Urteil des BPatG vom 21.10.2014

Stand der Technik, Patentanspruch, Frequenz, Begriff

BPatG 154
05.11
BUNDESPATENTGERICHT
14 W (pat) 4/11
_______________
(Aktenzeichen)
Verkündet am
21. Oktober 2014
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend das Patent DE 100 26 723
- 2 -
hat der 14. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 21. Oktober 2014 unter Mitwirkung des
Vorsitzenden Richters Dipl.-Phys. Dr. Maksymiw, des Richters Schell sowie der
Richterinnen Dipl.-Chem. Dr. Münzberg und Dipl.-Chem. Dr. Wagner
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 4. November 2010 hat die Patentab-
teilung 23 des Deutschen Patent- und Markenamts das Patent DE 100 26 723 mit
der Bezeichnung
„Maischgefäß“
aufrechterhalten.
Dem Beschluss liegen die erteilten Patentansprüche 1 bis 4 zugrunde, von denen
der Patentanspruch 1 wie folgt lautet:
„1. Maischgefäß (1) zum Maischen von Wasser und Malzschrot
und/oder anderen stärkehaltigen Rohstoffen für die Bierherstel-
lung, mit einem zumindest teilweise im Innern (2) des Maisch-
- 3 -
gefäßes (1) wirkenden Vibrationselement zum mechanischen Er-
zeugen von Wellen in dem eingefüllten Medium (6) aufgrund einer
Vibration des Vibrationselements, dadurch gekennzeichnet, dass
das Vibrationselement ein Rüttelstab (7) ist und zusätzlich zu
einem Rührwerk (3) angeordnet ist, wobei der Rüttelstab (7) im
Innern des Maischgefäßes (2) rüttelnd hin- und herbewegbar ist,
und durch den direkten Kontakt des Mediums (6) mit dem Rüttel-
stab auf unmittelbare Art und Weise eine mechanische Wellen-
anregung in dem Medi
um (6) ausgeführt wird.“
Die Aufrechterhaltung des Patents wurde im Wesentlichen damit begründet, dass
das Maischgefäß des Patentanspruchs 1 unstrittig neu sei und gegenüber dem
von der Einsprechenden zitierten Stand der Technik
E1 DE 297 13 506 U1
E2 DE 960 271 B
E3 US 3 814 003 A
E4 GB 472 756 A
E5 W. Kunze, Technologie Brauer und Mälzer, 8. Auflage, VLB Berlin,
1998, S. 205, 221 bis 223 und 228
auch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Keine der Druckschriften E1, E2
oder E5 enthalte einen Hinweis, der den gleichzeitigen Einsatz eines Rüttelstabs
und eines Rührwerks zur Beschleunigung des Maischprozesses nahe legen
würde. Auch eine Zusammenschau der Druckschriften E1, E2 und E5 lasse keine
weiteren Aspekte erkennen, die die erfinderische Tätigkeit des im erteilten
Patentanspruch 1 beschriebenen Maischgefäßes infrage stellen würden. Darüber
hinaus trage auch die weitere, von der Einsprechenden in Betracht gezogene
Druckschrift E3 nichts zur patentgemäßen Lösung der gestellten Aufgabe bei. Die
Druckschrift E4 liege vom Patentgegenstand weiter ab, da sie nur Phasen- bzw.
Reaktionssysteme betreffe, denen Maische nicht zuzurechnen sei.
- 4 -
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Einsprechenden.
