Urteil des BPatG vom 09.12.2015

Stand der Technik, Anhörung, Patentanspruch, Mangel

BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
18 W (pat) 92/14
_______________________
(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Patentanmeldung 11 2005 001 513.0 - 53
hat der 18. Senat (Techn. Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
9. Dezember 2015 durch die Vorsitzende Richterin Dipl.-Ing. Wickborn sowie die
Richter Kruppa,
Dipl.-Phys. Dr. Schwengelbeck
und
Dipl.-Ing. Altvater
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beschlossen:
1.
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der
Prüfungsstelle für Klasse G 06 F des Deutschen Patent- und
Markenamts vom 8. November 2010 aufgehoben und die Sa-
che an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.
2.
Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.
G r ü n d e
I.
Die vorliegende Patentanmeldung 11 2005 001 513.0-53 geht aus einer PCT-An-
meldung hervor (Veröffentlichungsnummer WO 2006/012290 A2), die am
22. Juni 2005 unter Inanspruchnahme einer US-amerikanischen Priorität vom
30. Juni 2004 eingereicht worden ist. Sie trägt in der deutschen Übersetzung die
Bezeichnung
„Hochschnelle Speichermodule mit In-Spur-Kondensatoren“.
Die Patentanmeldung ist durch Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G06F des
Deutschen Patent- und Markenamts vom 8. November 2010 zurückgewiesen wor-
den, da der Gegenstand des Anspruchs 1 dem Fachmann
– auch unter Hinzuzie-
hung der übrigen Unterlagen
– keine klare Lehre zum technischen Handeln gebe.
Gegen diesen der Anmelderin am 29. November 2010 zugestellten Beschluss
richtet sich die mit Schriftsatz vom 23. Dezember 2010 am gleichen Tag beim
Deutschen Patent- und Markenamt eingegangene Beschwerde der Anmelderin,
mit der sie sinngemäß beantragt hat,
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- den Beschluss aufzuheben und ein Patent auf Basis der folgenden
Unterlagen zu erteilen:
Patentansprüche 1 bis 16 vom 23. Dezember 2010,
Beschreibung, Seiten 1 bis 8 vom 29. Dezember 2006 sowie
Figuren 1 bis 5 vom 29. Dezember 2006;
- hilfsweise einen Termin zur mündlichen Verhandlung anzuberaumen.
Der Berichterstatter hat im Schreiben vom 28. August 2015 darauf hingewiesen,
dass einer antragsgemäßen Patenterteilung das Fehlen einer Sachentscheidung
des Deutschen Patent- und- Markenamtes und einer dort ebenfalls nicht erfolgten
Ermittlung des relevanten Standes der Technik entgegen stehen dürfte. Weiterhin
hat der Berichterstatter angefragt, ob der hilfsweise gestellte Antrag auf mündliche
Verhandlung auch für eine voraussichtlich beabsichtigte Zurückverweisung der
Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt aufrechterhalten wird.
Als Reaktion darauf hat die Anmelderin mit Schriftsatz vom 17. September 2015
ihren hilfsweise gestellten Antrag auf mündliche Verhandlung für den Fall zurück-
gezogen, dass der Senat beabsichtigt, die Sache an das Deutsche Patent- und
Markenamt zurückzuverweisen.
