Urteil des BPatG vom 21.04.2016

Daten, Stand der Technik, Analyse, Patentanspruch

BPatG 154
05.11
BUNDESPATENTGERICHT
17 W (pat) 54/13
_______________
(Aktenzeichen)
Verkündet am
21. April 2016
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Patentanmeldung 10 2010 008 478.6
hat der 17. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 21. April 2016 unter Mitwirkung des Vorsitzenden
Richters
Dipl.-Phys. Dr. Morawek,
der
Richterinnen
Eder
und
Dipl.-Phys. Dr. Thum-Rung sowie des Richters Dipl.-Phys. Dr. Forkel
- 2 -
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Die vorliegende Patentanmeldung wurde am 18. Februar 2010 beim Deutschen
Patent- und Markenamt eingereicht. Sie trägt die Bezeichnung
„EDV-System zum automatischen oder halbautomatischen Konstruieren und
Kon
struktionsverfahren“.
Die Anmeldung wurde durch Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G06F des
Deutschen Patent- und Markenamtes mit der Begründung zurückgewiesen, dass
der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit
beruhe.
Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde des Anmelders gerichtet.
Der Anmelder stellte den Antrag,
den angegriffenen Beschluss aufzuheben und das nachgesuchte
Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:
Patentanspruch 1, überreicht in der mündlichen Verhandlung,
Patentansprüche 2-9 vom 16.07.2013,
Beschreibung Seiten 4-24 vom 18.02.2010,
- 3 -
6 Blatt Zeichnungen mit Figuren 6-9, 12, 13 vom 18.02.2010,
8 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1-5, 10, 11, 14 vom 02.06.2010.
Im Prüfungsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt wurden keine
Druckschriften ermittelt. Vom Senat wurden mit der Ladung zur mündlichen Ver-
handlung die Druckschriften
D1: DINNER, H.: Getriebeauslegung und Nachrechnung mit System.
[Recherchiert am 05.02.2016]. Im Internet:
http://web.archive.org/web/20080101105645/http://www.kisssoft.ch/deutsch/
dokumentation.htm>,
D2: DINNER, H.: Unsicherheiten in der statischen Berechnung von Getrie-
ben für Windkraftanlagen, Vortrag am Antriebstechnischen Kolloquium
ATK 07 in Aachen, Deutschland. [Recherchiert am 05.02.2016]. Im Internet:
http://web.archive.org/web/20080101105645/http://www.kisssoft.ch/deutsch/
dokumentation.htm>,
D3: KISSsys Anleitung: Lastfalltabelle für Standardlastfälle, Version vom
16.08.2005
und
D4: EP 1 191 465 A1
eingeführt.
- 4 -
In der mündlichen Verhandlung wurde zusätzlich die Druckschrift
D1´: DINNER, H.: Getriebeauslegung und Nachrechnung mit System. In:
SimPEP: Kongress für Simulation im Produktentwicklungsprozess; 14. und
15. Juni 2007 in Würzburg, Forschungsvereinigung Antriebstechnik, FVA,
2007, Seiten 127-141
Zu den Einzelheiten wird auf die Akte verwiesen.
