Urteil des BPatG vom 08.12.2014

Abhängigkeit, Stromversorgung, Messung, Überzeugung

BPatG 154
05.11
BUNDESPATENTGERICHT
19 W (pat) 40/11
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(Aktenzeichen)
Verkündet am
8. Dezember 2014
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Patentanmeldung 10 2006 016 536.5-32
hat der 19. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 8. Dezember 2014 unter Mitwirkung des Vorsit-
zenden Richters Dipl.-Phys. Dr. Hartung, der Richterin Kirschneck und der Richter
Dr.-Ing. Scholz und Dipl.-Ing. J. Müller
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beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Das Deutsche Patent- und Markenamt - Prüfungsstelle für Klasse H 02 M - hat die
am 7. April 2006 eingereichte Anmeldung durch Beschluss, verkündet am Ende
der Anhörung am 28. Februar 2011, zurückgewiesen. In der schriftlichen Begrün-
dung ist ausgeführt, der Anspruch 1 sei mangels Klarheit, was unter Schutz ge-
stellt werden solle, nicht gewährbar.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin vom
9. August 2011. Sie stellt den Antrag:
den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H 02 M des Deut-
schen Patent- und Markenamts vom 28. Februar 2011 aufzuheben
und das nachgesuchte Patent aufgrund folgender Unterlagen zu
erteilen:
Patentansprüche 1 bis 23 vom 16. August 2007
Beschreibung vom Anmeldetag 7. April 2006,
2 Blatt Zeichnungen, Figuren 1 bis 3, vom 19. Mai 2006.
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Der geltende Anspruch 1 vom 1. Oktober 2007 (offensichtlich falsch als An-
spruch 1 vom 16. August 2007 beantragt) lautet (mit einer eingefügten Gliede-
rung):
„1. Schaltungsvorrichtung mit
a)
mindestens einem Schaltkreis,
b)
einer einstellbaren Stromversorgungseinheit (200) zur Strom-
versorgung des mindestens einen Schaltkreises, und
c)
einer Einstelleinheit (100) zur Einstellung des von der Strom-
versorgungseinheit (200) bereitgestellten Stroms,
c1) wobei die Einstelleinheit (100) in Abhängigkeit von der Ein-
stellung mindestens eines Betriebsparameters des mindes-
tens einen Schaltkreises den von der Stromversorgungsein-
heit (200) bereitgestellten Strom einstellt
c2) und wobei die Einstelleinheit (100) bei einer Änderung der
Einstellung des mindestens einen Betriebsparameters den
nach der Änderung von dem mindestens einen Schaltkreis
benötigten Strom ermittelt
c3) und diesen Strom mit dem vor der Änderung von der Strom-
versorgungseinheit (200) bereitgestellten Strom vergleicht
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c4) und in Abhängigkeit von dem Ergebnis des Vergleichs be-
stimmt, ob die Einstellung des von der Stromversorgungsein-
heit (200) bereitgestellten Stroms geändert wird oder nicht.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.
1.
einheit. Die Anmeldung beschreibt batteriebetriebene elektronische Geräte deren
Stromverbrauch in der Regel während der Zeiträume reduziert wird, in denen das
Gerät nicht genutzt wird.
Da es aufgrund von technischen Weiterentwicklungen immer besser gelinge, den
Stromverbrauch von Schaltkreisen während der Zeiträume, in denen keine Signal-
oder Datenverarbeitung stattfindet, zu verringern, werde der Stromanstieg beim
Übergang von einem Bereitschaftsbetriebsmodus in einen Normalleistungsbe-
triebsmodus immer größer. Dementsprechend müsse die Stromversorgungsein-
heit in der Lage sein, einen in einem großen Strombereich variablen Ausgangs-
strom zur Verfügung zu stellen.