Patentanspruch 1
„Vorrichtung zum Minimieren von Signalreflexionen auf einem Speicherbus,
mit:
einem Verbinder (105, 205) zum Verbinden eines Speichermoduls (100,
200) mit einer Einrichtung eines Computersystems, wobei der Verbinder
mit einem Signaleinführungsende (115, 215) eines Speicherbusses (130,
230) gekoppelt ist, wobei sich das Signaleinführungsende (115, 215) und
der Sp
eicherbus (130, 230) auf dem Speichermodul (100, 200) befinden;
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einer Mehrzahl von Speichereinrichtungen (131-139, 231-248), von denen
jede über eine aus einer Mehrzahl von Übertragungssignalleitungen (121-
129, 221-229) mit dem Speicherbus (130, 230) verbunden ist;
einem Terminierungsende (165, 265), das hinter einem Anschlusspunkt für
eine letzte Übertragungssignalleitung der Mehrzahl von Speichereinrichtun-
gen (131-139, 231-248) an den Speicherbus (130, 230) angeschlossen ist;
und
mindestens einem mit dem Speicherbus (130, 230) verbundenen Konden-
sator (110, 210), der parallel mit der Mehrzahl von Speichereinrichtungen
(131-139, 231-248) verbunden und zwischen dem Signaleinführungsende
(115, 215) des Busses (130, 230) und einem ersten Anschlußpunkt für eine
erste Übertragungssignalleitung der Mehrzahl von Speichereinrichtungen
(131-139, 231-248) an dem Speicherbus (130, 230) verbunden ist.
Patentanspruch 11
„System zum Minimieren von Signalreflexionen auf einem Speicherbus, mit:
einem ersten Speichermodul (100, 200), umfassend:
einen Verbinder (105, 205) zum Verbinden des Speichermoduls (100, 200)
mit einer Einrichtung eines Computersystems, wobei der Verbinder (105,
205) mit einem Signaleinführungsende (115, 215) eines Speicherbusses
(130, 230) gekoppelt ist, wobei sich das Signaleinführungsende (115, 215)
und der Speicherbus (130, 230) auf dem Speichermodul (100, 200) befin-
den;
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einer Mehrzahl von Speichereinrichtungen (131-139, 231-248), von denen
jede über eine aus einer Mehrzahl von Übertragungssignalleitungen (121-
129, 221-229) mit dem Speicherbus (130, 230) verbunden ist,
einem Terminierungsende (165, 265), das hinter einem Anschlusspunkt für
eine letzte Übertragungssignalleitung der Mehrzahl von Speichereinrichtun-
gen (131-139, 231-248) an den Speicherbus (130, 230) angeschlossen ist;
und
mindestens einem Kondensator (110, 210), der parallel zu der Mehrzahl
von Speichereinrichtungen (131-139, 231-248) zwischen dem Signaleinfüh-
rungsende (115, 215) des Busses (130, 230) und einem ersten Anschluß-
punkt für die erste Übertragungssignalleitung der Mehrzahl von Speicher-
einrichtungen (131-139, 231-248) mit dem Speicherbus verbunden ist,
einen mit dem Speichermodul (100, 200) verbundenen Kommunikations-
knoten (320); und
einen über einen Systembus mit dem Kommunikationsknoten (320) ver-
bundenen Prozessor (330).
Wegen des Wortlauts der geltenden Unteransprüche 2 bis 10 und 12 bis 16 wird
auf den Akteninhalt verwiesen.
Die Beschwerdeführerin führt aus, dass die geltenden Ansprüche zulässig sind,
die Gegenstände der geltenden Ansprüche dem Patentschutz zugänglich sind und
dem Fachmann eine klare Lehre zum technischen Handeln vermittelten.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
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II.
Die zulässige Beschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses
und zur Zurückverweisung der Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt
gemäß § 79 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 3 PatG.
1. Die Anmeldung betrifft Speichermodule bzw. eine Vorrichtung und ein System
zum Minimieren von Signalreflexionen auf einem zugehörigen Speicherbus
(vgl. geltende Beschreibung, S. 1, sowie die geltenden Ansprüche 1 und 11).
In der Beschreibungseinleitung der Anmeldung wird ausgeführt, dass Com-
putersysteme aus einem Satz von Komponenten bestünden, die miteinander
über Busse und ähnliche Kommunikationsleitungen kommunizierten. Für den
Abruf von Daten und Anweisungen aus einem Systemspeicher sei ein Prozes-
sor auf einen Systembus, Speicherbus und Speichercontroller angewiesen.
