Urteil des BPatG vom 02.07.2015

Stand der Technik, Fett, Öl, Patentanspruch

BPatG 253
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
2 Ni 10/13 (EP)
(Aktenzeichen)
URTEIL
Verkündet am
2. Juli 2015
In der Patentnichtigkeitssache
- 2 -
betreffend das europäische Patent 2 085 003
(DE 60 2005 027 503)
hat der 2. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts durch den Vorsit-
zenden Richter Guth, die Richterin Dr. Hoppe und die Richter Dr.-Ing. Fritze,
Dipl.-Ing. Fetterroll und Dipl.-Ing. Wiegele in der mündlichen Verhandlung vom
2. Juli 2015 für Recht erkannt:
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von
120 %des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig
vollstreckbar.
Tatbestand
Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Nichtigerklärung des europäischen Pa-
tents 2 085 003. Die Beklagte ist Inhaberin dieses am 8. Juni 2005 angemelde-
ten Patents (im Folgenden: Streitpatent), das auf die PCT-Anmeldung
PCT/FR2005/001415 zurückgeht, die als WO 2006/000699 A2 veröffentlicht
worden ist, und für das die Priorität der französischen Patentanmeldung
FR 0406214 vom 8. Juni 2004 in Anspruch genommen wird. Das in der Verfah-
renssprache Französisch mit der Bezeichnung
„Friteuse à enduction automa-
tique de matière grasse
“ (Fritteuse mit automatischer Beschichtung mit Fett) ab-
gefasste Streitpatent wird vom Deutschen Patent- und Markenamt unter der
Nummer DE 60 2005 027 503 geführt.
Das Streitpatent umfasst den Anspruch 1 und die rückbezogenen Ansprüche 2
bis 15.
- 3 -
Anspruch 1 des erteilten Streitpatents lautet in der französischen Verfahrens-
sprache:
In der deutschen Übersetzung der Patentschrift EP 2 085 003 B1 lautet Pa-
tentanspruch 1:
Trockenfritteuse (1), umfassend:
-
ein Aufnahmemittel (5), das dazu vorgesehen ist, sowohl die Nah-
rungsmittel als auch Fett zu enthalten,
-
ein Rührmittel (6) für die in dem Aufnahmemittel (5) enthaltenen
Nahrungsmittel,
wobei das Aufnahmemittel (5) und das Rührmittel (6) derart ausgeführt
sind, dass sie in Bezug zueinander in Bewegung versetzt werden,
dadurch gekennzeichnet, dass das Aufnahmemittel (5) abnehmbar in-
nerhalb eines Hauptkörpers (2) montiert ist und dass das Aufnahmemit-
tel (5) und das Rührmittel (6) derart ausgeführt sind, dass sie in Bezug
zueinander in dem Hauptkörper (2) in Bewegung versetzt werden, um
die Nahrungsmittel automatisch mit einer Fettschicht durch Durchrühren
der Nahrungsmittel mit dem Fett innerhalb dieses Aufnahmemittels (5)
zu versehen.
- 4 -
Diesem Anspruch schließen sich die rückbezogenen Ansprüche 2 bis 15 an. Hin-
sichtlich des Wortlauts dieser weiteren Patentansprüche wird auf die Patent-
schrift EP 2 085 003 B1 verwiesen.
Der Anspruch 1 nach dem geltenden Hilfsantrag 1 lautet:
Trockenfritteuse (1), umfassend:
-
ein Aufnahmemittel (5), das dazu vorgesehen ist, sowohl die Nah-
rungsmittel als auch Fett zu enthalten,
-
ein Rührmittel (6) für die in dem Aufnahmemittel (5) enthaltenen
Nahrungsmittel,
wobei das Aufnahmemittel (5) und das Rührmittel (6) derart ausgeführt
sind, dass sie in Bezug zueinander in Bewegung versetzt werden,
dadurch gekennzeichnet, dass das Aufnahmemittel (5) abnehmbar in-
nerhalb eines Hauptkörpers (2) montiert ist
und dass das Aufnahmemittel (5) und das Rührmittel (6) derart ausge-
führt sind, dass sie in Bezug zueinander in dem Hauptkörper (2) in Be-
wegung versetzt werden, um die Nahrungsmittel automatisch mit einer
Fettschicht durch Durchrühren der Nahrungsmittel mit dem Fett inner-
halb dieses Aufnahmemittels (5) zu versehen,
und dass sie auf dem Hauptkörper (2) montiert, ein Hauptheizmittel (24)
umfasst, das alleine zumindest das Wesentliche der Wärmezufuhr, die
das Garen ermöglicht, sicherstellt,
wobei das Hauptheizmittel (24) derart ausgeführt ist, dass es einen
Heizstrom (25) über dem Aufnahmemittel (5) erzeugt.
