Urteil des BPatG vom 28.06.2016

Stand der Technik, Anhörung, Fig, Base

BPatG 154
05.11
BUNDESPATENTGERICHT
23 W (pat) 11/15
_______________
(Aktenzeichen)
Verkündet am
28. Juni 2016
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Patentanmeldung 10 2007 060 031.5
hat der 23. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 28. Juni 2016 unter Mitwirkung des Vorsitzenden
Richters
Dr. Strößner
und
der
Richter
Dr. Friedrich,
Dr. Zebisch
und
Dr. Himmelmann
- 2 -
beschlossen:
1.
Der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H01L des Deut-
schen Patent- und Markenamts vom 20. April 2015 wird auf-
gehoben.
2.
Es wird ein Patent erteilt mit der Bezeichnung
„Halbleitervor-
richtung
“, dem Anmeldetag 13 Dezember 2007 unter Inan-
spruchnahme
der
Priorität
JP
2007-137127
vom
23. Mai 2007 auf der Grundlage folgender Unterlagen:
Patentansprüche 1 bis 7;
Beschreibungsseiten 1 bis 19, jeweils überreicht in der
mündlichen Verhandlung am 28. Juni 2016;
12 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 bis 25, eingegan-
gen im Deutschen Patent- und Markenamt am Anmel-
detag.
3.
Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.
G r ü n d e
I.
Die vorliegende Anmeldung mit dem Aktenzeichen 10 2007 060 031.5 und der
Bezeichnung „Halbleitervorrichtung“ wurde am 13. Dezember 2007 unter Inan-
spruchnahme der japanischen Priorität 2007-137127 vom 23. Mai 2007 beim
Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht.
Die Prüfungsstelle hat im Prüfungsverfahren den Stand der Technik gemäß den
Druckschriften
- 3 -
D1
US 2007 / 0 052 481 A1
D2
DE 1 764 713 A
D3
US 2006 / 0 108 660 A1 und
D4
US 6 137 366 A
zitiert und im Prüfungsbescheid vom 15. Juni 2009 sowie im Ladungszusatz vom
16. Dezember 2013 ihre Bedenken bezüglich der Einheitlichkeit der Anmeldung
sowie hinsichtlich der Zulässigkeit der jeweiligen Ansprüche und der Patentfähig-
keit der darin beanspruchten Halbleiterbauelemente geäußert. In der daraufhin am
27. Februar 2014 durchgeführten Anhörung hat die Prüfungsstelle den Gegen-
stand des von der Anmelderin vorgelegten Hauptantrags als unzulässig beurteilt
und zum Gegenstand des 1. Hilfsantrags wegen aus der Beschreibung neu auf-
genommener Merkmale eine Nachrecherche angekündigt. Der Gegenstand des
zweiten Hilfsantrags wurde demgegenüber als voraussichtlich patentfähig ange-
sehen. Als Ergebnis der Nachrecherche hat die Prüfungsstelle mit Bescheid vom
22. April 2014 die Druckschrift D4 in das Verfahren eingeführt und aufgrund dieses
neu zu berücksichtigenden Stands der Technik auch die Patentfähigkeit der Ge-
genstände der beiden Hilfsanträge verneint. Dem hat die Anmelderin mit Eingabe
vom 25. August 2014 unter Stellung eines Antrags auf Durchführung einer weite-
ren Anhörung widersprochen und darin die Patenterteilung in der Fassung des
zweiten Hilfsantrags aus der Anhörung weiterverfolgt, da dessen Merkmale nach
ihrer Auffassung aus dem entgegengehaltenen Stand der Technik weder bekannt
noch nahegelegt seien. Jedoch konnte sich die Prüfungsstelle dieser Argumenta-
tion nicht anschließen, so dass sie die Anmeldung durch Beschluss vom 20. April
2015 mit der Begründung fehlender erfinderischer Tätigkeit bezüglich der Druck-
schrift D4 zurückgewiesen hat. Die Durchführung einer weiteren Anhörung hat sie
in diesem Zusammenhang als nicht sachdienlich erachtet.
Gegen diesen Beschluss, dem Vertreter der Anmelderin am 23. April 2015 zuge-
stellt, richtet sich die am 22. Mai 2015 beim DPMA eingegangene Beschwerde mit
- 4 -
der nachgereichten Beschwerdegründung vom 8. Februar 2016 und der weiteren
Eingabe vom 15. Juni 2016.
In der mündlichen Verhandlung hat die Anmelderin einen neuen Anspruchssatz
vorgelegt. Sie beantragt:
1.
Den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H01L des Deut-
schen Patent- und Markenamts vom 20. April 2015 aufzuhe-
ben.
2.
Ein Patent zu erteilen mit der Bezeichnung
„Halbleitervorrich-
tung
“, dem Anmeldetag 13. Dezember 2007 unter Inan-
spruchnahme
der
Priorität
JP
2007-137127
vom
23. Mai 2007 auf der Grundlage folgender Unterlagen:
Patentansprüche 1 bis 7, überreicht in der mündlichen
Verhandlung am 28. Juni 2016;
Beschreibungsseiten 1 bis 19, überreicht in der
mündlichen Verhandlung am 28. Juni 2016;
12 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 bis 25, eingegan-
gen im Deutschen Patent- und Markenamt am Anmel-
detag.
Die Anmelderin regt an, die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen.
