Urteil des BPatG vom 26.04.2016

Gehalt, Patentanspruch, Stand der Technik, Vorbenutzung

BPatG 154
05.11
BUNDESPATENTGERICHT
14 W (pat) 7/11
_______________
(Aktenzeichen)
Verkündet am
26. April 2016
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend das Patent 101 63 954
- 2 -
hat der 14. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 26. April 2016 unter Mitwirkung des
Vorsitzenden Richters Dr. Maksymiw, der Richter Schell und Dr. Jäger, sowie der
Richterin Dr. Wagner
beschlossen:
1. Auf die Beschwerde wird der Beschluss der Patentabteilung
41 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 8. No-
vember 2010 aufgehoben.
2. Das Patent wird im Umfang des Hilfsantrages vom
26. April 2016 beschränkt aufrechterhalten.
3. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 8. November 2010 hat die Patent-
abteilung 41 des Deutschen Patent- und Markenamts das Patent 101 63 954 mit
der Bezeichnung
„Verwendung einer Phosphatmischung zur Herstellung von
konzentrierten Lösungen und Salzlaken für die
Nahrungsmittelindustrie
- 3 -
beschränkt aufrechterhalten.
Dem Beschluss lag der am 8. November 2010 in der Anhörung beim Deutschen
Patent- und Markenamt überreichte einzige Patentanspruch des 3. Hilfsantrags
zugrunde, der wie folgt lautet:
„1. Verwendung einer Phosphatmischung bestehend aus
a)
60 bis 84 Gew.-% eines klarlöslichen Kaliumtripolyphosphates
mit einem P
2
O
5
-Gehalt von 46,0 Gew.-% bis 47,0 Gew.-% und
einem K
2
O/P
2
O
5
-Molverhältnis von 1,7 bis 1,78,
b)
15 bis 39 Gew.-% Natriumpolyphosphat mit einem P
2
O
5
-
Gehalt von 60 bis 71,5 Gew.-% und
c)
1 bis 5 Gew.-% M
x
H
3-x
PO
4
mit M = Na, K und x = 1, 2, 3,
wobei die Mischung eine pH-Wert von 8 bis 10 hat und eine Trü-
bung in Wasser und Salzlaken von < 5 TE/F aufweist, zur
Herstellung von phosphathaltigen Salzlösungen in der Nahrungs-
mittelindustrie.“
Die beschränkte Aufrechterhaltung war im Wesentlichen damit begründet wor-
den, dass die beanspruchte Verwendung nach Hilfsantrag 3 ursprünglich
offenbart, ausführbar und neu sei. Darüber hinaus beruhe sie gegenüber dem im
Einspruchsverfahren genannten Stand der Technik auch auf einer erfinderischen
Tätigkeit. Denn der Stand der Technik
D1
DE 2 165 737 A,
D2
US 4 867 958,
D3
US 4 798 712,
D4
WO 01/24639 A1,
D5
WO 01/00527 A1,
- 4 -
D6
WO 99/00324 A1,
D7
WO 98/07336 A1,
D8
GB 1 044 226,
D9
Anlagenkonvolut zur offenkundigen Vorbenutzung
„CARNAL
337”
D10
J.
R. van Wazer, „Phosphorous and its compounds”, Inter-
science Publishers, Inc., New York, 1966, Vol. I, Seiten 608 und
609,
D11
Ullmann’s Encyclopedia of Industrial Chemistry, 5. Aufl., Vol.
A19, VCH-Verlag, 1991, Weinheim, Seiten 491 bis 496 und
D12
Richtlinie 96/77/EG der Kommission vom 2. Dezember 1996 zur
Festlegung spezifischer Reinheitskriterien für andere Lebens-
mittelzusatzstoffe als Farbstoffe und Süßungsmittel, Seiten 1
bis 110
offenbare dem Fachmann lediglich die Verwendung eines Phosphats oder einer
Mischung aus zwei unterschiedlichen kondensierten Phosphaten, sowie einer
nicht genau definierten Phosphatmischung als Lebensmittelzusatzstoff in der
Nahrungsmittelindustrie. Die geltend gemachte offenkundige Vorbenutzung
Carnal 337 der Einsprechenden lehre dem Fachmann zwar die Verwendung
einer Phosphatmischung aus einem Diphosphat, einem Triphosphat und zweier
höher kondensierter Polyphosphate als Lebensmittelzusatzstoff in der Nah-
rungsmittelindustrie, jedoch weise diese Mischung kein Orthophosphat auf. Die
streitpatentgemäße Verwendung werde auch nicht nahe gelegt, da bislang der
Einsatz von Orthophosphat als Lebensmittelzusatzstoff vermieden worden sei.
Ferner sei die Herabsetzung der Obergrenze der Komponente a) von 85 Gew.-%
auf 84 Gew.-% zulässig, da diese innerhalb des ursprünglich offenbarten Be-
reichs erfolge.
- 5 -
Ebenso führe die Aufnahme des P
2
O
5
-Gehalt mit 60 bis 71,5 Gew.-% der
Komponente b) und die Änderung der Summenformeln der Komponente c) in
M
x
H
3-x
PO
4
mit M = Na, K und x = 1, 2, 3 nicht zu einer unzulässigen Erweiterung,
da die Tabelle, aus der Merkmale entnommen worden seien, eine verkürzte
Version eines ausführlich formulierbaren Textes der Beschreibung darstelle. Dies
gelte auch für die Korrektur der ursprünglich offenbarten
Summenformel „M
x
H
3-
x
PO
4
“ mit x = 0 bis 3, bei der nunmehr x = 0 gestrichen worden sei, da für x = 0
kein Orthophosphat sondern Phosphorsäure vorliege, die jedoch nach dem
Offenbarungsgehalt der übrigen Unterlagen weder vorgesehen noch beansprucht
worden sei.
Darüber hinaus sei auch die Ausführbarkeit der beanspruchten Verwendung
gegeben, da für den Fachmann anhand des vorgelegten Phasendiagramms
gemäß D10 und der Beschreibung ausreichend deutliche Hinweise vorlägen, wie
er die Komponente a) erhalten könne. Hierfür seien zwar einige Versuche erfor-
derlich, jedoch seien keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass eine unverhältnis-
mäßig große Anzahl an Versuchen bis zur erfolgreichen Herstellung notwendig
oder gar die Komponente a) nicht herstellbar sei.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Einsprechenden.