Diesem Anspruch schließen sich die rückbezogenen Ansprüche 2 bis 13 an. Hin-
sichtlich des Wortlauts dieser weiteren Patentansprüche wird auf den mit Schrift-
satz vom 1. September 2014 (Bl. 101 ff d.A.) eingereichten Hilfsantrag verwie-
sen.
Die Klägerin greift das Streitpatent in vollem Umfang an und macht die Nichtig-
keitsgründe der fehlenden Patentfähigkeit und im Hinblick auf den Patentan-
- 5 -
spruch 1 des Hilfsantrags zusätzlich den Nichtigkeitsgrund der unzulässigen
Erweiterung geltend. Zur Stützung ihres Vorbringens nennt sie u.a. folgende
Druckschriften:
Ni 4
Ni 5
Ni 6
Ni 7
Ni 8
Ni 9
Ni 10
Ni 11
Ni 12
Ni 14
Die Klägerin ist der Ansicht, die patentgemäße Fritteuse sei gegenüber dem
Ni 4
Ni 5
dem fachmännischen Wissen nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Auch im
Ni 11
dem allgemeinen fachmännischen Wissen fehle es an einer erfinderischen Tätig-
keit. Sie führt weiter aus, dass auch die Gegenstände der Unteransprüche ledig-
lich Maßnahmen beträfen, die dem Fachmann geläufig oder aus dem Stand der
Technik ableitbar seien.
Die Klägerin meint zudem, dass der Patentanspruch 1 des Hilfsantrags unzuläs-
sig erweitert worden sei, weil die darin beanspruchten Merkmale in der ursprüng-
lichen Anmeldung lediglich in Kombination mit weiteren Merkmalen offenbart
worden seien.
- 6 -
Die Klägerin beantragt,
das europäische Patent 2 085 003 mit Wirkung für das Hoheitsge-
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise das europäische Patent 2 085 003 mit Wirkung für das
Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland dadurch teilweise
für nichtig zu erklären, dass seine Ansprüche die Fassung des
Hilfsantrags gemäß Schriftsatz vom 1. September 2014 erhalten.
Die Beklagte tritt den Ausführungen der Klägerin in allen Punkten entgegen. Sie
hält den Gegenstand des Streitpatents für patentfähig und meint, eine unzuläs-
sige Erweiterung sei nicht gegeben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Die Klage, mit der der Nichtigkeitsgrund der fehlenden Patentfähigkeit nach Arti-
kel II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, Artikel 138 Abs. 1 Buchst. a) EPÜ i. V. m. Arti-
kel 54 und Artikel 56 EPÜ und im Hinblick auf den erteilten Patentanspruch 11
und den Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag zusätzlich der Nichtigkeitsgrund der
unzulässigen Erweiterung nach Artikel II § 6 Abs. 1 Nr. 3 IntPatÜG, Artikel 138
Abs. 1 Buchst. c) EPÜ geltend gemacht wird, ist zulässig.
- 7 -
Die Klage ist jedoch erfolglos, weil die geltend gemachten Nichtigkeitsgründe
nicht vorliegen. Der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 war zum maß-
geblichen Prioritätszeitpunkt patentfähig, weil die darin beanspruchte Lehre ge-
genüber dem Stand der Technik neu und erfinderisch ist.
I.
1.
Das Streitpatent betrifft eine Fritteuse umfassend einen Hauptkörper, der
dazu bestimmt ist, in seinem Inneren zu frittierende Nahrungsmittel aufzunehmen
(s. Absatz [0002]).
Gemäß der Beschreibungseinleitung des Streitpatents seien bereits elektrische
Fritteusen bekannt, die Nahrungsmittel in einem Ölbad oder einem Bad mit ge-
schmolzenem Fett bei hoher Temperatur frittieren (Absatz [0005]).
