Urteil des BPatG vom 23.02.2015

Stand der Technik, Energie, Wasser, Erfindung

BPatG 154
05.11
BUNDESPATENTGERICHT
19 W (pat) 20/14
_______________
(Aktenzeichen)
Verkündet am
23. Februar 2015
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Patentanmeldung 10 2013 001 944.3-34
hat der 19. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 23. Februar 2015 unter Mitwirkung des Vorsitzen-
den Richters Dipl.-Phys. Dr. Hartung, der Richterin Kirschneck sowie der Richter
Dr.-Ing. Scholz und Dipl.-Ing. J. Müller
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
- 2 -
G r ü n d e
I
Die Anmeldung mit der Bezeichnung
„Einen mit Gleichstromimpulsen gesteuerter Energiegewinnungs-
motor,
(Gravitationsmotor)“
ist am 4. Februar 2013 eingereicht worden. Das Deutsche Patent- und Markenamt
– Prüfungsstelle für Klasse H 02 N - hat den Antrag auf Erteilung eines Patents mit
Beschluss vom 9. April 2014 mit der Begründung zurückgewiesen, bei der Erfin-
dung handele sich um Perpetuum Mobile, das als solches keine Erfindung im Sin-
ne des § 1 PatG sei.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Anmelders vom
22. April 2014.
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung erklärte der Anmelder den Gegenstand
der Patentanmeldung sowie die Funktion und Wirkung eines Gravitationsmotors.
Insbesondere machte er dabei geltend, die von diesem Gravitationsmotor abgege-
bene Leistung ergebe sich, vergleichbar mit einem Wasserrad aus der Nutzung
der Gravitationsenergie der Masse - wobei hier Magnete statt Wasser verwendet
würden - in Abhängigkeit von den sich ergebenden Hebelarmen. Im Vergleich zu
der, aufgrund der Hebelarme großen abgebbaren Leistung, sei die zugeführte im-
pulsförmige Leistung, die benötigt werde, um die Magnete vom unteren Totpunkt
zum oberen Totpunkt zu verschieben, vergleichsweise gering.
- 3 -
Die Leistung, die zugeführt werden müsse, habe er anhand eines Erwärmungsver-
gleichs der Spulen des Linearmotors, die die Magnete erfindungsgemäß nach
oben bewegen, mit der Erwärmung derselben Spulen bei Beaufschlagung mit
Gleichstrom ermittelt.
Bei der Vorführung eines Models konnte die Drehung der Vorrichtung durch eine
radiale Verlagerung von Magneten beobachtet werden. Die zur Verlagerung der
Magnete erforderliche Energie zur Verrichtung der Hubarbeit wurde einer Autobat-
terie entnommen, die ihrerseits über ein Ladegerät mit dem Stromversorgungsnetz
verbunden war. Anders als in den Anmeldungsunterlagen angegeben war an der
Welle der Vorrichtung kein Generator angeflanscht. Es war lediglich die Verschie-
bung der Magnete auf dem Rotor sowie die daraus resultierende Drehung zu beo-
bachten. Der Rotor wurde durch eine Wirbelstrombremse gebremst. In den vorge-
führten Versuchsaufbau waren keine Mess- oder Anzeigeinstrumente einbezogen.
Der Anmelder beantragt,
den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H 02 N des Deut-
schen Patent- und Markenamts vom 9. April 2014 aufzuheben und
das nachgesuchte Patent aufgrund folgender Unterlagen zu ertei-
len:
Patentansprüche 1 bis 2 vom Anmeldetag 4. Februar 2013,
Beschreibung, Seiten 1 bis 3, vom 2. April 2013,
Ergänzungsseite vom 25. März 2014,
3 Blatt Zeichnungen, Figuren 1 bis 10, vom 25. März 2013, Blatt 4,
Figur 11, vom 2. April 2013.
Darüber regt der Anmelder einen Ortstermin an bei dem er eine vollständig lauffä-
hige Vorrichtung vorführen könne, die jedoch für einen Transport zu groß sei.
- 4 -
Der unverändert geltende Patentanspruch 1 vom 4. Februar 2013 lautet unter Kor-
rektur des Schreibfehlers „Todpunkt“ in „Totpunkt“ und unter Einfügung einer Glie-
derung:
„a Mit Neodym-Permanentmagneten
b
einseitig bestückter Rotor
c
auf einer Welle gelagerter
d
Gravitationsmotor,
dadurch gekennzeichnet
e
ein Linearmotor senkrecht in der Mitte des Rotors integriert ist
und
f
durch geringe Leistung
g
Neodym-Permanentmagnete
h
vom unteren Totpunkt des Rotors zum oberen Totpunkt des
Rotors befördert.“
Der unverändert geltende Patentanspruch 2 vom 4. Februar 2013:
„Der Gravitationsmotor unter Benutzung des Linearmotors nach
dadurch gekennzeichnet
er eine geringen Eingangsleistung mit Hilfe pulsierenden Impulse
eine größere Ausgangsleistung bewirkt.
