Urteil des BPatG vom 21.05.2015

Stand der Technik, Holz, Patentanspruch, Wachs

BPatG 154
05.11
BUNDESPATENTGERICHT
15 W (pat) 18/13
_______________
(Aktenzeichen)
Verkündet am
21. Mai 2015
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend das Patent 10 2008 034 013
- 2 -
hat der 15. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 21. Mai 2015 unter Mitwirkung des Vorsitzenden
Richters Dr. Feuerlein sowie der Richter Heimen, Dr. Wismeth und
Dr. Freudenreich
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Einsprechenden wird der Beschluss der
Patentabteilung 1.43 vom 11. Juli 2013 aufgehoben und das Pa-
tent 10 2008 034 013 widerrufen.
G r ü n d e
I.
Auf die am 15. Juli 2008 eingereichte Patentanmeldung hat das Deutsche Patent-
und Markenamt das Patent mit der Bezeichnung
„Verwendung eines Holzersatzwerkstoff“
erteilt.
Veröffentlichungstag
der
Patenterteilung
in
Form
der
DE 10 2008 034 013 B4 ist der 28. April 2011.
Das Streitpatent umfasst 14 Patentansprüche, die folgenden Wortlaut haben:
1.
Verwendung eines Holzersatzwerkstoffs für holzgefasste
Stifte, insbesondere von Bleistiften, Farbstiften oder Kosme-
tikstiften, welche eine farbabgebende Mine und eine Hol-
zummantelung für die Mine aufweisen, wobei die Holzum-
mantelung durch eine Ummantelung aus dem Holzersatz-
werkstoff ersetzt wird, aus folgenden Bestandteilen:
15-30 Gew.-% mindestens eines polymeren Bindemittels,
- 3 -
50-80 Gew.-% mindestens eines organischen Füllstoffs,
0-20 Gew.-% mindestens eines anorganischen Füllstoffs,
0,5-5 Gew.-% mindestens eines Haftvermittlers,
1-30 Gew.-% mindestens eines Wachses,
0-10 Gew.-% mindestens eines Farbpigments, und
0-10 Gew.-% mindestens eines Additivs,
wobei der mindestens eine Haftvermittler eine chemische
Verbindung zwischen dem mindestens einen polymeren Bin-
demittel und dem mindestens einen organischen Füllstoff
ausbildet, wobei der mindestens eine Haftvermittler durch ein
Polyethylen (PE) mit aufgepfropftem Maleinsäureanhydrid
gebildet ist, oder der mindestens eine Haftvermittler durch
ein Polypropylen (PP) mit aufgepfropften Maleinsäureanhyd-
rid gebildet ist wobei das mindestens eine polymere Binde-
mittel aus der Gruppe der Polyolefine ausgewählt ist, wobei
das mindestens eine Wachs aus einer Kombination von
Amidwachs und Stearinsäure gebildet ist, wobei ein Verhält-
nis von Amidwachs zu Stearinsäure im Bereich von 1:0,5 bis
1:2 liegt. wobei ein Verhältnis zwischen dem mindestens ei-
nen Haftvermittler und dem mindestens einen Wachs im Be-
reich von 1:2 bis 1:6 ausgebildet ist, wobei der mindestens
eine organische Füllstoff aus Holz und/oder Cellulose gebil-
det ist und wobei eine Summe aus organischem und anor-
ganischem Füllstoff maximal 80 Gew.-% beträgt.
2.
Verwendung eines Holzersatzwerkstoffs nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet, dass das Verhältnis zwischen dem
mindestens einen Haftvermittler und dem mindestens einen
Wachs im Bereich von 1:2,5 bis 1:4,5 ausgebildet ist
3.
Verwendung eines Holzersatzwerkstoffs nach Anspruch 1
oder Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, dass
20-25 Gew.-% mindestens eines polymeren Bindemittels,
65-75 Gew.-% mindestens eines organischen Füllstoffs,
1-5 Gew.-% mindestens eines anorganischen Füllstoffs,
1-2 Gew.-% mindestens eines Haftvermittlers,
2-12 Gew.-% mindestens eines Wachses,
1-4 Gew.-% mindestens eines Farbpigments, und
0-5 Gew.-% mindestens eines Additivs
enthalten sind.
4.