Die Einsprechende macht geltend, dass eine unzulässige Erweiterung durch die
Herabsetzung der Obergrenze des beanspruchten Bereiches des klarlöslichen
Kaliumtripolyphosphates von 85 auf 84 Gew.-% vorliege. Denn diese Korrektur
des Bereiches sei willkürlich gewählt worden, um dem Mangel Rechnung zu
tragen, dass bei einem Wert von 85 Gew.-% zusammen mit den Untergrenzen
der weiteren Komponenten b) und c) sich ein Wert von 101 Gew.-% der Ge-
samtzusammensetzung ergäbe.
Auch die Komponenten b) und c) seien in der beanspruchten Form ebenfalls
nicht ursprünglich offenbart. Denn der aufgenommene P
2
O
5
-Gehalt mit 60 bis
- 6 -
71,5 Gew.-% der in Komponente b)
und die Summenformel „M
x
H
3-x
PO
4
“ der
Komponente c) seien in der beanspruchten Breite den Herstellungsbeispielen
nicht entnehmbar, da die beispielhaften Phosphatmischungen durch das Merk-
mal des Gesamt-P
2
O
5
-Gehalts von 47 bis 55 Gew.-% beschränkt würden,
welches aber nicht in den Anspruch aufgenommen worden sei.
Darüber hinaus liege bei der nunmehr beanspruchten Komponente c) eine
weitere unzulässige Erweiterung vor, da ursprünglich nur die Orthophosphate
gemäß der Formel XH
2
PO
4
, wobei X =
Na und/oder K“ beansprucht gewesen
seien und nunmehr eine Vielzahl an Verbindungen beansprucht würden, die nun
sämtliche Absättigungen der Orthophosphorsäure mit Natrium und Kalium oder
jeder Kombination der Elemente umfassten. Ebenso stelle die Änderung der
ursprünglichen Angabe von x = 0 bis 3 in 1, 2 und 3 eine willkürliche Änderung
dar.
Im Übrigen sei die Komponente a) nicht hinreichend offenbart, so dass ein
Fachmann diese herstellen könnte, weil im Streitpatent weder die Konzentration
noch das Lösungsmittel und die Temperatur angegeben seien, bei denen die
Komponente klarlöslich vorliege. Diese Parameter seien aber essentiell, da bei
der Synthese der Komponente schwerlösliche Nebenprodukte entstünden, die
eine Trübung der Lösung bewirkten. Wie die Versuche der Einsprechenden
gemäß
D13
Versuchsbericht „Herstellung von („klarlöslichem“) Kaliumtri-
polyphosphat gemäß DE 101 63 954 B4 (S. 3, [0015])
“, einge-
gangen mit dem Schriftsatz vom 28. September 2009
gezeigt hätten, könne ein klarlösliches Kaliumtripolyphosphat nach den Angaben
des Streitpatents nicht erhalten werden.
- 7 -
Darüber hinaus weise die Streitpatentschrift kein Ausführungsbeispiel auf, das
unter den beanspruchten Gegenstand nach Patentanspruch 1 falle, der nämlich
eine Zusammensetzung schütze, die kein Pyrophosphat und kein Metaphosphat
aufweise. Denn bei der Herstellung der Komponente a) ausgehend von Kalium-
phosphatsalzen oder Kaliumoxid und P
2
O
5
würden immer Tetrakaliumpyro-
phosphat und Metaphosphate als weitere Nebenprodukte gebildet, die aber nicht
unter den Wortlaut von Patentanspruch 1 fielen.
Ferner macht die Einsprechende mangelnde erfinderische Tätigkeit im Hinblick
auf die offenkundige Vorbenutzung D9 in Verbindung mit D1 oder D4 geltend.
Gemäß der im Anlagenkonvolut D9 enthaltenen Produktbeschreibung „L3-17“
aus 9/78 handele es sich bei CARNAL 337 um Kalium- und Natriumpoly-
phosphate mit einem P
2
O
5
-Gehalt von 50 % und mit schneller sowie klarer
Löslichkeit, die zur Herstellung von phosphathaltigen Salzlösungen in der
Nahrungsmittelindustrie verwendet würden. Dem Produktblatt zu CARNAL 337
vom April 1974 sei zu entnehmen, dass das Produkt 22 % Tetrakalium-
pyrophosphat (K 14-01), 60% Kalium/Natriumtripolyphosphat (K 15-12) und 18%
Natriumpolyphosphat (N 16-30 und N 16-10) enthalte. Der pH-Wert einer Lösung
von CARNAL 337 liege mit 9,1 im beanspruchten Bereich, wobei CARNAL 337
klarlöslich sei, also das Merkmal der Trübung < 5 TE/F erfülle. D9 umfasse
weiterhin zwei Auftragsbestätigungen vom 17. Januar 1983 und vom 16. Fe-
bruar 1983, welche beispielhaft die Lieferung von insgesamt 19 Tonnen CARNAL
337 an zwei verschiedene Abnehmer belegten.
Die Komponente a) des Patentanspruchs 1 gemäß dem Streitpatent stelle eine
Mischung aus Kaliumphosphat, wobei wohl Kaliumtripolyphosphat gemeint sei,
und Tetrakaliumpyrophosphat im Verhältnis von 3:1 dar. Entsprechend sei auch
CARNAL 337 zusammengesetzt, das Tripolyphosphat und Tetrakaliumpyro-
phosphat im Verhältnis 3:1 aufweise. CARNAL 337 unterscheide sich von der
anspruchsgemäßen Phosphatmischung einzig darin, dass ein gemischtes
Kalium-Natrium-Tripolyphosphat der Formel K
3
Na
2
P
3
O
10
vorliege. Der Austausch
- 8 -
von Natrium gegen Kalium beruhe jedoch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit,
weil die Reduzierung des Natriumgehalts in Lebensmitteln ein generelles
Bestreben der Fachwelt sei, um durch die Aufnahme von hohen Natrium-
konzentrationen ausgelösten Erkrankungen vorzubeugen. Auch komme es gar
nicht darauf an, welche Phosphatverbindung der Mischung Natrium oder
Kaliumionen aufwiesen, da die Phosphatmischung vollständig gelöst zum Einsatz
käme, so dass unabhängig von der jeweiligen Ausgangsverbindung immer
Natrium- und Kaliumionen hydratisiert in der Lösung vorlägen.