Der in der Verhandlung überreichte Anspruchssatz umfasst die vier selbständigen
Patentansprüche 1, 4, 5 und 6 sowie die abhängigen Ansprüche 2, 3 und 7. Diese
haben folgenden Wortlaut:
„1. Halbleitervorrichtung, die umfasst:
einen Verstärkungstransistor (11) zum Verstärken eines
Hochfrequenzsignals und
- 5 -
eine Strombegrenzungsschaltung (12), die mit dem Ein-
gangsanschluss des Verstärkungstransistors (11) verbunden
ist,
wobei die Strombegrenzungsschaltung (12) einen Hochfre-
quenzstrom des Hochfrequenzsignals in der Weise begrenzt,
dass selbst dann keine höhere elektrische Leistung als die
maximale für den Verstärkungstransistor (11) zulässige
elektrische Leistung durchgelassen wird, wenn Hochfre-
quenzsignale mit einer übermäßigen elektrischen Leistung
als Eingangssignale eingegeben werden,
und die Strombegrenzungsschaltung (12) Folgendes auf-
weist:
einen Schutztransistor (13) mit einer Sourcelektrode
(21), einer Drainelektrode (22) und einer Gateelektrode
(23),
einen ersten Schutzwiderstand (14), der die Sourceelekt-
rode (21) und die Gateelektrode (23) des Schutztransis-
tors (13) direkt verbindet, und
einen zweiten Schutzwiderstand (15), der die Drainelekt-
rode (22) und die Gateelektrode (23) des Schutztransis-
tors (13) direkt verbindet, wobei
die Widerstandswerte des ersten und zweiten
Schutzwiderstands (14, 15) gleich sind,
die Drainelektrode (22) des Schutztransistors (13)
mit dem Eingangsanschluss (19) des Verstär-
kungstransistors (11) verbunden ist, und
das Hochfrequenzsignal der Sourceelektrode (21)
des Schutztransistors (13) zugeführt wird.
2.
Halbleitervorrichtung
nach
Anspruch
1,
dadurch
gekennzeichnet, dass die Strombegrenzungsschaltung (12)
- 6 -
ein Begrenzerverstärker zum Begrenzen der Ausgangsleis-
tung ist.
3.
Halbleitervorrichtung
nach
Anspruch
1,
dadurch
gekennzeichnet, dass die Strombegrenzungsschaltung (12)
den Strom auf höchstens 1/5 des maximalen Stroms des
Verstärkungstransistors (11) begrenzt.
4.
Halbleitervorrichtung, die umfasst:
einen Verstärkungstransistor (11) zum Verstärken eines
Hochfrequenzsignals und
eine Strombegrenzungsschaltung (12), die mit dem Aus-
gangsanschluss des Verstärkungstransistors (11) verbunden
ist,
wobei die Strombegrenzungsschaltung (12) einen Hochfre-
quenzstrom des Hochfrequenzsignals in der Weise begrenzt,
dass selbst dann keine höhere elektrische Leistung, als die
maximale für den Verstärkungstransistor (11) zulässige
elektrische Leistung durchgelassen wird, wenn Hochfre-
quenzsignale mit einer übermäßigen elektrischen Leistung
von der Ausgangsseite zurückkommen,
und die Strombegrenzungsschaltung (12) Folgendes auf-
weist:
einen Schutztransistor (13) mit einer Sourcelektrode
(21), einer Drainelektrode (22) und einer Gateelektrode
(23),
einen ersten Schutzwiderstand (14), der die Sourceelekt-
rode (21) und die Gateelektrode (23) des Schutztransis-
tors (13) verbindet, und
- 7 -
einen zweiten Schutzwiderstand (15), der die Drainelekt-
rode (22) und die Gateelektrode (23) des Schutztransis-
tors (13) verbindet,
wobei
die Widerstandswerte des ersten und zweiten Schutz-
widerstands (14, 15) gleich sind,
die Drainelektrode (22) des Schutztransistors (13) mit
dem Ausgangsanschluss (18) des Verstärkungstran-
sistors (11) verbunden ist, und
das von der Ausgangsseite zurückkommende Hochfre-
quenzsignal der Strombegrenzungsschaltung (12) zu-
geführt wird.
5.
Halbleitervorrichtung, die umfasst:
mehrere Verstärkungstransistoren (11a-11c) zum Verstärken
eines Hochfrequenzsignals, die parallelgeschaltet sind, und
mehrere Strombegrenzungsschaltungen (12a-12c), die je-
weils mit dem Eingangsanschluss jedes Verstärkungstran-
sistors (11) verbunden sind;
wobei jede der Strombegrenzungsschaltungen (12a-12c) ei-
nen Hochfrequenzstrom des Hochfrequenzsignals in der
Weise begrenzt, dass selbst dann keine höhere elektrische
Leistung als die maximale für den entsprechenden Verstär-
kungstransistor (11) zulässige elektrische Leistung durchge-
lassen wird, wenn Hochfrequenzsignale mit einer übermäßi-
gen elektrischen Leistung als Eingangssignale eingegeben
werden,
und jede der Strombegrenzungsschaltungen (12a-12c) Fol-
gendes aufweist:
einen Schutztransistor (13) mit einer Sourcelektrode (21),
einer Drainelektrode (22) und einer Gateelektrode (23),
- 8 -
einen ersten Schutzwiderstand (14), der die Sourceelekt-
rode (21) und die Gateelektrode (23) des Schutztransis-
tors (13) direkt verbindet, und
einen zweiten Schutzwiderstand (15), der die Drainelekt-
rode (22) und die Gateelektrode (23) des Schutztransis-
tors (13) direkt verbindet, wobei
die Widerstandswerte des ersten und zweiten Schutz-
widerstands (14, 15) gleich sind,
die Drainelektrode (22) des Schutztransistors (13) mit
dem Eingangsanschluss (19) des Verstärkungstransis-
tors (11) verbunden ist, und
das Hochfrequenzsignal der Sourceelektrode (21) des
Schutztransistors (13) zugeführt wird.
6.
Halbleitervorrichtung, die umfasst:
einen Verstärkungstransistor (11) zum Verstärken eines
Hochfrequenzsignals, und
mehrere Strombegrenzungsschaltungen (12a-12c), die je-
weils mit dem Eingangsanschluss des Verstärkungstransis-
tors (11) in Reihe geschaltet sind;
wobei die mehreren Strombegrenzungsschaltungen (12a-
12c) einen Hochfrequenzstrom des Hochfrequenzsignals in
der Weise begrenzen, dass selbst dann keine höhere elektri-
sche Leistung als die maximale für den Verstärkungstran-
sistor (11) zulässige elektrische Leistung durchgelassen
wird, wenn Hochfrequenzsignale mit einer übermäßigen
elektrischen Leistung als Eingangssignale eingegeben wer-
den,
und jede der Strombegrenzungsschaltungen (12a-12c) Fol-
gendes aufweist:
- 9 -
einen Schutztransistor (13) mit einer Sourcelektrode (21), ei-
ner Drainelektrode (22) und einer Gateelektrode (23),
einen ersten Schutzwiderstand (14), der die Sourceelektrode
(21) und die Gateelektrode (23) des Schutztransistors (13)
direkt verbindet, und
einen zweiten Schutzwiderstand (15), der die Drainelektrode
(22) und die Gateelektrode (23) des Schutztransistors (13)
direkt verbindet, wobei
die Widerstandswerte des ersten und zweiten Schutzwi-
derstands (14, 15) gleich sind,
die Drainelektrode (22) des Schutztransistors (13) mit
dem Eingangsanschluss (19) des Verstärkungstransis-
tors (11) verbunden ist, und
das Hochfrequenzsignal der Sourceelektrode (21) des
Schutztransistors (13) der ersten Strombegrenzungs-
schaltung zugeführt wird.