Verwendung eines Holzersatzwerkstoffs nach Anspruch 1
oder 3, dadurch gekennzeichnet, dass das mindestens eine
polymere Bindemittel aus Polyethylen (PE) und/oder Polyp-
ropylen (PP) gebildet ist.
- 4 -
5.
Verwendung eines Holzersatzwerkstoffs nach Anspruch 4,
dadurch gekennzeichnet, dass das mindestens eine poly-
mere Bindemittel aus Polyethylen High Density (PE-HD) ge-
bildet ist.
6.
Verwendung eines Holzersatzwerkstoffs nach mindestens ei-
nem der vorstehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet,
dass der mindestens eine Haftvermittler durch ein Ethylen
Maleinsäureanhydrid Copolymer (mit Maleinsäureanhydrid
gegraftetes Metallocen-Polyethylenwachs) gebildet ist.
7.
Verwendung eines Holzersatzwerkstoffs nach Anspruch 1
oder 3, dadurch gekennzeichnet, dass der mindestens eine
organische Füllstoff aus Füllstoffpartikeln mit einer maxima-
len Partikelgröße von 250 µm, insbesondere von maximal
100 µm, gebildet ist.
8.
Verwendung eines Holzersatzwerkstoffs nach einem der An-
sprüche 1 bis 7, dadurch gekennzeichnet, dass der Holzer-
satzwerkstoff 1 bis 3 Gew.-% weißes Farbpigment enthält.
9.
Verwendung eines Holzersatzwerkstoffs nach Anspruch 8,
dadurch gekennzeichnet, dass das weißes Farbpigment aus
Titandioxid (TiO
2
) gebildet ist.
10. Verwendung eines Holzersatzwerkstoffs nach einem der An-
sprüche 1 bis 9, dadurch gekennzeichnet, dass der Holzer-
satzwerkstoff 0,1 bis 5 Gew.-% buntes Farbpigment enthält.
11. Verwendung eines Holzersatzwerkstoffs nach einem der An-
sprüche 1 bis 10, dadurch gekennzeichnet, dass das min-
destens eine anorganische Füllmittel aus der Gruppe der
Füllmittel umfassend Schichtsilikate, Kalziumsulfat, Kalzi-
umcarbonat, Bornitrid, Speckstein und Graphit gewählt ist.
12. Verwendung eines Holzersatzwerkstoffs nach einem der An-
sprüche 1 bis 11, dadurch gekennzeichnet, dass das min-
destens eine Additiv aus der Gruppe der Additive umfassend
Gleitmittel, Weichmacher, oberflächenaktive Substanzen,
thermische Stabilisatoren, UV-Stabilisatoren, gewählt ist.
13. Verwendung eines Holzersatzwerkstoffs nach einem der An-
sprüche 1 bis 12 zur Herstellung holzgefasster Stifte, welche
eine Mine aus Radiergummi-Material und eine Holzumman-
telung für die Mine aufweisen, wobei die Holzummantelung
- 5 -
durch eine Ummantelung aus dem Holzersatzwerkstoff er-
setzt wird.
14. Verwendung eines Holzersatzwerkstoffs nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet, dass die Ummantelung aus dem
Holzersatzwerkstoff durch Extrusion gebildet wird.
Gegen das Patent hat die Einsprechende mit Schriftsatz, eingegangen beim Deut-
schen Patent- und Markenamt am 21. Juli 2011, Einspruch erhoben. Sie hat be-
antragt, das Patent nach § 21 PatG wegen fehlender erfinderischer Tätigkeit zu
widerrufen. Mit Schriftsatz, eingegangen beim Deutschen Patent- und Markenamt
am 15. März 2012, hat sie zudem geltend gemacht, dass der Fachmann wegen
des Fehlens einer konkreten Rezeptur in der Patentschrift nicht in der Lage sei,
die Erfindung auszuführen.
Die Patentinhaberin hat dem Vorbringen der Einsprechenden in allen Punkten wi-
dersprochen und beantragt, den Einspruch als unbegründet zurückzuweisen.