Die Einsprechende macht unter weiterer Einbeziehung der Druckschriften
E6 DE 973 360
E7 GB 478 721
E8a SU 1541244 A1 und
E8b deutsche Übersetzung von E8a
geltend, dass es sich beim Maischvorgang um eine enzymkatalysierte Abbau-
reaktion in Verbindung mit einem Lösungsvorgang handle. Für den Fachmann sei
es daher offensichtlich, dass eine effektivere Durchmischung zu einer erheblichen
Verbesserung der Umsetzungsgeschwindigkeit beim Maischvorgang führe. Es
liege für ihn folglich auf der Hand, die Maischvorrichtung der E5 mit der in der E2
beschriebenen Vorrichtung zur Kombination von Vibration und Durchwirbelung
auszustatten. Dies liege für den Fachmann auch deshalb nahe, weil der Inhalt der
E6 bzw. E7 zum Fachwissen eines Durchschnittsfachmannes gehöre und darin
ebenfalls auf die vorteilhafte Wirkung von Vibrationen bzw. Schwingungen, die
durch mechanische Agitation erzeugt würden, in Verbindung mit dem Maischen
hingewiesen werde. In Kenntnis von E5 und E6 bzw. E7 bedürfe es somit keines
erfinderischen Zutuns, die Druckschrift E2 heranzuziehen und die Aufgabe im
patentgemäßen Sinn zu lösen. Die Einsprechende macht ferner geltend, dass der
Inhalt der Druckschrift E8a/E8b dem Streitpatent neuheitsschädlich entgegen-
stehe, da ein Maischgefäß zum einen nicht zwangsläufig eine Heizung aufweisen
müsse, so dass die Druckschrift E8a/E8b ein Maischgefäß im Sinne des
Patentanspruchs 1 offenbare. Zum anderen sei im Patentanspruch 1 weder die
bauliche Gestaltung noch der Frequenzbereich des darin genannten „Rüttelstabs“
definiert. Demzufolge sei darunter auch der in E8a/E8b beschriebene, im
Ultraschallbereich arbeitende Generator zu verstehen. Nach Ansicht der Ein-
sprechenden stehe eine Zusammenschau der Druckschriften E8a/E8b und E2
- 5 -
dem Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 auch im Hinblick auf die
fehlende erfinderische Tätigkeit patenthindernd entgegen.
Die Einsprechende beantragt,
den Beschluss der Patentabteilung 23 des Deutschen Patent- und
Markenamts vom 4. November 2010 aufzuheben und das Patent
zu widerrufen.
Die Patentinhaberin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Zur Stütze ihres Vorbringens verweist sie u. a. auf folgende Dokumente
Anlage 1
Dissertation von Ralph Schneid am Institut für Biotechnologie
der Technischen Universität Berlin, eingereicht am 10. Sep-
tember 2009 Seiten 90 bis 95
Anlage 2
Dissertation von Ralph Schneid am Institut für Biotechnologie
der Technischen Universität Berlin, eingereicht am 10. Sep-
tember 2009, Seiten 69 bis 71
Anlage 3
W. Kunze, Technologie Brauer und Mälzer, 8. Auflage, VLB
Berlin, 1998, S. 226 bis 231 (enthält weitere Zitatstellen aus
der E5)
und trägt im Wesentlichen vor, dass das Maischen eine Kombination aus dem
Herauslösen der löslichen und unlöslichen Substanzen aus den Malzpartikeln
sowie einem enzymatischen Abbauvorgang darstelle. Zeitlich limitierender Faktor
sei dabei somit nicht das Mischen, sondern der Herauslösungsprozess aus den
Malzpartikeln sowie der enzymatische Abbauprozess. Durch den zusätzlichen
- 6 -
Einsatz einer Vibrationsquelle würden diese Prozesse beim Maischen
erfindungsgemäß beschleunigt, was durch die Angaben in den Anlagen A1 und A2
bestätigt werde. Hierfür gebe es im zitierten Stand der Technik jedoch keine
Anregung. Bei der E8 handle es sich ferner nicht um neuheitsschädlichen Stand
der Technik, denn darin werde kein Maischgefäß zum Maischen von Wasser und
Malzschrot entsprechend dem Patentanspruch 1 der Streitpatentschrift verwendet,
sondern lediglich ein sog. Vormaischer. Zudem sei der in E8 beschriebene
Generator kein als Rüttelstab ausgebildetes Vibrationselement, da dieser aktiv
keine Schwingungen ausüben könne.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen. Zum
Wortlaut der geltenden Patentansprüche 2 bis 4 wird auf die Streitpatentschrift
verwiesen.
II.
Die Beschwerde der Einsprechenden ist zulässig, sie konnte jedoch nicht zum
Erfolg führen.
1.
Bei den geltenden Patentansprüchen 1 bis 4 handelt es sich um die
erteilten Patentansprüche 1 bis 4, die auf die ursprünglichen Ansprüche 1 bis 7
iVm den Absätzen [0008 und 0013] der Offenlegungsschrift DE 100 26 723 A1
zurückgehen. Die Anspruchsfassung ist auch sonst nicht zu beanstanden.
2.
Zwischen den Verfahrensbeteiligten besteht Uneinigkeit darüber, ob der im
geltenden Patentanspruch
1 verwendete Begriff „Rüttelstab“ eine Vorrichtung zur
Erzeugung von Ultraschallwellen mit umfasst und welche Vorrichtungen der
Fachmann unter dem darin verwendeten
Begriff „Maischgefäß“ versteht.
