird
betont, dass die anderen Bestandteile derart ausgebildet sind, dass die Herstel-
lung eines elektrischen und mechanischen Kontakts zwischen dem Platinenkon-
takt und dem Modulkontakt mittels der Schraube möglich ist, also insbesondere
dass die Bestandteile, hier vor allem das Deckelelement, stabil genug sind, um
diesen Kontakt bei einem Befestigungsvorgang auszubilden. Da ein Gegenstand
beansprucht wird und kein Verfahren, spielt es nämlich keine Rolle, ob der Kontakt
tatsächlich durch die Befestigung mit der Schraube hergestellt oder auf eine an-
dere Weise erzeugt wurde, beispielsweise durch ein entsprechendes Werkzeug,
solange das Ergebnis sich nicht von dem unterscheidet, das durch die Befestigung
mit der Schraube erzielt worden wäre (
).
Die Verbindung zwischen dem Modulkontakt und dem Platinenkontakt wird noch
weiter spezifiziert. So ist der Modulkontakt als Einpresskontakt ausgebildet, wäh-
rend der Platinenkontakt als Einpressausnehmung ausgebildet ist (Merkmal M9)
und der Modulkontakt ist durch die Befestigung mit der Schraube in die Platine
eingepresst (Merkmal M10). Auch hier gilt wiederum, dass es hinsichtlich des Vor-
richtungsanspruchs 1 bei einem Verfahrensmerkmal, wie dies das Merkmal M10
ist, keine Rolle spielt, ob das Verfahren tatsächlich durchgeführt wurde, oder ob
- 11 -
ein anderes Verfahren durchgeführt wurde, solange sich das Ergebnis nicht unter-
scheidet.
Das Deckelelement ist bei der beanspruchten Halbleiterschaltungsanordnung so
angeordnet (Merkmal M6), dass sich der Kopf der Schraube auf dem Deckelele-
ment abstützt (Merkmal M7). Dass sich das Deckelelement zwischen dem Kopf
der Schraube und der Platine befindet, ist damit nur ein redundantes Merkmal.
Das Deckelelement dient somit u.a. dazu, den durch den Schraubenkopf erzeug-
ten Druck auf die anderen Bestandteile auf eine größere Fläche zu verteilen.
Gemäß Merkmal M5 ist der Kühlkörper zwar nur vorgesehen und damit nicht not-
wendigerweise auch vorhanden, doch ergibt sich aus Merkmal M8 eindeutig, dass
er tatsächlich auch vorhanden ist, da anderenfalls ein mechanischer und thermi-
scher Kontakt zwischen dem Halbleitermodul und dem Kühlkörper nicht möglich
wäre.
4.
Lehren der Druckschriften E1 und E2 auf keiner erfinderischen Tätigkeit des
Fachmanns (§ 4 PatG), so dass er nicht patentfähig ist.
Als zuständiger Fachmann ist hier ein berufserfahrener Physiker oder Ingenieur
der Fachrichtung Elektrotechnik mit Hochschul- oder Fachhochschulabschluss zu
definieren, der über langjährige Erfahrung auf dem Gebiet der Herstellung von
Halbleiterschaltungsanordnungen, insbesondere mit Leistungshalbleiterbauele-
menten verfügt.
So offenbart Druckschrift E1 eine elektrische Verbindung, welche ohne einen Löt-
vorgang auskommt und als „Press-Fit Technology“ bezeichnet wird (
). Diese
Form der elektrischen Verbindung, welche zum Verbinden von Bauteilen mit einer
Platine dient, umfasst gegabelte Kontaktelemente () und an diese an-
- 12 -
gepasste Löcher in der Platine (). Eine Verbindung erfolgt, indem das
jeweilige gegabelte Kontaktelement in das entsprechende Loch in der Platine ein-
gepresst wird (
). Es handelt sich somit um eine Verbindung, bei welcher im Wortlaut des
geltenden Anspruchs 1 ein jeweiliger Kontakt als Einpresskontakt und ein jeweils
zugeordneter Platinenkontakt als Einpressausnehmung ausgebildet sind (Merkmal
M9), wobei der Kontakt in die Platine eingepresst ist (Teil des Merkmals M10).