Die Patentabteilung 1.43 hat in der Sitzung am 11. Juli 2013 beschlossen, das
Patent in vollem Umfang aufrechtzuerhalten. Gemäß ihrer Begründung vom
8. August 2013 sei die Erfindung so deutlich und vollständig offenbart, dass der
Fachmann sie ausführen könne, und bei ihrem Gegenstand seien sowohl Neuheit
als auch eine erfinderische Tätigkeit verwirklicht, weil für den zuständigen Fach-
mann im benannten Stand der Technik kein konkreter Hinweis vorhanden gewe-
sen sei, im Rahmen der Aufgabenstellung eine Kombination von Wachsen in Form
von Amidwachs mit Derivaten der Stearinsäure oder mit Stearinsäure zu entneh-
men, da die Thematik eines spanenden Materialabtrags wie beim Spitzen nicht
thematisiert werde.
Gegen diesen der Einsprechenden am 12. August 2013 zugestellten Beschluss
richtet sich ihre Beschwerde mit Schriftsatz, eingegangen beim Deutschen Patent-
und Markenamt am 11. September 2013.
- 6 -
Die Einsprechende beruft sich auf den folgenden schriftsätzlichen Stand der
Technik:
Mohammed
J.A.;
WOLCOTT,
Michael
P.:
Compatibilizer selection to improve mechanical and moisture proper-
ties of extruded wood-HDPE composites. In: Forest Products Jour-
nal, Vol. 57, 2007, No. 9, 11 Seiten, nicht nummeriert.
– ISSN 0015-
7473.
cellulosic fibers. I: The effect of additives on fiber dispersion and me-
chanical properties. In: Polymer Engineering & Science, Vol. 31,
1991, Iss. 18, S. 1358-1362.
D10 US 2002/0143083 A1
D11 The Effects of Various Additives on the Processing and Physical
Properties of Wood-Filled PVC. Baltimore, 5. Dezember 2000, [URL:
http://www.plastico.com/tp/formas/41760/2D-Woodfilled.pdf],
26 Seiten.
D12 Taschenbuch für Kunststoff-Additive. GÄCHTER, R. und MÜLLER,
H. [Hrsg.], Hanser, München 1989, Gleitmittel, S. 479-495.
Sie macht bei der beanspruchten Verwendung fehlende Patentfähigkeit gegen-
über den Druckschriften D1, D5 und D11 sowie gegenüber der D6 und der Kombi-
nation der D1 mit der D10 geltend.
- 7 -
Die Einsprechende beantragt in der mündlichen Verhandlung vom 21. Mai 2015,
den angefochtenen Beschluss der Patentabteilung 1.43 des Deut-
schen Patent- und Markenamtes vom 11. Juli 2013 aufzuheben
und das Patent 10 2008 034 013 zu widerrufen.
Die Patentinhaberin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass insbesondere die Kombination von Amid und Stearin-
säure als Lösung des Spagats zwischen Biegefestigkeit und Spitzbarkeit des Hol-
zersatzwerkstoffes die erfinderische Tätigkeit bei der beanspruchten Verwendung
des Holzersatzwerkstoffes trage, dass die erfindungsgemäße Lösung zudem nur
in den beanspruchten engen Grenzen der Verhältnisse von Haftvermittler und
Wachsen verwirklicht sei und dass dem Stand der Technik kein Hinweis auf den
Einsatz von freier Stearinsäure, die sich durch ihren niedrigen Schmelzpunkt aus-
zeichne, zu entnehmen sei. Die Lehre der Druckschrift D1 sei auf einen Stift mit
einer Traghülse gerichtet und unterscheide sich damit schon konstruktiv von dem
erfindungsgemäß verwendeten Holzersatzwerkstoff. Die Druckschrift D5 sei nur
auf die industrielle Anwendung von Holzersatzwerkstoffen gerichtet, weshalb sie
der Fachmann nicht mit der Lehre der Druckschrift D1 verknüpfen werde, da diese
wie das Streitpatent auf das Spitzen von Hand abgestellt sei.
Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt
der Akten verwiesen.
- 8 -
II.
1.
Die Beschwerde der Einsprechenden ist frist- und formgerecht eingelegt wor-
den und zulässig (§ 73 PatG).
Zudem ist auch die Voraussetzung für die Überprüfung des Patents im vorliegen-
den Einspruchsbeschwerdeverfahren erfüllt, denn der vorangegangene Einspruch
ist frist- und formgerecht eingelegt und mit Gründen versehen, wobei die Einspre-
chende in ihren Einspruchsschriftsätzen auch die für die Beurteilung der behaup-
teten Widerrufsgründe maßgeblichen tatsächlichen Umstände im Einzelnen so
dargelegt hat, dass ohne eigene Ermittlungen daraus abschließende Folgerungen
für das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines Widerrufsgrundes gezogen werden
können.