Die streitpatentgemäße Verwendung der zusätzlichen Komponente c), Ortho-
phosphat, sei im Hinblick auf D1 oder D4, aus denen jeweils die Verwendung von
Phosphatzusammensetzungen für die Fleischbehandlung bekannt seien, die
neben höheren Phosphaten auch Orthophosphate enthielten, nicht erfinderisch.
Die Einsprechende beantragt,
den Beschluss der Patentabteilung 41 des Deutschen Patent- und
Markenamts vom 8. November 2010 aufzuheben und das Patent
zu widerrufen.
Die Patentinhaberin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen,
hilfsweise das Patent im Umfang des Hilfsantrags vom
26. April 2016 beschränkt aufrechtzuerhalten und die Beschwerde
im Übrigen zurückzuweisen.
Sie tritt dem Vorbringen der Einsprechenden in allen Punkten entgegen.
- 9 -
Im Wesentlichen macht sie geltend, eine Erweiterung liege nicht vor, da für den
Fachmann anhand der Beschreibung sowie den Beispielen ohne weiteres
ersichtlich sei, dass die streitpatentgemäße Zusammensetzung einen Gehalt an
Kaliumtripolyphosphat mit einer Obergrenze von 84 % und die Natrium-
polyphosphatkomponente b) einen P
2
O
5
-Gehalt von 60 bis 71,5 Gew.-%, sowie
Orthophosphate gemäß der generischen Formel M
x
H
3-x
PO
4
mit M = Na, K und x
= 1, 2, 3 enthalten könne.
Die Ausführbarkeit sei ebenfalls gegeben. Denn das Streitpatent gebe dem
Fachmann ausreichend Informationen an die Hand, wie er die streitpatent-
gemäße Phosphatzusammensetzung, insbesondere das klarlösliche Kaliumtri-
polyphosphat gemäß Komponente a) herstellen könne.
Darüber hinaus sei die streitpatentgemäße Verwendung einer Phosphat-
mischung nach Hauptantrag neu und beruhe auch auf einer erfinderischen
Tätigkeit.
Insbesondere gegenüber D9 sei die beanspruchte Verwendung neu, da CARNAL
337 kein Kaliumtripolyphosphat enthalte. Für den Fachmann sei es auch nicht
naheliegend gewesen, das in D9 enthaltene Kalium/Natriumtripolyphosphat
durch Kaliumtripolyphosphat zu ersetzen, um den geänderten Ernährungs-
gewohnheiten Rechnung zu tragen.
Hilfsweise verfolgt die Patentinhaberin ihr Patentbegehren auf der Grundlage des
in der mündlichen Verhandlung überreichten Patentanspruchs 1, der wie folgt
lautet:
„1. Verwendung einer Phosphatmischung bestehend aus
a)
60 bis 84 Gew.-% eines klarlöslichen Kaliumtripoly-
phosphates mit einem P
2
O
5
-Gehalt von 46,0 Gew.-%
- 10 -
bis 47,0 Gew.-% und einem K
2
O/P
2
O
5
-Molverhältnis
von 1,7 bis 1,78,
b)
15 bis 39 Gew.-% Natriumpolyphosphat mit einem
P
2
O
5
-Gehalt von 60 bis 71,5 Gew.-% und
c)
1 bis 5 Gew.-% M
x
H
3-x
PO
4
mit M = Na, K und x = 1, 2,
3,
wobei die Mischung eine pH-Wert von 8 bis 10 hat und eine
Trübung in Wasser und Salzlaken von < 5 TE/F, sowie einen
Gesamt-P
2
O
5
-Gehalt von 47 bis 55 % aufweist, zur Herstellung
von phosphathaltigen Salzlösungen in der Nahrungsmittelin-
dustrie.“
Die Einsprechende rügt den Hilfsantrag als verspätet und beantragt seine
Zurückweisung.
Mit der Zwischenverfügung vom 18. Dezember 2015 hat der Senat darauf hin-
gewiesen, dass der Vortrag zur geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzung
als nicht hinreichend substantiiert anzusehen sei, da die vorgelegten Auf-
tragsbestätigungen und Produktbeschreibungen die Offenkundigkeit der angeb-
lich vorbenutzten Phosphatmischung CARNAL 337 nicht hinreichend belegen
könnten.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Akten
verwiesen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig (PatG § 73), sie konnte jedoch nur in dem aus dem
Tenor ersichtlichen Umfang zum Erfolg führen.
- 11 -
1.
Der geltende Patentanspruch 1 nach Hauptantrag ist unzulässig erweitert.
Der Patentanspruch 1 beruht auf dem erteilten Patentanspruch 1, wobei in
Komponente c) das Merkmal M
x
H
4-x
P
2
O
7
mit M = Na und x = 2, 3, 4 und/oder
M = K und x = 4 gestrichen worden ist.
Gegenüber dem ursprünglich eingereichten Patentanspruch 1 ist die Obergrenze
des Anteils der Komponente a), die ursprünglich in einer Menge von 60 bis 85
Gew.-% in der Phosphatmischung angeben war, von 85 auf 84 Gew.-%
erniedrigt. Entgegen der Auffassung der Einsprechenden ist diese Änderung
nicht zu beanstanden, da nach den BGH-
Entscheidungen „Inkrustierungs-
inhibi
toren“ und „Crackkatalysator“ mit der ursprünglich offenbarten numerischen
Bereichsangabe von 60 bis 85 Gew.-% grundsätzlich auch alle denkbaren
Unterbereiche offenbart sind, wobei es keine Rolle spielt, ob etwas in der
Beschreibung gegenüber gleichzeitig offenbarten anderen Lösungen als ebenso
zweckmäßig bezeichnet ist (vgl. BGH GRUR 2000, 591 Ls. 1, 593
IV.1 b) -
„Inkrustierungsinhibitoren“ sowie BGH GRUR 1990, 510 Ls., 511
III.3.c -
„Crackkatalysator“).
Darüber hinaus ist die Bezeichnung des Phosphats der Komponente a) von
„Kaliumpolyphosphat“ in „Kaliumtripolyphosphat“ geändert worden. Diese Ände-
rung führt nicht, wie von der Einsprechenden geltend gemacht zu einem neuen
Gegenstand, weil es sich hierbei lediglich um eine Einschränkung im Rahmen
der ursprünglichen Offenbarung handelt (vgl. ursprünglich eingereichte Be-
schreibung S. 3, 6. Abs. und letzt. Abs.). Denn Kaliumtripolyphosphat stellt ein
spezielles Kaliumpolyphosphat dar, dessen Anzahl an miteinander verknüpften
Phosphaten, nämlich drei, beschränkt ist.