Der Prozessor sei in der Geschwindigkeit, mit der er diese Anweisungen ver-
arbeiten könne, durch die Geschwindigkeit begrenzt, mit der er die Daten und
Anweisungen über den Systembus und den Speicherbus aus dem System-
speicher empfangen könne. Busse seien typische Kommunikationsleitungen
auf einer gedruckten Schaltung (PCB) wie beispielsweise der Hauptplatine ei-
nes Computersystems, dessen Komponenten (zum Beispiel Speicher) über
Anschlussstifte mit den Leitungen des Busses verbunden würden. Bei nicht
korrekt abgeschlossenen Leitungen könne eine Reflexion der Signale auf dem
Bus auftreten, oder Rauschen könne die nachfolgende Signalisierung auf der
Leitung beeinträchtigen (vgl. deutsche Fassung der Anmeldung vom
29. Dezember 2006, S. 1, erster bis letzter Absatz).
Der beanspruchten Vorrichtung gemäß Anspruch 1 bzw. dem System gemäß
Anspruch 11 liegt die objektive Problemstellung zu Grunde, Störungen der
Signale auf dem Speicherbus zu verringern.
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Diese Aufgabe richtet sich an einen Fachmann, der eine abgeschlossene
Hochschulausbildung auf dem Gebiet der Elektrotechnik aufweist und Erfah-
rung auf dem Gebiet der Entwicklung von Speichermodulen besitzt.
Die Aufgabe soll durch die Merkmale der Vorrichtung gemäß Patentan-
spruch 1 und des Systems gemäß Patentanspruch 11 gelöst werden.
2. Die geltenden Ansprüche 1 bis 16 sind zulässig.
Der geltende, auf eine Vorrichtung gerichtete Anspruch 1 basiert auf dem ur-
sprünglichen Anspruch 1 und den Figuren 1 und 2 mit zugehöriger Beschrei-
bung (vgl. jeweils deutschsprachige Fassung der Anmeldeunterlagen, insbe-
sondere S. 3, 3. Abs. und S. 4, 5. und 6. Abs.).
Der auf ein System gerichtete Anspruch 11 basiert auf dem ursprünglichen
Anspruch 11 unter Anpassung der Me
rkmale des „Speichermoduls“ analog
zum geltenden Anspruch 1 (vgl. Fig. 3 in Verbindung mit Fig. 1 und S. 5,
3. Abs.).
Die geltenden, auf Anspruch 1 direkt oder indirekt rückbezogenen An-
sprüche 2 bis 8 basieren auf den ursprünglichen Ansprüchen 2 bis 8 in
Verbindung mit Figur 2. Die Ansprüche 9 und 10 wurden sprachlich an den
geänderten Anspruch 1 angepasst. Die Ansprüche 12 bis 16 basieren auf den
ursprünglichen Ansprüchen 12 bis 16.
3. Den Gegenständen der unabhängigen Ansprüche 1 und 11 ist jeweils eine
nacharbeitbare Lehre im Sinne des § 34 Abs. 4 PatG zu entnehmen, die dem
Fachmann nachvollziehbar angibt, was als Patent unter Schutz gestellt wer-
den soll (§ 34 Abs. 3 Nr. 3 PatG).
Die jeweiligen Gegenstände der unabhängigen Ansprüche sind so deutlich
und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann. Nach stän-
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diger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine für die Ausführbarkeit
ausreichende Offenbarung gegeben, wenn der mit den Merkmalen des Pa-
tentanspruchs umschriebene technische Erfolg vom Fachmann erreicht wer-
den kann. Die in der vorliegenden Anmeldung enthaltenen Angaben vermitteln
dem fachmännischen Leser so viel an technischer Information,
„dass er mit
seinem Fachwissen und seinem Fachkönnen in der Lage ist, die Erfindung
erfo
lgreich auszuführen“ (vgl. bspw. BGH, Urteil vom 13. Juli 2010 –
Xa ZR 126/07, GRUR 2010, 916
– Klammernahtgerät, Leitsatz und Abs. 17).