2.
Die Beschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und
zum Widerruf des Patents.
a.
Zuständiger Fachmann ist ein Diplomchemiker oder Chemie-Ingenieur mit
speziellen Kenntnissen polymerbasierter Verbundwerkstoffe, der über mehrjährige
Berufserfahrung auf dem Gebiet der Entwicklung und Verarbeitung extrudierbarer
Holzersatzwerkstoffe verfügt und ein vertieftes Fachwissen bezüglich deren spa-
nender Bearbeitung und deren Verwendung als Stiftumhüllung hat.
b.
Der geltende Patentanspruch 1 nach erteiltem Patent bezieht sich, in Merk-
male gegliedert, auf die
Verwendung eines Holzersatzwerkstoffs für holzgefasste Stifte, insbe-
sondere von Bleistiften, Farbstiften oder Kosmetikstiften, welche eine
farbabgebende Mine und eine Holzummantelung für die Mine aufweisen,
wobei die Holzummantelung durch eine Ummantelung aus dem Holzer-
satzwerkstoff ersetzt wird, aus folgenden Bestandteilen:
- 9 -
M1
mittel,
M2.1
Holz und/oder Cellulose,
M2.2
M2.3
maximal 80 Gew.-%,
M3.1
M3.2
oder ein Polypropylen (PP) mit jeweils aufgepfropftem Maleinsäu-
reanhydrid gebildet,
M3.3
dung zwischen dem mindestens einen polymeren Bindemittel und
dem mindestens einen organischen Füllstoff aus,
M4.1
M4.2
Amidwachs und Stearinsäure gebildet,
M4.3
von 1:0,5 bis 1:2,
M5
dem mindestens einen Wachs liegt im Bereich von 1:2 bis 1:6,
M6
M7
c.
Der Inhalt der Patentansprüche 1 bis 14 der Patentschrift geht nicht über den
Inhalt der Anmeldung hinaus, die beim Deutschen Patent- und Markenamt ur-
sprünglich eingereicht worden ist (§ 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG), denn die Merkmale des
Patentanspruchs 1 lassen sich auf die Patentansprüche 1, 6, 7, 10, 12 und 19 vom
Anmeldetag zurückführen, während sich die Merkmale der Unteransprüche 2 bis
14 in den ursprünglichen Patentansprüchen 2, 3, 8, 9, 11, 13 bis 18 und 20 bis 21
wiederfinden.
d.
Die Ausführbarkeit der Erfindung ist gegeben und wird von der Einsprechen-
den auch nicht mehr bestritten. Denn dem Streitpatent vom Anmeldetag sind alle
- 10 -
Angaben zu entnehmen, um dem Fachmann die Bereitstellung des anspruchsge-
mäß zu verwendenden Holzwerkstoffs zu ermöglichen. In der Anspruchsfassung
vom Anmeldetag finden sich sämtliche für den Werkstoff notwendigen Kompo-
nenten mit den einzusetzenden Mengenanteilen und Verhältnissen im Einzelnen
dargestellt (Ursprungsunterlagen: Patentansprüche 1 bis 18). Auch das Herstel-
lungsverfahren mittels Extrusion/Coextrusion ist angegeben (Ursprungsunterla-
gen: Patentanspruch 21 und Seite 10, dritt- und viertletzter Absatz). Der Ausführ-
barkeit läuft das Fehlen einer konkreten Angabe für das einzusetzende
Amidwachs nicht zuwider, da dem Fachmann Amidwachse bekannt sind, die er-
folgreich in Holzersatzwerkstoffen zum Einsatz gebracht werden und kommerziell
D5
D7
), dass eine Mischung von Zinkstearat mit N,N’-Ethylen-
bis-stearamid-Wachsen ein eingesetztes Schmiermittelsystem bildet
D5
D6
e.
Die Neuheit des Gegenstands nach Patentanspruch 1 ist von der
Einsprechenden nicht in Frage gestellt worden. Sie ist auch gegeben, da in keiner
der im Verfahren befindlichen Druckschriften die beanspruchte Verwendung mit
allen im Patentanspruch 1 im Einzelnen aufgeführten Merkmalen offenbart ist. Un-
abhängig von den Massenanteilen und jeweilig beanspruchten Verhältnissen zu-
einander ist insbesondere die beanspruchte Kombination des Haftvermittlers aus
M3.2
M4.2
vorliegenden Stand der Technik nicht neuheitsschädlich offenbart.
f.