Die Komponente b) ist gegenüber dem ursprünglich eingereichten Patentan-
spruch
1 durch die Aufnahme des weiteren Merkmals „mit einem P
2
O
5
-Gehalt
- 12 -
von 60 bis 71,5 Gew.-
%“ aus der ursprünglich eingereichten Beschreibung,
Seite 4, Tabelle 1, zulässig beschränkt worden.
Des Weiteren sind die Summenformeln
„XH
2
PO
4
und/oder X
2
H
4
P
2
O
7
, wobei
X =
Na und/oder K“ der Komponente c) durch die Formel M
x
H
3-x
PO
4
mit M = Na,
K und x = 1, 2, 3 ersetzt worden. Diese Änderung geht auf das in Tabelle 1
offenbarte Herstellungsbeispiel auf Seite 4 der ursprünglich eingereichten Be-
schreibung zurück. Das Herstellungsbeispiel betrifft Phosphatmischungen, die
neben den klarlöslichen Kaliumtripolyphosphat und Natriumpolyphosphat mit
einem P
2
O
5
-Gehalt von 60 bis 71,5 % auch Orthophosphate mit dieser Definition
aufweisen, mit dem einzigen Unterschied, dass x ursprünglich auch Null sein
kann. Diese Ausgestaltung, welche der Formel H
3
PO
4
von Phosphorsäure
entspricht, fällt jedoch nicht unter den Erfindungsgedanken, der Orthophosphate
für die pH-Werteinstellung vorsieht. Damit ist die Begrenzung von x auf 1 bis 3 im
Rahmen der ursprünglichen Offenbarung erfolgt.
Damit entspricht die Zusammensetzung der beanspruchten Phosphatmischung
mit den Komponenten a) bis c) der des Herstellungsbeispiel gemäß Tabelle 1 auf
Seite 4 der ursprünglich eingereichten Beschreibung, bis auf dass der im
Herstellungsbeispiel ausgewiesene Gesamt-P
2
O
5
-Gehalt der Phosphatmischung
von 47 bis 55 % nicht in Patentanspruch 1 aufgenommen worden ist.
Grundsätzlich können zwar, wie von der Patentinhaberin geltend gemacht, in
einem Ausführungsbeispiel gezeigte vorteilhafte Ausgestaltung zu einer Be-
schränkung des Gegenstandes des Patentanspruchs herangezogen, wobei die
Patentinhaberin nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
nicht gezwungen ist, sämtliche Merkmale dieses Ausführungsbeispiels in den
Patentanspruch zu übernehmen. Sie kann vielmehr, wenn mehrere Merkmale
des Ausführungsbeispiels gemeinsam, aber auch je für sich dem erfindungs-
gemäßen Erfolg förderlich sind, sich darauf beschränken, einzelne dieser
Merkmale in den Patentanspruch aufzunehmen. Dabei darf sich aber kein
- 13 -
Gegenstand ergeben, den der Fachmann den Ursprungsunterlagen nicht als
mögliche Ausführungsform der Erfindung entnehmen kann (vgl. BGH GRUR
2015, 249, 251 III. 2. aa) - Schleifprodukt, BGH GRUR, 2012, 149, 155
[84] - Sensoranordnung).
Dies ist hier aber nicht der Fall. Denn im Falle einer Mischung aus 60 % der
Komponente a) mit einem P
2
O
5
Gehalt von 47 % und 39 % der Komponente b)
mit einem P
2
O
5
-Gehalt von 71,5 Gew.-% ergibt sich rechnerisch bereits ein P
2
O
5
-
Gehalt der beiden Komponenten von 56,1%. Damit liegt aber die Summe der
Einzel-P
2
O
5
-Gehalte der Komponenten a) und b) über den in Tabelle 1 genann-
ten maximalen P
2
O
5
-Gehalt von 55 % der Gesamtzusammensetzung.
Von daher handelt es sich bei dem Gesamt-P
2
O
5
-Gehalt nicht, wie von der
Patentinhaberin vorgetragen, um ein redundantes Merkmal, welches sich
zwangsläufig aus der Summe der P
2
O
5
-Gehalten der Komponenten a) bis c)
ergibt, sondern um ein unabdingbares Merkmal, welches den Streitgegenstand
näher charakterisiert und daher in den Anspruch übernommen werden muss,
zumal der in der Anmeldung formulierte Patentanspruch 1 und der gesamte
Inhalt der Anmeldung an keiner Stelle erkennen lassen, dass ein anderer
Gesamt-P
2
O
5
-Gehalt der Phosphatmischung als 47 bis 55 Gew.-% auch zu
einem pH-Wert von 8 bis 10 der Mischung und einer Trübung in Wasser und
Salzlaken von < 5 TE/F führt.
Der Patentanspruch 1 des Hauptantrages ist damit schon aus diesem Grunde
nicht bestandsfähig.
2.
Der Gegenstand des einzigen Patentanspruchs des Hilfsantrags ist
hingegen zulässig.
2.1
Er basiert auf dem erteilten Patentanspruch 1 i. V. m. Tabelle 1 auf Seite 4
der Streitpatentschrift bzw. dem ursprünglich eingereichten Patentanspruch 1
- 14 -
i. V. m. Tabelle 1 auf Seite 4 der ursprünglich eingereichten Beschreibung.
Nachdem gegenüber dem Hauptantrag der Gesamt-P
2
O
5
-Gehalt mit 47 bis 55 %
aufgenommen worden ist, bestehen keine Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit
des Anspruchs.
2.2
Zwischen den Verfahrensbeteiligten besteht Uneinigkeit darüber, ob die im
geltenden Patentanspruch 1 genannte Komponente a), klarlösliches Kaliumtri-
polyphosphat, eine Reinsubstanz oder aber ein Gemisch darstellt und was der
Fachmann unter „klarlöslich“ versteht.
Vor der Beurteilung der Patentfähigkeit der beanspruchten Verwendung einer
Phosphatmischung ist daher der Sinngehalt des geltenden Patentanspruchs 1 in
seiner Gesamtheit unter Heranziehung der den Patentanspruch erläuternden
Beschreibung und dem allgemeinen Fachwissen durch Auslegung zu ermitteln.