Der geltende Patentanspruch 1, hier mit einer denkbaren Gliederung versehen,
lautet (mit redaktioneller Änderung):
(a´)
Konstruieren eines technischen Gegenstandes, bestehend
aus
(a)
angelegt sind, die, aufgrund von Erkenntnissen aus den tech-
nischen Wissenschaften, genormte und/oder nicht genormte,
kinematische, kinetische, stoffliche, geometrische und for-
male Daten, deren zulässige und/oder unzulässige Abwei-
chungen, analytische und synthetische Berechnungsformalis-
men, sowie deren Anwendungsvorschriften enthalten,
(b)
men ausgeführt werden und deren Ergebnisse mit bekannten
Daten verglichen und bewertet werden,
- 5 -
(c)
struktur eine Auswahl von Daten und/oder Ergebnissen treff-
bar ist, Daten eingebbar und Ergebnisse auslesbar sind, und
(d)
men,
dadurch gekennzeichnet,
(f1)
Synthese und Analyse zum technischen Gegenstand durch-
führt, indem sie
(f2)
mende Auswahlmöglichkeiten von kinematischen, kineti-
schen, stofflichen, geometrischen und/oder formalen Daten
bereitstellt,
(f3)
technischen Gegenstand vervollständigbar sind,
(e1)
Modells für den technischen Gegenstand bereitstellt,
(e2)
bar ist,
(e3)
Modell festlegbar und quantifizierbar sind,
- 6 -
(g)
chert und mit in der Speichereinheit (2) enthaltenen techni-
schen Daten vergleicht,
(h)
zugehörenden Schnittkräfte und Momente berechnet,
(i)
dass die Recheneinheit (3) die bearbeiteten Daten, sowie die
Ergebnisse des Vergleichs an der Schnittstelle (4) darstellt,
und zulässige und/oder unzulässige Abweichungen anzeigt,
und
(j)
dass bei unzulässigen Abweichungen über einen erneuten
(f)
und die Recheneinheit (3) weitere Entscheidungen und
Dateneingaben durchführbar sind, bis alle Abweichungen in
zulässigen Bereichen liegen,
(k)
formalen Vorschriften eine technische Dokumentation, mit
den Herstellungs- und Betriebsvorschriften für den techni-
schen Gegenstand erstellbar ist, diese abspeicherbar ist und
zur eventuellen weiteren Bearbeitung an der Schnittstelle (4)
zur Verfügung steht.
In Hinblick auf die nebengeordneten Patentansprüche 8 und 9 sowie die Unteran-
sprüche 2 bis 7 wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Der Anmelder trägt vor, dass mit dem Gegenstand der Anmeldung die objektiv
bestmögliche Konstruktion eines technischen Gegenstandes erreicht werden
könne. Das beanspruchte EDV-
System stelle ein „Navigationssystem“ dar, das
- 7 -
den Anwender ausgehend von technischen Parametern und einzuhaltenden
Randbedingungen zur jeweils optimalen Lösung des zu konstruierenden Gegen-
standes führe. Zu diesem Zweck führe das System eine Iterationsfolge von Syn-
these und Analyse unter Verwendung ausgewählter Berechnungsmodelle durch.
Der Gegenstand nach Patentanspruch 1 sei nicht nur dem Patentschutz grund-
sätzlich zugänglich, er sei darüber hinaus neu und beruhe auch auf erfinderischer
Tätigkeit.
II.
Die Beschwerde wurde rechtzeitig eingelegt und ist auch sonst zulässig. Sie hat
jedoch keinen Erfolg, da der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nicht auf erfinde-
rischer Tätigkeit beruht (§ 1 Abs. 1 in Verbindung mit § 4 Satz 1 PatG).
1.
Der Gegenstand der Anmeldung betrifft ein EDV-System zum automati-
schen oder halbautomatischen Konstruieren und Konstruktionsverfahren.