Als problematisch bezeichnet das Streitpatent hierbei, dass für die Herstellung
des Frittierbades eine große Ölmenge notwendig sei. Dies führe für den Benutzer
zu Schwierigkeiten in der Handhabung bei der Befüllung, dem Entleeren oder
auch dem Verschieben der Fritteuse. Auch sei das Frittierbad mit hoher Tempe-
ratur eine Quelle für Verbrennungsgefahren, sei es durch Spritzer aus der
Wanne des Gerätes oder einer Ungeschicklichkeit bzw. einer Unaufmerksamkeit
des Benutzers. Die große Ölmenge sei weiter auch relativ kostspielig, da die Öl-
menge regelmäßig angekauft werden müsse. Der mehrmalige Gebrauch des Öls
in dem Frittierbad sei aus hygienischer und geschmacklicher Sicht ebenfalls we-
nig zufriedenstellend (Absätze [0007] bis [0010]).
Weiter seien verwendungsfertige Nahrungsmittel, sogenannte „Backofenpom-
mes“ bekannt, die vorgekocht und mit Öl vorgetränkt wurden und dazu bestimmt
sind, in einem Ofen ohne Eintauchen in ein Ölbad gegart zu werden (Ab-
satz [0011]).
- 8 -
Diese „Backofenpommes“ werden hinsichtlich der geschmacklichen Qualitäten
als mittelmäßig und in jedem Fall als sehr weit von in einem Ölbad gegarten
Pommes entfernt beurteilt, die insbesondere einen weichen Kern aufwiesen, der
von einer knusprigen Hülle umgeben sei. Bei dieser Art des Garens sei es über-
dies notwendig, bereits vorbereitete Produkte zu verwenden, die nicht die gleich
guten organoleptische Qualitäten wie die eines frischen Nahrungsmittels aufwie-
sen (Absatz [0013]).
Vor diesem Hintergrund liegt der Erfindung gemäß Absatz [0015] des Streitpa-
tents die Aufgabe zugrunde, diese Nachteile zu beseitigen und eine neue Frit-
teuse und ein neues Frittierverfahren vorzuschlagen, die besonders hygienisch,
sicher und wirtschaftlich in der Nutzung und im Einsatz sind, wobei dem Benutzer
bei der Wahl der Nahrungsmittel, die er frittieren möchte, ein großer Spielraum
gelassen wird.
2.
Die genannte Aufgabe wird gemäß Streitpatentschrift durch den Gegen-
stand des Anspruchs 1 gelöst, welcher in der deutschen Übersetzung den nach-
folgenden Wortlaut hat (Merkmalsgliederung hinzugefügt):
Trockenfritteuse (1), umfassend:
1
ein Aufnahmemittel (5), das dazu vorgesehen ist, sowohl die Nah-
rungsmittel als auch Fett zu enthalten,
2
ein Rührmittel (6) für die in dem Aufnahmemittel (5) enthaltenen
Nahrungsmittel,
3
wobei das Aufnahmemittel (5) und das Rührmittel (6) derart
ausgeführt sind, dass sie in Bezug zueinander in Bewegung ver-
setzt werden, dadurch gekennzeichnet, dass
4
das Aufnahmemittel (5) abnehmbar innerhalb eines Hauptkör-
pers (2) montiert ist
5
und dass das Aufnahmemittel (5) und das Rührmittel (6) derart
ausgeführt sind, dass sie in Bezug zueinander in dem Hauptkör-
per (2) in Bewegung versetzt werden, um die Nahrungsmittel au-
- 9 -
tomatisch mit einer Fettschicht durch Durchrühren der Nahrungs-
mittel mit dem Fett innerhalb dieses Aufnahmemittels (5) zu ver-
sehen.
Nach dem Hilfsantrag unterscheidet sich der Patentanspruch 1 von der Fassung
gemäß Hauptantrag in den zusätzlich aufgenommenen Merkmalen 6 und 7.
Diese lauten:
6
die Trockenfritteuse (1) umfasst auf dem Hauptkörper (2) montiert
ein Hauptheizmittel (24), das alleine zumindest das Wesentliche
der Wärmezufuhr, die das Garen ermöglicht, sicherstellt,
7
das Hauptheizmittel (24) ist derart ausgeführt, dass es einen Heiz-
strom (25) über dem Aufnahmemittel erzeugt.
3.
Als Fachmann ist ein (Fach-)Hochschulingenieur der Fachrichtung Maschi-
nenbau oder vergleichbarem Abschluss anzusehen, mit einer mehrjährigen Er-
fahrung in der Konstruktion und Entwicklung von Garvorrichtungen.
