Urteil des BPatG vom 07.10.2014

Stand der Technik, Patentanspruch, Vorbenutzung, Zeichnung

BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
15 W (pat) 5/13
_______________________
(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend das Patent 103 57 435
- 2 -
hat der 15. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
7. Oktober 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Feuerlein sowie
der Richter Kätker, Dr. Lange und Dr. Freudenreich
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Auf die am 4. Dezember 2003 beim Deutschen Patent- und Markenamt einge-
reichte Patentanmeldung, welche die österreichische Unionspriorität AT 7/03 vom
3. Januar 2003 in Anspruch nimmt, ist das Patent DE 103 57 435 B4 mit der Be-
zeichnung
“Vorrichtung zum Transportieren und Kühlen eines Metallstranges“
erteilt worden. Die Erteilung ist am 4. September 2008 veröffentlicht worden.
- 3 -
Der Patentanspruch 1 des erteilten Streitpatents hat folgenden Wortlaut:
Dem schließen sich die Unteransprüche 2 bis 8 an, zu deren Wortlaut auf die Pa-
tentschrift verwiesen wird.
Gegen das Patent ist von der Beschwerdeführerin Einspruch erhoben worden.
Die Einsprechende hat ihr Vorbringen hierbei auf folgende Druckschriften gestützt:
A1
Eidesstattliche
Versicherung
von
Herrn
R…
vom
4. Dezember 2008, 3 Seiten.
A1a
A1
A2
Zeichnung 20454816, 5 Seiten.
A2a
Liste der Untergruppen “Tunnelkühlkammer”, eine Seite.
A3
Zeichnungen 20454817-20454820, 4 Seiten.
A3a
A3
A4
Zeichnung 20413082, 6 Seiten.
A4a
Liste der Baugruppen, Stamm-Nr. Z 20413082, 5 Seiten.
A5
Contract Agreement, 1/32
– 8/32, 2000.
- 4 -
A6
Contract Specification, 3 Seiten, 2000.
A8
Transmittal list, Deckblatt und Seiten 12/46, 13/46 und 14/46,
A9
Transmittal list, Deckblatt und Seiten 13/23, 14/23 und 15/23,
A10
US 3 946 797
A11
DE 27 57 694 A1
A12
DE 1 758 711
A13
DE 25 07 971 A1
A14
DE 26 36 666 C2
Die Beschwerdeführerin hat im fristgerecht eingelegten und auch im Übrigen zu-
lässigen Einspruch beantragt, das angegriffene Patent gemäß §§ 59, 21(1) Nr. 1
i. V. m. §§ 1, 3, 4 PatG wegen mangelnder Neuheit und mangelnder erfinderischer
Tätigkeit in vollem Umfang zu widerrufen. Zur fehlenden Neuheit hat sie eine Vor-
benutzung des beanspruchten Gegenstands geltend gemacht.
Die Beschwerdeführerin hat zudem die Ansicht vertreten, dass der Gegenstand
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einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
Die Beschwerdegegnerin hat der Beschwerdeführerin in allen Punkten widerspro-
chen. Nach ihrer Ansicht sei der Einspruch der Beschwerdeführerin nicht in aus-
reichendem Maße substantiiert worden, womit das in § 59 (1) Sätze 4 und 5 PatG
bestimmte Zulässigkeitserfordernis der Substantiierung nicht erfüllt sei. Auch fehle
es dem Gegenstand des angegriffenen Patents gegenüber der geltend gemachten
Vorbenutzung nicht an der erforderlichen Neuheit und er beruhe darüber hinaus
auf einer erfinderischen Tätigkeit.
- 5 -
Die Patentabteilung 24 hat mit Beschluss vom 28. November 2012 das angegrif-
fene Patent im erteilten Umfang aufrechterhalten, da der Einspruch zulässig, in
der Sache jedoch nicht begründet sei.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Einsprechenden mit
Schriftsatz vom 2. Januar 2013. Sie beantragt
- das Patent zu widerrufen.
Mit Schriftsatz vom 27. August 2013 hat sie den Antrag auf Anberaumung eines
Termins zur mündlichen Verhandlung zurückgenommen und um Entscheidung
nach Aktenlage gebeten.
Von einer Beschwerdebegründung hat sie abgesehen.
Die Patentinhaberin und Beschwerdegegnerin hat mit Schriftsatz vom
18. Juli 2013 beantragt,
- die Beschwerde zurückzuweisen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
1
gen zulässig (PatG § 73). Das Streitpatent erfüllt die Voraussetzungen für die Auf-
rechterhaltung im erteilten Umfang. Die Beschwerde hat daher keinen Erfolg.
- 6 -
2
dere Kenntnisse auf dem Gebiet des Metallgusses und der Ausgestaltung hütten-
männischer Anlagen aufweist und aufgrund seiner Ausbildung und langjährigen
Berufserfahrung mit dem Problem der Kühlung von Metallsträngen vertraut ist.
3
M1
“Vorrichtung zum Transportieren und Kühlen eines Metallstran-
ges (6),
M1a
M2
einem Rollengerüst (8) abgestützt sind und
M3
Stützkonstruktion (24) des Rollengerüstes geschlossen ausgebildet ist und
M4
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dadurch gekennzeichnet, dass
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positioniert ist und
M7
Durchtrittsöffnung (22) für das aus der Spritzdüse austretende Kühlmittel
angeordnet ist.“
4.
sprünglich eingereichten Patentansprüchen übereinstimmen.
- 7 -
5.