Vor der Beurteilung der Patentfähigkeit des beanspruchten Maischgefäßes ist
daher der Sinngehalt des geltenden Patentanspruchs 1 in seiner Gesamtheit unter
- 7 -
Heranziehung der den Patentanspruch erläuternden Beschreibung durch Ausle-
gung zu ermitteln. Dabei stellt die Patentschrift im Hinblick auf die dort ge-
brauchten Begriffe gleichsam ihr eigenes Lexikon dar (vgl. BGH GRUR 2007, 410,
Rn. 18 - Kettenradanordnung; BGH GRUR 1999, 909, LS. 1. und 2.
– Spann-
schraube). Unter Berücksichtigung dessen sind die Begriffe „Rüttelstab“ und
„Maischgefäß“ folglich so zu deuten, wie sie der angesprochene Fachmann nach
dem Gesamtinhalt der Patentschrift versteht (vgl. BGH GRUR 2001, 232
Brieflocher).
Der Fachmann ist vorliegend ein an einer Hochschule ausgebildeter Diplomingen-
ieur der Fachrichtung Brauwesen und Getränketechnologie, der mit der
Konstruktion sowie dem Betrieb von Maischgefäßen befasst und vertraut ist und
zudem über fundierte Kenntnisse der biochemischen Abläufe beim Maischprozess
verfügt.
2.1
Dieser Fachmann entnimmt der Streitpatentschrift, dass es sich als vor-
teilhaft erweist, wenn mit einem als „Rüttelstab“ ausgebildeten Vibrationselement
im Inneren des Maischgefäßes Wellen mit einer Frequenz von etwa 12 000
Schwingungen pro Minute, entsprechend einer Frequenz von 200 Hz, erzeugt
werden (vgl. DE 100 26 723 B4, Abs. [0032]). Da dem unter Punkt II.2 definierten
Fachmann bekannt ist, dass Ultraschallfrequenzen im Bereich von 15 bis 50 kHz
liegen, wird er die patentgemäßen Vibrationen somit keinesfalls mit Ultraschall in
Verbindung bringen. Zudem wird im Streitpatent ausgeführt, dass der Rüttelstab in
der Art eines Betonrüttlers im Medium hin und her bewegt werden kann (vgl. DE
100 26 723 B4, Abs. [0012]). Dieser Aussage entnimmt der Fachmann ebenfalls,
dass die patentgemäße Lehre nicht auf höherfrequenten Schwingungen basiert,
sondern auf Schwingungen im niederfrequenten Bereich, da Betonrüttler üblicher
Weise bei ca. 50 Hz betrieben werden. Ultraschallfrequenzen wird der Fachmann
mit dem patentgemäßen Begriff „Rüttelstab“ auch deshalb nicht in Verbindung
bringen, weil in der Beschreibung des Streitpatents explizit ausgeführt wird, dass
die nach der patentgemäßen Lehre erhaltenen Ergebnisse mit Ultraschall nicht
- 8 -
erzielbar sind (vgl. DE 100 26 723 B4, Abs. [0011]). Aufgrund der Beschreibung
der Streitpatentschrift wird der Fachmann trotz fehlender Definition des Fre-
quenzbereichs im Patentanspruch 1 somit erkennen, dass mit dem Begriff
„Rüttelstab“ keine Vorrichtungen zur Erzeugung von höherfrequenten Ultraschall-
wellen umschrieben werden, sondern ausschließlich Vorrichtungen, die Vibra-
tionen im niederfrequenten Bereich erzeugen.
Eine solche Interpretation des geltenden Patentanspruchs 1 erfordert
– entgegen
der von der Einsprechenden vertretenen Auffassung
– für ein fachlich korrektes
Verständnis der darin vermittelten technischen Lehre keine zusätzliche Aufnahme
eines definierten Frequenzbereichs. Denn wie die Patentinhaberin in der münd-
lichen Verhandlung nachvollziehbar ausgeführt hat, handelt es sich bei der in der
Streitpatentschrift angegebenen Frequenz von 200 Hz lediglich um einen Richt-
wert, an dem sich der Fachmann orientieren kann, um eine optimale Frequenz im
niederfrequenten Schwingungsbereich zu ermitteln. Die Patentinhaberin hat des
Weiteren glaubhaft vorgetragen, dass der Fachmann hiervon auch deshalb
ausgeht, weil der „Rüttelstab“ den Angaben in der Streitpatentschrift zur Folge in
der Art eines Betonrüttlers bewegt wird, von dem ihm jedoch bekannt ist, dass mit
diesem aufgrund von Unwuchten Schwingungen von 200 Hz nicht erreicht werden
können, so dass der Fachmann in den 200 Hz auch aus diesem Grund nur eine
Bereichsangabe erkennt.