Dabei stellt die Patentschrift im Hinblick auf die dort gebrauchten Begriffe
gleichsam ihr eigenes Lexikon dar (vgl. BGH GRUR 2007, 410, 412
[18] - Kettenradanordnung; BGH GRUR 1999, 909, Ls.1 und 2. - Spann-
schraube). Unter Berücksichtigung
dessen sind die Begriffe „Kaliumtripoly-
phosphat“ und „klarlöslich“ folglich so zu deuten, wie sie der angesprochene
Fachmann nach dem Gesamtinhalt der Patentschrift versteht (vgl. BGH GRUR
2001, 232 Ls. - Brieflocher).
Der Fachmann ist vorliegend ein Team, dem ein Lebensmittelchemiker mit
Kenntnissen im Bereich der Lebensmittelzusatzstoffe und ein Chemiker mit
einschlägiger Berufserfahrung auf dem Gebiet der Phosphatchemie angehören
(vgl. BGH GRUR 2012, 482, 484 [18] - Pfeffersäckchen).
Dieser Fachmann entnimmt der Streitpatentschrift wie auch den ursprünglichen
Unterlagen, dass
„Kaliumtripolyphosphat“ keine Reinsubstanz ist, sondern ein
Gemisch aus den Hauptbestandteilen Kaliumtripolyphosphat und Tetrakalium-
pyrophosphat, das daneben noch geringe Mengen an Ortho- und Diphosphaten,
- 15 -
sowie schwerer löslichen Metaphosphaten aufweist (vgl. Streitpatentschrift S. 3,
Abs. [0015], ursprünglich eingereichte Beschreibung S. 3, 6. Abs. i. V. m. S. 3/4,
übergreif. Abs.). Nachdem die genannten Bestandteile der Komponente a) vor
dem Vermischen mit den anderen Komponenten der streitpatentgemäßen
Phosphatmischung nicht getrennt werden, liegt die Komponente a) auch
tatsächlich als Mischung in der streitpatentgemäß verwendeten Phosphat-
mischung vor.
Zu dem im Patentanspruch
1 ebenfalls allgemein verwendeten Begriff „klar-
löslich“ findet der Fachmann auf Seite 3 in den Absätzen [0010] und [0015],
insbesondere unter Punkt 4) und Seite 6, Beispiel 2 der Streitpatentschrift bzw.
den ursprünglichen eingereichten Beschreibung auf Seite 3, 1. Absatz, Seite 3/4,
übergreifender Absatz und Seite 8, Beispiel 2 den Hinweis, dass eine klare
Lösung keine Ausfällungen und keinen Bodenkörper aufweist.
Im Hinblick auf dem Einwand der Einsprechenden, dass es sich hierbei um eine
rein subjektive Eigenschaft handele, die je nach Betrachter unterschiedlich aus-
fallen könne, ist anzumerken, dass dem Fachmann bekannt ist, dass auf dem
Gebiet der Phosphate die Klarlöslichkeit auch über die Trübung definiert wird.
Somit werden Lösungen, die einen TE/F von 1 bis 2 als klarlöslich bezeichnet
(vgl. D6, S. 5, 3. Abs. bis einschl. letz. Abs.). Die Trübung lässt sich mit üblichen
Messgeräten, wie einem Trübungsphotometer, bestimmen, welches auch in der
Streitpatentschrift (vgl. Streitpatentschrift S. 3, Abs. [0014]) bzw. der ursprünglich
eingereichten Beschreibung (vgl. S. 3, sechsletzte Zeile) genannt ist. Somit
enthält die Streitpatentschrift ausreichend Angaben zur Definition der Klar-
löslichkeit der Komponente a).
3
Der Gegenstand des Patentanspruchs des Hilfsantrags ist auch in der
Weise offenbart, dass ein Fachmann ihn ausführen kann.
- 16 -
Die Streitpatentschrift in Verbindung mit den ursprünglich eingereichten Unter-
lagen und dem darin erwähnten Dokument D10 geben dem Fachmann
ausreichende Angaben an die Hand, so dass er in die Lage versetzt wird, das
klarlösliche Kaliumtripolyphosphat mit einem P
2
O
5
-Gehalt von 46,0 Gew.-% bis
47,0 Gew.-% und einem K
2
O/P
2
O
5
-Molverhältnis von 1,7 bis 1,78 bereitzustellen.
Die Herstellung des Kaliumtripolyphosphats kann ausgehend von Kaliumphos-
phaten oder Kaliumoxid und P
2
O
5
unter Erwärmen auf Schmelztemperatur und
Halten bis zur Gleichgewichtseinstellung, erfolgen, wobei Kalium zu Phosphor im
gewünschten Molverhältnis vorliegen müssen (vgl. Streitpatentschrift, S. 3,
Abs. [0015], ursprünglich eingereichter Patentanspruch 2, ursprünglich einge-
reichte Beschreibung, S. 3/4, übergr. Abs.).
Die von der Einsprechenden gemäß D13 vorgelegten Versuche können dagegen
nicht belegen, dass mit den Angaben der Streitpatentschrift kein klarlösliches
Kaliumtripolyphosphat erhalten wird. Denn ihnen kann nicht entnommen werden,
welche genaue Zusammensetzung das Produkt hat. Die Angabe, dass ein
Gemisch aus KTPP und TKPP erhalten worden ist, reicht hierfür nicht aus, da
keine Aussage über deren mengenmäßigen Anteil in der Mischung vorliegt.
Ebenso ist D13 nicht zu entnehmen wie hoch der Nebenproduktanteil ist und
welche Nebenprodukte vorlagen.
4
Die mit dem Anlagenkonvolut D9 geltend gemachte offenkundige Vor-
benutzung des erfindungsgemäßen Gegenstands durch die Phosphatmischung
CARNAL 337 ist von der Einsprechenden nicht belegt worden. Die eingereichten
Auftragsbestätigungen und Produktbeschreibungen lassen für sich genommen
keinen Nachweis auf eine Offenkundigkeit des betreffenden Produktes zu. Als
frühester Zeitpunkt, zu dem eine öffentliche Zugänglichkeit der fraglichen
Phosphatmischung eintreten konnte, kommt im vorliegenden Fall der Zeitpunkt
einer vorbehaltlosen Lieferung des Produkts in Betracht. Eine entsprechende
Lieferbestätigung ist jedoch nicht vorgelegt worden und eine Lieferung bzw. eine
Übergabe auch anderweitig glaubhaft gemacht worden. Damit bleibt völlig offen,
- 17 -
ob eine Auslieferung der Produkte überhaupt erfolgt ist, so dass die Offen-
kundigkeit der geltend gemachten Vorbenutzung bereits aus diesem Grund als
nicht nachgewiesen anzusehen ist.