- 5 -
Als Aufgabe ist in der Anmeldung (Seite 1, vor der Aufzählung der Figuren) ange-
ge
ben: „Das Entweichen der Gravitationskraft bei einem Gravitationsmotor, ist
Aufgabe des Linearmotors. Das heißt die Gravitationskraft (Neodym-Permanent-
magnete) müssen an den oberen Todpunkt vom Gravitationsrotor gebracht wer-
den.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Akte verwiesen.
II
1.
keinen Erfolg.
2.
der § 1 Abs. 1 PatG, da die diesem zugrundeliegende Lehre gegen anerkannte
physikalische Gesetze verstößt und daher objektiv nicht realisierbar ist.
Bei der anmeldungsgemäßen Vorrichtung sind nicht die momentanen Leistungen,
sondern die potentielle Energie entscheidend, wobei unabhängig vom zeitlichen
Verlauf gilt:
𝐸
𝑝𝑜𝑡
= 𝑚 ∗ 𝑔 ∗ ℎ
mit:
𝐸
𝑝𝑜𝑡
: 𝑝𝑜𝑡𝑒𝑛𝑡𝑖𝑒𝑙𝑙𝑒 𝐸𝑛𝑒𝑟𝑔𝑖𝑒, 𝑚: 𝑀𝑎𝑠𝑠𝑒, 𝑔: 𝐺𝑟𝑎𝑣𝑖𝑡𝑎𝑡𝑖𝑜𝑛𝑠𝑘𝑜𝑛𝑠𝑡𝑎𝑛𝑡𝑒, ℎ: 𝑁𝑢𝑡𝑧ℎöℎ𝑒
a) Wenn sich die Masse - beim Gegenstand der Anmeldung die
Neodym-Permanentmagnete 2 - vom oberen Totpunkt zum
unteren Totpunkt bewegt, kann sie maximal eine Arbeit ver-
richten, die dieser Energie entspricht. Bei den vom Anmelder
in Figur 11 angegebenen Werten (m = 1,5 kg; h = 2 m) erge-
ben sich 29,43 Wsec je Neodym-Permanentmagnet 2.
- 6 -
b) Um die Neodym-Permanentmagnete 2 umgekehrt vom unte-
ren Totpunkt zum oberen Totpunkt zu bringen, muss Hubar-
beit verrichtet werden, deren Größe nach der selben Formel
berechnet wird. Dazu ist mindestens die Energie erforderlich,
wie sie zuvor bei der Abwärtsbewegung gewonnen wurde.
Wird die Masse sehr schnell, also nur für kurze Zeit bewegt,
ist dazu eine entsprechend höhere Leistung erforderlich, da
auch gilt:
𝑊
ℎ𝑢𝑏
= 𝐸
𝑝𝑜𝑡
= ∫ 𝑃
𝑡2
𝑡1
(𝑡) ∗ 𝑑𝑡
Unter der vereinfachenden Annahme, dass die zugeführte impuls-
förmige Leistung über den betrachteten kurzen Zeitraum konstant
ist, ergibt sich:
𝑊
ℎ𝑢𝑏
= 𝐸
𝑝𝑜𝑡
= 𝑃
ℎ𝑢𝑏
∗ (𝑡
2
− 𝑡
1
)
mit
𝑊
ℎ𝑢𝑏
: 𝐻𝑢𝑏𝑎𝑟𝑏𝑒𝑖𝑡𝑃
ℎ𝑢𝑏
: 𝐻𝑢𝑏𝑙𝑒𝑖𝑠𝑡𝑢𝑛𝑔, 𝑡
1
: 𝐴𝑛𝑓𝑎𝑛𝑔𝑠𝑧𝑒𝑖𝑡, 𝑡
2
: 𝐸𝑛𝑑𝑧𝑒𝑖𝑡
c) Die vorstehenden Betrachtungen gelten nur unter der Annah-
me, dass das System verlustlos arbeitet. In der Realität gibt es
diesen Fall jedoch nicht. Die Energiebilanz eines geschlosse-
nen Systems ist nämlich immer negativ.