In Anbetracht dessen stehen - anders als von der Einsprechenden ange-
nommen - auch die Ergebnisse der nachveröffentlichten Dissertation, die in den
Anlagen A1 und A2 ausschnittsweise beschrieben werden, nicht im Widerspruch
zu der im geltenden Patentanspruch 1 beschriebenen technischen Lehre, obwohl
aus ihnen hervorgeht, dass sich die gewünschten Effekte bei der im Streitpatent
explizit angegebenen Frequenz von 200 Hz nicht einstellen, sondern hierfür eine
Frequenz von 120 Hz zu bevorzugen ist (siehe Anlage A2, S. 66 bis 69). Diese
Aussage steht vielmehr im Einklang mit dem geltenden Patentanspruch 1 in seiner
zuvor dargelegten Auslegung, da sie einmal mehr deutlich macht, dass mit dem im
geltenden Patentanspruch
1 verwendeten Begriff „Rüttelstab“ keine exakte
- 9 -
Frequenz von 200 Hz verbunden ist, sondern damit eine Vielzahl von
Schwingungen im niederfrequenten Bereich umschrieben wird. Die mit Ver-
wendung des Begriffs „Rüttelstab“ getroffene Verallgemeinerung ist vorliegend
folglich zulässig, da mit ihr nur dem berechtigten Anliegen der Patentinhaberin
Rechnung getragen wird, die Erfindung in vollem Umfang zu erfassen und damit
sämtliche Energien, die für einen effizienten Aufschluss der Malzpartikel
erforderlich sind, zu beanspruchen (vgl. BGH GRUR 2013, 1210, 1. Ls i. V. m.
Rn. 15
– Dipeptidyl-Peptidase-Inhibitoren).
2.2
Zu dem im Patentanspruch 1 ebenfalls allgemein verwendeten Begriff
„Maischgefäß“ findet der Fachmann im Absatz [0006] der Streitpatentschrift
nähere Ausführungen. Aus ihnen geht hervor, dass in Fachkreisen unter dem
Oberbegriff
„Maischgefäß“ alle Gefäße verstanden werden, die beim Maischen
zum Einsatz kommen, unabhängig davon ob hierfür ein Kombinationsgerät wie die
Maischbottichpfanne oder einzelne, für die jeweiligen Teilschritte des Maischens
geeignete Geräte wie Maischbottich und Maischpfanne verwendet werden (vgl.
DE 100 26 723 B4, Abs.
[0006]). Der Begriff „Maischgefäß“ ist auch deshalb in
diesem Sinne breit auszulegen, weil weder die Beschreibung der Streitpa-
tentschrift noch der geltende Patentanspruch 1 einen Anhaltspunkt dafür liefern,
dass das patentgemäße „Maischgefäß“ zwingend zum Erhitzen der Maische und
damit für den enzymatischen Abbau der im Malz enthaltenen Stärke geeignet sein
muss. Demzufolge sind unter dem im Patentanspruch 1 genannten Begriff
„Maischgefäß“ auch solche Gefäße zu verstehen, in denen lediglich das ge-
schrotete Darrmalz und das Brauwasser miteinander zur Maische vermengt
werden.
3.
Das Maischgefäß des geltenden Patentanspruchs 1 mit den Merkmalen
M1a Maischgefäß zum Maischen von Wasser und Malzschrot und/oder
anderen stärkehaltigen Rohstoffen für die Bierherstellung, mit einem
zumindest teilweise im Inneren des Maischgefäßes wirkenden
- 10 -
M1b Vibrationselement zum mechanischen Erzeugen von Wellen in dem
eingefüllten Medium aufgrund einer Vibration des Vibrations-
elements,
M2
wobei das Vibrationselement ein Rüttelstab ist, der
M3
zusätzlich zu einem Rührwerk angeordnet ist,
M4a sich im Inneren des Maischgefäßes befindet,
M4b rüttelnd hin und her bewegbar ist und durch den direkten Kontakt
des Mediums mit dem Rüttelstab auf unmittelbare Art und Weise
eine mechanische Wellenanregung in dem Medium ausgeführt
wird.
ist neu gegenüber der Entgegenhaltung E8a/E8b, da der im geltenden Pa-
tentanspruch
1 genannte „Rüttelstab“ entsprechend der Auslegung unter Punkt
II.2.1 ein abgrenzendes Merkmal darstellt.