7.
Halbleitervorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 6,
dadurch gekennzeichnet, dass die Halbleiterschicht eine
GaN-Schicht ist.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die form- und fristgerecht erhobene Beschwerde ist zulässig und hinsichtlich des
in der mündlichen Verhandlung vom 28. Juni 2016 eingereichten Anspruchssatzes
auch begründet, denn die Ansprüche 1 bis 7 sind zulässig und geben eine einheit-
liche und gewerblich anwendbare Lehre. Die Gegenstände gemäß den selbstän-
digen Ansprüchen 1 und 4 bis 6 sind zudem patentfähig und durch den im Verfah-
- 10 -
ren befindlichen Stand der Technik nicht patenthindernd getroffen (§§ 1 - 5 PatG),
so dass der angefochtene Beschluss der Prüfungsstelle aufzuheben und das Pa-
tent in dem beantragten Umfang zu erteilen war (§ 79 Abs. 1 PatG i. V. m. § 49
Abs. 1 PatG).
1. Die Anmeldung betrifft eine Halbleitervorrichtung umfassend einen
Verstärkungstransistor zum Verstärken eines Hochfrequenzsignals und eine
Strombegrenzungsschaltung, die einen Hochfrequenzstrom des Hochfrequenz-
signals begrenzt.
Bei Verstärkern, die Hochfrequenzsignale an Antennen ausgeben, besteht die
Gefahr, dass die Verstärkungstransistoren zerstört werden, wenn sich die Anten-
nen in der Nähe einer Metalloberfläche befinden und das ausgegebene Hochfre-
quenzsignal in die Antennen und den Verstärker rückgekoppelt wird. Zur Vermei-
dung derartiger Schäden ist in der Druckschrift JP 4-31782 A eine Verstärker-
schaltung beschrieben, bei der ein sog. Zirkulator, der vormagnetisiertes Ferrit-
material enthält und den Fluss des Hochfrequenzsignals nur in eine Richtung er-
laubt, mit der Ausgangsseite des Verstärkungstransistors verbunden. Ein solcher
Zirkulator ist aber insofern nachteilig, als er relativ groß und schwer und wegen
des verwendeten magnetischen Materials auch teuer ist, was sich insbesondere
dann negativ bemerkbar macht, wenn höhere elektrische Leistungen abgesichert
werden müssen, da sich dies unmittelbar auf die Zirkulatorgröße auswirkt,
Vor diesem Hintergrund liegt der Anmeldung als technisches Problem die Aufgabe
zugrunde, eine kleine und leichte Halbleitervorrichtung zu schaffen, die mit niedri-
gen Kosten hergestellt werden kann und die selbst dann hochbeständig gegen
Zerstörung ist, wenn übermäßig hohe elektrische Leistung zugeführt wird,
- 11 -
Gelöst wird diese Aufgabe durch die Halbleitervorrichtungen der selbständigen
Ansprüche 1, 4, 5 und 6.
Die Halbleitervorrichtungen der selbständigen Ansprüche zeichnen sich dadurch
aus, dass sie eine Strombegrenzungsschaltung aufweisen, die mit dem Eingangs-
bzw. Ausgangsanschluss des zum Verstärken eines Hochfrequenzsignals geeig-
neten Verstärkungstransistors verbunden ist und die einen Hochfrequenzstrom
des Hochfrequenzsignals in der Weise begrenzt, dass selbst dann keine höhere
elektrische Leistung als die maximale für den Verstärkungstransistor zulässige
elektrische Leistung durchgelassen wird, wenn Hochfrequenzsignale mit einer
übermäßigen elektrischen Leistung als Eingangssignale eingegeben werden bzw.
von der Ausgangsseite zurückkommen. Dabei ist wesentlich, dass die Strombe-
grenzungsschaltung einen Aufbau entsprechend Fig. 1 bzw. 2 der Anmeldung hat,
d. h. sie weist einen Schutztransistor (13), einen ersten Schutzwiderstand (14), der
die Source- und Gateelektrode (21, 23) des Schutztransistors (13) direkt verbin-
det, und einen zweiten Schutzwiderstand (15), der die Drain- und Gateelektrode
(22, 23) des Schutztransistors (13) direkt verbindet, auf, wobei die Widerstands-
werte des ersten und zweiten Schutzwiderstands (14, 15) gleich sind. Die Draine-
lektrode (22) des Schutztransistors (13) ist zudem mit dem Eingangs- bzw. Aus-
gangsanschluss (18, 19) des Verstärkungstransistors (11) verbunden, und das
Hochfrequenzsignal der Sourceelektrode (21) des Schutztransistors (13) bzw. das
von der Ausgangsseite zurückkommende Hochfrequenzsignal wird der Strombe-
grenzungsschaltung (12) zugeführt. Dabei bezieht sich Anspruch 1 auf die Ausbil-
dung gemäß Fig. 1, wonach die Strombegrenzungsschaltung (12) zwischen Ein-
gangsseite und Verstärkungstransistor (11) vorgesehen ist, während Anspruch 4
die in Fig. 16 gezeigte Anordnung mit der Strombegrenzungsschaltung (12) zwi-
schen Ausgangsseite und Verstärkungstransistor (11) betrifft. Die Ausgestaltun-
gen nach den Ansprüchen 5 und 6 haben die parallele bzw. serielle Anordnung
der Strombegrenzungsschaltungen (12) gemäß den Figuren 20 und 21 zum Ge-
genstand.
