Urteil des BPatG vom 07.07.2016

Stand der Technik, Fahrzeug, Patentanspruch, Neuheit

BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
23 W (pat) 10/16
_______________________
(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Patentanmeldung 10 2014 017 615.0
hat der 23. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
7. Juli 2016 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Strößner und der
Richter Brandt, Dr. Friedrich und Dr. Himmelmann
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
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G r ü n d e
I.
Die vorliegende Anmeldung mit dem Aktenzeichen 10 2014 017 615.0 und der
Bezeichnung „Antrieb, insbesondere für Raumfahrzeuge“ wurde
am
28. November 2014 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht. Die
Prüfungsstelle für Klasse F03H hat im Prüfungsverfahren unter anderem auf den
Stand der Technik gemäß der Druckschrift
D1
DE 10 2009 023 478 A1
verwiesen und im einzigen Prüfungsbescheid vom 14. Juli 2015 abgesehen von
Bedenken zur Ausführbarkeit ausgeführt, dass der Antrieb gemäß dem ursprüngli-
chen Anspruch 1 nicht neu hinsichtlich dieses Dokuments sei (§ 3 PatG). Der An-
melder ist in seiner Eingabe vom 7. September 2015 nur insoweit auf die Ausfüh-
rungen der Prüfungsstelle zur Druckschrift D1 eingegangen, als er darauf ver-
weist, dass diese eine eigene Anmeldung sei. Da der Anmelder in seiner Eingabe
weder seine Anmeldeunterlagen geändert noch eine Anhörung beantragt hat, ist
daraufhin die Anmeldung von der Prüfungsstelle durch Beschluss vom
24. September 2015 mit der Begründung fehlender Neuheit des Antriebs nach
Anspruch 1 bezüglich der Druckschrift D1 zurückgewiesen worden.
Gegen diesen dem Anmelder am 28. September 2015 zugestellten Beschluss
richtet sich die am 14. Oktober 2015 beim Deutschen Patent- und Markenamt ein-
gegangene Beschwerde mit Beschwerdebegründung.
Da keine gegenüber den ursprünglichen Unterlagen geänderten Unterlagen einge-
reicht worden sind, stellt der Anmelder mit seiner Beschwerde sinngemäß den
Antrag:
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1.
den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse F03H des Deut-
schen Patent- und Markenamtes vom 24. September 2015
aufzuheben und
2.
ein Patent zu erteilen auf Grundlage der geltenden
ursprünglichen Unterlagen.
Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist nicht beantragt.
Der geltende, ursprüngliche Anspruch 1 lautet:
Antrieb, insbesondere für Raumfahrzeuge, bestehend aus einem,
gegenüber dem Fahrzeug starren ersten Massenkörper (4) und
mindestens zwei beweglichen Massenkörper (6, 7), dadurch ge-
kennzeichnet, dass die beweglichen Massenkörper (6, 7) gleich
groß ausgeführt sind und im Wirkungsbereich des starren Mas-
senkörpers (4) so in Bewegung versetzt werden, dass sich die
Massen der beweglichen Massenkörper (6, 7) verändern und im-
pulsartig auf den starren Massenkörper (4) wirken.
Hinsichtlich der auf Anspruch 1 rückbezogenen Ansprüche 2 bis 5 sowie bezüglich
der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die fristgerecht eingelegte Beschwerde des Anmelders ist zulässig. Sie erweist
sich aber als nicht begründet, denn der Antrieb nach Patentanspruch 1 ist gegen-
über dem in der Druckschrift D1 offenbarten Antrieb nicht neu (§ 3 PatG) und da-
mit nicht patentfähig.
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Bei dieser Sachlage kann die Zulässigkeit der geltenden Patentansprüche sowie
die Frage der erfinderischen Tätigkeit dahingestellt bleiben
1. Die Anmeldung betrifft einen Antrieb, insbesondere für Raumfahrzeuge, beste-
hend aus einem, gegenüber dem Fahrzeug starren ersten Massenkörper und
mindestens zwei beweglichen Massenkörpern.
Nach den Ausführungen in der Beschreibungseinleitung werden Raumfahrzeuge
im freien Raum üblicherweise durch die Rückstoßkräfte einer bevorrateten und mit
hoher Beschleunigung in die der gewollten Fahrtrichtung entgegengesetzten
Richtung ausgestoßenen Materie angetrieben.
Diese Antriebe seien aber nachteilig, denn zum Einen hänge deren Funktion von
der Menge der
– zwangsläufig begrenzten – bevorrateten Materie ab, und zum
Anderen lägen die mit solchen Antrieben erreichbaren Geschwindigkeiten weit
unterhalb der Lichtgeschwindigkeit.