Die beanspruchte Verwendung beruht jedoch nicht auf einer erfinderischen
Tätigkeit (§ 4 PatG).
Ausweislich der Beschreibung des erteilten Patentes in den Absätzen [0007],
[0009] und [0010] besteht die erfindungsgemäße Aufgabe darin, die Verwendung
- 11 -
eines spitzbaren Holzersatzwerkstoffs zur Umhüllung der Mine eines Stiftes anzu-
geben, der aufgrund hoher Festigkeitseigenschaften wie Biegefestigkeit oder Ab-
riebfestigkeit natürliches Holz ersetzt. Patentgemäß geeignete Holzersatzwerk-
stoffe weisen dabei ein so genanntes Spitzmoment von kleiner oder kleiner gleich
10 N*cm (DE 10 2008 034 013 B4: Absätze [0016] und [0026], rechte Spalte der
Tabelle), eine Biegebruchfestigkeit von mindestens 50 MPa und einen Elastizi-
tätsmodul von mindestens 5000 MPa (DE 10 2008 034 013 B4: Absatz [0018])
auf.
Vor der Aufgabe, einen Holzersatzwerkstoff mit den angegebenen physikalischen
Eigenschaften als Stiftumhüllung verwenden zu können, gerät die Druckschrift
DE 10 2006 046 491 A1 (D1) in das Blickfeld des Fachmanns, die bereits eine
Stiftummantelung aus einem Holzersatzwerkstoff beschreibt. Sie ist wie das
Streitpatent auf einen Schreib-, Zeichen-, Mal- und/oder Kosmetikstift mit einer
Minenhalterung in Form eines Holzersatzwerkstoffs gerichtet, der ein Spitzmoment
von 10 N*cm aufweist, welches damit im Bereich eines Stiftes mit einer Minenhal-
terung aus Holz liegt (D1: Patentansprüche 1, 16 und Absatz [0038], mittlere
Spalte der Tabelle). Auch hinsichtlich Biegebruchfestigkeit und E-Modul erfüllt der
dort beschriebene Holzersatzwerkstoff mit 60 MPa und 5900 MPa (D1: Ab-
satz [0038], mittlere Spalte der Tabelle) bereits die streitpatentgemäß geforderten
Kenngrößen. Er besteht bezüglich der Hauptkomponenten aus zumindest einem
Polymer oder Polymergemisch wie Polyolefinen (D1: Absatz [0050] und Ab-
M1
mindestens einem organischen Füllstoff wie Holzfasern und/oder einem anorgani-
schen Füllstoff in Anteilen von 50 bis 80 Gew.-% (D1: Absätze [0050] und [0051]
M2.1
ben Polyolefine als Bindemittel und der hydrophilen Holz- oder Cellulose-Naturfa-
ser enthalten solche Verbundwerkstoffe zwingend ein reaktives Kupplungsmittel
als Haftvermittler, der mit den Hydroxylgruppen der Holz- oder Cellulosefasern
unter Esterbildung reagiert und mit den Polyolefinen über van-der-Waals-Kräfte
wechselwirkt. In der Druckschrift D1 wirkt ein Maleinsäureanhydrid-gepfropftes
- 12 -
Polymer als Haftvermittler, das beispielsweise in einem Anteil von 5 Gew.-% zu-
gesetzt wird (D1: Absätze [0034] und [0037]: Holzersatzwerkstoffs-Umhüllung;
M3.1
einem im Beispiel beschriebenen Anteil von 5 Gew.-% (D1: Absatz [0034]: Holzer-
M4.1
werkstoffs wird in der Druckschrift D1 nahe gelegt (D1: Absatz [0044]; Merkmal
M6
Die Druckschrift D1 beschreibt somit bereits einen Holzwerkstoff als Stiftumman-
telung, dessen physikalische Eigenschaften denen von natürlichem Holz entspre-
chen (D1: Tabelle im Absatz [0038]). Gleichermaßen wird durch die Druckschrift
D1 belegt, dass auch bei einem Verhältnis von Haftvermittler zu Wachs von 1:1
und damit außerhalb des streitpatentgemäß geforderten Verhältnisses von 1:2 bis
M5
Absätze [0034] und [0038]).