Die geltenden Ansprüche sind dabei aus technischer Sicht und im Hinblick auf
die der Anmeldung zugrunde liegende Problemstellung frei von Widersprü-
chen und für den Fachmann verständlich. Denn entgegen der Argumentation
der Prüfungsstelle kann die Reflexion auf einer Signalleitung nicht nur durch
einen geeigneten Leitungsabschluss verringert werden, sondern
– wie auch
die Anmelderin sinngemäß ausführt (vgl. Schriftsatz vom 19. Oktober 2009
und Beschwerdebegründung vom 23. Dezember 2010)
– indem die Ein-
gangsimpedanz der Signalleitung mittels eines Kondensators an die Impedanz
des Motherboards, mit dem die Signalleitungen des Speichermoduls verbun-
den werden sollen, angepasst wird. Hierbei ist auch die beschriebene Anord-
nung der Komponenten ausreichend klar und widerspruchsfrei. Zwar fehlt eine
explizite Angabe eines Bezugspotentials von Kondensator und Speichermo-
dulen. Ein solches gemeinsames Bezugspotential ergibt sich jedoch für den
Fachmann zweifelsfrei aus der beanspruchten „parallelen“ Anordnung dieser
Komponenten.
Die jeweiligen Gegenstände der unabhängigen Ansprüche erfüllen somit die
Anforderungen des § 34 Abs. 4 PatG an eine deutlich und vollständig offen-
barte Lehre (vgl. Schulte/Moufang, a. a. O., § 34, Rn. 110-112 m. w. N.).
4. Der Senat hat nach § 79 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 PatG davon abgesehen, antrags-
gemäß in der Sache selbst zu entscheiden und das Patent zu erteilen, da bis-
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lang keine Sachentscheidung des Deutschen Patent- und Markenamts vor-
liegt. Eine solche fehlende Sachentscheidung ist dann gegeben, wenn die
Entscheidung des DPMA auf Gründen beruht, die ein Eingehen auf die Frage
der Patentfähigkeit der Erfindung entweder vollständig oder teilweise entbehr-
lich machten (vgl. Schulte/Püschel, PatG, 9. Auflage, § 79, Rn. 20, 21) und
liegt unter anderem vor, wenn die Anmeldung aus formalen Gründen zurück-
gewiesen wurde oder das Patentbegehren in zulässiger Weise so geändert
wurde, dass es nunmehr an einer Sachentscheidung des DPMA fehlt
(Schulte/Püschel, a. a. O., § 79, Rn. 22).
Das vorliegende Patentbegehren genügt den formalen Anforderungen der
§§ 34 und 38 PatG und erfüllt damit die Voraussetzungen für die Prüfung der
Patentfähigkeit gemäß §§ 1 bis 5 PatG. Eine solche Prüfung ist bislang nicht
erfolgt, so dass es an einer Sachentscheidung des DPMA fehlt.
Ein Zurückverweisungsgrund ergibt sich zudem aus dem Vorliegen neuer Tat-
sachen (§ 79 Abs. 3 Nr. 3 PatG), da das Patentbegehren auf Basis der Be-
schreibung zu Ausführungsbeispielen entsprechend den Figuren 1 und 2 prä-
zisiert wurde und ausweislich der Amtsakte im bisherigen Prüfungsverfahren
weder zum Gegenstand des geltenden Patenbegehrens noch allgemein zum
Anmeldungsgegenstand eine Recherche des relevanten Standes der Technik
erfolgt ist. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass insbesondere
unter dem Gesichtspunkt der §§ 3 und 4 PatG ein einer Patenterteilung mög-
licherweise entgegenstehender Stand der Technik existiert. Zu deren Ermitt-
lung sind in erster Linie die Prüfungsstellen des Patentamts berufen, welche
hierzu über geeignete Recherchemittel und Fachkenntnisse verfügen
(Schulte/Püschel, a. a. O., § 79, Rn. 16, 27).
