Urteil des BPatG vom 02.05.2016

Patentanspruch, Datenbank, Vergleich, Öffentlichkeit

BPatG 154
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
20 W (pat) 2/14
_______________
(Aktenzeichen)
Verkündet am
2. Mai 2016
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Patentanmeldung 10 2012 007 085.3
hat der 20. Senat (Technischer Beschwerdesenat) auf die mündliche Verhandlung
vom 2. Mai 2016 durch den Vorsitzenden Richter Dipl.-Phys. Dr. Mayer, den Rich-
ter Dipl.-Ing. Musiol, die Richterin Dorn und den Richter Dipl.-Geophys. Dr. Wollny
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
- 2 -
G r ü n d e
I.
Das Deutsche Patent- und Markenamt - Prüfungsstelle für Klasse G 05 D - hat die
am 11.04.2012 eingegangene Patentanmeldung 10 2012 007 085.3 mit der Be-
zeichnung
„Verfahren und Vorrichtung zur automatischen Auswahl
einer Beleuchtungssituation
durch Beschluss vom 14.10.2013 zurückgewiesen.
Die Prüfungsstelle führte in ihrem vorausgegangenen Bescheid vom 25.01.2013,
auf dessen Grundlage die Anmeldung gemäß § 48 des Patentgesetzes zurückge-
wiesen wurde, insbesondere aus, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1
mangels Neuheit nicht gewährbar sei, da aus den Druckschriften WO 2010 /
079 388 A1 (D1) und JP 2008 270 089 A (D2) jeweils alle Merkmale desselben
bekannt seien; entsprechendes gelte auch für die Druckschrift D1 gegenüber dem
nebengeordneten Patentanspruch 8.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Beschluss der Prüfungsstelle verwie-
sen.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 14.11.2013 beim Deutschen Patent-
und Markenamt eingegangene Beschwerde.
- 3 -
Die Bevollmächtigte des Anmelders hat mit Schriftsatz vom 10.01.2014, beim
DPMA eingegangen am 13.01.2014, sinngemäß beantragt,
den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G05D des Deutschen Patent-
und Markenamts vom 14.10.2013 aufzuheben und das nachgesuchte Pa-
tent auf der Grundlage folgender Unterlagen zu erteilen:
Patentansprüche:
Patentansprüche 1 bis 13 vom 10.01.2014, beim DPMA eingegangen am
13.01.2014
Beschreibung:
Beschreibungsseiten 1 bis 6 vom Anmeldetag (11.04.2012)
Zeichnungen:
Figuren 1 bis 5 vom Anmeldetag (11.04.2012)
Patentansprüche 1 bis 12 vom 10.01.2014, beim DPMA als Hilfsantrag 1
eingegangen am 13.01.2014
Patentansprüche 1 bis 10 vom 10.01.2014, beim DPMA als Hilfsantrag 2
eingegangen am 13.01.2014
Beschreibung und Zeichnungen jeweils wie Hauptantrag.
- 4 -
Der Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet:
Der Patentanspruch 9 gemäß Hauptantrag lautet:
- 5 -
Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 lautet:
Der Patentanspruch 2 gemäß Hilfsantrag 1 lautet:
- 6 -
Der Patentanspruch 8 gemäß Hilfsantrag 1 lautet:
Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 lautet:
- 7 -
Der Patentanspruch 7 gemäß Hilfsantrag 2 lautet:
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde des Anmelders hat in der Sache keinen Erfolg, da mit
den Anspruchssätzen des Hauptantrags und der beiden Hilfsanträge 1 und 2 je-
weils Gegenstände beansprucht werden, die unzulässige Erweiterungen gegen-
über der Ursprungsoffenbarung der Anmeldung aufweisen (§ 38 PatG):
1.
Die Patentanmeldung betrifft laut Ursprungsunterlagen, Abs. 1, ein Verfah-
ren und eine Vorrichtung zur automatischen Auswahl einer Beleuchtungssituation.
Nachteilig bei den bisher bekannten Verfahren und Vorrichtungen sei, dass ein
Benutzer aktiv die Beleuchtungssituation an seine Bedürfnisse anpassen müsse,
weshalb es Aufgabe der vorliegenden Erfindung sei, ein Verfahren und eine Vor-
richtung bereitzustellen, die ein automatisches Anpassen der Beleuchtungssitua-
- 8 -
tion an die Bedürfnisse des Benutzers ermögliche (Ursprungsunterlagen, S.1,
Abs. 2 bis 5).
2.
Die Anmeldung richtet sich ihrem technischen Sachgehalt nach an einen
Diplom-Physiker, der auf dem Gebiet der angewandten Optik tätig ist.