- 12 -
2. Mit dem die selbständigen Ansprüche 1 und 4 bis 6 umfassenden Anspruchs-
satz, der einen Schutztransistor mit Gateelektrode voraussetzt, verfolgt die An-
melderin nicht mehr den Lösungsansatz nach den Figuren 10 bis 15, der auf einer
Halbleiterstruktur ohne Gate aufbaut, sondern lediglich den Lösungsansatz mit
einer speziellen Strombegrenzungsschaltung entsprechend Fig. 1 und 2, die durch
einen Schutztransistor mit Source-, Drain- und Gateelektrode sowie zwei Schutz-
widerständen gebildet ist. Mehrere Strombegrenzungsschaltungen können parallel
oder in Reihe geschaltet sein und sie schützt bzw. beschützen die Halbleitervor-
richtung vor Hochfrequenzsignalen, die über den Ein- bzw. Ausgang eingehen
können. Somit enthält die Anmeldung eine Gruppe von Erfindungen, die unterei-
nander in der Weise verbunden sind, dass sie eine einzige allgemeine erfinderi-
sche Idee verwirklichen, nämlich die Einbindung der in Fig. 1 gezeigten Strombe-
grenzungsschaltung in den Signalweg des Hochfrequenz-Verstärkungstransistors,
so dass die Anmeldung eine einheitliche Lehre vermittelt.
3. Die Ansprüche 1 bis 7 sind zulässig.
Die selbständigen Ansprüche 1, 4, 5 und 6 des Hauptantrags umfassen jeweils die
Merkmale der korrespondierenden ursprünglichen Ansprüche 1, 4, 8 und 9 und
sind zusätzlich durch Aufnahme der Merkmale des ursprünglichen Anspruchs 10
sowie dadurch präzisiert, dass
i. der Verstärkungstransistor zum Verstärken eines Hochfrequenzsignals
geeignet ist,
ii. der von der Strombegrenzungsschaltung zu begrenzende Strom ein
Hochfrequenzstrom des Hochfrequenzsignals ist,
iii. die Strombegrenzungsschaltung selbst dann nur die zulässige elektrische
Leistung durchlässt, wenn Hochfrequenzsignale mit einer übermäßigen
elektrischen Leistung als Eingangssignale eingegeben werden bzw. von der
Ausgangsseite zurückkommen,
iv. die beiden Schutzwiderstände gleiche Widerstandswerte haben,
- 13 -
v. die Drainelektrode des Schutztransistors mit dem Eingangs- bzw.
Ausgangsanschluss des Verstärkungstransistors verbunden ist, und
vi. das Hochfrequenzsignal der Sourceelektrode des Schutztransistors der
ersten Strombegrenzungsschaltung zugeführt wird (Ansprüche 1, 5 und 6),
bzw. das von der Ausgangsseite zurückkommende Hochfrequenzsignal der
Strombegrenzungsschaltung (12) zugeführt wird (Anspruch 4).
Diese Zusatzmerkmale finden ihre Offenbarung in der ursprünglichen Beschrei-
bung auf Seite 7, drittletzter Absatz, Seite 9, zweiter Absatz und Seite 14, vorletz-
ter und letzter Absatz (Merkmale i. und iii.) sowie auf Seite 11, zweiter Absatz
(Merkmal ii.), wobei die Verbindung zwischen der Strombegrenzungsschaltung
und dem Eingangs- bzw. Ausgangsanschluss des Verstärkungstransistors sowohl
direkt, wie in den Fig. 1, 20 und 21 gezeigt, als auch indirekt bspw. über eine An-
passungsschaltung 27, wie in Fig. 16 gezeigt, erfolgen kann. Die Offenbarung der
weiteren Zusatzmerkmale iv. bis vi. ist durch die urspr. Beschreibungsseite 11,
erster Absatz und die Fig. 1, 16, 20 und 21 mit zugehöriger Beschreibung gege-
ben.
Die abhängigen Ansprüche 2, 3 und 7 sind die angepassten ursprünglichen An-
sprüche 2, 3 und 14, wobei sich im zweiten Absatz der ursprünglichen Beschrei-
bungsseite 10 ein allgemeiner Verweis auf GaN als bevorzugtes Halbleitermaterial
findet.
4. Die gewerblich nutzbaren (§ 5 PatG) Halbleitervorrichtungen der selbständi-
gen Ansprüche 1 und 4 bis 6 sind hinsichtlich des vorgenannten Stands der Tech-
nik neu (§ 3 PatG) und beruhen diesem gegenüber auch auf einer erfinderischen
Tätigkeit des zuständigen Fachmanns (§ 4 PatG). Dieser ist hier als berufserfah-
rener und mit der Herstellung und Entwicklung von Halbleitervorrichtungen für
Hochfrequenzanwendungen und deren Schutzschaltungen befasster Physiker
oder Ingenieur der Elektrotechnik mit Hochschulabschluss zu definieren, der über
spezielle Kenntnisse in der Hochfrequenztechnik verfügt.
- 14 -
5. Gemäß der Lehre der selbständigen Ansprüche 1 und 4 bis 6 umfasst die
Halbleitervorrichtung einen Verstärkungstransistor zum Verstärken eines Hoch-
frequenzsignals und eine Strombegrenzungsschaltung mit einem Schutztransistor
und zwei Schutzwiderständen entsprechend Fig. 1, die so in dem Signalweg der
Halbleitervorrichtung angeordnet ist, dass einerseits die Strombegrenzungsschal-
tung mit dem Eingangs- bzw. Ausgangsanschluss des Verstärkungstransistors
verbunden ist und dass andererseits die Drainelektrode des Schutztransistors mit
dem Eingangs- bzw. Ausgangsanschluss des Verstärkungstransistors verbunden
ist, wobei das Hochfrequenzsignal der Sourceelektrode des Schutztransistors zu-
geführt wird bzw. das von der Ausgangsseite zurückkommende Hochfrequenzsig-
nal der Strombegrenzungsschaltung zugeführt wird.
Für eine derartige Halbleitervorrichtung gibt es in dem entgegengehaltenen Stand
der Technik keine Anregung.