Wie der Titel angibt und Fig. 1 der Druckschrift E1 zeigt, werden auch Leistungs-
halbleitermodule mit den Kontakten der Press-Fit Technologie versehen, um sie
elektrisch mit anderen Bestandteilen zu verbinden (
).
Dieses in Fig. 1 der Druckschrift E1 gezeigte Leistungshalbleitermodul bildet keine
vollständige Halbleiterschaltungsanordnung, sondern ist nur ein Bestandteil einer
Halbleiterschaltungsanordnung, bei der die Einpresskontakte zum Betrieb des
Leistungshalbleitermoduls nach Fig. 1 der E1 in eine Platine eingepresst werden.
In der Druckschrift E1 ist die Halbleiterschaltungsanordnung nicht näher beschrie-
ben, jedoch wird der Fachmann diese derart gestalten, wie er sie aus dem Stand
der Technik kennt. Eine herkömmliche Halbleiterschaltungsanordnung für ein
Leistungshalbleitermodul ist beispielsweise in Druckschrift E2 offenbart. Diese
Druckschrift zeigt in Fig. 2 gemäß dem Wortlaut des geltenden Anspruchs 1 eine
- 13 -
Halbleiterschaltungsanordnung, mit:
M1
einer Platine () mit mindestens einem Platinenkontakt (
),
M2
einem Halbleitermodul () mit mindestens einem
Modulkontakt () und
M3
mindestens einer Schraube (), welche zur Befesti-
gung des Halbleitermoduls () an der Platine () ausgebildet ist (
),
M4
wobei jeder Modulkontakt () einem Platinenkontakt zugeordnet ist,
M5
wobei ein Kühlkörper zum Kühlen zumindest des Halbleitermoduls ()
vorgesehen ist (
),
- 14 -
M6
wobei zwischen der Platine () und dem Kopf der Schraube () ein De-
ckelelement () vorgesehen ist (),
M7
wobei sich der Kopf der Schraube () auf dem Deckelelement () ab-
stützt (
),
M8
wobei durch die Befestigung mit der Schraube () gleichzeitig ein
mechanischer und elektrischer Kontakt zwischen dem Platinenkontakt und dem
zugeordneten Modulkontakt () einerseits und ein mechanischer und thermischer
Kontakt und eine Befestigung zwischen dem Halbleitermodul () und dem Kühl-
körper andererseits herstellbar und ausgebildet sind (
).
Wird der in Druckschrift E2 offenbarte herkömmliche Aufbau einer Halbleiter-
schaltungsanordnung für das in Druckschrift E1 beschriebene Halbleitermodul
verwendet, so resultiert dies in einem Austausch der bei dem herkömmlichen Auf-
bau als Modulkontakte dienenden Federkontakte () und der diesen gegenüber-
liegenden nicht gezeigten Platinenkontakte durch einen Press-Fit-Kontakt gemäß
der Druckschrift E1, so dass die Halbleiterschaltungsanordnung das noch feh-
lende Merkmal M9 und einen Teil des Merkmals M10 aufweist.
Damit verbleibt beim Gegenstand des Anspruchs 1 lediglich der Teil des Merkmals
M10, dass der Modulkontakt durch die Befestigung mit der Schraube in die Platine
eingepresst ist, und nicht beispielsweise durch ein Werkzeug. Für den bean-
spruchten Gegenstand bedeutet dies, dass sich nicht ohne weiteres ergibt, dass
das Deckelelement bei der Anordnung nach der Druckschrift E2 eine ausrei-
chende Stabilität besitzt, um mit seiner Hilfe die Kontakte einpressen zu können.
Dies erfordert nämlich eine verhältnismäßig große Kraft, wie Druckschrift E1 zeigt.