5
Die beanspruchte Verwendung einer Phosphatmischung nach Patent-
anspruch 1 mit den Merkmalen
1.
Verwendung einer Phosphatmischung bestehend aus
a)
60 bis 84 Gew.-% eines klarlöslichen Kaliumtripolyphos-
phates mit einem P
2
O
5
-Gehalt von 46,0 Gew.-% bis 47,0
Gew.-% und einem K
2
O/P
2
O
5
-Molverhältnis von 1,7 bis
1,78,
b)
15 bis 39 Gew.-% Natriumpolyphosphat mit einem P
2
O
5
-
Gehalt von 60 bis 71,5 Gew.-% und
c)
1 bis 5 Gew.-% M
x
H
3-x
PO
4
mit M = Na, K und x = 1, 2, 3,
2.
zur Herstellung von phosphathaltigen Salzlösungen in der
Nahrungsmittelindustrie, wobei
3.
die Mischung einen pH-Wert von 8 bis 10 und
4.
eine Trübung in Wasser und Salzlaken von < 5 TE/F hat, sowie
5.
einen Gesamt P
2
O
5
–Gehalt von 47 bis 55 % aufweist.
ist gegenüber den vorliegenden Dokumenten neu, denn keine der vorliegenden
Entgegenhaltungen D1 bis D8 und D10 bis D12 beschreibt die Verwendung einer
Phosphatmischung mit den Merkmalen 1. a) bis c) und 5.
In D1 ist ein Verfahren zur Herstellung salzarmer Fleisch- und Wurstwaren
beschrieben, bei dem eine wasserlösliche Kaliumphosphatverbindung aus der
Gruppe der Kalium Ortho-, Meta-, Poly- oder Pyrophosphate oder Mischungen
dieser Verbindungen in wasserfreier oder hydrierter Form als Bindemittel in
Mengen von 0,2 bis 2 Gewichtsprozent des Gesamtgewichts der im Endprodukt
enthaltenen Zutaten verwendet wird (vgl. D1, Patentanspruch 1, S. 9/10
- 18 -
übergr. Abs., S. 10 Z. 5 bis 12). Die beispielhaft in D1 beschriebenen Phos-
phatmischungen bestehen aus maximal zwei verschiedenen Kaliumphosphaten,
wie Kalium-Aluminium-Orthophosphat und Tetrakalium-Pyrophosphat, KH
2
PO
4
und K
2
HPO
4
Kalium-Tetrametaphosphat und Bikaliumorthophosphat (vgl. D1,
S. 18 Beispiel 1, S. 20/21 Beispiel 3). Die Verwendung einer Phosphatmischung,
die klarlösliches Kaliumtripolyphosphat, Natriumpolyphosphat und Orthophos-
phate in den in Patentanspruch 1 angegebenen Mengenverhältnissen und P
2
O
5
-
Gehalten enthält und darüber hinaus einen Gesamt P
2
O
5
-Gehalt von 47 bis 55 %
aufweist, ist jedoch in D1 nicht unmittelbar und eindeutig offenbart.
Die Entgegenhaltung D4 betrifft Verfahren zur Behandlung von PSE-Fleisch mit
einer Lösung von wasserlöslichen Phosphatmischungen, wobei eine 1%
wässrige Lösung der Phosphatmischungen einen pH-Wert von mindestens 6
bzw. bevorzugt größer gleich 8 verwendet wird (vgl. D4, Patentansprüche 1 und
5 bis 8, S. 1, 1. Abs., S. 4, 1. Abs.). Bei den Phosphaten handelt es sich um
Orthophosphate, Pyrophosphate und/oder Polyphosphate (vgl. D4, S. 3, 2. Abs.).
Die einzigen in D4 beschriebene Phosphatmischung mit drei verschiedenen
Phosphaten und einem pH-Wert von mindestens 8 beinhaltet 50 % Dinatrium-
phosphat, 15% Natriumhydrogenpyrophosphat und 35 % Tetranatriumpyro-
phosphat (vgl. D4, S. 8, 2. Abs., S. 23, Tabelle 43, 5. Tabelleneintrag). Für die
patentgemäß verwendete Phosphatmischung mit den Merkmalen 1. a) bis c)
und 5. findet sich demzufolge keine Offenbarung in der Druckschrift D4.
Auch in keiner weiteren der dem Senat vorliegenden Entgegenhaltungen wird,
von der Einsprechenden unbestritten, die patentgemäße Verwendung einer
Phosphatmischung in allen beanspruchten Einzelheiten beschrieben.
6.
Die streitpatentgemäße Verwendung der Phosphatmischung nach
Patentanspruch 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.
- 19 -
Dem Streitpatent liegt die Aufgabe zugrunde, eine Phosphatmischung zur
Herstellung von phosphathaltigen Salzlösungen für die Nahrungsmittelindustrie
bereitzustellen, die einen pH-Wert in wässriger Lösung von 8 bis 10 und eine
gute Löslichkeit in Wasser sowie in Salzlaken aufweist, wobei die gebildeten
Lösungen rückstandsfrei und klar sind und als funktioneller Anteil des zusam-
mengesetzten Lebensmittelzusatzstoffes ein gewisser Anteil an Natrium-
und/oder Kaliumdi- und/oder -triphosphate enthalten ist (vgl. Streitpatentschrift,
S. 3, Abs. [0010-0012]).
Die Aufgabe wird durch die Verwendung einer Phosphatmischung mit den unter
Punkt II.5 genannten Merkmalen 1 bis 5 gelöst.