Dem Fachmann wird nach der Lehre der Druckschrift D1 ebenso wie beim Streit-
patent vom Anmeldetag freie Hand bei der Auswahl der Wachse gelassen (D1:
Absatz [0034]; Ursprungsunterlagen des Streitpatents, Patentansprüche 1 und 4).
Somit beschränkt sich die Aufgabe des Fachmanns lediglich auf einen alternativ
als Stiftumhüllung verwendbaren Holzwerkstoff.
Dass Holzersatzwerkstoffe mit dem Ziel entwickelt wurden, einen Ersatz für natür-
liches Holz zu bilden, bedarf keiner weiteren Erläuterung. Selbst wenn bereits in
den Unterlagen des Streitpatents vom Anmeldetag ausgeführt ist, dass Holzer-
satzwerkstoffe aus dem Stand der Technik nicht oder nur eingeschränkt für den
Ersatz von Holz bei holzgefassten Stiften geeignet seien (Offenlegungsschrift: Ab-
satz [0009], Anmeldeunterlagen: Seite 3, zweiter Absatz), wird sich der Fachmann
auf der Suche nach als Stiftumhüllung geeigneten alternativen Holzersatzwerk-
stoffen an der in der Druckschrift D1 gelehrten Zusammensetzung orientieren und
sich unabhängig von einer angegebenen Verwendung solchen Holzersatzwerk-
- 13 -
stoffen zuwenden, bei denen die Basiskomponenten Polyolefin als Bindemittel
M1
M3
schrift D1 als vorteilhaft beschriebenen Mengen verwirklicht sind, da er dann mit
vergleichbaren physikalischen Eigenschaften rechnen kann.
Ein Holzersatzwerkstoff, der mit der Zusammensetzung, wie sie in der Druckschrift
D1 beschrieben ist, ohne Einschränkung vergleichbar ist, findet sich in der dem
Fachmann beachtlichen Druckschrift US 2007/0213238 A1 (D5). Das in der
Druckschrift D5 beschriebene Holzersatzmaterial kann wie natürliches Holz bear-
beitet werden, ist schneidbar und damit auch spitzbar (D5: Absatz [0005]). In be-
reits bevorzugter Ausgestaltung enthält die dort gelehrte Zusammensetzung ther-
moplastische Polyolefine wie Polyethylen, Polypropylen in Anteilen von 80 bis 20
M1
Material wie Holzmehl oder Holzfaser in Anteilen von 20 bis 80 Gew.-% (D5: Ab-
M2.1
Absatz
[0080]; Komponente (f): „pumice“, in Anteilen von 0,25 bis 1,5 Gew.-%;
M2.2
lymer wie Maleinsäure-gepfropftes PE oder PP in einem Anteil von 0,5 bis 5
M3.1
M3.1
damit in einem für den Fachmann üblichen Bereich. Gleichermaßen wird auch die
M3.2
üblicherweise zum Einsatz gebracht. Optional können farbgebende Substanzen
wie Pigmente und weitere Additive in der Zusammensetzung vorhanden sein (D5:
M6
Wie oben ausgeführt, führen auch Verhältnisse von Haftvermittler und Wachs, die
M5
zu Holzersatzwerkstoffen mit den gewünschten physikalischen Eigenschaften. In
der Druckschrift D5 wird jedoch auch das erfindungsgemäß beanspruchte Ver-
- 14 -
hältnis von Haftvermittler zu Wachs von 1:2 bis 1:6 als bevorzugt angegeben, da
der Anteil an Haftvermittler 0,5 bis 5 Gew.-% (D5: Absatz [0080], Komponente
(e)), der Anteil an Amidwachs 1 bis 5 Gew.-% (D5: Absatz [0080], Summe der
Komponenten (a) und (b)) und der optionale Anteil weiterer Wachse 0 bis 1
Gew.-% (D5: Absatz [0080], Komponente (g)) beträgt. Somit ergibt sich bereits
über die Untergrenzen der angegebenen Bereiche ein Verhältnis von 1:2
M5
Hinsichtlich einzusetzender Wachse lehrt die Druckschrift D5, dass bei einer
extrudierenden Verarbeitung von Holzersatzwerkstoffen mit Polyolefinen als Bin-
demittel (vgl. DE 10 2008 034 013 B4: Patentanspruch 14) Schmiermittel (Gleit-
mittel) notwendig sind, um eine gleichmäßige Extrusionsrate zu erzielen (D5: Ab-