Insbesondere handelt es bei der vom Anmelder beobachteten
Erwärmung der verwendeten Spulen um Verluste, die vor al-
lem durch den ohmschen Widerstand der elektrischen Leiter-
materialien entsteht, aufgrund des Zusammenhangs:
- 7 -
𝑃
𝑉𝑒𝑟𝑙𝑢𝑠𝑡
= 𝑖
2
∗ 𝑅
𝐸
𝑉𝑒𝑟𝑙𝑢𝑠𝑡
= 𝑃
𝑉𝑒𝑟𝑙𝑢𝑠𝑡
∗ (𝑡
2
− 𝑡
1
),
Die in den Spulen in Form von Wärme verlorengehende Energie
muss zusätzlich zur erforderlichen Hubarbeit dem System zuge-
führt werden:
𝐸
𝑧𝑢
= 𝑊
𝐻𝑢𝑏
+ 𝐸
𝑉𝑒𝑟𝑙𝑢𝑠𝑡
,
ohne dass sich der Verlustanteil der zugeführten elektrischen
Energie auf die Höhe der entnehmbaren mechanischen oder elek-
trischen Energie auswirken würde.
Somit hat der Anmelder bei seinen theoretischen Überlegungen zur Energiebilanz
statt der insgesamt zuzuführenden elektrischen Energie fälschlicherweise nur die
in den Spulen des Linearmotors auftretenden Verluste betrachtet und ist daher zu
unzutreffenden Schlussfolgerungen gekommen.
Somit hat der Anmelder weder den Beweis erbracht, dass seiner Vorrichtung mehr
Energie entnommen werden kann als ihr zugeführt werden muss, noch konnte er
seine Behauptung durch Überlegungen glaubhaft machen, die sich innerhalb der
allgemein anerkannten physikalischen Gesetze bewegen.
Deshalb war die Beschwerde zurückzuweisen.
3.
nie mehr Energie entnommen werden kann, als diesem zugeführt wird, war nicht
zu erwarten, dass sich bei dem vom Anmelder angebotenen Ortstermin ein ande-
rer Sachverhalt ergeben könnte. Daher wäre eine Fortsetzung des Verfahrens
nicht sachdienlich gewesen.
- 8 -
4.
gen fehl, da es sich bei diesem anders als beim Anmeldegegenstand nicht um ein
geschlossenes System handelt. Vielmehr wird dort das Wasser (=potentielle Ener-
gie) stetig von außen zugeführt. Damit eine sich mit dem Anmeldegegenstand ver-
gleichbare Anordnung ergäbe, müsste das Wasserrad das Wasser selbst wieder
nach oben schöpfen. Solche Wasserräder sind, ebenso wie der Anmeldegegen-
stand, objektiv nicht realisierbar.
5.
wie er in ursprünglich eingereichten Unterlagen dargestellt und beschrieben ist mit
dem Stand der Technik verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen der
Prüfungsstelle H 02 N des Deutschen Patent- und Markenamtes.
Auf die beiliegende Rechtsmittelbelehrung wird hingewiesen.
Dr. Hartung
Kirschneck
Dr. Scholz
J. Müller
- 9 -
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss steht den an dem Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechts-
Rechtsbeschwerde
gelassen
Rechtsbeschwerde nicht
zugelassen
fahrensmängel durch substanziierten Vortrag gerügt wird (§ 100 Abs. 3 PatG):
1. Das beschließende Gericht war nicht vorschriftsmäßig besetzt.
2. Bei dem Beschluss hat ein Richter mitgewirkt, der von der Ausübung des Richteramtes
kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg ab-
gelehnt war.
3. Einem Beteiligten war das rechtliche Gehör versagt.
4. Ein Beteiligter war im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten, sofern er
nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat.
5. Der Beschluss ist aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen, bei der die Vor-
schriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind.
6. Der Beschluss ist nicht mit Gründen versehen.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim
Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, schriftlich einzulegen (§ 102
Abs. 1 PatG).
Die Rechtsbeschwerde kann auch als elektronisches Dokument, das mit einer qualifizier-
ten oder fortgeschrittenen elektronischen Signatur zu versehen ist, durch Übertragung in
die elektronische Poststelle des Bundesgerichtshofes eingelegt werden (§ 125a Abs. 3
Nr. 1 PatG i. V. m. § 1, § 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, Abs. 2a, Anlage (zu § 1) Nr. 6 der Ver-
ordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesgerichtshof und Bundespa-
tentgericht (BGH/BPatGERVV)). Die elektronische Poststelle ist über die auf der Internet-
seite des Bundesgerichtshofes www.bundesgerichtshof.de/erv.html bezeichneten Kom-
munikationswege erreichbar (§ 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGH/BPatGERVV). Dort sind auch
die
Einzelheiten
zu
den
Betriebsvoraussetzungen
bekanntgegeben
(§ 3
BGH/BPatGERVV).
Die Rechtsbeschwerde muss durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechts-
anwalt als Bevollmächtigten des Rechtsbeschwerdeführers eingelegt werden (§ 102
Abs. 5 Satz 1 PatG).