In der den nächstkommenden St. d. T. bildenden Druckschrift D4, vgl. deren Sp. 3,
Z. 66 bis Sp. 5, Z. 4 mit Fig. 3, ist eine Halbleitervorrichtung offenbart, die mit den
Worten des Anspruchs 1 umfasst:
einen Verstärkungstransistor
zum Verstärken eines Hochfrequenzsignals und eine
Strombegrenzungsschaltung , die mit dem Eingangsan-
schluss des Verstärkungstransistors verbunden ist,
wobei die Strombegrenzungsschaltung einen Hochfrequenzstrom des
Hochfrequenzsignals in der Weise begrenzt, dass selbst dann
keine höhere elektrische Leistung als die maximale für den Verstärkungstransistor
zulässige elektrische Leistung durchgelassen wird, wenn Hochfrequenzsig-
nale mit einer übermäßigen elektrischen Leistung als Eingangssignale eingegeben
werden
- 15 -
Im Unterschied zur Lehre der selbständigen Ansprüche 1 und 4 bis 6 weist die
Strombegrenzungsschaltung der D4 als Schutztransistor keinen Feldeffekttran-
sistor sondern einen npn-Bipolar-Transistor (Q2) auf. Doch selbst für den Fall,
dass der Fachmann diesen npn-Transistor durch einen Feldeffekttransistor ersetzt
und dann die Basis als Gate, der Kollektor als Drain und der Emitter als Source zu
betrachten ist, ergibt sich daraus für den Fachmann keine Anregung bezüglich
einer Vorrichtung gemäß den selbständigen Ansprüchen.
Denn bei einem Austausch des npn-Bipolartransistors durch einen Feldeffekttran-
sistor weist die Strombegrenzungsschaltung der D4 in den Worten des An-
spruchs 1 Folgendes auf:
einen Schutztransistor mit einer Sourcelektrode , einer Drainelektrode
und einer Gateelektrode , einen ersten Schutzwiderstand , der die
Sourceelektrode und die Gateelektrode des Schutztransistors direkt
verbindet, und einen zweiten Schutzwiderstand , der die Drainelektrode
und die Gateelektrode des Schutztransistors verbindet, wobei die Drai-
nelektrode des Schutztransistors (Q2) mit dem Eingangsanschluss des
Verstärkungstransistors (Q1) verbunden ist.
Im Gegensatz zur Lehre des Anspruchs 1, wonach das Hochfrequenzsignal der
Sourceelektrode (21) des Schutztransistors (13) zugeführt wird, erfolgt jedoch bei
der Schaltungsanordnung nach Fig. 3 der D4 eine Zuführung des Hochfrequenz-
signals zur Kollektorelektrode des Schutztransistors d. h. zur Drainelekt-
rode eines äqivalenten Feldeffekt-Schutztransistors, und die Emitterelektrode ,
d. h. die Sourceelektrode des äqivalenten Feldeffekt-Schutztransistors, liegt auf
Erdpotential, so dass ihr auch nicht das Hochfrequenzsignal zugeführt wird.
- 16 -
Ausgehend von der Druckschrift D4 gibt es für den Fachmann auch keinen An-
lass, die Schutzschaltung entsprechend umzuwandeln, denn dazu müsste er die
Einbindung der Schutzschaltung in die Halbleitervorrichtung komplett ändern. Zu-
dem müsste er den Bipolartransistor nicht wie üblich durch einen Feldeffekttran-
sistor vom Anreicherungs- sondern durch einen vom Verarmungstyp ersetzen.
Für die Halbleitervorrichtungen der selbständigen Ansprüche 4, 5 und 6, die sich
auf die Verbindung der Strombegrenzungsschaltung mit dem Ausgangsanschluss
bzw. auf die Parallel- oder Reihenschaltung der Strombegrenzungsschaltungen
beziehen, gelten obige Ausführungen in gleicher Weise, d. h. auch sie sind ge-
genüber der Druckschrift D4 neu und beruhen ihr gegenüber auf einer erfinderi-
schen Tätigkeit des Fachmanns.
Die übrigen Druckschriften D1 bis D3 können dem Fachmann ebenfalls keinen
Hinweis bezüglich einer Halbleitervorrichtung nach den selbständigen Ansprü-
chen 1 und 4 bis 6 geben.
So beschreibt die Druckschrift D1 in Fig. 1 mit Beschreibung in den Absät-
zen [0010] bis [0014] zwar eine Halbleitervorrichtung umfassend:
einen Verstärkungstransistor zum Verstärken eines Hochfrequenz-
signals
und
eine Strombegrenzungsschaltung
, die mit dem Eingangsanschluss des Verstärkungstransistors ver-
bunden ist, wobei die Strombegrenzungsschaltung einen Hochfrequenzstrom
des Hochfrequenzsignals in der Weise begrenzt, dass selbst dann keine höhere
elektrische Leistung als die maximale für den Verstärkungstransistor zuläs-
sige elektrische Leistung durchgelassen wird, wenn Hochfrequenzsignale mit einer
übermäßigen elektrischen Leistung als Eingangssignale eingegeben werden
.
- 17 -
Der Aufbau der Strombegrenzungsschaltung unterscheidet sich aber grund-
legend von der nach den selbständigen Ansprüchen, weswegen die Druckschrift
D1 auch in Kombination mit der Druckschrift D4 die entsprechende Halbleitervor-
richtung dem Fachmann nicht nahelegen kann.
Die weiteren Druckschriften D2 bzw. D3 beschreiben eine Schaltungsanordnung
zur Begrenzung des Kollektor-Emitterstroms eines Bipolartransistorseines bzw.
Halbleitervorrichtungen mit Strombegrenzungsschaltungen basierend auf GaN-
Schichten. Keine dieser Druckschriften kann jedoch dem Fachmann einen Hinweis
bezüglich der anspruchsgemäßen Strombegrenzungsschaltung und deren Einbin-
dung in eine Halbleitervorrichtung entsprechend den selbständigen Ansprüchen
geben.
6.
An die Patentansprüche 1 bzw. 4 bis 6 können sich die Unteransprüche 2
und 3 bzw. 7 anschließen, da sie die Vorrichtungen nach den Patentansprüchen 1
bzw. 4 bis 6 vorteilhaft weiterbilden. Zudem sind in der geltenden Beschreibung
mit Zeichnung die Halbleitervorrichtungen gemäß den Ansprüchen ausreichend
erläutert.