Ausweislich der Anmeldung sei das Konstruieren eine Tätigkeit, die derzeit noch
von Menschen durchgeführt werde und bei der die Herstellungs-, Erstellungs- und
Betriebsvorschriften für einen zukünftigen technischen zweckdienlichen Gegen-
stand geschaffen würden. Diese Tätigkeit bestehe sowohl aus der Synthese als
auch aus der Analyse eines Gegenstandes, welche vom Konstrukteur umgesetzt
würden, wobei auf der einen Seite die gewünschten Zieleigenschaften des zu
schaffenden Gegenstandes und auf der anderen die physikalischen, chemischen
und ökonomischen Restriktionen stünden, derer der Gegenstand unterliege. Das
Ergebnis des Konstruierens sei eine technische Dokumentation, die auch Kon-
struktion genannt werde. Dabei sei der Konstrukteur mit seiner Erfahrung, aber
auch mit seiner Subjektivität derjenige, der bei der Synthese jene Elemente aus-
wähle, die zusammengefügt werden sollen und bei der Analyse die Restriktionen
- 8 -
formuliere. Sowohl die Subjektivität als auch das Maß der Erfahrung eines jeden
einzelnen Konstrukteurs, die den Konstruktionsprozess selbst und dadurch auch
den konstruierten Gegenstand beeinflussten, würden dazu führen, dass zwei Kon-
strukteure nie die gleiche Konstruktion lieferten bzw. dass die von zwei Konstruk-
teuren unter identischen Zielformulierungen konstruierten Gegenstände unter-
schiedliche Formen und Eigenschaften besäßen (Offenlegungsschrift, [0001]).
Bei Anwendung gängiger CAD-Systeme sei der Bediener nach wie vor dafür ver-
antwortlich, wie viel Information in welcher Qualität in der technischen Dokumen-
tation enthalten sei. Dies habe zur Folge, dass der gleiche Gegenstand von ver-
schiedenen Konstrukteuren unterschiedlich dargestellt werde, obwohl für densel-
ben Gegenstand eigentlich immer die gleiche Zeichnung entstehen sollte. Weiter-
hin würden nach durchgeführten Simulationen lediglich die physikalischen Zu-
stände im gerade untersuchten Gebilde dargestellt. Die Entscheidung, ob und wel-
che geometrischen oder physikalischen Daten zu ändern seien, um eine Optimie-
rung des jeweils geprüften Gegenstandes zu erzielen, treffe nach wie vor der
Bediener des CAD-Systems. Ob die Möglichkeit einer Verbesserung der Konstruk-
tion überhaupt bestehe, bliebe dabei oftmals verborgen (Offenlegungsschrift,
[0011]).
Aufgabe
zugrunde liegen, „ein EDV-System zu schaffen,
das unter Vorgabe von technischen Parametern und Randbedingungen für einen
Gegenstand und unter Berücksichtigung maßgeblicher Kriterien der technischen
Wissenschaften wie Mechanik, Kinematik, Physik etc. eine präzise, optimale Kon-
struktion des Gegenstandes ermöglicht, wobei unter Kosten- und Zeitaspekten
eine objektive bestmögliche Konstruktion des Gegenstandes erreicht werd
en soll“
(siehe Eingabe vom 16. Juli 2013, Seite 2, Mitte).
Fachmann
Maschinenelemente zu verbessern, ist ein Ingenieur der Fachrichtung Maschinen-
bau mit langjähriger Berufserfahrung in der Auslegung und Optimierung von
- 9 -
Maschinenelementen anzusehen, der darüber hinaus über fundierte Kenntnisse
auf dem Gebiet der computergestützten Entwurfsmethoden verfügt.
2.
Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 beruht nicht auf erfinderischer
Tätigkeit.
2.1
Der Patentanspruch 1 bedarf der Auslegung.
Zur Lösung der oben genannten Aufgabe schlägt der Patentanspruch 1 ein EDV-
System, also ein elektronisches Datenverarbeitungssystem vor, das dem automa-
tischen oder halbautomatischen Konstruieren eines technischen Gegenstandes
(a´)
um ein Maschinenelement, etwa ein Getriebe handeln (Offenlegungsschrift,
[0013]).