Da bislang eine Sachentscheidung des DPMA nicht erfolgt ist, ein auf Basis
der Beschreibung neu formuliertes Patenbegehren vorliegt und eine sachge-
rechte Entscheidung nur aufgrund einer vollständigen Recherche des rele-
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vanten Standes der Technik ergehen kann, war die Sache
– auch um der An-
melderin keine Tatsacheninstanz zu nehmen
– zur weiteren Prüfung und Ent-
scheidung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuverweisen (§ 79
Abs. 3 Satz 1 Nrn. 1 und 3 PatG).
III.
Die Beschwerdegebühr ist aus Gründen der Billigkeit zurückzuzahlen (§ 80 Abs. 3
PatG). Die Billigkeit ergibt sich aus der fehlerhaften Sachbehandlung durch das
Patentamt, die auch für die Erhebung der Beschwerde ursächlich war.
a) Die Prüfungsstelle hätte die beantragte Anhörung nicht versagen dürfen, denn
sie wäre sachdienlich gewesen.
Bei der Einschätzung der Sachdienlichkeit der beantragten Anhörung ist der
Beurteilungsspielraum der Prüfungsstelle überschritten worden. § 46 Abs. 1
Satz 2 PatG in der bis zum 31. März 2014 geltenden Fassung gibt vor, dass
der Anmelder bis zum Beschluss über die Erteilung auf Antrag zu hören ist,
wenn es sachdienlich ist. Sachdienlich ist nach ständiger Rechtsprechung eine
Anhörung immer dann, wenn sie aus objektiver Sicht das Verfahren fördern
kann (vgl. Schulte/Rudloff-Schäffer, a. a. O., § 46, Rn. 11 m. w. N.; BPatGE 18,
30, 39; 39, 204, 205). In der Rechtsprechung wird die einmalige Durchführung
einer Anhörung im Prüfungsverfahren in aller Regel als sachdienlich angese-
hen (vgl. BPatGE 18, 30, 39; Winterfeld, Engels: Aus der Rechtsprechung des
Bundespatentgerichts im Jahre 2007, GRUR 2008, 645). Eine Ablehnung ei-
nes Antrags auf Anhörung kommt nur ausnahmsweise in Betracht, wenn triftige
Gründe dafür vorliegen (Schulte/Rudloff-Schäffer, a. a. O., § 46, Rn. 15).
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Die Durchführung der beantragten Anhörung hätte nur bei fehlender Sach-
dienlichkeit unterbleiben dürfen. Objektive Gründe, die die Ablehnung des
Antrags auf Anhörung rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich.
Die Prüfungsstelle hat in keinem ihrer Prüfungsbescheide angegeben, welchen
der Anforderungen der §§ 34 und 38 PatG die Anmeldung nicht genügt oder
welche Patentierungsvoraussetzung nach ihrer Auffassung nicht vorliegt (vgl.
§ 45 PatG). Dies ließ sich auch aus ihrer widersprüchlichen Argumentation
nicht eindeutig entnehmen. Einerseits hat sie ausdrücklich zugestanden, dass
die Vorrichtung gemäß Patentanspruch 1 ohne weiteres sogar von einer Hilfs-
kraft hergestellt werden könne. Andererseits hat die Prüfungsstelle bemängelt,
dass nicht nachvollziehbar sei, wie durch den anmeldungsgemäß platzierten
Kondensator die Signalreflexion vermindert werde, womit der Patentanspruch
1 dem Fachmann keine klare Lehre zum technischen Handeln vermittele. Dem
Fachmann bleibe verschlossen, wozu die Vorrichtung diene (vgl. Prüfungsbe-
scheide vom 27. Februar 2008 und 18. März 2009). Insoweit wird nicht deut-
lich, ob die Prüfungsstelle einen Offenbarungsmangel i. S. d. § 34 Abs. 4 PatG
gerügt, hierbei evt. unzulässig (vgl. Schulte/Moufang, a. a. O., § 34, Rn. 325,
334) eine Erläuterung des Ursachenzusammenhangs zwischen Kondensator-
platzierung und Störsignal- bzw. Reflexionsminderung verlangt hat, oder ob sie
etwa einen Mangel i. S. d. § 34 Abs. 3 Nr. 3 PatG gesehen hat.