7.
Bei dieser Sachlage war der angefochtene Beschluss aufzuheben und das
Patent im beantragten Umfang zu erteilen.
8.
Die Beschwerdegebühr nach dem Patentkostengesetzes wird nach § 80
Abs. 3 PatG zurückgezahlt.
a)
Die Prüfungsstelle für Klasse H01L des Deutschen Patent- und Markenamtes
(DPMA) hat im ersten Prüfungsbescheid am 15. Juni 2009 der Patentanmelderin
erklärt, die Erteilung eines Patents sei nicht möglich. Daraufhin hat die Anmelderin
mit Schriftsatz vom 30. November 2009 für den Fall, dass die Prüfungsstelle die
Zurückweisung der Anmeldung beabsichtigen sollte, die Durchführung einer Anhö-
rung beantragt. Die Prüfungsstelle hat mit ihrem zweiten Prüfungsbescheid vom
- 18 -
16. Dezember 2013 die Anmelderin zu einer Anhörung geladen, die am
27. Februar 2014 durchgeführt wurde. Mit ihrem dritten Prüfungsbescheid vom
22. April 2014 hat die Prüfungsstelle als neuen Stand der Technik die Druckschrift
D4 (US 6 137 366 A) in das Verfahren eingeführt und erklärt, im Blick auf die
Druckschrift D4 könne die in der Anhörung am 27. Februar 2014 in Aussicht ge-
stellte Erteilung eines Patents auf der Grundlage von Anspruch 1 des zweiten
Hilfsantrags nun nicht mehr in Aussicht gestellt werden. Die Anmelderin hat sich in
ihrem Schriftsatz vom 25. August 2014 mit der Druckschrift D4 auseinanderge-
setzt und für den Fall, dass die Prüfungsstelle die Zurückweisung der Anmeldung
erwägen sollte, um die Anberaumung einer (weiteren) Anhörung gebeten. Mit Be-
schluss vom 20. April 2015 hat die Prüfungsstelle die Patentanmeldung zurück-
gewiesen und erklärt, die Durchführung einer weiteren Anhörung, wie sie in der
Eingabe vom 25. August 2014 beantragt worden sei, sei vorliegend nicht sach-
dienlich, weil die Verfahrenslage sich nicht so wesentlich geändert habe, dass
eine sachgerechte Entscheidungsgrundlage nicht mehr gegeben sei. Gegen die-
sen Beschluss hat die Anmelderin am 22. Mai 2015 Beschwerde eingelegt. In ihrer
Beschwerdebegründung vom 11. Februar 2016 und in der mündlichen Verhand-
lung am 28. Juni 2016 hat die Anmelderin die Rückzahlung der Beschwerdege-
bühr angeregt.
b)
Das Patentgericht kann nach § 80 Abs. 3 PatG anordnen, dass die
Beschwerdegebühr nach dem Patentkostengesetz zurückgezahlt wird. Die Anord-
nung ist zu treffen, wenn dies der Billigkeit entspricht, wenn es also unter Berück-
sichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Verhaltens der Betei-
ligten und der Sachbehandlung durch das Patentamt, unbillig wäre, die Beschwer-
degebühr einzubehalten. Das setzt voraus, dass das Verfahren vor dem DPMA an
einem schwerwiegenden Verfahrensfehler litt oder die Sache anderweitig unsach-
gemäß zulasten eines Beteiligten behandelt wurde, und zum anderen, dass aus
Sicht eines verständigen Beschwerdeführers gerade dieser Verfahrensfehler oder
die unsachgemäße Behandlung Anlass für die Einlegung der Beschwerde war
(, Patentgesetz, 11. Auflage 2015, § 80 Rn. 22;
- 19 -
, Patentgesetz, 7. Auflage 2013, § 80 Rn. 90; , Pa-
tentgesetz, 9. Auflage 2014, § 80 Rn. 112 jeweils mit umfangreichen Rechtspre-
chungsnachweisen).
c)
Nach Art. 1 Nr. 17 des
„Gesetzes zur Novellierung patentrechtlicher
Vorschriften und anderer Gesetze des gewerblichen Rechtsschutzes
“ (PatNovG)
vom 19. Oktober 2013 (BGBl. I Nr. 63 vom 24. Oktober 2013, S. 3830) ist § 46
Abs. 1 PatG wie folgt geändert worden:
„a)
In Satz 2 werden das Komma und die Wörter »wenn es sachdienlich
ist« gestrichen.
b)
In Satz 4 werden die Wörter »oder erachtet die Prüfungsstelle die
An
hörung nicht als sachdienlich« gestrichen.“
In der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung vom 12. Juli 2012
(BT-Drucks. 17/10308, A. Allgemeiner Teil, S. 11) heißt es:
„Im Sinne einer verbesserten Mitwirkung der Anwender wird § 46 des Pa-
tentgesetzes (im Folgenden: PatG) dahingehend geändert, dass auf Antrag
des Anmelders zwingend eine Anhörung im Prüfungsverfahren durchzufüh-
ren ist.
(…)
Anhörungen im Rahmen des Erteilungsverfahrens sind bei Stellung eines
entsprechenden Antrags eines Beteiligten verpflichtend durchzuführen. Da-
mit wird das Erteilungsverfahren für alle Beteiligten noch transparenter.“
In der Amtlichen Begründung (a. a. O., S. 13 li. Sp.) wird weiter erläutert:
„Durch die Einführung der obligatorischen Anhörung auf Antrag im Ertei-
lungsverfahren (§ 46 PatG) sind Einsparungen in Höhe von 309 340 Euro zu
erwarten. Am Ende der Anhörungen wird in der Regel das Erteilungsverfah-
ren durch Erteilungs- ode
r Zurückweisungsbeschluss beendet.“
Im Besonderen Teil der Amtlichen Begründung (a. a. O., B. Besonderer Teil, Zu
Artikel 1, Zu Nummer 16 (§ 46, Anhörung und Vernehmungen), S. 18) ist ausge-
führt:
„Im Prüfungsverfahren wird die obligatorische Anhörung auf Antrag des An-
melders eingeführt. (…) Die Anhörung stellt eine sinnvolle und wichtige Mög-
lichkeit dar, die Sach-
und Rechtslage zu erörtern. (…) Gleichzeitig wird für
alle Beteiligten Rechtssicherheit geschaffen, weil zukünftig Streitfragen über
die Sachdienlichkeit von zurückweisenden Anträgen auf Anhörung entfallen.