4.
Die Begriffe Trockenfritteuse (Merkmal 0) sowie Aufnahmemittel (Teilmerk-
mal 1) bedürfen einer Auslegung.
4.1 Der Begriff der Trockenfritteuse wird in dem Absatz [0030] des Streitpatents
näher erläutert. Demgemäß ist eine Trockenfritteuse, vgl. dort den ersten Satz,
eine Fritteuse, die trocken gart („ …friteuse à cuisson sèche.“).
Unter einer Fritteuse im Allgemeinen versteht der Fachmann eine Garvorrich-
tung, in der die darin befindlichen Nahrungsmittel in heißem Fett schwimmend
gegart werden, wie auch in der einleitenden Beschreibung des Streitpatents be-
schrieben. Diese Garmethode unterscheidet sich von anderen bekannten Gar-
methoden durch die Art der Wärmezufuhr in das zu garende Nahrungsmittel und
der dabei gewählten Gartemperatur. So werden beim Frittieren alle in der Frit-
teuse befindlichen Nahrungsmittel gleichzeitig an sämtlichen Oberflächen durch
- 10 -
eine gleichmäßige Wärmezufuhr bei einer Temperatur von ca. 160° C durch er-
hitztes Öl/Fett gegart, wodurch sich an den Oberflächen aller Nahrungsmittel
eine Kruste bildet. Beim Braten hingegen findet die Garung der Nahrungsmittel
zwar ebenfalls auf einem ähnlichen Temperaturniveau von ca. 160° C durch er-
hitztes Fett/Öl statt, jedoch wird dort die Wärme lediglich flächig, zumeist über die
Bodenfläche der Garvorrichtung, auf einen Teil der Oberfläche der Nahrungs-
mittel zugeführt. Beim Kochen, Dämpfen oder Dünsten wird die Wärme zwar
ähnlich dem Frittieren über die gesamte Oberfläche der Nahrungsmittel zuge-
führt, jedoch liegen die dort benötigten Temperaturen bei ungefähr lediglich
100° C, bzw. beim Dampfgaren bei ca. 115° C.
Mit dem Streitpatent wird ausweislich seiner Bezeichnung, der Beschreibung und
der Patentansprüche eine „Trockenfritteuse“ unter Schutz gestellt. Die Angabe
„Fritteuse“ ist daher nicht so zu lesen, dass sich der Schutz auf eine Garvorrich-
tung bezieht, die zum Frittieren, aber auch für andere Zwecke (Garmethoden)
verwendet werden kann.
Die das „Gerät“ näher kennzeichnende Bestimmungs-
angabe „Trockenfriteuse“ ist nämlich nicht nur eine bloß beispielhafte und den
Schutzgegenstand unberührt lassende Zweckangabe (vgl. hierzu BGH
GRUR 1979, 149, 151 - Schießbolzen; BGH GRUR 1991, 436, 437
– Befesti-
gungsvorrichtung II). Die Bestimmungsangabe dient vielmehr der (mittelbaren)
Umschreibung der räumlich-körperlichen Ausgestaltung des Gerätes und erhebt
damit die Verwendung zum Trockenfrittieren zu einem eigenständigen funktio-
nellen Merkmal des Anspruchs selbst, das den Fachmann anweist, den bean-
spruchten Gegenstand über die explizit genannten Sachmerkmale hinaus so
auszugestalten, dass er die betreffende Funktion erfüllen kann (vgl. Schulte,
PatG, 9. Aufl., § 14 Rdn. 84, § 1 Rd. 191; BGH GRUR 1981, 259
– Heuwer-
bungsmaschine II; BGH GRUR 2006, 923, 925 - Luftabscheider; BGH
GRUR 2009, 837, 838 - Bauschalungsstütze; BGH GRUR 2012, 475, 476 -
Elektronenstrahltherapiesystem).
Das Merkmal 0 schränkt eine Fritteuse darüber hinaus weiter ein, denn sie betrifft
- wie oben erwähnt - eine Trockenfritteuse, bzw. gemäß dem maßgeblichen fran-
- 11 -
zösischen Wortlaut nach Anspruch
1 des Streitpatents eine „Friteuse à cuisson
sèche“, wörtlich übersetzt eine Fritteuse, die trocken gart.