Das EDV-System besteht aus mindestens einer Speichereinheit, aus mindestens
einer Recheneinheit, einer Bedienerschnittstelle und mindestens einer Schnitt-
(d)
Datenbanken angelegt, die die Eingabedaten für die Konstruktion des Gegenstan-
des vorhalten, wie z. B. Daten zur Kinematik und Kinetik, aber auch Daten zu den
jeweils verwendeten Werkstoffen und Geometrien. Außerdem sollen sie Angaben
zu den zulässigen Abweichungen sowie den zugrundeliegenden analytischen und
synthetischen Berechnungsformalismen inklusive deren Anwendungsvorschriften
(a)
sche Lösungsansätze verstehen, die auf der mindestens einen Recheneinheit zur
Anwendung kommen und deren Ergebnisse mit bereits bekannten Daten vergli-
(b)
über die Bedienerschnittstelle. Über eine Menüstruktur können Daten eingegeben
und ausgewählt werden, insbesondere aber Ergebnisse abgerufen werden (Merk-
(c)
- 10 -
Für die Durchführung einer Iterationsfolge aus Synthese und Analyse des (zu ent-
(f1)
Anwender an der Bedienerschnittstelle ein Auswahlmenü zur Verfügung, über das
alle kinematischen, kinetischen, stofflichen, geometrischen und formalen Daten
(f2)
bzw. Analyse als ein Berechnen und Bemessen von Konstruktionsparametern ein-
schließlich Modellauswahl bzw. eine Variantenbewertung unter Zuhilfenahme von
Berechnungsvorschriften auslegen.
(f3)
dem Anwender aus den in der Speichereinheit gespeicherten Daten Vorschläge
zur Auswahl eines Modells, das den zu konstruierenden Gegenstand beschreiben
(e1)
(e2)
sowie Belastungen fest und macht entsprechende Zahlenwertangaben (Merk-
(e3)
Die an das EDV-System übergebenen Daten werden verarbeitet, abgespeichert
und mit in der Speichereinheit hinterlegten technischen Daten verglichen (Merk-
(g)
und die beteiligten Elemente alle anfallenden Spannungen berechnet werden.
Gleichzeitig werden auch die entsprechenden Sicherheitskoeffizienten vom Sys-
tem bewertet und dargestellt. Die Stellen, an denen die Sicherheitskoeffizienten
unter- oder überschritten worden sind, werden ermittelt (Offenlegungsschrift,
[0024]).
(h)
und Momente, d. h. die innerhalb der Maschinenelemente auftretenden Kräfte und
(g)
beiteten Daten unter Einbeziehung obiger Vergleichsergebnisse werden an der
- 11 -
Bedienerschnittstelle dargestellt. Insbesondere werden zulässige und unzulässige
(i)
Werden unzulässige Abweichungen festgestellt, so können die in den Merkma-
(e1)
geändert und weitere Berechnungen vom System durchgeführt werden. Die in
(f1)
(j)
(k)
Dokumentation erstellt werden, die Herstellungs- und Betriebsvorschriften enthält.
Diese soll gespeichert und über die Bedienerschnittstelle einer weiteren Bearbei-
tung zugänglich gemacht werden.
2.2
D1´
besonderer Bedeutung.
D1´
gung und Nachrechnung mit System. Er betrifft die Berechnung von Maschinen-
elementen wie Verzahnungen, Wellen, Wälzlagern und Verbindungen mit Hilfe der
Maschinenelementesoftware KISSsoft im Verbund mit der Systemsoftware
KISSsys (Seite 127, Abschnitt 2, linke Spalte). Die kommerziell verfügbare Soft-
ware erlaubt es einem Anwender, detaillierte Parameterstudien eines kompletten
Getriebes oder Antriebsstranges durchzuführen, um verschiedene Varianten eines
Entwurfes effizient zu vergleichen (Seite 130, Abschnitt 4.2, erster Absatz).