In der Druckschrift DE 10 2007 004 507 A1 sei zwar ein Impulsabsorptionsantrieb
für Raumfahrzeuge beschrieben, der aus zwei entgegengesetzt rotierenden und
gleich großen Antriebsmassen, deren Drehachsen über ein Gestell mit dem
Grundkörper des Raumfahrzeuges verbunden seien, bestehe, und bei dem ein
Teil des Drehimpulses der Antriebsmassen translatorisch an das Raumfahrzeug
abgegeben werden solle, so dass sich der Massenzentralpunkt des Raumfahr-
zeuges verschiebe. Jedoch sei dieser Antrieb hinsichtlich seiner Funktionsweise
problematisch, weil die Antriebsmassen auf ihren Rotationsbahnen wechselweise
sowohl in als auch entgegen der Fahrtrichtung des Raumfahrzeuges wirken wür-
den
Vor diesem Hintergrund liegt der Anmeldung als technisches Problem die Aufgabe
zugrunde, einen gattungsgemäßen Antrieb zu entwickeln, der eine hohe und bis
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zur Lichtgeschwindigkeit führende Beschleunigung aufweist,
Gelöst wird diese Aufgabe durch den Antrieb nach Anspruch 1.
Diese Lösung zeichnet sich dadurch aus, dass bei dem aus einem gegenüber
dem Fahrzeug starren ersten Massenkörper und mindestens zwei beweglichen
Massenkörpern bestehenden Antrieb die beweglichen Massenkörper gleich groß
ausgeführt sind und im Wirkungsbereich des starren Massenkörpers so in Bewe-
gung versetzt werden, dass sich die Massen der beweglichen Massenkörper ver-
ändern und impulsartig auf den starren Massenkörper wirken.
2. Der zuständige Fachmann ist hier als ein berufserfahrener Ingenieur des Ma-
schinenbaus oder Physiker mit Hochschul- oder Fachhochschulabschluss zu defi-
nieren, der mit der Entwicklung von Antrieben betraut ist.
3. Der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 ist nicht patentfähig, da er aus
der Druckschrift D1 zum Anmeldezeitpunkt bereits bekannt war und somit nicht
neu ist (§ 3 PatG). Insbesondere stellt die am 9. Dezember 2010 veröffentlichte
Druckschrift D1 einen vorveröffentlichten und bei der Prüfung auf Patentfähigkeit
zu berücksichtigenden Stand der Technik für die vorliegende Anmeldung mit dem
Anmeldetag 28. November 2014 dar, und zwar unabhängig davon, ob Anmeldung
und Druckschrift D1 auf denselben Anmelder und Erfinder zurückgehen oder nicht.
Denn „der Stand der Technik umfasst alle Kenntnisse, die vor dem für den Zeit-
rang der Anmeldung maßgeblichen Tag durch schriftliche oder mündliche Be-
schreibung durch Benutzung oder in sonstiger Weise der Öffentlichkeit zugänglich
gemacht worden sind“ (§ 3 Abs. 1 PatG).
4. Der Anspruch 1 der Druckschrift D1 hat folgenden, mit dem Anspruch 1 der
vorliegenden Anmeldung identischen Wortlaut:
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Antrieb, insbesondere für Raumfahrzeuge, bestehend aus einem,
gegenüber dem Fahrzeug starren ersten Massenkörper (4) und
mindestens zwei beweglichen Massenkörper (6, 7), dadurch ge-
kennzeichnet, dass die beweglichen Massenkörper (6, 7) gleich
groß ausgeführt sind und im Wirkungsbereich des starren Mas-
senkörpers (4) so in Bewegung versetzt werden, dass sich die
Massen der beweglichen Massenkörper (6, 7) verändern und im-
pulsartig auf den starren Massenkörper (4) wirken.
Der Antrieb gemäß Anspruch 1 der Anmeldung ist demnach nicht neu (§ 3 PatG)
und damit auch nicht patentfähig.
5. Da die Druckschrift D1 dem Antrieb nach Anspruch 1 der vorliegenden Anmel-
dung neuheitsschädlich entgegensteht, können die vom Anmelder aufgeworfenen
Fragen hinsichtlich der von ihm durchgeführten Versuche dahingestellt bleiben, da
sie an der fehlenden Neuheit des Antriebs nach Anspruch 1 nichts ändern.
6. Es kann ebenfalls dahingestellt bleiben, ob die Gegenstände nach den
untergeordneten Ansprüchen 2 bis 5 patentfähig sind, denn wegen der Antrags-
bindung im Patenterteilungsverfahren fallen mit dem Patentanspruch 1 auch die
auf den selbständigen Patentanspruch 1 rückbezogenen Unteransprüche (vgl.
BGH GRUR 2007, 862, 863 Tz. 18
– Informationsübermittlungsverfahren II
m. w. N.).
6. Bei dieser Sachlage war die Beschwerde des Anmelders zurückzuweisen.
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R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen diesen Beschluss steht dem Anmelder
– vorbehaltlich des Vorliegens der
weiteren Rechtsmittelvoraussetzungen, insbesondere des Vorliegens einer Be-
schwer
Rechtsbeschwerde
beschwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn einer der nachfolgen-
den Verfahrensmängel gerügt wird, nämlich
1. dass das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt
war,
2. dass bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der
Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder
wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. dass einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. dass ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Geset-
zes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens
ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat,
5. dass der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung
ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des
Verfahrens verletzt worden sind, oder
6. dass der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
innerhalb eines Monats
schlusses
schriftlich durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als
Bevollmächtigten beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, ein-
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Dr. Strößner
Brandt
Dr. Friedrich
Dr. Himmelmann
prö