Zur Lösung der Aufgabe konnte der Fachmann von der Druckschrift D1
ausgehen, da die in D1 beschriebenen Phosphatmischungen auch zur Her-
stellung von phosphathaltigen wässrigen Pökellaken verwendet werden, die bei
der Herstellung von Fleisch- und Wurstwaren mit einem niedrigen Natriumgehalt
eingesetzt werden (vgl. D1, Patentansprüche 1 und 9, Beschreibung S. 2, 1. und
4. Abs., S. 6, 4. und 5. Abs.). Für die Phosphatmischungen werden gemäß D1
Kaliumorthophosphate, Kaliummetaphosphate, Kaliumpolyphosphate, Kalium-
pyrophosphate und Mischungen dieser Phosphate in wasserfreien oder hydrier-
ten Modifikationen verwendet, wobei beispielhaft als Orthophosphate KH
2
PO
4
,
K
2
HPO
4
, K
3
PO
4
, K
2
HPO
4
, als Metaphosphate (KPO
3
)
4
·2H
2
O, als Polyphosphate
K
5
P
3
O
10
und als Pyrophosphat K
4
P
2
O
7
genannt sind (vgl. D1, Patentansprüche 3
bis 8, S. 7, 2. Abs., S. 9, letzt. Abs. bis S. 10, einschl. 2. Abs., S. 20/21, Bei-
spiel 3B). Als Phosphatmischungen werden Kombinationen von KH
2
PO
4
und
K
2
HPO
4
bzw. von K
4
P
2
O
7
und K
2
HPO
4
angegeben (vgl. D1, S. 16, 3. Abs.,
S. 18/19, Beispiel 1, S. 19/20, Beispiel 2, S. 20/21, Beispiel 3). Für eine längere
Haltbarkeit kann der pH-Wert der Laken in den alkalischen Bereich eingestellt
werden (vgl. D1, S. 11, 3. Abs., S. 12, 2. und 3. Abs.). In der D1 wird jedoch
keine Phosphatmischung angesprochen, die drei unterschiedliche Phosphate
aufweisen und die sowohl Kalium- als auch Natriumsalze vorliegen. Demzufolge
- 20 -
liefert die D1 dem Fachmann keinen Anhaltspunkt für eine Phosphatmischung
mit den Merkmalen 1a) bis c) und 5.
Anregungen, die in Richtung der patentgemäßen Lösung weisen, erhält der
Fachmann auch aus den ebenfalls mit Phosphatmischungen für die Lebens-
mittelindustrie befassten Druckschriften D4 bis D7 nicht.
Aus der D4 ist ihm eine Methode zur Kontrolle der PSE-Zustand in Muskelfleisch
bekannt. Bei PSE-Fleisch handelt es sich um Fleisch, das blass (Pale), weich
(Soft) und wässrig (Exudative) ist. Zur Verbesserung der Fleischqualität wird das
Fleisch mit einer wässrigen Lösung behandelt, die mindestens ein wasser-
lösliches Phosphat enthält. Die phosphathaltige Lösung hat einen pH-Wert von
mindestens 6 bzw. bevorzugt größer gleich 8 (vgl. D4, Patentanspruch 1, S. 3,
1. vollst. Abs., S. 4, 1. Abs.). Die phosphathaltige Lösung kann eine Mischung
aus mehreren Phosphaten beinhalten, wie Orthophosphaten und Polyphos-
phaten mit einer Kettenlänge von mindestens 2, wobei Natriumtripolyphosphat
und Tetranatriumpyrophosphate besonders geeignet sind, da diese Phos-
phatkombination den Vorteil bietet, dass das Orthophosphat eine hohe Neu-
tralisierungskapazität hat und das Polyphosphat eine optimale Muskelfleisch-
veränderung bewirkt (vgl. D4, Patentansprüche 6 bis 8, S. 4, 2. Abs., S. 8,
2. Abs., S. 17, Beispiel 2). Aus D4 sind folgende Lösungen mit einem pH-Wert
von mindestens 8 beschrieben, die Phosphatmischungen aus
-
50% Dinatriumphosphat, 15% Natriumdihydrogenpyrophosphat und 35%
Tetranatriumpyrophosphat,
-
50% Dinatriumphosphat und 50% Tetranatriumpyrophosphat,
-
80% Natriumtripolyphosphat und 20% Natriumdihydrogenpyrophosphat
bzw.
- 21 -
-
96% Dinatriumphosphat und 4% Mononatriumphosphat
aufweisen (vgl. D4, S. 23, Tabelle 43, Einträge 5, 7, 21, 22). Des Weiteren sind
noch Phosphatlösungen mit einem pH-Wert von kleiner 8 beschrieben, die
Mischungen aus
-
50% Natriumpolyphosphat, 30% Natriumdihydrogenpyrophosphat und
20% Natriumhexametaphosphat,
-
50% Dinatriumphosphat, 30% Natriumphosphat und 20% Natrium-
hexametaphosphat,
-
14% Dinatriumphosphat, 66% Natriumphosphat und 20% Natriumhexa-
metaphosphat oder
-
50% Dinatriumphosphat, 35% Natriumdihydrogenphosphat und 15%
Tetranatriumpyrophosphat
beinhalten (vgl. D4, S. 23, Tabelle 43, Einträge 1 bis 4).
Hinweise ein klarlösliches Kaliumtripolyphosphat neben Natriumpolyphosphat
und Orthophosphaten gemäß den Merkmalen 1a) bis c) zu verwenden, wobei die
Phosphatmischung einen Gesamt P
2
O
5
-Gehalt von 47 bis 55% und diese eine
Trübung in Wasser oder Salzlaken von < 5 TE/F aufweist, kann der Fachmann
der Entgegenhaltung jedoch nicht entnehmen.
Bei den Phosphaten nach D5 handelt es sich um Natrium/Kalium-Polyphosphate
der Summenformel (K, Na)
(n+2)
O(PO
3
)
n
, deren Kalium- zu Natrium-Verhältnis
0,5 bis 3,8 beträgt, wobei n größer 10 ist und mindestens 85% der Phos-
phatspezies mehr als drei Phosphateinheiten aufweisen. Eine 1%-Lösung der
Polyphosphate hat einen pH-Wert von 7,0 bis 7,4 (vgl. D5, Patentanspruch 1,
S. 3, Z. 24, S. 11, Tabelle 2, Beispiele 2 bis 4, S. 12, Tabelle 3, Beispiel 9).
Dieses Polyphosphat wird Getränken oder Salzlaken für die Behandlung von
Muskelfleisch zugesetzt (vgl. D5, Patentansprüche 5 und 11, S. 2, Z. 26 bis 33,
- 22 -
S. 6, Z. 1 bis 4, S. 7, Z. 20 bis S. 8, Z. 20). Nachdem es sich bei den
verwendeten Polyphosphaten nicht um eine Mischung aus drei verschiedenen
Phosphaten handelt, erschließen sich dem Fachmann auch die patentgemäßen
Merkmalen 1a) bis c) und 5 durch die Angaben in der D5 nicht.