D1´
anzusehen ist, ein System bestehend aus der Maschinenelementesoftware
KISSsoft und der Systemsoftware KISSsys, mit dem ein technischer Gegenstand,
z. B. ein Getriebe weitgehend automatisiert entworfen werden kann, so dass seine
Fertigung möglich wird (Seite 127, Abschnitt 2, linke Spalte; Seite 129, Ab-
- 12 -
D1´
tion von Getrieben auf einer Datenverarbeitungsanlage mit herkömmlichen Sys-
temkomponenten, wie etwa Speicher- und Recheneinheiten ausgeführt wird, las
(a´)
D1´
beruht auf einer Mehrzahl von Daten, die zur Eingabe und Verarbeitung in
KISSsoft und KISSsys hinterlegt sein müssen. So vereinfacht das KISSsoft Be-
rechnungsprogramm die Auslegung und Nachrechnung von Maschinenelementen
unter Anwendung der gültigen Normen (ISO, DIN, AGMA etc.) (Seite 129, Ab-
schnitt 4.1, rechte Spalte). Dementsprechend folgen auch die Berechnungen für
Industriegetriebe den aktuellen DIN/ISO/AGMA Normen (Seite 135, Abschnitt 6.2,
linke Spalte, zweiter Absatz). Verschiedene Berechnungsmodelle in KISSsys wer-
den in Bibliotheken zusammengefasst und bilden die Kinematik der Getriebe ab
(Seite 135, Abschnitt 6.1, linke Spalte, oben). Die für alle KISSsoft Berechnungen
gültigen Parameter, z. B. die Schmierstofftemperatur, also ein werkstoffspezifi-
scher Parameter können zentral über eine Tabelle eingegeben werden (Seite 131,
Abschnitt 4.3, linke Spalte, letzter Absatz; Abbildung 4.3-1). Wellengeometrien,
Zahnradpaare und Wälzlagerpaare werden in KISSsoft definiert und als geometri-
sche Information in Dateien hinterlegt (Seite 129, Abbildung 3.2-3; Seite 131,
Abschnitt 5.1, rechte Spalte, letzter Absatz). Die Erstellung detaillierter Berech-
nungsberichte (Seite 136, linke Spalte, letztes Aufzählungszeichen) setzt das Vor-
handensein formaler Daten voraus, die festlegen, in welcher Form ein erstellter
Berechnungsbericht ausgegeben werden soll, z. B. in Gestalt einer Zusammen-
fassung der Berechnung oder aber in Gestalt eines Gesamtberichts (Seite 136,
Abbildung 6.2-3).
D1´
(Seite 130, linke Spalte, letztes Aufzählungszeichen), was wiederum mit einer Vor-
gabe von Toleranzgrößen, d. h. zulässigen Abweichungen verbunden ist.
- 13 -
D1´
Zahnformberechnungen die zulässige Formabweichung bereits in der Berechnung
mit KISSsoft implementiert ist (Seite 138, rechte Spalte, erster Absatz). Weil das
Programm KISSsoft der sicheren Auslegung, Optimierung und Nachrechnung von
Maschinenelementen dienen soll (Seite 130, Abschnitt 4.2, rechte Spalte, erster
Absatz u. a.), ist es aus Sicht des Fachmannes selbstverständlich, dass analyti-
sche und numerische Lösungsansätze, z. B. technische Formeln oder algorithmi-
sche Lösungsverfahren inklusive deren Anwendungsvorschriften, wie etwa Rand-
bedingungen bereitgestellt werden müssen. Da KISSsys eine beliebige Anzahl an
KISSsoft Berechnungen zusammenfassen kann, um aus einzelnen Maschinenele-
menten ein ganzes System abzubilden (Seite 128, rechte Spalte, zweites Aufzäh-
lungszeichen), kann außerdem von der Implementierung synthetischer Lösungs-
ansätze bzw. Berechnungsformalismen ausgegangen werden, die die Festlegung
der Konstruktionsparameter und das Zusammenfügen von Einzelberechnungen zu
D1´
alle Kräfte, Momente und Wälzleistungen aus der Kinematik und übergibt diese
Belastungsdaten an KISSsoft (Seite 131, Abschnitt 4.3, linke Spalte, vorletzter
Absatz). Nach fachmännischem Verständnis handelt es sich bei den Belastungs-
daten um kinetische Daten, die die Bewegung der Maschinenelemente unter der
Einwirkung von Kräften beschreiben.