In Absatz
[0030] der Beschreibung definiert das Streitpatent unter „Trockenga-
ren“ ein Garen, bei dem die Nahrungsmittel zwar mit einem Garmedium be-
feuchtet werden („une cuisson dans laquelle les aliments sont certes « mouillés »
par un médium de cuisson“), ohne aber während des Garzyklus in das Medium
getaucht zu werden oder darin zu baden ("mais sans pour autant être plongés ou
baigner dans ledit médium“).
Mithin muss eine Trockenfritteuse nach Anspruch 1 so ausgebildet sein, dass
sie, wie eine Fritteuse, die darin befindlichen Nahrungsmittel gleichzeitig an
sämtlichen Oberflächen durch eine gleichmäßige Wärmezufuhr bei hoher Tem-
peratur gart und, gemäß der Definition des Trockengarens, die Nahrungsmittel
lediglich mit einem Garmedium (hier Fett/Öl) befeuchtet.
4.2 Merkmal 1 beschreibt gemäß dem maßgeblichen französischsprachigen
Anspruch
1 ein Aufnahmemittel („un moyen de réception (5)“), das dazu vorge-
sehen ist,
die Nahrungsmittel („les aliments“) und das Fett („matière grasse“) auf
einmal
(„à la fois“) zu enthalten („contenir“). Alternative Übersetzungen für den
französischen Ausdruck „à la fois“ sind auch „gleichzeitig“ oder „zugleich“. Mit
diesem Sinngehalt ist das Merkmal 1 dahingehend auszulegen, dass das Auf-
nahmemittel so ausgestaltet ist, dass es sowohl die Nahrungsmittel als auch das
Fett auf einmal enthält.
II.
Das Streitpatent erweist sich in der erteilten Fassung als patentfähig. Der Senat
konnte nicht feststellen, dass der Gegenstand des angegriffenen Patentan-
spruchs 1 nach Hauptantrag die Voraussetzung zur Patentfähigkeit nach Artikel II
- 12 -
§ 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, Artikel 138 Abs. 1 Buchst. a) EPÜ i. V. m. Artikel 54
und Artikel 56 EPÜ nicht erfüllt.
1.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hauptantrag ist durch keine der im
Verfahren befindlichen Druckschriften, insbesondere auch nicht durch die Druck-
Ni 4
Ni 4
offenbart eine Garvorrichtung („… apparatus which is parti-
cularly adaptable to rapid cooking of food to achieve results similar to those
obtained by frying in hot oil, …”, Sp. 1, Z. 11 bis 13), die gemäß der Beschrei-
bung Sp. 13, Z. 25 bis 32, so ausgestaltet ist, dass der Strom eines Wärmeaus-
tauschfluids („ … a flow of heat exchange fluid …“) gleichmäßig in Kontakt mit
den Nahrungsmitteln („ … uniformly contacts the material being heated…“) ge-
bracht wird. Um eine gebratene Textur
(„ … a fried texture…“) der Nahrungsmit-
tel zu erhalten, wird als Wärmeaustauschmittel ein Luftstrom eingesetzt, in den
Öltropfen dispergiert sind
(„ … the introduction of oil into a convective air flow…“),
vgl. die Sp. 6, Z. 18 bis 24, und mittels eines Gebläserades bzw. Gebläses
(impeller means 620) so über die Nahrungsmittel geleitet, dass punktuelle Über-
hitzungen und tote Räume weitestgehend reduziert werden, um ein gleichmäßig
erhitztes Produkt zu erzielen, vgl. die Sp. 13, Z. 38 bis 43. Somit offenbart die
Ni 4
in der Garvorrichtung befindlichen Nahrungsmittel werden gleichzeitig an sämtli-
chen Oberflächen durch eine gleichmäßige Wärmezufuhr gegart. Auch ist diese
Fritteuse dazu ausgestaltet, die darin befindlichen Nahrungsmittel im Sinne des
Anspruchs
1 des Streitpatents „trocken zu garen“. Denn die erhitzte Luft wird, wie
in Figur 6 der Druckschrift anhand der dargestellten Pfeile zu erkennen ist, mit
den darin dispergierten Öltröpfchen kontinuierlich in einen Korb oder Aufnahme-
mittel (basket/support 614) mit den darin befindlichen Nahrungsmitteln ein- und
kontinuierlich ausgeleitet. Dadurch werden die Nahrungsmittel bei einer entspre-
chenden Anpassung der Gebläsedrehzahl ausreichend mit Öl bedeckt, vgl. die
Sp. 14, Z. 3 bis 15, und somit befeuchtet, ohne aber während des Garzykluses in
Ni 4
- 13 -
somit eine Trockenfritteuse gemäß Merkmal 0 des Anspruchs 1. Weiter umfasst
diese Trockenfritteuse ein Aufnahmemittel (support 614, vgl. Fig. 6), das dazu
vorgesehen ist, die Nahrungsmittel zu enthalten (Teilmerkmal 1) und, wie eben-
falls in der Fig. 6 gezeigt, abnehmbar innerhalb eines Hauptkörpers montiert ist
(Merkmal 4). Durch eine entsprechend hohe Drehzahl des Gebläserades, vgl.