Im Maischgefäß der Druckschrift E8a/E8b wird zwar eine Kombination aus einem
Rührwerk und einem Vibrationselement verwendet und damit im eingefüllten Me-
dium des Maischgefäßes mechanisch Wellen erzeugt, so dass die bekannte
Vorrichtung die patentgemäßen Merkmale M1a, M1b und M3 bis M4b aufweist
(vgl. E8b, Anspruch 1). Als Vibrationselement kommt hierbei allerdings ein Ge-
nerator zum Einsatz. In diesem werden die Stäbe eines Schwingungssystems
durch den erzeugten Flüssigkeitsstrom zu Biegeschwingungen in ihrer Eigen-
frequenz angeregt (vgl. E8b, S. 3, mittlerer Abs.). Der Generator wird demnach
hydrodynamisch betrieben und daher selbst nicht in Bewegung versetzt. Folglich
ist der in der Vorrichtung der E8a/E8b verwendete Generator kein Vibra-
tionselement im patentgemäßen Sinn, das als „Rüttelstab“ aufgebaut ist und
demzufolge selbst aktiv Schwingungen erzeugt. Außerdem werden mit dem Ge-
nerator in der Vorrichtung der E8a/E8b ausschließlich Ultraschallschwingungen
erzeugt, da außer der damit erzeugten Eigenfrequenz des Schwingungssystems,
die im Ultraschallbereich liegt, keine weiteren Schwingungen generiert werden
(vgl. E8b, S. 1, zweiter Abs, Z. 6, S. 3, zweiter Abs, Z. 7 von unten i. V. m.
- 11 -
Anspruch
1). Wie bereits zuvor unter Punkt II.2.1 ausgeführt, ist der „Rüttelstab“
des patentgemäßen Merkmals M2 jedoch nicht dazu in der Lage höherfrequente
Ultraschallschwingungen zu erzeugen, sondern lediglich für die Erzeugung nie-
derfrequenter Schwingungen geeignet. Für das patentgemäße Merkmal M2 findet
sich in der E8a/E8b demzufolge keine Offenbarung.
Zu einer anderen Beurteilung der Sachlage führt auch der Einwand der Ein-
sprechenden, dass die von einem Generator erzeugten Frequenzen üblicher
Weise einstellbar seien und daher mit dem Generator der E8a/E8b auch die
nierderfrequenten Schwingungen eines patentgemäßen „Rüttelstabes“ erzeugbar
seien, nicht. Denn das in der E8a/E8b beschriebene Versetzen der Stäbe in
Biegeschwingungen ihrer Eigenfrequenz macht deutlich, dass eine Regulierung
der Frequenz beim Vibrationselement der E8a/E8b nicht vorgesehen ist, da die
Schwingung der Stäbe in ihrer Eigenfrequenz eine immanente Eigenschaft des
betrachteten Schwingungssystems ist und sich diese somit nicht einstellen lässt.
Zudem ist in der E8a/E8b nur von Ultraschall und damit von kurzen, punktuell
auftretenden Schwingungen, nicht aber von langen, großräumigen mechanischen
Schwingungen, wie sie im niederfrequenten Bereich auftreten, die Rede. Auch aus
diesem Grund liest der Fachmann somit - anders als von der Einsprechenden
angenommen -
in der E8a/E8b keinen „Rüttelstab“, wie im patentgemäßen Merk-
mal M2 angegeben, unmittelbar und eindeutig mit (vgl. BGH GRUR 2009, 382,
2. Ls. i. V. m. Rn. 25 und 26 - Olanzapin).
Auch in keiner weiteren, der dem Senat vorliegenden Entgegenhaltungen wird,
von der Einsprechenden unbestritten, das patentgemäße Maischgefäß in allen
Einzelheiten beschrieben.
4.
Das Maischgefäß nach Patentanspruch 1 beruht zudem auf erfinderischer
Tätigkeit.
- 12 -
Dem Streitpatent liegt die Aufgabe zugrunde, ein Maischgefäß zur Verfügung zu
stellen, das ein zeitsparendes Maischen erlaubt (vgl. DE 100 26 723 B4,
Abs. [0008]).
Die Aufgabe wird durch das Maischgefäß des geltenden Patentanspruchs 1 mit
den unter Punkt II.3 genannten Merkmalen M1 bis M4b gelöst.