Die oben aufgezählten Daten, z. B. die in Bibliotheken zusammengefassten Be-
rechnungsmodelle (Seite 134, Abschnitt 6.1
– Seite 135, linke Spalte, erster Ab-
satz) oder die in Tabellen enthaltenen Eingabeparameter für Zahnrad- und Lager-
berechnungen (Seite 131, Abbildung 4.3-1) noch in Datenbanken geordnet abzu-
legen, ist aus fachmännischer Sicht zur Schaffung einer Wissensbasis unerläss-
(a)
D1´
beauslegung und Nachrechnung bzw. die hierfür notwendigen Lösungsansätze
auf der Recheneinheit eines Datenverarbeitungssystems ausgeführt werden. Aus
- 14 -
fachmännischer Sicht beinhalten die in der Druckschrift genannten Toleranzanaly-
sen (Seite 130, linke Spalte) zwangsläufig auch einen Vergleich der erzielten Re-
sultate mit vorgegebenen Toleranzgrenzen sowie eine entsprechende Bewertung
(b)
D1´
erte, graphische Benutzeroberfläche zur Expertenkonfiguration von KISSsoft an,
über die Daten eingegeben (Seite 128, Abbildung 3.2-2; Seite 129 Abbil-
dung 3.2-3) und Ergebnisse von Berechnungen ausgegeben werden können
(c)
D1´
Des Weiteren besitzt KISSsoft Schnittstellen zu den gängigen CAD Systemen
(Seite 138, Abschnitt 7.1, linke Spalte), die im Allgemeinen auf anderen Datenver-
(d)
D1´
der Konstruktionsparameter von Maschinenelementen in der Getriebeauslegung
als auch die Analyse parametrisierter Getriebe, die unter Zusammenführung ent-
sprechender Berechnungsmodelle mit weiteren Daten, z. B. Verzahnungsdaten,
Wellengeometrien und Lagertypen erfolgt (Seite 130, Abschnitt 4.2, erster Absatz;
Seite 134, Abschnitt 6.1
– Seite 135, linke Spalte, erster Absatz – teilweise Merk-
(f1)
D1´
Für die Berechnungen und Dateneingabe greift KISSsys (und das auf KISSsys
basierende Produkt GPK) auf KISSsoft zurück. Bestehende KISSsoft Dateien
können direkt aufgerufen werden, so dass kinetische, stoffliche und geometrische
Daten geladen werden können (Seite 137, linke Spalte, zweites Aufzählungszei-
chen). Die kinematischen Daten des Getriebes sind bereits durch das zugrunde-
liegende Berechnungsmodell vorgegeben (Seite 134-135, Abschnitt 6.1). Die Aus-
- 15 -
wahl und der Aufruf der KISSsoft Dateien erfolgt über die graphische Benutzer-
schnittstelle, z. B. mittels der in Abbildung 5.1-1 dargestellten Baumstruktur (Merk-
(f2)
Um einen aussagekräftigen Vergleich verschiedener Varianten eines Entwurfs zu
ermöglichen (Seite 130, Abschnitt 4.2), ist es zwingend erforderlich, dass die
erzeugten KISSsoft Dateien, je nach Getriebeart, jederzeit vervollständigt bzw.
(f3)
D1´
Vorschläge für Berechnungsmodelle zur Auslegung von Getrieben und ermöglicht
ihm die Auswahl eines Modells über die Benutzerschnittstelle (Seiten 134-135,
Abschnitt 6.1, Abbildung 5.3-1; Seiten 137-138, Abbildung 6.3-1
(e1)
(e2)
Kundenspezifische Randbedingungen und Belastungsdaten können in das aus-
gewählte Berechnungsmodell eingegeben werden (Seite 135, Abschnitt 6.2, zwei-
ter Absatz; Seite 136, linke Spalte, erstes Aufzählungszeichen
(e3)
Das ausgewählte Berechnungsmodell, welches die Kinematik des Getriebes vor-
gibt, wird mit den eingegebenen Daten komplettiert und das Getriebe wird für Be-
rechnungen, also für eine weitere Verarbeitung zur Verfügung gestellt (Seite 135,
linke Spalte, erster Absatz). Insbesondere werden Sicherheitsfaktoren, Lebens-
dauern und Einzelschädigungen ermittelt (Seite 131, Abschnitt 4.3, linke Spalte).