sätze [0010] und [0015]). Nach der Beschreibung des Streitpatents vom Anmel-
detag ist der Fachmann ebenso frei in der Wahl geeigneter Wachse wie nach der
Druckschrift D1. Die Druckschrift D5 weist den Fachmann jedoch darauf hin, dass
die üblicherweise in Cellulose-Thermoplast-Verbundwerkstoffen als Schmiermittel
verwendete Kombination aus Zinkstearat und N,N’-Ethylen-bis-stearamid-Wachs
mit dem
– notwendigen – Haftvermittler auf MSA-gepfropfter Polymer-Basis unter
Öffnung des Anhydridrings und Komplexierung der resultierenden Säure als Salz
interagiert, so dass sein Einfluss auf die physikalischen Eigenschaften des Werk-
stoffs unter der Erwartung bleibt (D5: Absätze [0017] und [0067] sowie Patentan-
spruch 1). Sie legt dem Fachmann als Lösung dieses Problems ein Schmiermittel-
system auf Basis bestimmter Fettsäureamide nahe, denen optional weitere
Schmiermittel zugesetzt werden können (D5: Absatz [0003] und Patentan-
M4.2
werden in der Druckschrift D5 Wachse beliebiger Polarität wie PE- und Paraffin-
wachse, Alkalistearate, Erdalkalistearate wie Calcium- oder Magnesiumstearate,
nichtmetallische Stearate und verschiedene Stearinsäureester (D5: Ab-
sätze [0016] und [0058]) beschrieben und ausdrücklich auf den Einsatz auch an-
derer Schmiermittel hingewiesen (D5: Patentanspruch 1 und Absatz
[0058]: „but
not limited to“). Der Fachmann ist daher veranlasst, den in der Druckschrift D5 als
- 15 -
vorteilhaft geschilderten Amidwachsen als weitere Schmiermittel beliebige metall-
freie Wachse zuzusetzen.
Ihm aufgrund seines Fachwissens geläufige Gleitmittel finden sich im „Taschen-
buch der Kunststoff-
Additive“ (D12) dokumentiert (D12: S. 479 und 481), wonach
die wichtigsten Gleitmittel in der Reihenfolge abnehmender Polarität aus den
Gleitmittelgruppen Fettalkohole, Fettalkoholdicarbonsäureester, Fettsäureester,
Fettsäuren, Fettsäuremonoamide, Fettsäurediamide, Metallseifen, oligomere Fett-
säureester, Fettalkohol-Fettsäurester, Wachssäuren, Wachssäurester, polare und
unpolare PE-Wachse und Paraffine gebildet sind. Damit konnte der Fachmann
hinsichtlich eines zusätzlich einzusetzenden Gleitmittels neben den in der Druck-
schrift D5 angeratenen Fettsäurediamiden und unter Verzicht auf metallhaltige
Fettsäuren geläufige Gleitmittel ausprobieren, um eine ausreichende Gleitwirkung
zu erzielen. Die Druckschrift D12 lehrt bereits, dass die Wirkung von Metallstea-
raten als Gleitmittel in Polyolefinen auch auf die aus diesen freigesetzte Stearin-
säure zurückzuführen ist (D12: Seite 494, Kapitel 6.5.3, erster Absatz), weshalb
M4.2
beitungstechnisch ungünstigen Stearinsäuresalze für den Fachmann nahe lag.
Zudem finden sich in natürlichen Fetten und Wachsen, deren Hauptkomponenten
Ester höherer Fettsäuren mit Glycerin oder ebenfalls höheren primären Alkoholen
sind, als Minderkomponenten stets freie Säuren (korrespondierend zu den Es-
tern), Ketone, Alkohole und Kohlenwasserstoffe. Stearinsäure stellt daher in
veresterter, aber auch in freier Form einen häufigen Fett- und Wachsbestandteil
dar, weshalb sie der Fachmann unter den Begriff Wachse und/oder Fettsäurederi-
vate subsumiert. Dies belegt gutachtlich beispielsweise auch die Druckschrift
DE 198 55 325 A1 (D3), die ebenfalls einen Holzersatzwerkstoff auf Basis eines
synthetischen Polymers wie Polyethylen behandelt (dort Spalte 1, Zeilen 32 bis 36
und 49 bis 53 in Verbindung mit Beispiel 1).