Eine offenkundige Vorbenutzung, wie sie ursprünglich von der Beschwerdeführe-
rin geltend gemacht wurde, steht dem beanspruchten Gegenstand des angegriffe-
nen Patents nicht neuheitsschädlich entgegen. Ausweislich des Tatbestands der
angefochtenen Entscheidung hat die Beschwerdeführerin in der Anhörung am
17. Oktober 2010 erklärt, den Antrag auf Widerruf des Patents gestützt auf offen-
kundige Vorbenutzung nicht weiterzuverfolgen, weil die in der Anhörung vorgetra-
genen erheblichen Bedenken zur Offenkundigkeit der Vorbenutzung nicht auszu-
räumen wären (Beschluss der Patentabteilung vom 28. November 2012, Brücken-
absatz auf den Seiten 2 und 3). Unter diesen Umständen hat der Senat im Hin-
blick auf die Mitwirkungspflichten der Beteiligten bei der Geltendmachung einer
offenkundigen Vorbenutzung auch keine Veranlassung der Frage der angeblichen
Vorbenutzung weiter nachzugehen (vgl. a. Schulte, Patentgesetz, 9. Aufl., § 59,
R. 208).
Der Gegenstand des angegriffenen Patents ist auch neu gegenüber jeder der
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mäß Anspruch 1 mit einer außerhalb der Kühlkammer positionierten Spritzdüse
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6.
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erfinderischen Tätigkeit.
In der Patentschrift ist zum Stand der Technik, vgl. u.a. die Druckschriften
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kannt sei, im Bereich der Strangführungsrollen Kühlkammern anzuordnen und ein
Kühlmedium in zerstäubter Form innerhalb dieser Kühlkammern mittels Zweistoff-
- 8 -
düsen einzubringen. Das weitgehend gleichmäßig verteilte Kühlmedium ermög-
licht eine gleichmäßige Kühlung der Strangoberfläche durch Aufnahme der vom
gegossenen Metallstrang emittierten Strahlungsenergie und zusätzlich eine Rol-
lenkühlung. Allerdings weist diese Lösung den Nachteil auf, dass die innerhalb der
Kühlkammer angeordneten Sprühdüsen ihrerseits einer hohen thermischen Be-
lastung durch die Strahlungswärme und einer Verschmutzung durch von der
Strangoberfläche abplatzenden Zunder ausgesetzt sind. Dadurch kommt es zu
Ausfällen der Spritzdüsen, zumindest jedoch zu einer Beeinträchtigung des
Spritzbildes und damit einer ungleichmäßigen Strangkühlung durch Veränderun-
gen an der Düsenaustrittsöffnung (Patentschrift: Absatz [0003]).
Vor diesem Hintergrund besteht die zu lösende Aufgabe darin, eine Vorrichtung
zum Transportieren und Kühlen eines Metallstranges vorzuschlagen, bei der eine
gleichmäßige Einbringung von Kühlmittel in eine Kühlkammer nahe der heißen
Metallstrangoberfläche über einen langen Betriebszeitraum sicher gewährleistet
ist. Des Weiteren sollen die Spritzdüsen an einer für Wartungs- und Montagear-
beiten leicht zugänglichen Stelle angeordnet sein (Patentschrift: Absatz [0004]).
Diese Aufgaben werden nach Absatz [0005] der Patentschrift durch die konstrukti-
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spruchs 1 bilden.
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M1
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offen und zur Stützkonstruktion des Rollengerüstes geschlossen ausgebildet ist
A10
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M4
- 9 -
A10
M5
M6
A10
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gur 1 Bezugszeichen 32 i
m ‚compartment‘ 20 in Verbindung mit Beschreibung,
Spalte 4, Zeilen 54 bis 57). Weitere Hinweise zur Positionierung der Spritzdüsen
sind dieser Druckschrift nicht zu entnehmen.
A12
M2
Brückenabsatz Seiten 7 bis 8 und Seite 8, letzter Absatz sowie Figuren 1 und 3)
M5
A12
richtungen und Antriebe von Stütz- und Führungselementen, die innerhalb der
Kühlkammer angebracht sind, aufgrund der hohen Wärmestrahlung sowie der kor-
rodierenden Wirkung des Kühlmittels hohen Belastungen ausgesetzt und durch
die Anordnung innerhalb der Kühlkammer für Reparaturen schwer zugänglich sind
A12
gen, diese störungsanfälligen Bauteile außerhalb der platzsparend gestalteten
A12
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vorletzter Satz). In der schematischen Darstellung der Figur 1 in der Druckschrift
A12
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- 10 -
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Kühlkammer keine Angaben und kann damit diesbezüglich ebenso wenig Anre-
A13
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ist eine Kühlkammer beschrieben, so dass diese Druckschriften ebenso wie die
weiteren, als Stand der Technik ferner liegenden Druckschriften, keine Anregun-
gen zur Positionierung der Spritzdüse oder gar zum Einbringen einer Durchtritts-
öffnung geben können.
Somit entnimmt der Fachmann dem ausgewiesenen Stand der Technik weder für
sich noch in Kombination die Anregung, die mindestens eine Spritzdüse außerhalb
M6
eine der Spritzdüse zugeordnete Durchtrittsöffnung für das aus der Spritzdüse
M7
vorteilhaft eine geringe thermische Belastung und eine geringe Verschmutzung
der Sprühdüsen erreicht. Damit beruht der erteilte Patentanspruch 1 auch auf ei-
ner erfinderischen Tätigkeit.
Mit dem Patentanspruch 1 sind auch die auf diesen abhängig rückbezogenen
Unteransprüche 2 bis 8 gewährbar, die vorteilhafte und nicht selbstverständliche
Ausgestaltungen des Gegenstandes nach Patentanspruch 1 betreffen.
III.
Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das
Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht
zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass
1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
- 11 -
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des
Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der
Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten
war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder still-
schweigend zugestimmt hat,
5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei
der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden
sind, oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlus-
ses beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim
Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich
einzulegen.
Feuerlein
Kätker
Lange
Freudenreich
Pr