Außerdem ermöglicht KISSsoft Toleranzanalysen, d. h. den Vergleich berechneter
Werte für getrieberelevante Größen mit tolerierbaren Abweichungen (Seite 130,
(g)
KISSsys hat die Funktionalität, sämtliche Kräfte, Momente und Wälzleistungen
aus der Kinematik zu berechnen (Seite 131, Abschnitt 4.3). Nach fachmännischem
Verständnis sind damit ebenso Kräfte und Drehmomente innerhalb des Bauteils
- 16 -
gemeint (Schnittkräfte), die das Bauteil entgegen den äußeren Einwirkungen auf-
bringen muss, um nicht beschädigt zu werden oder gar zu brechen. Weiterhin
erlaubt KISSsoft eine Bewertung örtlicher Spannungen (Seite 130, linke Spalte,
letztes Aufzählungszeichen), was eine Bestimmung innerer Kraftgrößen voraus-
(h)
Für Auswertungen werden die berechneten Daten an der Benutzerschnittstelle
entweder in tabellarischer Form (Seite 131, Abschnitt 4.3, linke Spalte) oder als
Graphik dargestellt (Seite 128, Abbildung 3.2-2; Seite 130, Abbildung 4.1-1
– teil-
(i)
D1´
(i)
Nach Abschluss der Berechnungen übernimmt KISSsys noch die Erstellung einer
Dokumentation, in der sämtliche Berechnungen dokumentiert sind. Insbesondere
werden übersichtliche Graphiken zur Kollisionsprüfung und Dokumentation er-
zeugt (Seite 136; Seite 137, Abbildung 6.2-4). Der Benutzer kann wenigstens aus
zwei Berichtsvarianten auswählen, die auf unterschiedlichen Darstellungsforma-
ten, also formalen Vorgaben beruhen (Seite 136, linke Spalte, drittes Aufzählungs-
zeichen). Aus einer solchen automatischen Dokumentation, die z. B. Festigkeits-
nachweise für das komplette Getriebe enthält (Seite 131, linke Spalte, oben), sind
immer auch Informationen zu Herstellungs- und Betriebsbedingungen bzw.
D1´
ten Dokumentationen an der Benutzerschnittstelle ausgegeben und können mit
Hilfe eines Editors bearbeitet werden (Seite 136, Abbildung 6.2-3
(k)
(j)
weichungen der relevanten Größen, z. B. aller Sicherheitsfaktoren in zulässigen
D1´
- 17 -
2.3
Die Würdigung dieses Materials aus dem Stand der Technik ergibt, dass
der mit dem Patentanspruch 1 beanspruchte Gegenstand mit all seinen Merkma-
len für den Fachmann nahegelegen hat. Dies gilt selbst dann, wenn der Prüfung
der gesamte Patentanspruch mit allen seinen Merkmalen zugrunde gelegt wird.
Damit kann dahingestellt bleiben, ob der beanspruchte Gegenstand gemäß § 1
Abs. 3 i. V. m. Abs. 4 PatG vom Patentschutz ausgeschlossen ist, und ob der
Patentanspruch 1 Merkmale enthält, die nicht die Lösung eines technischen Prob-
lems mit technischen Mitteln bestimmen oder beeinflussen und somit bei der Prü-
fung der erfinderischen Tätigkeit nicht zu berücksichtigen sind (
).