Zur Lösung der Aufgabe konnte der Fachmann insbesondere von der E8a/E8b
ausgehen, da auch mit der in der E8a/E8b beschriebenen Vorrichtung u. a. der
Prozess der Verzuckerung der Biermaische beschleunigt werden soll (vgl. E8b,
S. 1, erster Abs. und zweiter Abs., Z. 1 bis 4 von unten). E8a/E8b offenbart hierfür
ein Maischgefäß, bei dem zum Mischen von zerkleinertem Malz oder ungemälzter
Gerste mit Wasser eine Kombination aus Rührwerk und Vibrationselement einge-
setzt wird. Im Inneren des Gefäßes kommt das Medium folglich in direkten Kontakt
mit einem Rührwerk sowie einem zur Erzeugung von Ultraschallschwingungen
geeigneten Generator (vgl. E8b, Anspruch 1 i. V. m. E8a, Fig. 1). Alternativen zu
dem hydrodynamisch und damit passiv betriebenen Generator zur Erzeugung von
Ultraschallschwingungen, werden in der E8a/E8b allerdings nicht angesprochen
(vgl. E8b, S. 3, mittlerer Abs. i. V. m. letzter Abs., erster Satz). Demzufolge liefert
die E8a/E8b dem Fachmann keinen Anhaltspunkt dafür, dass ein zeitsparendes
Maischen auch dann möglich ist, wenn
– wie in den Merkmalen M2 und M3 des
geltenden Patentanspruchs 1 vorgesehen
– ein Vibrationselement in Form eines
Rüttelstabes zur Erzeugung von energieärmeren, niederfrequenten Schwingungen
zusammen mit einem Rührwerk verwendet wird, da in der E8a/E8b hierfür der
Einsatz von Ultraschallschwingungen als wesentlich erachtet wird und ein Aus-
tausch des Generators somit nicht vorgesehen ist.
Der Einsprechenden ist zwar insofern zuzustimmen, als der Fachmann dem in der
E8a/E8b im Jahr 1988 propagierten Einsatz von Ultraschall skeptisch gegenüber
stehen wird, weil ihm aufgrund seines Fachwissens, wie es in dem aus dem
Jahr 1998 stammenden Lehrbuch - das vorliegend als Druckschrift E5 bezeichnet
- 13 -
wird - bekannt ist, dass die Rührwerksarbeit bei der Maischarbeit zwar eine große
Rolle spielt, ein zu intensives Rühren aber dennoch zu vermeiden ist, da dabei
zusätzlich Luft eingetragen wird und an den Maischeteilen Scherkräfte auftreten
(vgl. Anlage 3, S. 229, li. Sp. zweiter und vierter Abs.). Die E5 lehrt für eine gute
Maischarbeit sowie einen optimalen Kontakt zwischen den Bestandteilen des
Malzes und den im Wasser gelösten Enzymen mithin auf die Dimensionierung des
Rührwerks sowie die Beheizung der Maischpfanne zu achten (vgl. E5, S. 221,
seitenübergreifender Abs. und S. 222, li. Sp. zweiter Abs, erster Satz i. V. m.
S. 228, re. Sp. letzter Abs.). Damit bietet die E5 dem Fachmann allerdings keine
Veranlassung die Rührwerksarbeit durch den zusätzlichen Eintrag von nieder-
frequenten Schwingungen zu unterstützen, sondern regt allenfalls eine Optimie-
rung der Rührwerksarbeit an.
Anregungen, die in Richtung der patentgemäßen Lösung weisen, erhält der
Fachmann auch aus den ebenfalls mit der Bierherstellung befassten Druck-
schriften E1, E3 und E6 nicht.
Aus der E1 ist ihm u. a. eine Vorrichtung zum Aufheizen von Maische bekannt, in
der mit einem Ultraschallwandler Ablagerungen während des Aufheizprozesses
verhindert werden. Mit dem Ultraschallwandler wird bei dieser Vorrichtung
zusätzlich die Freisetzung von Enzymen sowie die Trennung von Spelzen und
Korn gefördert (vgl. E1, S. 7, fünfter Abs iVm Anspruch 1). Niederfrequente
Schwingungen oder als Rüttelstab ausgebildete Vibrationselemente sind für die
Lehre der E1 somit nicht von Belang, so dass die Druckschrift E1 kein
Maischgefäß mit den patentgemäßen Merkmalen M2 und M3 nahe zu legen
vermag.
Bei der Vorrichtung der Druckschrift E3 handelt es sich um einen für das Brauen
von Bier geeigneten Tank, in dem das Gären, das Altern sowie die ab-
schließenden Schritte des Brauprozesses durchgeführt werden können (vgl. E3,
Anspruch 1 i. V. m. Sp. 2, Z. 56 bis 66). Im Inneren dieses Tanks befindet sich am
- 14 -
Boden eine Vorrichtung, mit der Ultraschall oder andere mechanische Wellen
erzeugt werden, um damit die abgesetzte Hefe aufzulockern und deren Abfluss
aus dem Tank zu unterstützen (vgl. E3, Sp. 6, Z. 24 bis 29). Nachdem diese
Vorrichtung somit weder für den Maischvorgang geeignet ist, noch in ihr eine
Kombination aus Rührwerk und Vibrationselement vorgesehen ist, erschließen
sich dem Fachmann die patentgemäßen Merkmale M2 und M3 auch durch die
Angaben in der E3 nicht.