Der Regelkreis eines gewöhnlich für die Stromversorgungseinheit eingesetzten
Spannungsreglers basiere auf der Messung der Abweichung der Ausgangsspan-
nung von einem Sollwert. Ein Anstieg des Stromverbrauchs bewirke eine Entla-
dung des Ausgangskondensators des Spannungsreglers. Dies führe zu einer Ver-
ringerung der gemessenen Ist-Ausgangsspannung des Spannungsreglers. Dabei
vergehe in der Regel eine gewisse Zeitspanne zwischen dem Anstieg des Last-
stroms und der Reaktion des Spannungsreglers. Folglich werde durch einen star-
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ken Anstieg des Versorgungsstroms letztlich eine Schwankung der Ausgangs-
spannung des Spannungsreglers verursacht.
Außerdem sei die Messung der Lastströme der an den Spannungsregler ange-
schlossenen Schaltkreise wegen des an dem Messwiderstand verursachten Span-
nungsabfalls vergleichsweise schwierig.
Als Aufgabe wird u. a. angegeben, einen Schaltkreis mit einer Stromversorgungs-
einheit zu schaffen (S. 3, Z. 22
– 24 der Beschreibung). Diese Aufgabe werde mit
den Merkmalen des Anspruchs 1 gelöst.
2.
tung Elektrotechnik mit Berufserfahrung in der Entwicklung von Stromversorgun-
gen, insbesondere für batteriebetriebene elektronische Geräte, als Fachmann.
3.
dass ein Fachmann sie ausführen kann (§ 34 Abs. 4 PatG).
Der Anspruch 1 hat eine Schaltungsvorrichtung mit Schaltkreisen (mindestens ei-
nem) und einer einstellbaren Stromversorgungseinheit zur Stromversorgung der
Schaltkreise zum Gegenstand. Eine Einstelleinheit (100) soll dabei in Abhängigkeit
von der Einstellung von Betriebsparametern der Schaltkreise den von der Strom-
versorgungseinheit (200) bereitgestellten Strom einstellen. Bei einer Änderung der
Einstellung der Betriebsparameter soll die Einstelleinheit (100) den nach der Än-
derung von den Schaltkreisen benötigten Strom ermitteln, mit dem Strom vor der
Änderung vergleichen und auf dieser Grundlage bestimmen, ob die Einstellung
des von der Stromversorgungseinheit (200) bereitgestellten Stroms geändert wird
oder nicht.
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Der Beschreibung ist dazu zu entnehmen, dass in Berechnungseinheiten (101
103) zur Berechnung des von den Schaltkreisen benötigten Stroms, die jeweils ei-
nem der Schaltkreise zugeordnet sind (S. 7, Z. 28-32), Kennwerte (cv1-cv3, cfm1-
cfm5) vorab für jeden der betrachteten Schaltkreise experimentell für die unter-
schiedlichen Versorgungsspannungen, Taktfrequenzen und Betriebsmodi be-
stimmt und abgespeichert werden (S. 8, Z. 25-28). Aus den abgespeicherten Wer-
ten würden dann die beiden Werte ausgewählt, die proportional zu der Versor-
gungsspannung bzw. der Taktfrequenz sind, mit welcher der der Berechnungsein-
heit (101-103) zugeordnete Schaltkreis nach der Änderung des oder der Betriebs-
parameter betrieben werden soll. Durch Multiplikation der beiden ausgewählten
Werte mittels eines Multiplizierers (130) ergebe sich ein Wert, der proportional zu
dem Laststrom sei, welcher von dem der Berechnungseinheit (101-103) zugeord-
neten Teilschaltkreis benötigt werde (S. 9, Z. 11-14). Schließlich würden die Aus-
gangswerte der Berechnungseinheiten (101
– 103) von einem Addierer (104) zu
dem Wert aufsummiert, der proportional zu dem Laststrom ist, den die Teilschalt-
kreise insgesamt nach der bevorstehenden Änderung benötigen (S. 9, Z. 29
– 36).