D1´
elementesoftware KISSsoft die einfachen Nachrechnungen als auch die aufwän-
digeren Auslegungen und Optimierungen abdeckt (Seite 128, Abschnitt 3.2, linke
Spalte, erstes Aufzählungszeichen; Seite 141, Abschnitt 8.3, zweiter Absatz),
hatte der Fachmann Veranlassung, die Getriebeauslegung bzw. die Ermittlung
relevanter Größen, wie Lebensdauern oder Sicherheitsfaktoren für eine Mehrzahl
von Eingabeparametern in einem iterativen Prozess durchzuführen, bis die opti-
male Beschaffenheit eines Getriebetyps erreicht ist und Lebensdauern und Sicher-
heitsfaktoren in einem akzeptablen Bereich liegen. Dass dem Fachmann rekursive
Berechnungen zur Getriebeauslegung bereits vor dem Anmeldetag der vorliegen-
D2
entnehmbar, in der eine Parametervariation in KISSsys programmiert wird (Sei-
(j)
bestrebt ist, die Resultate komplexer Getriebeauslegungen und Nachrechnungen
relativ zu Normen zu bewerten, lag es für ihn auf der Hand, zulässige Abweichun-
gen bzw. Toleranzen für Lebensdauern oder Bauteilsicherheit in graphischen Dar-
stellungen mit zu berücksichtigen, um so eine effektive Analyse zu unterstützen
(i)
- 18 -
D1´
ten Programme zur Getriebeauslegung und Nachrechnung beschränkten sich
ausschließlich auf eine Analyse der Maschinenelemente und enthielten daher
auch keine Synthese. Bei den durchgeführten Analysen handle es sich um Nach-
weise aus dem Maschinenbau, wie z. B. Verformungsnachweise, wobei die zu-
grundeliegenden Berechnungen auf vorgegebenen Parametern beruhten. Zwar
liefere KISSsoft für die jeweils gewählten Parameter gewöhnlich immer Ergeb-
nisse für Maschinenelemente, jedoch sei nicht sichergestellt, dass diese auch feh-
lerfrei funktionierten. Im Gegensatz hierzu sei erst durch die beanspruchte Iterati-
onsfolge aus Synthese und Analyse gewährleistet, dass für die von Kunden ge-
wünschten Parameter nur Lösungen, z. B. Zahnradgeometrien ermittelt würden,
die den gestellten Erwartungen genügten.
Dem Einwand des Anmelders kann nicht gefolgt werden. Zwar ist der Druck-
D1´
men. Jedoch wird auf Seite 128 (rechte Spalte, erstes Aufzählungszeichen) in Ver-
D1´
führt, dass die bekannte Maschinenelementesoftware als Expertensystem imple-
mentiert ist, das zu einer vorgegebenen Problemstellung Lösungen, d. h. ein
Design eines Maschinenelementes vorschlägt und dadurch den Benutzer schon in
der Auslegephase unterstützt. Demnach steht die Software KISSsoft nicht nur für
die Analyse der verschiedenen Maschinenelemente, wie z. B. Festigkeits- und
Lebensdauerberechnungen zur Verfügung (Seite 130, rechte Spalte, zweiter
Absatz), sondern sie ermöglicht als Expertensystem gleichzeitig eine quantitative
Festlegung aller Konstruktionsparameter, also eine Synthese. Der Einwand des
D1´
genstände, greift insoweit nicht durch.
Nach allem waren für den Fachmann lediglich fachübliche Überlegungen erforder-
D1´
Merkmalen des Patentanspruchs 1 zu gelangen.
- 19 -
3.
Mit dem Patentanspruch 1 fallen auch die jeweiligen übrigen Patentansprü-
che, da über einen Antrag nur einheitlich entschieden werden kann (
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das
Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht
1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes
kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abge-
lehnt war,
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er
nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat,
5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschrif-
ten über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlus-
ses beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim
Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich
einzulegen.
Dr. Morawek
Eder
Dr. Thum-Rung
Dr. Forkel
Fa