Urteil des BPatG vom 18.03.2016

Stand der Technik, Technisches Verfahren, Behandlung, Patentschutz

BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
14 W (pat) 41/12
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Patentanmeldung 10 2010 056 624.1
hat der 14. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in
der Sitzung vom 18. März 2016 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters
Dr. Maksymiw, des Richters Schell, der Richterin Dr. Münzberg sowie des
Richters Dr. Jäger
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
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G r ü n d e
I.
Mit Beschluss vom 23. Juli 2012 hat die Prüfungsstelle für Klasse C12N des Deut-
schen Patent- und Markenamts die durch Teilung aus der am 20. April 2010 an-
gemeldeten Patentanmeldung 10 2010 015 528.4 hervorgegangene Patentanmel-
dung 10 2010 056 624.1 mit der Bezeichnung
„Stammzellen aus Eigenblut“
gemäß § 48 PatG zurückgewiesen.
Dem Beschluss liegen die Patentansprüche 1 bis 5 vom 20. April 2010 zu Grunde,
die wie folgt lauten:
„1. Stammzellen aus Eigenblut sind dadurch gekennzeichnet, dass sie aus Blutzellen
gezüchtet werden.
2. Das neue Verfahren wird dadurch gekennzeichnet dass mittels des Apherese-Verfah-
rens, aus dem Knochenmark die Stammzellen dorthin wandern und mit der Reparatur der
Zellen zu beginnen. Ist abhängig vom Punkten 1, 3, 4 und 5 der Schutzrechte.
3. Das neue Verfahren wird dadurch gekennzeichnet dass mittels des Apherese-Verfah-
rens, aus dem Knochenmark die Stammzellen zu allen inneren Organen wandern und mit
der Reparatur der Organe beginnen. Ist abhängig vom Punkten 1, 3 und 5 der Schutz-
rechte.
4. Das neue Verfahren wird dadurch gekennzeichnet, dass eine Erweiterung des Aphe-
rese-Verfahrens um die Nanotechnologie und der Mikrosystemtechnik erfolgt.
5. Das neue Verfahren wir dadurch gekennzeichnet, dass die Erweiterung der Hardware
für die Blutwäsche/Dialyse um eine IT-Plattform erweitert wird, die alle Prozesse steuert
und überwacht. Die Plattform ermöglicht es, auch Vergrößerungen > 100000 zu realisie-
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ren. Das gesamte IT-System steuert auch die medizinischen Vorgaben, die strukturiert zu
allen Anwendungen vorgegeben sind.“
Die Zurückweisung ist im Wesentlichen damit begründet, dass die Gegenstände
der geltenden Ansprüche 1 und 3 bis 5 gegenüber der ursprünglich eingereichten
Stammanmeldung unzulässig erweitert seien. Ferner beträfen die Verfahren der
geltenden Ansprüche 2 und 3 eine therapeutische Behandlung des menschlichen
Körpers, die nach § 2a (1) Nr. 2 PatG nicht gewährbar sei. Nachdem die Be-
schreibung der Anmeldung kein Ausführungsbeispiel enthalte, sei die Ausführbar-
keit der in den geltenden Ansprüchen 1 bis 5 beschriebenen Lehre nicht gegeben,
so dass die Ansprüche 1 bis 5 auch aus den Gründen des § 34 (4) PatG nicht ge-
währbar seien. Unbeachtlich dessen seien die Gegenstände der geltenden An-
sprüche 1, 3, 4 und 5 in der Druckschrift (1), (2) oder (4) neuheitsschädlich vorbe-
schrieben und somit auch aus diesem Grund nicht gewährbar.
Gegen diesen Beschluss der Prüfungsstelle hat der Anmelder Beschwerde ein-
gelegt.
Zur Begründung seiner Beschwerde hat der Anmelder im Wesentlichen sinnge-
mäß vorgetragen, dass die geltenden Ansprüche 1, 3, 4 und 5 gegenüber der ur-
sprünglich eingereichten Stammanmeldung 10 2010 015 528 keine unzulässige
Erweiterung aufweisen würden. Ferner vertritt der Anmelder die Ansicht, dass es
sich bei den im Prüfungsverfahren entgegengehaltenen Druckschriften D1 bis D4
nicht um relevanten Stand der Technik für die mit der vorliegenden Anmeldung
beanspruchten Gegenstände handle, so dass die beanspruchten Gegenstände
neu seien und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhten.
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Der Anmelder beantragt sinngemäß,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben und ein Patent unter
Zugrundelegung der offengelegten Patentansprüche 1 bis 5 zu
erteilen.
Auf die Ladung zur mündlichen Verhandlung hat der Anmelder mitgeteilt, dass er
den Termin zur mündlichen Verhandlung nicht wahrnehmen werde.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig (PatG § 73). Sie ist jedoch nicht begründet.
1.
Nachdem der Anmelder nach Erhalt der Terminsladung mit Eingabe vom
16. Februar 2016 sinngemäß vorgetragen hat, eine mündliche Verhandlung er-
scheine sinnlos, da das Bundespatentgericht die seinen Patentanmeldungen
zugrundliegenden Sachverhalte regelmäßig unberücksichtigt lasse und stattdes-
sen die dubiosen Entgegenhaltungen des DPMA übernehme, war der anberaumte
Termin aufzuheben und die Sache im schriftlichen Verfahren zu entscheiden.