3.a
zu den Ursprungsunterlagen markiert):
3.b
lagen geänderten Unteranspruch 3 werden zumindest zwei Sachverhalte bean-
sprucht, die den ursprünglich beim Deutschen Patent- und Markenamt einge-
reichten Unterlagen so nicht unmittelbar und eindeutig zu entnehmen sind und den
beanspruchten Gegenstand somit gegenüber der Ursprungsoffenbarung der An-
meldung unzulässig erweitern:
- 9 -
Zum einen wird
beansprucht, dass „ein Erkennungszeichen ... vorgesehen ist, das
mit dem Objekt ... fest verbunden ist und einen Hinweis auf die Art des Objektes
enthält ...“ (Anspruch 3, Zeilen 2 und 3; Unterstreichungen hinzugefügt), jedoch
ohne dass in den Ursprungsunterlagen die Begrifflichkeit
„Art“ des Objektes ur-
sprünglich offenbart oder in ihrer konkreten Sachaussage über den technischen
Kontext definiert wird.
Zum anderen ist nicht ursprungsoffenbart, dass ein Vergleichen des mittels des
Erkennungszeichens erfassten Objekts mit in einer Datenbank hinterlegten Ob-
jekten erfolgt, wobei die in der Datenbank hinterlegten Objekte zusätzlich mit einer
Beleuchtungssituation korreliert sind (Anspruch 2, Zeilen 7 bis 10). In den Ur-
sprungsunterlagen ist vielmehr offenbart, dass ein Erkennungszeichen, aber kein
Objekt an sich erfasst wird, sowie dass in einer Datenbank eine Beleuchtungssitu-
ation zu einem jeweiligen Erkennungszeichen eines Objektes und nicht zu einem
konkreten Objekt als solches gespeichert ist, wobei für das jeweilige Erkennungs-
zeichen ein Vergleich bzw. eine Korrelation erfolgt und nicht für ein konkretes Ob-
jekt, das über dieses Erkennungszeichen detektiert wird (z. B. ursprüngliche Pa-
tentansprüche 1 und 2).
Der Gegenstand des Anspruchs 3 gemäß Hauptantrag ist somit gegenüber den
Ursprungsunterlagen unzulässig erweitert und daher nicht patentfähig.
4.
Zum Hilfsantrag 1
4.a
(Änderungen im Vergleich zum ursprünglichen Patentanspruch 2 markiert):
- 10 -
4.b
der „Art“ des
Objektes auf als auch in den Zeilen 7 bis 10 auf der Basis von erfassten Erken-
nungszeichen das Merkmal des Vergleichens von Objekten in einer Datenbank
anstatt des Vergleichens von Erkennungszeichen in derselben; beide Merkmale
sind - wie bereits zum Hauptantrag ausgeführt - so nicht ursprungsoffenbart, wes-
halb auf die entsprechenden Ausführungen zum Hauptantrag (s.o. Ziff. 3.b) ver-
wiesen wird.
Somit ist auch der Gegenstand des Anspruchs 2 gemäß Hilfsantrag 1 nicht pa-
tentfähig, da er unzulässige Erweiterungen gegenüber der Ursprungsoffenbarung
der Anmeldung aufweist.
5.
Zum Hilfsantrag 2
5.a
rungen im Vergleich zum ursprünglichen Patentanspruch 2 markiert):
- 11 -
Zum Verständnis der technischen Zusammenhänge sei zusätzlich auf den bereits
im Tatbestand aufgeführten unabhängigen Anspruch 1 verwiesen.
5.b
trag 2 wird eine konkrete Kombination von zwei unterschiedlichen Einstellungsme-
chanismen für eine Beleuchtungssituation beansprucht, die auf diese Weise nicht
ursprungsoffenbart ist; im Einzelnen:
Mit dem Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 (s. o. S. 6) wird zum einen beansprucht
(Anspruch 1, Zeilen 3 bis 10), dass nach dem Erfassen des Objektes und dem
Vergleich desselben mit Objekten in einer Datenbank eine Beleuchtungseinstel-
lung gemäß der in der genannten Datenbank mit dem Objekt korrelierten Be-
leuchtungssituation vorgenommen wird.
Zum anderen wird durch den Rückbezug auf den Anspruch 1 (aber auch wörtlich,
s. u.) im Anspruch 2 gemäß Hilfsantrag 2 (Anspruch 2, Zeilen 4 bis 12) zusätzlich
beansprucht, dass nach dem Erfassen des Erkennungszeichens und dem Ver-
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gleich desselben mit Erkennungszeichen in einer Datenbank, eine Beleuchtungs-
einstellung gemäß der in der genannten Datenbank mit dem Erkennungszeichen
korrelierten Beleuchtungssituation für ein erfasstes Objekt vorgenommen wird
(Anspruch 2, Zeilen 9 bis 12:
„Einstellen der mit dem erfassten Objekt ... korre-
lierten Beleuchtungssituation an wenigstens einer Beleuchtungseinheit ... zur Ein-
stellung der mit dem erfassten Erkennungszeichen ... korrelierten Beleuchtungs-
situation ...