So erfordert das Einpressen eines Press-Fit-Kontaktes in ein zugehöriges Loch
eine Kraft zwischen 72 und 102 N (
- 15 -
). Bereits beim Einpres-
sen von nur 12 Kontakten, wie sie Druckschrift E1 auf einer Seite des Halbleiter-
moduls deutlich zeigt, ist eine Kraft von 864 bis 1224 N nötig, also demnach in
etwa eine Gewichtskraft, wie sie eine Masse von ca. 100 kg ausüben würde. Die
Patentinhaberin ist deshalb der Ansicht, dass das in Druckschrift E2 gezeigte Dru-
ckelement diesen Beanspruchungen nicht standhalten würde, weshalb der Fach-
mann ein Werkzeug verwenden würde, um in einem ersten Schritt die Kontakte
einzupressen und anschließend ein Deckelelement lediglich zum Abdecken und
Schutz der Einpresskontakte bzw. von auf der Platine () angebrachten elektro-
nischen Bauelementen anbringen würde.
Dieser Ansicht kann der Senat allerdings nicht folgen, denn zum einen dient das
Deckelelement () in Druckschrift E2 dem Aufbringen eines Drucks an der Kon-
taktstelle, was bei den verwendeten Federkontakten ebenfalls notwendig ist, auch
wenn die dort auftretenden Kräfte kleiner als die zum Einpressen der Press-Fit-
Kontakte notwendigen Kräfte sind. Hierzu ist das Deckelelement () mit besonde-
ren Strukturen versehen, die die Kraft gezielt in die Nähe der Kontaktstellen leiten
(
- 16 -
). Die Funktionalität des Deckelelements () geht somit über die eines
reinen Schutzdeckels hinaus.
Zum anderen gibt Druckschrift E2 an, dass ein Nachteil des Standes der Technik
darin besteht, dass zwei unterschiedliche Verbindungstechniken notwendig sind,
um das Halbleitermodul in eine Halbleiterschaltungsanordnung zu integrieren (
). Dieser
Nachteil wird offensichtlich durch die in ihr offenbarte Halbleiterschaltungsanord-
nung vermieden. Für den Fachmann ist es nun naheliegend, diesen Nachteil auch
bei der Verwendung von Press-Fit-Kontakten weiterhin zu vermeiden, was er bei
einer bestimmungsgemäßen Verwendung des Deckelelements () als Druckele-
ment auch kann. Sollte dabei das in Druckschrift E2 gezeigte Deckelement ()
hierfür nicht die notwendige Stabilität aufweisen, so wird er keinen weiteren Ar-
beitsschritt des Einpressens mit einem Werkzeug einführen, sondern lediglich das
Deckelelement entsprechend stabil gestalten, um weiter in den Genuss eines ver-
einfachten Herstellungsprozesses zu kommen. Damit ergibt sich für den Fach-
mann in naheliegender Weise ein Gegenstand mit allen Merkmalen des An-
spruchs 1 (§ 4 PatG), weshalb dieser nicht patentfähig ist.
5.
Unteransprüche (
).
- 17 -
6.
so dass der Beschluss der Patentabteilung, das Patent zu widerrufen, bestehen
bleibt.
III. Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss steht den am Verfahren Beteiligten - vorbehaltlich des
Vorliegens der weiteren Rechtsmittelvoraussetzungen, insbesondere einer Be-
Rechtsbeschwerde
beschwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn einer der nachfol-
genden Verfahrensmängel gerügt wird, nämlich
1. dass das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt
war,
2. dass bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der
Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder
wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. dass, einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. dass ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Geset-
zes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens
ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat,
5. dass der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung
ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des
Verfahrens verletzt worden sind, oder
6. dass der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
innerhalb eines Monats
schlusses
- 18 -
schriftlich durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als
Bevollmächtigten beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, ein-
zureichen oder
durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevoll-
www.bundesgerichtshof.de/erv.html. Das elektronische Dokument ist mit einer
prüfbaren qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz oder
mit einer prüfbaren fortgeschrittenen elektronischen Signatur zu versehen. Die
Eignungsvoraussetzungen für eine Prüfung und für die Formate des elektroni-
schen Dokuments werden auf der Internetseite des Bundesgerichtshofs
www.bundesgerichtshof.de/erv.html bekannt gegeben.
Brandt
Dr. Friedrich
Dr. Hoppe
Dr. Zebisch
prö