Auf den Vorteil einer Phosphatmischung aus einer Kombination von drei
verschiedenen Phosphaten gemäß den patentgemäßen Merkmalen 1a) bis c),
die einen Gesamt P
2
O
5
-Gehalt von 47 bis 55 % aufweisen, deuten auch nicht die
Dokumente D6 und D7 hin, die beide saure Natriumpolyphosphate betreffen, die
nur nach D7 in Kombination mit einem weiteren Phosphat eingesetzt werden.
Mit dem Verfahren nach D6 werden lösliche, saure Natriumpolyphosphate mit
einem P
2
O
5
-Gehalt von über 77 Gew.-% hergestellt, die als Stabilisierungsmittel
in Schmelzkäse verwendet werden (vgl. D6, Patentansprüche 1 und 7, S. 4,
2. Abs., vorletzt. und letzt. Satz).
Das Dokument D7 betrifft die Verwendung von sauren Natriumpolyphosphaten
zur Keimhemmung von Schimmel und Hefen in Lebensmitteln. Der P
2
O
5
-Gehalt
des Polyphosphat beträgt 70 bis 77 Gew.-%. Das Natriumpolyphosphat kann
vorzugsweise im Gemisch mit Trinatriumorthophosphat eingesetzt werden,
welches den pH-Wert der phosphathaltigen wässrigen Lösung auf einen pH-Wert
von 5,5 bis 6,5 puffert (vgl. D7, Patentansprüche 1, 4, 5, 7 und 8, S. 1, 1. Abs.,
S. 3, 2. Abs. bis 7. Abs.).
Auch die Berücksichtigung der weiteren Dokumente D2, D3, D8 und D10 bis
D12, die weiter ab liegen, führt zu keiner anderen Beurteilung des Sachverhalts.
Den Dokumenten D2 und D3 kann die Herstellung von festen Mischungen aus
Alkalimetallpyrophosphat und
–orthophosphat bzw. von Alkalimetallpyrophosphat
und
–tripolyphosphat entnommen werden (vgl. D2, Patentanspruch 1, Sp. 1,
- 23 -
Z. 9 bis 12, Sp. 2, Z. 22 bis 34, D3, Patentanspruch 1, Sp. 1, Z. 7 bis 10, Sp. 2,
Z. 7 bis 32).
Aus der D8 ist die Herstellung von Alkali-/Erdalkalimetall-Phosphaten ausgehend
von einer Alkali- oder Erdalkaliverbindung und P
2
O
5
bekannt (vgl. D8,
Patentansprüche 1, 9 und 11, S. 5/6, Beispiele 1 bis 5).
Das Phasendiagramm nach D10 ist nur relevant im Hinblick auf die Herstellung
von Kaliumtripolyphosphat, da aus ihm die zu verwendenden Molverhältnisse
von K
2
O/P
2
O
5
und Temperaturen für dessen Synthese hervorgehen (vgl. D10,
S. 608, Fig. 10-2).
Der Fachbuch-Auszug nach D11 betrifft insbesondere die Verwendung verschie-
dener Phosphate in der Lebensmittelindustrie (vgl. D11, S. 495 und 496).
Die Richtlinie D12 hat die Festlegung spezifischer Reinheitskriterien für andere
Lebensmittelzusatzstoffe als Farbstoffe und Süßungsmittel zum Gegenstand (vgl.
D12, S. 1 und 2). Unter diesen Zusatzstoffen sind auch verschiedene Phosphate
genannt, die in Lebensmittel verwendet werden dürfen (vgl. D12, S. 52, ab E339
bis S. 57, E341, S. 79, ab E 450 bis S. 86, E452).
Damit können diese Dokumente dem Fachmann weder für sich noch in der
Zusammenschau Hinweise zur Verwendung einer Phosphatmischung zur Her-
stellung von phosphathaltigen Salzlösungen in der Nahrungsmittelindustrie mit
den im Patenanspruch 1 angegebenen Merkmalen vermitteln.
7.
Nach alledem weist die Verwendung einer Phosphatmischung nach
Patentanspruch 1 des Hilfsantrages alle Kriterien der Patentfähigkeit auf. Dieser
Anspruch ist daher rechtsbeständig.
- 24 -
III.
Der in der mündlichen Verhandlung von der Patentinhaberin vorgelegte Hilfs-
antrag war trotz der Rüge der Einsprechenden nicht als verspätet zurück-
zuweisen. Zum einen ist eine Anwendung der zivilprozessualen Verspätungs-
vorschriften (§§ 530, 296 ZPO) in den dem Untersuchungsgrundsatz (§ 87
Abs. 1 PatG) unterliegenden, patentgerichtlichen Einspruchs-Beschwerdever-
fahren ausgeschlossen (vgl. Schulte/Püschel, PatG, 9. Aufl., § 87, Rdn. 4). Ein
Patentinhaber ist deshalb im Einspruchsverfahren weder hinsichtlich der Zahl
seiner Hilfsanträge noch hinsichtlich des Zeitpunkts der Antragsstellung einge-
schränkt, es sei denn, es liegen Anhaltspunkte für eine rechtsmissbräuchliche
Ausübung seines Antragsrechts vor, was vorliegend nicht der Fall ist und auch
von der Einsprechenden nicht geltend gemacht wurde. Zudem konnte der
Hilfsantrag noch ohne Weiteres in die mündliche Verhandlung einbezogen
werden, ohne dass dies zu einer Verfahrensverzögerung geführt hätte.
IV.
Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde gegeben,
wenn gerügt wird, dass
1.
das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2.
bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des
Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der
Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3.
einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4.
ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten
war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder still-
schweigend zugestimmt hat,
- 25 -
5.
der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei
der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden
sind, oder
6.
der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
Die Rechtsbeschwerdeschrift muss von einer beim Bundesgerichtshof zugelas-
senen Rechtsanwältin oder von einem beim Bundesgerichtshof zugelassenen
Rechtsanwalt unterzeichnet und innerhalb eines Monats nach Zustellung des
Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe einge-
reicht werden.
Maksymiw
Schell
Jäger
Wagner
Me