Sp. 14, Z. 11 bis 18, werden die in dem Aufnahmemittel befindlichen Nahrungs-
mittel gerührt („Very high speeds, effective to stir and toss …“), so dass das Ge-
bläse als Rührmittel gemäß Merkmal 2 wirkt. Das Aufnahmemittel ist weiter so
ausgeführt, dass es, angetrieben von einer von einem elektrischen Motor be-
wegten Welle (shaft 634), in dem Hauptkörper gedreht wird, so dass das Auf-
nahmemittel in einer Ebene oberhalb des Rührmittels über dieses hinweg rotiert,
vgl. Sp. 13, Z. 53 bis 64. Das Aufnahmemittel und das Rührmittel werden somit in
Bezug zueinander in Bewegung versetzt. Der durch das Gebläse (impeller
means 620) erzeugte Strom des Wärmeaustauschmittels (heat exchange fluid)
gelangt auf der einen Seite durch das Aufnahmemittel und bewirkt zum einen ein
Durchrühren der darin befindlichen Nahrungsmittel (vgl. die Sp. 14, Z. 11 bis18,
insb.: „…effective to stir and toss foods…“). Zum anderen wird durch das Durch-
rühren und das im Wärmaustauschmittel dispergierte Fett eine automatische Be-
schichtung der Nahrungsmittel im Aufnahmemittel erreicht (Merkmale 3 und 5).
Ni 4
Aufnahmemittel nach Merkmal 1 gemäß der oben genannten Auslegung offen-
bart, das sowohl die Nahrungsmittel als auch das Fett auf einmal enthält. Viel-
Ni 4
rungsmittel und ein davon räumlich getrennt angeordnetes weiteres Aufnahme-
mittel für das Fett/Öl in einer Senke des Behälterbodens.
Ni 5
Ni 14
keine dieser Druckschriften zeigt eine Trockenfritteuse:
- 14 -
Ni 5
Ni 12
auch ein Trockengaren im Sinne des Streitpatents möglich ist. Denn diese Vor-
richtungen weisen sämtlich Rührmittel auf, durch die bei einer gerade ausrei-
chenden Zugabe von Öl oder Fett die Nahrungsmittel mit einer Öl/Fettschicht
versehen werden können. Jedoch erfolgt die Wärmezufuhr in die Nahrungsmittel
nicht gleichzeitig an sämtlichen Oberflächen der Nahrungsmittel, sondern nach-
einander zunächst über eine und dann über weitere Oberflächen, die jeweils mit
einer Heizoberfläche in direktem Kontakt stehen. Bei diesen Garmethodenhan-
delt es sich daher nicht um ein definitionsgemäßes Frittieren und somit auch
nicht um eine Fritteuse im Sinne des Streitpatents.
Ni 8
Nahrungsmittel in einem Heißluftstrom gegart werden. Auch wenn daher die
Wärmeübertragung der einer definitionsgemäßen Fritteuse entspricht, ist diesen
Druckschriften jedoch nicht zu entnehmen, dass die Nahrungsmittel mit einem
Garmedium (Fett/Öl) befeuchtet und damit wie vom Streitpatent vorgesehen tro-
cken gegart werden.
Ni 11
des Anspruchs 1. Die Klägerin meint, dieser Druckschrift sei zu entnehmen, dass
die dort gezeigte
Garvorrichtung („cooking apparatus“) auch frittiere, vgl. Sp. 1,
Z.