Die Anmelderin musste daher mutmaßen, in welcher Hinsicht ein Mangel ge-
rügt worden ist. Hierbei hat sie versucht, mit geänderten Patentansprüchen,
aber auch argumentativ auf die Bedenken der Prüfungsstelle einzugehen (vgl.
Eingabe vom 19. Oktober 2009) und hat damit gezeigt, dass sie an der zielge-
richteten Weiterführung des Verfahrens interessiert ist. Zudem hat die Anmel-
derin auf den Hinweis der Prüfungsstelle im Bescheid vom 18. März 2009, die
beantragte Anhörung sei nicht sachdienlich, die Sachdienlichkeit einer Anhö-
rung mit Verweis auf die Entscheidung 23 W (pat) 69/05 des Bundespatentge-
richts ausführlich begründet.
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Im Unterschied zu der von der Prüfungsstelle in ihrem Beschluss genannten
Entscheidung 11 W (pat) 15/06 haben vorliegend die o. g. Besonderheiten des
Falls eine weitere Klärung bzw. Beseitigung von Missverständnissen gerade
erforderlich gemacht, wofür die Anhörung ein geeignetes Mittel gewesen wäre.
Damit liegt ein Verstoß gegen § 46 Abs. 1 Satz 2 PatG a. F. vor.
Der Verfahrensfehler ist auch kausal für die Einlegung der Beschwerde und
damit für die Notwendigkeit der Zahlung der Beschwerdegebühr. Denn aus der
Sicht eines verständigen Beschwerdeführers (vgl. Schulte/Püschel, a. a. O.,
§ 73, Rn. 139) ist nicht auszuschließen, dass die Entscheidung ohne den Ver-
fahrensfehler anders ausgefallen wäre und das Prüfungsverfahren zumindest
in die Phase der Prüfung der Patentfähigkeit des Anmeldegegenstands gelangt
wäre. Damit liegt bereits in der Versagung der Anhörung ein Grund für die
Rückzahlung der Beschwerdegebühr.
b) Hinzu kommt die unter erheblichen Mängeln leidende Begründung des ange-
fochtenen Beschlusses. Darin werden im Wesentlichen die bereits im zweiten
Prüfungsbescheid vom 18. März 2009 vertretenen Positionen wiederholt, wo-
bei auch hier keine Klarstellung erfolgt ist, welcher rechtliche Mangel i. S. d.
§ 48 PatG i. V. m. § 45 PatG nach Auffassung der Prüfungsstelle vorliegt (s. o.
a)). Auch auf die Erläuterung der Funktionsweise der beanspruchten Vorrich-
tung in der Eingabe der Anmelderin vom 19. Oktober 2009 geht die Prüfungs-
stelle nicht ein, sondern wiederholt nur wörtlich ihre Ausführungen zum Lei-
tungswellenwiderstand aus dem Prüfungsbescheid vom 18. März 2009.
In der Art und Weise der Beurteilung der vorliegenden Anmeldung durch die Prü-
fungsstelle ist daher eine unangemessene Sachbehandlung zu sehen und die Be-
schwerdegebühr ist zurückzuerstatten (Busse, Patentgesetz, 7. Auflage, § 80
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IV.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss steht der am Beschwerdeverfahren Beteiligten das
Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht
Zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass
1.
das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2.
bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des
Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der
Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3.
einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4.
ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten
war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder still-
schweigend zugestimmt hat,
5.
der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei
der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden
sind, oder
6.
der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlus-
ses beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim
Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich
einzulegen.
Wickborn
Kruppa
Dr. Schwengelbeck
Altvater
Hu