Ein Subtrahierer 107 bilde die Differenz aus den beiden Werten vor und nach der
Veränderung und führe den Differenzwert sowohl einer Steuereinheit 108 als auch
einer seriellen Schnittstelle 109 zu (S. 9, Z. 35
– S. 10 Z. 2).
Wie der Strom in der Stromversorgungseinheit (200) eingestellt werden soll, und
wie darin die ermittelte Stromdifferenz Eingang finden soll, ist nicht erläutert.
In der Beschreibung Seite 10, Absatz 2 und 3, ist ausgeführt, die Steuerein-
heit 108 leite den Differenzwert an eine in Figur 1 nicht dargestellte Steuereinheit,
beispielsweise einen Power-Management-IC, weiter, welcher anhand des Diffe-
renzwerts die Einstellung der Stromversorgungseinheit vornehme. Der Power-Ma-
nagement-IC könne die Stromversorgungseinheit optimal konfigurieren, so dass
die Stromversorgungseinheit im Ergebnis weder einen zu großen noch einen zu
geringen Ausgangsstrom generiert. Wie das geschehen soll, und wie der Power-
Management-IC aufgebaut ist, ist nicht beschrieben.
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Den Hinweis der Anmelderin auf Seite 12, Absatz 1, wonach anhand des Diffe-
renzwerts das Tastverhältnis des Abwärtswandlers 200 derart eingestellt werden
könne, dass der gewünschte Ausgangsstrom erzeugt werde, kann der Senat nicht
nachvollziehen:
D
er „gewünschte“ sowie der tatsächliche Ausgangsstrom, wie in Figur 3, Kur-
ve 303 bzw. 305, dargestellt, stellt sich durch die Spannungsverhältnisse zwischen
Ausgangskondensator und Verbrauchern ein und ist durch das Tastverhältnis al-
lenfalls mittelbar beeinflussbar. Der in Figur 2 dargestellte Abwärtswandler liefert
über die Drossel 204 an den Ausgangskondensator 205 den Strom 304 bzw. 306
(Fig. 3), der über das Tastverhältnis beeinflusst werden kann. Im eingeschwunge-
nen Zustand, wie zu Beginn und am Ende (0-0,6 µs und ab 1,7 µs), in denen das
Tastverhältnis dem Verhältnis von Ausgangsspannung zu Eingangsspannung ent-
spricht, ändert sich der mittlere Strom nicht. Wird das Tastverhältnis vergrößert,
wie im vorliegenden Fall auf 100% (0,6- 1,1 µs), so steigt der Strom an, wird es
verringert (1,1-1,6 µs), so fällt er. Durch das Tastverhältnis könnte somit allenfalls
eine mittlere Stromänderungsgeschwindigkeit (di/dt) eingestellt werden. Eine
Stromdifferenz könnte eingestellt werden, wenn zusätzlich zur Änderungsge-
schwindigkeit die Änderungszeit festgelegt würde - beispielsweise 0.3 µs für eine
Stromdifferenz nach Kennlinie 306 in Figur 3, die der nach Merkmal c3) und c4)
ermittelten Stromdifferenz entspricht, oder 0.5 µs für eine höhere Stromdifferenz
zur Kompensation von Spannungseinbrüchen nach Kennlinie 304 (S. 3, Abs. 1,
S. 14, Abs. 1, 2). Eine festgelegte Änderungszeit ist aber nicht offenbart. Der
Strom selbst wäre nach Überzeugung des Senats nur über eine Stromregelung
(nicht offenbart) mit Strommessung einstellbar, wobei letztere aber als schwierig
und nachteilig beschrieben ist (S. 3, Z. 12-20), und somit für den Fachmann nicht
in Betracht kommt. Eine Einstellung des Stromes ist in der Regel auch gar nicht
erforderlich, denn der auch nach den Anmeldungsunterlagen vorgesehene und
nach Überzeugung des Senats unverzichtbare Spannungsregler sorgt auch ohne
Stromeinstellung für ein flexibles Gleichgewicht zwischen dem Strom, der dem
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Ausgangskondensator 205 von der Drossel 204 zugeführt wird, und dem, der an
die Verbraucherschaltkreise abgeführt wird.