- 20 -
Inhaltlich wird § 46 Absatz 1 an die Vorschrift des § 59 Absatz 3 Satz 1 PatG
für das Einspruchsverfahren angeglichen; dort besteht bereits ein zwingen-
des Anhörungsrecht auf Antrag. Gleiches gilt für das Verfahren vor dem EPA
(Artikel 116 Absatz 3 EPÜ).“
Nach der Übergangsvorschrift des § 147 Abs. 5 PatG ist für Anträge auf Anhörung
nach § 46 Abs. 1 PatG, die vor dem 1. April 2014 beim DPMA eingegangen sind,
§ 46 dieses Gesetzes in der bis dahin geltenden Fassung weiter anzuwenden. Die
Amtliche Begründung (a. a. O., B. Besonderer Teil, Zu Artikel 1, Zu Nummer 21
(§ 147, Übergangsregelungen), S. 19 re. Sp.) erklärt:
„Die wichtige Möglichkeit zur Erörterung der Sach- und Rechtslage soll nur
für die Verfahren gelten, in denen der Anmelder ein wirkliches Bedürfnis hat.
Ein solches Bedürfnis bringt er durch das Stellen eines Antrags auf Anhörung
zum Ausdruck.“
d)
Nach § 147 Abs. 5 PatG ist für den Antrag der Anmelderin auf Anberaumung
einer (weiteren) Anhörung § 46 Abs. 1 PatG in seiner durch Art. 1 Nr. 17 PatNovG
vom 19. Oktober 2013 geänderten Fassung anzuwenden, weil die Anmelderin
diesen Antrag am 25. August 2014 und damit nicht vor dem 1. April 2014 gestellt
hat.
e)
Der Senat ist der Auffassung, dass die Prüfungsstelle für Klasse H01L des
DPMA einen Verfahrensfehler begangen hat, weil sie entgegen § 46 Abs. 1 Satz 2
PatG n. F. trotz Antrags der Patentanmelderin vom 25. August 2014 keine weitere
Anhörung im Prüfungsverfahren durchgeführt hat.
In der Literatur wird teilweise die Auffassung vertreten, dass die Frage der Sach-
dienlichkeit der Anhörung auch unter dem geltenden Recht eine Rolle spielen
könne, wenn der Anmelder im Verlauf des Prüfungsverfahrens den Antrag auf
mündliche Anhörung wiederholt, obwohl eine solche bereits vor der zuständigen
Stelle des Patentamts stattgefunden habe. Die Entscheidung über einen solchen
wiederholten Antrag solle
„ersichtlich“ im pflichtgemäßen Ermessen der Prüfungs-
stelle stehen. Der gesetzlich begründete Anspruch auf mündliche Anhörung könne
- 21 -
demgemäß als erschöpft angesehen werden, wenn eine solche Anhörung statt-
gefunden habe (, a. a. O., § 46 Rn. 8).
Dieser Auffassung kann sich der Senat nicht anschließen. Denn der Gesetzgeber
des PatNovG hat das Kriterium der Sachdienlichkeit aus § 46 Abs. 1 PatG gestri-
chen. Auf diese Weise wollte der Gesetzgeber im Prüfungsverfahren noch mehr
Transparenz für den Patentanmelder und gleichzeitig Rechtssicherheit schaffen,
weil
„zukünftig Streitfragen über die Sachdienlichkeit von zurückweisenden Anträ-
gen auf Anhörung entfallen
“ sollen (Amtliche Begründung, a. a. O., S. 18 re. Sp.).
Hätte der Gesetzgeber eine einmalige Anhörung des Patentanmelders ohne Streit
über deren Sachdienlichkeit für zwingend erklären, weitere Anhörungen dagegen
von deren Sachdienlichkeit abhängig machen wollen, hätte der Gesetzgeber die-
sen Willen beispielsweise durch die Formulierung in § 46 Abs. 1 PatG zum Aus-
druck gebracht, dass auf Antrag des Anmelders eine einzige Anhörung im Prü-
fungsverfahren zwingend durchzuführen ist, weitere Anhörungen aber nur dann
durchzuführen sind, wenn sie sachdienlich sind. Weder der Wortlaut des durch
Art. 1 Nr. 17 PatNovG neugefassten § 46 Abs. 1 PatG noch die Amtliche Begrün-
dung der Bundesregierung bringen das (vermeintlich) Gewollte in irgendeiner
Weise zum Ausdruck. Im Gegenteil: zukünftig sollen nicht nur
„Streitfragen über
die Sachdienlichkeit von zurückweisenden Anträgen auf Anhörung entfallen
“ (Amt-
liche Begründung, a. a. O., S. 18 re. Sp.). Vielmehr soll die Möglichkeit zur Erörte-
rung der Sach- und Rechtslage für Verfahren gelten, in denen der Anmelder ein
wirkliches Bedürfnis hat.
„Ein solches Bedürfnis bringt er durch das Stellen eines
Antrags auf Anhörung zum Ausdruck
“ (Amtliche Begründung, a. a. O., S. 19 re.
Sp.). Das Tatbestandsmerkmal der Sachdienlichkeit der Anhörung ist mit Wirkung
vom 1. April 2014 entfallen. Auf seinen Antrag muss der Anmelder mündlich ge-
hört werden. Dem Antrag ist zu entsprechen, ohne dass eine Prüfung auf Sach-
dienlichkeit der Anhörung erfolgen dürfte (so zutreffend ,
a. a. O., § 46 Rn. 5-5a).
- 22 -
Auch aus der zwischen dem Singular und Plural schwankenden Formulierung in
der Amtlichen Begründung der Bundesregierung lässt sich nicht herleiten, dass
nur die Durchführung einer einzigen Anhörung im Prüfungsverfahren zwingend ist
und die Durchführung weiterer Anhörungen von deren Sachdienlichkeit abhängt.