Das streitpatentgemäß beanspruchte Verhältnis von Amidwachs zu Stearinsäure
M4.3
- 16 -
tisch, da im Streitpatent auch solche Holzersatzwerkstoffe als bewährt beschrie-
ben sind, bei denen das Verhältnis von Amidwachs zu Stearinsäure außerhalb des
beanspruchten Bereichs liegt (DE 10 2008 34 013 B4: Absatz [0041], erster Satz
und Beispielrezeptur 2 mit einem Verhältnis von Amidwachs zu Stearinsäure von
1:0,33). Das in der Druckschrift D5 dem Fachmann empfohlene Verhältnis von
Amidwachs und weiterem Wachs wie Stearinsäure überschneidet sich jedenfalls
mit dem erfindungsgemäß beanspruchten Bereich (D5: Absatz [0080] mit 1 bis 5
Gew.-% Amidwachs als Komponenten (a) und (b) sowie 0 bis 1 Gew.-% weitere
Wachse als Komponente (g); also ein Verhältnis von 1:0,5 bis 1:1).
Die streitpatentgemäß verwendete Zusammensetzung lässt überdies hinsichtlich
ihrer Eigenschaften keinen überraschenden Effekt gegenüber der als Stiftumhül-
lung verwendeten Zusammensetzung der Druckschrift D1 erkennen, weshalb das
Vorbringen der Patentinhaberin, dass der Stift nach Druckschrift D1 zwar eine ge-
nügend hohe Festigkeit aufweise, seine Spitzfähigkeit und sein Anspitzkomfort
aufgrund des sehr hohen Spitzmomentes der Traghülse nicht befriedigend seien,
nicht durchgreifen kann. Der Vortrag der Patentinhaberin lässt hinsichtlich der
streitpatentgemäß beanspruchten freien Stearinsäure als Schmiermittel keine be-
sondere Eigenschaft erkennen, denn bereits die Druckschrift D1 gibt die Spitzmo-
mente für die Traghülse und den Holzersatzwerkstoff getrennt an (D1: Ab-
satz [0038]) und die physikalischen Eigenschaften, die das Streitpatent fordert,
sind durch den Holzersatzwerkstoff nach Druckschrift D1 bereits erfüllt. Eine routi-
nemäßige Erprobung des Zusatzes geläufiger und empfohlener Gleitmittel kann
keine erfinderische Tätigkeit begründen, weshalb der Gegenstand des Patentan-
spruchs 1 dem Fachmann aufgrund seines Fachwissens und der Kombination der
Druckschriften D1 und D5 nahe lag.
g.
Die weiteren, abhängigen Patentansprüche 2 bis 14 fallen mit dem Patentan-
spruch 1, auf welchen sie rückbezogen sind, ohne dass es einer gesonderten
Prüfung und Begründung dahingehend bedarf, ob diese etwas Schutzfähiges ent-
halten, da die Patentinhaberin erkennbar die Aufrechterhaltung des erteilten Pa-
- 17 -
tents begehrt hat. Auch haben sich im Verlauf der Verhandlung keine weiteren
Anhaltspunkte für ein stillschweigendes Begehren einer weiter beschränkten Fas-
sung ergeben. Da der Anspruchssatz nach erteiltem Patent zumindest einen nicht
rechtsbeständigen Patentanspruch enthält, war das Patent insgesamt zu widerru-
fen (BGH GRUR 2007, 862 - Informationsübermittlungsverfahren II; GRUR 1997,
120 - Elektrisches Speicherheizgerät).
III.
Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten
– vorbe-
haltlich des Vorliegens der weiteren Rechtsmittelvoraussetzungen, insbesondere
einer Beschwer
– das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die
Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird,
dass
1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des
Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der
Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten
war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder still-
schweigend zugestimmt hat,
5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei
der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden
sind, oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
innerhalb eines Monats
schlusses schriftlich durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechts-
- 18 -
anwalt als Bevollmächtigten beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133
Karlsruhe, einzureichen.
Feuerlein
Heimen
Wismeth
Freudenreich
prö