Es bleibt somit offen, wie die anmeldungsgemäße Einstelleinheit 100 aufgebaut
sein soll, welche Funktion sie haben soll, und insbesondere, wie die ermittelte
Stromdifferenz in dieser Einheit verarbeitet werden soll.
Die von dem Berichterstatter vermutete Verwendung der Stromdifferenz im Rah-
men einer Störwertaufschaltung (U
nbehauen „Regelungstechnik“ 12. Auflage,
Vieweg-Verlag 2002, S. 282, 283), die der Anmelderin in einem Ladungszusatz
vorab mitgeteilt wurde, konnte von der Anmelderin als Lösungsweg weder bestä-
tigt noch verworfen werden.
Zusätzlich bleibt auch noch unklar, wie die einzelnen Verbraucherschaltkreise mit
ihren separat wählbaren Versorgungsspannungen (S. 7, Abs. 2; S. 8, Abs. 2) ge-
meinsam an eine einzige Stromversorgungseinheit angeschlossen werden sollen.
Die von dem Vertreter der Anmelderin genannte Möglichkeit einer der Stromver-
sorgungseinheit nachgeschalteten Einheit zur Spannungsanpassung für jeden
Schaltkreis sieht der Senat als realistisch an. Die Beschreibung deutet nämlich an
mehreren Stellen (S. 3, Abs. 1; Produktbildung nach S. 9, Z. 16-21; S. 14, Abs. 1,
2) auf eine konstantgeregelte Spannung hin, die die Spannungssprünge bei einer
Parameteränderung der Verbraucher nicht nachvollziehen soll. Beides ist aber je-
denfalls nicht eindeutig und unmittelbar offenbart.
4.
Dr. Hartung
Kirschneck
Dr. Scholz
J. Müller
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Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss steht den an dem Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechts-
Rechtsbeschwerde
gelassen
Rechtsbeschwerde nicht
zugelassen
fahrensmängel durch substanziierten Vortrag gerügt wird (§ 100 Abs. 3 PatG):
1. Das beschließende Gericht war nicht vorschriftsmäßig besetzt.
2. Bei dem Beschluss hat ein Richter mitgewirkt, der von der Ausübung des Richteramtes
kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg ab-
gelehnt war.
3. Einem Beteiligten war das rechtliche Gehör versagt.
4. Ein Beteiligter war im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten, sofern er
nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat.
5. Der Beschluss ist aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen, bei der die Vor-
schriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind.
6. Der Beschluss ist nicht mit Gründen versehen.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim
Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, schriftlich einzulegen (§
102
Abs. 1 PatG).
Die Rechtsbeschwerde kann auch als elektronisches Dokument, das mit einer qualifizier-
ten oder fortgeschrittenen elektronischen Signatur zu versehen ist, durch Übertragung in
die elektronische Poststelle des Bundesgerichtshofes eingelegt werden (§ 125a Abs. 3
Nr. 1 PatG i. V. m. § 1, § 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, Abs.
2a
,
Anlage (zu § 1) Nr. 6 der Ver-
ordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesgerichtshof und Bundespa-
tentgericht (BGH/BPatGERVV)). Die elektronische Poststelle ist über die auf der Internet-
seite des Bundesgerichtshofes www.bundesgerichtshof.de/erv.html bezeichneten Kom-
munikationswege erreichbar (§ 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGH/BPatGERVV). Dort sind auch
die
Einzelheiten
zu
den
Betriebsvoraussetzungen
bekanntgegeben
(§ 3
BGH/BPatGERVV).
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Die Rechtsbeschwerde muss durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechts-
anwalt als Bevollmächtigten des Rechtsbeschwerdeführers eingelegt werden (§ 102
Abs. 5 Satz 1 PatG).