Zwar könnte die in der Einzahl gehaltene Formulierung in der Amtlichen Begrün-
dung,
„auf Antrag des Anmelders“ ist „zwingend im Prüfungsver-
fahren durchzuführen
“ (a. a. O., S. 11 li. Sp., Hervorhebung seitens des Senats)
darauf hindeuten, dass eine einzige Anhörung, nicht aber weitere Anhörungen
zwingend sein sollen. Wenige Sätze später heißt es aber in der Mehrzahl:
im Rahmen des Erteilungsverfahrens sind bei Stellung eines entsprechen-
den Antrags eines Beteiligten verpflichtend durchzuführen
“ (a. a. O., S. 11 re. Sp.,
Hervorhebung seitens des Senats), was dafür spricht, in einem Patentprüfungs-
verfahren mehrere Anhörungen bei Stellung entsprechender Anträge verpflichtend
durchzuführen. Ebenso wenig lässt sich aus den weiteren, oben zitierten Passa-
gen der Amtlichen Begründung herleiten, dass die Durchführung einer einzigen
Anhörung im Prüfungsverfahren zwingend ist und weitere Anhörungen nur bei de-
ren Sachdienlichkeit durchzuführen sind.
f)
Der Gesetzgeber war wohl der Auffassung, dass nach der Durchführung ei-
ner einzigen Anhörung das Prüfungsverfahren durch Erteilungs- oder Zurückwei-
sungsbeschluss regelmäßig beendet werden kann, ähnlich wie das Einspruchs-
verfahren nach Durchführung einer einzigen Anhörung regelmäßig abgeschlossen
werden kann. Denn der Gesetzgeber hat die Erwartung, 309 340 Euro einsparen
zu können, folgendermaßen begründet (Amtliche Begründung, a. a. O., S. 13 li.
Sp.):
„Am Ende der Anhörungen wird in der Regel das Erteilungsverfahren durch
Erteilungs- oder Zurückweisungsbeschluss beendet. Dadurch entfällt die ar-
beitsaufwändige weitere Erstellung von Folgebescheiden.
- 23 -
Hierfür spricht auch, dass der Gesetzgeber § 46 Abs. 1 PatG n. F.
„an die Vorschrift des § 59 Abs. 3 Satz 1 PatG für das Einspruchsverfahren
angeglichen
“ hat (Amtliche Begründung, a. a. O., S. 18 re. Sp.).
Nach den Erfahrungen des Senats können allerdings nicht alle Patentprüfungs-
verfahren nach einer ersten Anhörung durch Erteilungs- oder Zurückweisungsbe-
schluss beendet werden. Einspruchsverfahren können dagegen in der Tat regel-
mäßig nach einer einzigen Anhörung durch einen Beschluss, ob und in welchem
Umfang das Patent aufrechterhalten oder widerrufen wird, erledigt werden. In den
Patentprüfungsverfahren, die nicht nach einer ersten Anhörung beendet werden
können, sind gegebenenfalls weitere Anhörungen durchzuführen, was ebenfalls
dagegen spricht, § 46 Abs. 1 Satz 2 PatG n. F. dahingehend auszulegen, dass im
Patentprüfungsverfahren nur die Durchführung einer einzigen Anhörung zwingend
erforderlich ist.
g)
Der Senat ist aus den genannten Gründen der Auffassung, dass nach § 46
Abs. 1 Satz 2 PatG n. F. die Prüfungsstellen des DPMA verpflichtet sind, in Pa-
tentprüfungsverfahren nach einer ersten Anhörung weitere Anhörungen durchzu-
führen, wenn der Patentanmelder dies beantragt. Im Gegensatz zur bisherigen
Gesetzeslage ist hierfür lediglich ein entsprechender Antrag des Anmelders, nicht
aber die Frage der Sachdienlichkeit entscheidend.
h)
Gerade der Verfahrensfehler der Nichtdurchführung der Anhörung seitens
der Prüfungsstelle für Klasse H01L des DPMA trotz Antrags der Patentanmelderin
vom 25. August 2014 war Anlass für die Einlegung der Beschwerde seitens der
Patentanmelderin, so dass die Beschwerdeeinlegung kausal auf den Verfahrens-
fehler zurückgeht. Ist nämlich die Anhörung des Patentanmelders gesetzlich vor-
geschrieben, (wie jetzt nach § 46 Abs. 1 Satz 2 PatG) ist
– wenn die Anhörung
unterblieben ist
– die Beschwerdegebühr regelmäßig zurückzuzahlen, weil in ei-
nem solchen Fall nicht auszuschließen ist, dass die Beschwerdeeinlegung gerade
- 24 -
auf der fehlenden Anhörung beruhte (, a. a. O., § 80
Rn. 33).
i)
Insofern war vorliegend anzuordnen, dass die Beschwerdegebühr nach dem
Patentkostengesetzes nach § 80 Abs. 3 PatG zurückgezahlt wird.
III.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen diesen Beschluss steht der Anmelderin - vorbehaltlich des Vorliegens der
weiteren Rechtsmittelvoraussetzungen, insbesondere einer Beschwer - das
Rechtsbeschwerde
nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn einer der nachfolgenden Verfah-
rensmängel gerügt wird, nämlich
1.
dass das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2.
dass bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung
des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis
der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3.
dass einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4.
dass ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes
vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder
stillschweigend zugestimmt hat,
5.
dass der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist,
bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt
worden sind, oder
6.
dass der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
- 25 -
innerhalb eines Monats
schlusses
schriftlich durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als
Bevollmächtigten beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, ein-
zureichen oder
durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmäch-
tigten in elektronischer Form bei der elektronischen Poststelle des BGH,
www.bundesgerichtshof.de/erv.html. Das elektronische Dokument ist mit einer
prüfbaren qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz oder mit
einer prüfbaren fortgeschrittenen elektronischen Signatur zu versehen. Die Eig-
nungsvoraussetzungen für eine Prüfung und für die Formate des elektronischen
Dokuments
werden
auf
der
Internetseite
des
Bundesgerichtshofs
www.bundesgerichtshof.de/erv.html bekannt gegeben.
Dr. Strößner
Dr. Friedrich
Dr. Zebisch
Dr. Himmelmann
prö