Auf den Vorteil niederfrequenter Schwingungen in Kombination mit Rührwerks-
arbeit, entsprechend den patentgemäßen Merkmalen M2 und M3, weist auch die
Druckschrift E6 nicht hin, denn für eine beschleunigte und vervollständigte
Verzuckerung bei der Bierherstellung wird darin ebenfalls eine Beaufschlagung
der Maische mit Schwingungen von Ultraschallfrequenz als wesentlich erachtet
(vgl. E6, S. 1, Z. 1 bis 8 und 14 bis 19 sowie S. 2, Z. 93 bis 99). Verfahren, wie sie
vor dem für die E6 maßgeblichen Zeitpunkt verwendeten verwendet worden sind
und unter Einsatz von niederfrequenten Schallsendern z.B. beim Umrühren des
Malzes in den Maisbottichen durchgeführt wurden, werden in der E6 dagegen als
wenig wirkungsvoll beschrieben (vgl. E6, S. 2, Z. 13 bis 28). Damit steht die Lehre
der E6 jedoch im Gegensatz zur Lehre des Patentanspruchs 1 gemäß Streit-
patent, da der Fachmann einer durch die Anwendung von Ultraschall überholten
Technik keine Beachtung schenken und folglich den Einsatz von niederfrequenten
Schwingungen in Kenntnis der E6 sogar vermeiden wird.
Folglich konnte der Fachmann ausgehend von E8a/E8b, selbst unter weiterer
Berücksichtigung einer oder mehrerer der Druckschriften E1, E3 und E6 sowie
unter gleichzeitiger Einbeziehung seines Fachwissens, wie es in der Druckschrift
E5 wiedergegeben wird, nicht zum Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß
Streitpatent gelangen.
Auch die Druckschrift E2, die zwar nicht mit den Vorgängen des Maischens aber
mit allgemeinen Misch- und Lösungsverfahren befasst ist und daher ebenfalls von
- 15 -
dem unter Punkt II.2 definierten Fachmann in Betracht gezogen wird, führt zu
keiner anderen Beurteilung der Sachlage. Das Prinzip der in E2 beschriebenen
Vorrichtung zum Beschleunigen von Misch-, Rühr- und ähnlichen Vorgängen
basiert darauf, das zu behandelnde Gut Vibrationseinflüssen sowie einer
Durchwirbelung auszusetzen (vgl. E2, S. 1, Z. 16 bis 21). Hierfür wird eine
kombinierte Vorrichtung aus einem Vibrationsgerät und einem Wirbelgerät
vorgeschlagen, wobei die Frequenz des Vibrators variiert werden kann und beide
Geräte gleichzeitig betreibbar sind (vgl. E2, S. 1, Z. 29 bis S. 2, Z. 5 und S. 2,
Z. 41 bis 44 i. V. m. Ansprüche 1, 2 und 10). Aufgrund der Tatsache, dass der
Vibrator der in E2 beschriebenen Vorrichtung nach dem Unwuchtprinzip arbeitet,
erkennt der Fachmann des Weiteren, dass damit niederfrequente Schwingungen
erzeugt werden (vgl. E2, Anspruch 7 i. V. m. Fig. 2). Es ist zwar zutreffend,
dass - wie von der Einsprechenden vorgetragen wurde - in der E2 somit zur
Verbesserung von Misch- und Lösungsvorgängen eine Kombination aus nieder-
frequenten Schwingungen und Rührwerksarbeit empfohlen wird. Auf den spe-
ziellen Vorgang des Maischens, wird die Lehre der E2 allerdings nicht übertragen.
Das Argument der Einsprechenden, der Fachmann werde unter den allgemeinen
Verfahren der E2 auch das Maischen subsumieren, kann daher nicht gefolgt
werden, denn selbst enzymatisch katalysierte Vorgänge, wie sie beim Maischen
stattfinden, werden in der E2 an keiner Stelle erwähnt. Allein die Tatsache, dass
sich in der E2 keine Aussage findet, die den Fachmann davon abhält die
Vorrichtung der E2 zur Beschleunigung des Maischprozesses einzusetzen, kann
entgegen der Auffassung der Einsprechenden ebenfalls nicht als Indiz dafür
gewertet werden, dass das Bereitstellen eines Maischgefäßes mit den patent-
gemäßen Merkmalen M2 und M3 kein erfinderisches Zutun erfordert. Denn um in
der Lehre der E2 einen Lösungsweg erkennen zu können, der für den Fachmann
auf der Hand liegt, um von den bisher im Stand der Technik beschritten Wegen
bei der Beschleunigung der Maischarbeit abzuweichen, bedarf es geltender
Rechtsprechung folgend vielmehr über die Erkennbarkeit des technischen
Problems hinausreichender Anstöße, Hinweise oder sonstiger Anregungen dafür,
die Lösung des technischen Problems auf dem Weg der Erfindung zu suchen (vgl.