2.
Der geltende Anspruch 1 ist auf Stammzellen aus Eigenblut gerichtet. Da
Anspruch 1 keinen Bezug zu den in den Ansprüchen 2 bis 5 genannten Verfahren
aufweist, sollen mit dem geltenden Anspruch 1 keine technisch veränderten oder
durch ein technisches Verfahren gewonnenen Blutstammzellen unter Schutz ge-
stellt werden, sondern native menschliche Blutstammzellen, wie sie im menschli-
chen Körper von Natur aus vorkommen. Die natürlichen Bestandteile des mensch-
lichen Körpers hat der Gesetzgeber im § 1a (1) PatG jedoch vom Patentschutz
ausgenommen, so dass Anspruch 1 schon aus diesem Grund nicht gewährbar ist.
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3.
Gegenstand der Ansprüche 2 und 3 ist ein Apherese-Verfahren mit dem
aus Eigenblut gewonnene Stammzellen in den Körper eines Patienten zu thera-
peutischen Zwecken eingeleitet werden. Mit dem Verfahren des geltenden An-
spruchs 2 werden Stammzellen in den menschlichen Körper eingebracht, um ge-
schädigte Zellen zu reparieren, während durch das Verfahren des geltenden An-
spruchs 3 mit den Stammzellen geschädigte innere Organe therapeutisch behan-
delt werden.
Bei den beanspruchten Apherese-Verfahren handelt es sich somit um therapeuti-
sche Verfahren zur Behandlung des menschlichen Körpers, die dem Schutz oder
der Verbesserung des menschlichen Lebens dienen. Sie haben die Erhaltung oder
Wiederherstellung der Gesundheit, die Linderung von Leiden, Schmerzen oder
Beschwerden bzw. die Beeinflussung von Funktionsstörungen oder Funktions-
schwächen zum Ziel (vgl. Schulte/Moufang PatG, 9. Auflage, § 2a Rdn. 69).
Nachdem der menschliche Körper bei den therapeutischen Verfahren der gelten-
den Ansprüche 2 und 3 mit autologen oder allogenen Stammzellen behandelt
wird, müssen diese Verfahren zur Sicherheit des Patienten grundsätzlich von
einem Arzt durchgeführt werden, da allgemeiner medizinischer Fachkenntnis zur
Folge während einer Dialysebehandlung mit medizinischen Problemen wie Kreis-
laufstörungen oder den Folgen einer massiven Infektion zu rechnen ist. Die Mit-
wirkung eines Arztes ist bei den vorliegend beanspruchten Verfahren der gelten-
den Ansprüche 2 und 3 daher zwingend erforderlich.
Demzufolge sind die geltenden Ansprüche 2 und 3 auf Verfahren zur therapeuti-
schen Behandlung des menschlichen Körpers gerichtet, die am menschlichen
Körper von einem Arzt vorgenommen werden. Mit der Regelung des § 2a (1) Nr. 2
PatG hat der Gesetzgeber solche medizinische Verfahren jedoch aus sozialethi-
schen und gesundheitspolitischen Gründen von der Patentierbarkeit ausgeschlos-
sen. Dadurch soll das Gebiet der Medizin von Verfahrenspatenten freigehalten
werden, damit der Arzt in der Wahl seiner therapeutischen Vorgehensweise nicht
durch entsprechende Verfahrenspatente behindert wird, sondern jederzeit frei ist,
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die ihm geeignet erscheinenden Maßnahmen anzuwenden, um eine Krankheit zu
lindern oder zu heilen (vgl. Schulte/Moufang PatG, 9. Auflage, § 2a Rdn. 54).
Die Apherese-Verfahren der geltenden Ansprüche 2 und 3 sind einem Patent-
schutz aus diesen Gründen nicht zugänglich.
4.
Die geltenden Ansprüche 4 und 5 betreffen Apherese-Verfahren, die mit
Nanotechnologie und Mikrosystemtechnik (vgl. Anspruch 4) bzw. mit einer erwei-
terten Hardware ausgestattet sind (vgl. Anspruch 5). Dies ändert jedoch nichts
daran, dass es sich bei den Apherese-Verfahren der Ansprüche 4 und 5 um eine
therapeutische Behandlung des menschlichen Körpers nach § 2a (1) Nr. 2 PatG
handelt, die einem Patentschutz
– aus den bereits zuvor unter Punkt II.3 genann-
ten Gründen
– nicht zugänglich ist.
5.
Bei dieser Sachlage erübrigt es sich zu prüfen, ob die Streitanmeldung die
weiteren Kriterien der Patentfähigkeit erfüllt. Auch eine Zurückverweisung an das
Deutsche Patent- und Markenamt ist aus Sicht des Senats nicht angezeigt, da
keiner der in § 79 (3) PatG genannten Gründe vorliegt.
Maksymiw
Schell
Jäger
Münzberg
Bb