11 und 12: „hot oil fryers“; Sp. 2, Z. 59 bis 61: „for deep and stir frying for exa-
mple“). Aus Sp. 3, Z. 9 bis 11, „In particular, less oils and fats, or in some cases
„dry“ cooking performed to prepare satisfactorily“, erschließe sich weiter, dass
diese
Vorrichtung ein „Trockengaren“ durchführe. Sollte der Fachmann unter „dry
cooking“ tatsächlich ein „trockenes Garen“ im Sinne des Streitpatents verstehen,
Ni 11
bildet, dass damit ein trockenes Garen wie in der patentgemäßen Fritteuse
durchgeführt werden könnte. Denn die dortigen Heizeinrichtungen (heating ele-
ments 14, 15; vgl. Fig. 1) führen lediglich lokal einer begrenzten Fläche Wärme
- 15 -
zu und nicht gleichzeitig sämtlichen Oberflächen der Nahrungsmittel, wie es für
ein definitionsgemäßes Frittieren notwendig wäre.
2.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach dem Hauptantrag beruht auch auf
einer erfinderischen Tätigkeit.
Geeigneter Ausgangspunkt zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ist die
Ni 4
schriften eine Trockenfritteuse im Sinne des Streitpatents beschreibt.
Wie zur Neuheit bereits dargelegt unterscheidet sich der Gegenstand des An-
Ni 4
dass ein Aufnahmemittel dazu vorgesehen ist, sowohl die Nahrungsmittel als
auch das Fett auf e
inmal („à la fois“, vgl. Anspruch 1 des Streitpatents) zu ent-
Ni 4
Aufnahmemittel, vgl. dort die Fig. 6. Die Nahrungsmittel befinden sich dort in ei-
nem ersten Aufnahmemittel bzw. Korb, während das Fett in einem weiteren Auf-
nahmemittel, in einer Senke im Behälterboden enthalten ist.
Ni 4
Nahrungsmittel ein erhitzter Luftstrom in den Öltropfen dispergiert sind, vgl. die
Sp. 6, Z. 18 bis 24. Die in der Figur 6 dargestellten Pfeile lassen erkennen, dass
dieses Wärmeaustauschfluid durch das Gebläse in einer Art Kreislauf innerhalb
der Fritteuse geführt ist. Dabei gelangt es auf der einen Seite von unten in den
Aufnahmebehälter für die Nahrungsmittel, durchströmt diesen, wird oberhalb des
Aufnahmemittels umgelenkt und gelangt auf der gegenüberliegenden Seite der
Fritteuse durch die Nahrungsmittel und das Aufnahmemittel zurück zu dem Ge-
Ni 4
bart, besteht somit in einer Trockenfritteuse, in der durch kontinuierliches Ein-
und Ausleiten des Wärmeaustauschfluids in das Aufnahmemittel mit den darin
befindlichen Nahrungsmitteln zum einen die zum Garen notwendige Wärmezu-
fuhr und zum anderen das allseitige Befeuchten der Nahrungsmittel mit heißem
- 16 -
Fett erreicht wird. Zwingend notwendig ist dabei, dass das Aufnahmemittel der
Nahrungsmittel Öffnungen aufweist, wie sie auch durch die gezeichnete Git-
terstruktur in der Fig. 6 zu erkennen sind.
Ni 4
Aufnahmemittel so abzuändern, dass es gemäß dem Anspruch 1 nach Streitpa-
tent sowohl das Nahrungsmittel als auch das Fett auf einmal enthält erschließt
sich nicht. Ein derartiges Aufnahmemittel müsste zwangsläufig eine geschlos-
Ni 4
technischen Lehre entgegenstehen würde, wonach das zur Garung notwendige
Wärmeaustauschfluid durch die Wandung des Aufnahmemittels (support 614)
der Nahrungsmittel hindurch ein- und ausgeleitet wird.
Ebenso ist es nicht ersichtlich, wie der Fachmann aus den Lehren der übrigen im
Ni 5
weise oder Anregungen entnehmen könnte, mit denen er in Kombination mit der
Ni 4
antrag gelangt.