“; Unterstreichungen hinzugefügt).
Eine derartige Kombination von zwei auf jeweils unterschiedlicher Basis arbeiten-
den Einstellungsmechanismen - und insbesondere eine funktionale Abhängigkeit
sowohl von Objekt als auch Erkennungszeichen - ist den Ursprungsunterlagen so
jedoch an keiner Stelle zu entnehmen.
Somit ist auch der Gegenstand des Anspruchs 2 gemäß Hilfsantrag 2 nicht pa-
tentfähig, da er eine unzulässige Erweiterung gegenüber der Ursprungsoffenba-
rung der Anmeldung aufweist.
6.
Mit Anspruch 3 gemäß Hauptantrag und dem jeweiligen Anspruch 2 gemäß
den Hilfsanträgen 1 und 2 fallen auch alle anderen Ansprüche der jeweiligen An-
spruchsfassungen, da ein Patent nur so erteilt werden kann, wie es beantragt ist
(BGH, Beschluss vom 26. September 1996 - X ZB 18/95, GRUR 1997, 120 - elek-
trisches Speicherheizgerät, m. w. N.).
7.
Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage kann vorliegend ferner dahinge-
stellt bleiben, ob der elektronisch erstellte und signierte Beschluss des DPMA
möglicherweise an Wirksamkeitsmängeln leidet (vgl. BPatG, Beschluss vom
12.05.2014
– 20 W (pat) 28/12, BlPMZ 2014, 355 – u. a. im Hinblick auf das Erfor-
dernis einer signierten Urschrift in der elektronischen Akte).
8.
Im Ergebnis konnte somit dem Antrag des Anmelders, nämlich den Zurück-
weisungsbeschluss der Prüfungsstelle vom 14.10.2013 aufzuheben und in Folge
- 13 -
ein Patent auf Basis eines der von ihm gestellten Anträge zu erteilen, nicht statt-
gegeben werden.
Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.
Rechtsbehelfsbelehrung
Gegen diesen Beschluss des Beschwerdesenats steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten
die Rechtsbeschwerde zu (§ 99 Absatz 2, § 100 Absatz 1, § 101 Absatz 1 des Patentgesetzes).
Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird,
dass
1.
das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2.
bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes
kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abge-
lehnt war,
3.
einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4.
ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er
nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat,
5.
der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschrif-
ten über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder
6.
der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist
(§ 100 Absatz 3 des Patentgesetzes).
Die Rechtsbeschwerde ist beim Bundesgerichtshof einzulegen (§ 100 Absatz 1 des Patentgeset-
zes). Sitz des Bundesgerichtshofes ist Karlsruhe (§ 123 GVG).
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bun-
desgerichtshof schriftlich einzulegen (§ 102 Absatz 1 des Patentgesetzes). Die Postanschrift lautet:
Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45 a, 76133 Karlsruhe.
Sie kann auch als elektronisches Dokument eingereicht werden (§ 125a Absatz 2 des Patentge-
setzes in Verbindung mit der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesge-
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richtshof und Bundespatentgericht (BGH/BPatGERVV) vom 24. August 2007 (BGBl. I S. 2130)). In
diesem Fall muss die Einreichung durch die Übertragung des elektronischen Dokuments in die
elektronische Poststelle des Bundesgerichtshofes erfolgen (§ 2 Absatz 2 BGH/BPatGERVV).
Die Rechtsbeschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass der Beschluss auf einer Verletzung
des Rechts beruht (§ 101 Absatz 2 des Patentgesetzes). Die Rechtsbeschwerde ist zu begründen.
Die Frist für die Begründung beträgt einen Monat; sie beginnt mit der Einlegung der Rechtsbe-
schwerde und kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden (§ 102 Absatz 3 des Pa-
tentgesetzes). Die Begründung muss enthalten:
1.
die Erklärung, inwieweit der Beschluss angefochten und seine Abänderung oder Aufhe-
bung beantragt wird;
2.
die Bezeichnung der verletzten Rechtsnorm;
3.
insoweit die Rechtsbeschwerde darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das
Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben
(§ 102 Absatz 4 des Patentgesetzes).
Vor dem Bundesgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen beim Bundesgerichtshof zu-
gelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten vertreten lassen (§ 102 Absatz 5 des Patentgeset-
zes).
Dr. Mayer
Dorn
Musiol
Dr. Wollny
Hu