- 16 -
BGH GRUR 2009, 746, Ls
– Betrieb einer Sicherheitseinrichtung). Derartige
Anregungen oder Hinweise sind der E2 jedoch nicht zu entnehmen. Nachdem sich
auch in der zuvor erörterten Druckschrift E8a/E8b keine Hinweise finden, die von
dem im Stand der Technik üblichen Einsatz eines Ultraschallschwingungen
erzeugenden Generators abraten, vermag somit selbst die von der Einsrechenden
in der mündlichen Verhandlung wiederholt zitierte Zusammenschau der Entge-
genhaltungen E8a/E8b und E2 das Beruhen des mit dem geltenden Patent-
anspruch 1 beanspruchten Maischgefäßes auf erfinderischer Tätigkeit nicht zu
widerlegen.
Auch die gleichzeitige Berücksichtigung der weiteren, in der mündlichen Ver-
handlung nicht mehr aufgegriffenen Entgegenhaltungen E4 und E7 führt zu
keinem anderen Ergebnis. Denn die in der Druckschrift E4 beschriebenen,
mechanisch erzeugten Schwingungen kommen zum einen nicht in Kombination
mit einem Rührwerk zum Einsatz, so dass aus der E4 die patentgemäßen
Merkmale M2 und M3 nicht abzuleiten sind (vgl. E4, S. 1, Z. 22 bis 33 und 76 bis
81). Zum anderen werden die mechanisch erzeugten Schwingungen in der E4 nur
bei chemischen Reaktionen und Extraktionsprozessen verwendet, nicht aber bei
enzymatischen Reaktionen (vgl. E4, S. 1, Z. 60 bis 75). Damit fehlt der Lehre der
E4 jedoch der Bezug zu dem in Rede stehenden Maischprozess, bei dem die
Aktivität der Enzyme von entscheidender Bedeutung ist (vgl. E5, S. 205, re. Sp.
unterer gerahmter Abs. i. V. m. S. 228, re. Sp, letzter Abs.).
Die Druckschrift E7 spricht zwar davon beim Maischen nach dem Ablassen der
Flüssigkeit in die verbleibenden Feststoffe mit einem an einer Platte befestigten
Oszillator vertikale Schwingungen einzubringen (vgl. E7, S. 4, Z. 80 bis 94). Von
einer Kombination der mechanischen Schwingungen mit der Rührwerksarbeit wird
in der E7 jedoch abgeraten, da während des Schwingungseintrages das Rührwerk
regelmäßig außer Betrieb genommen wird (vgl. E7, S. 4, Z. 94 bis 96). Eine
Anregung oder ein Hinweis darauf, die Maischarbeit entsprechend den patent-
gemäßen Merkmalen M2 und M3 durch eine Kombination aus Rührwerksarbeit
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und mechanisch erzeugten, niederfrequenten Schwingungen zu beschleunigen,
erhält der Fachmann somit auch aus der E7 nicht.
Nach alledem wird die Vorrichtung des geltenden Patentanspruchs 1 vom Stand
der Technik nicht nahegelegt.
5.
Die Vorrichtung des geltenden Patentanspruchs 1 erfüllt somit alle Kriterien
der Patentfähigkeit. Der geltende Patentanspruch 1 hat folglich Bestand. Die
Patentansprüche 2 bis 4 betreffen besondere Ausführungsformen der Vorrichtung
nach Patentanspruch 1 und sind daher mit diesem rechtsbeständig.
III.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss steht den Verfahrensbeteiligten das Rechtsmittel der
Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat,
ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass
1.
das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2.
bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des
Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der
Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3.
einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4.
ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten
war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder
stillschweigend zugestimmt hat,
5.
der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei
der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden
sind, oder
6.
der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
- 18 -
Die Rechtsbeschwerde muss innerhalb eines Monats nach Zustellung des
Beschlusses von einer beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwältin
oder von einem beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt beim
Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, eingereicht werden.
Maksymiw
Schell
Münzberg
Wagner
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