So offenbaren diese übrigen Druckschriften, wie bereits zur Neuheit dargelegt,
schon keine Trockenfritteuse. Auf diesen Stand der Technik zurückzugreifen, hat
der Fachmann folglich keine Veranlassung. Sollte der Fachmann diese Druck-
schriften dennoch bei der Lösung der gestellten Aufgabe berücksichtigen, zeig-
Ni 5
gen in denen Nahrungsmittel und Fett in einem geschlossenen Aufnahmemittel
auf einmal enthalten sind. Jedoch stände der Einsatz derartiger Aufnahmemittel
Ni 4
Ni 8
Garvorrichtungen, in denen die Nahrungsmittel lediglich in heißer Luft gegart
werden. Fett oder Öl als Garmedium sind dort nicht vorgesehen. Der Fachmann
Ni 4
Nahrungsmittel so abzuändern, dass es auch Fett enthält.
- 17 -
Ni 5
auch in einer Kombination miteinander kann den Gegenstand des Patentan-
spruchs 1 nach Hauptantrag nahe legen.
Die Klägerin stützt ihre Begründung der mangelnden erfinderischen Tätigkeit auf
Ni 5
Merkmals 0 führt sie sinngemäß aus, dass diese Vorrichtungen sämtlich Rühr-
mittel offenbarten, durch die bei einer gerade ausreichenden Zugabe von Öl oder
Fett die Nahrungsmittel mit einer Öl-/Fettschicht versehen werden könnten. So
Ni 7
mit den Merkmalen 1 bis 5 des Anspruchs 1 zeige, die für das Erhitzen der Nah-
rungsmittel auf die Weise vorgesehen seien, dass sämtliche beschriebenen
strukturellen Merkmale auch als für die Garung/Frittierung geeignet anzusehen
seien. Unterscheiden würde sie sich lediglich durch die Verwendung einer gerin-
gen Menge von Öl bzw. Fett. Diese Verwendung sei für den Fachmann jedoch
nahe liegend, da er den baulichen Vorteil des automatischen Umrührens erken-
nen würde. Daher sei der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht erfinderisch. Diese
Argumentation geht jedoch fehl. Zwar handelt es sich bei den Vorrichtungen ge-
Ni 7
richtungen, die Nahrungsmittel im Sinne des Streitpatents trocken garen. Jedoch
befasst sich keine der Druckschriften mit dem Frittieren. Vielmehr sind die in den
Ni 5
Ni 12
menhang von „shallow fry“ (flaches Braten) bzw. „sauter“ (gebraten). Auch ist
keiner dieser Druckschriften ein Hinweis darauf zu entnehmen, die Garvorrich-
tungen derart auszugestalten, dass die darin befindlichen Nahrungsmittel gleich-
zeitig an sämtlichen Oberflächen, wie bei der patentgemäßen Fritteuse, durch
eine gleichmäßige Wärmezufuhr trocken gegart werden. Auch den weiteren im
Ni 8
staltung nicht zu entnehmen.
- 18 -
Da somit keine dieser Druckschriften eine Trockenfritteuse gemäß dem Merk-
mal 0 nach Anspruch 1 offenbart und weiter auch kein Hinweis zu entnehmen ist,
die dort beschriebenen Garvorrichtungen als eine solche auszugestalten, konnte
der Fachmann ausgehend von diesen Druckschriften nicht zum Gegenstand des
Anspruchs 1 nach Hauptantrag gelangen.
Die auf ihn rückbezogenen angegriffenen Ansprüche 2 bis 15 sind zusammen mit
dem Anspruch 1 ebenfalls schutzfähig, da sie auf vorteilhafte, nicht selbstver-
ständliche Ausgestaltungen des Patentgegenstands gerichtet sind.
Bei dieser Sachlage erübrigt es sich auf den Hilfsantrag einzugehen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1
Satz 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus
§ 709 Satz 1 und 2 ZPO.
IV.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung gemäß § 110 PatG statt-
haft.
Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des in vollständiger
Form abgefassten Urteils - spätestens nach Ablauf von fünf Monaten nach
Verkündung - durch einen in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen
Rechtsanwalt
oder
Patentanwalt
schriftlich
beim
Bundesgerichtshof,
Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, einzulegen.
- 19 -
Die Berufungsschrift muss
- die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet ist, sowie
- die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde,
enthalten. Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Ab-
schrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
Auf die Möglichkeit, die Berufung nach § 125a PatG in Verbindung mit § 2 der
Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesgerichtshof und
Bundespatentgericht (BGH/BPatGERVV) auf elektronischem Weg beim Bundes-
gerichtshof einzulegen, wird hingewiesen (www. bundesgerichtshof.de/erv.html).
Guth
Dr. Fritze
Fetterroll
Dr. Hoppe
Wiegele
Pr