Urteil des BPatG vom 29.09.2014

Patentanspruch, Anteil, Form, Beteiligter

BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
14 W (pat) 24/13
_______________________
(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Patentanmeldung 10 2008 015 271.4
hat der 14. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
29. September 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Maksymiw,
der Richterin Dr. Proksch-Ledig, des Richters Schell und der Richterin Dr. Wagner
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
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G r ü n d e
I.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 14. August 2013 hat die Prüfungsstelle für
Klasse C 04 B des Deutschen Patent- und Markenamtes die Patentanmeldung
10 2008 015 271.4 mit der Bezeichnung
„Porenkeramik“
aus den Gründen des Bescheides vom 15. Oktober 2008 gemäß § 48 PatG
zurückgewiesen.
Dem Beschluss liegen die ursprünglich eingereichten Patentansprüche 1 bis 15
zugrunde, von denen die nebengeordneten Patentansprüche 1, 11, 12, 14 und 15
wie folgt lauten:
„1. Verfahren zur Herstellung von keramischen Formteilen auf
Aluminiumoxid-/silikatbasis mit gradienter, offener oder geschlos-
sener Porenstruktur,
dadurch gekennzeichnet, dass
a)
schlickerförmige Massen auf Aluminiumoxid-/silikatbasis
unter Verwendung von Tonerde in
γ-Al
2
O
3
Form und üblichen Ver-
flüssigungs-, Modifizierungs- und Bindemitteln hergestellt werden,
b)
die Massen in einem Temperaturbereich von Raumtempera-
tur bis 100 °C und pH Werten von 5 bis 10 mit Metallpasten oder
-pulvern gemischt werden, und
c) das entstehende Gemisch unter diesen Bedingungen in For-
men eingebracht wird, wobei poröse Formteile gebildet werden.
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11. Keramisches Formteil, das durch ein Verfahren nach einem
oder mehreren der vorhergehenden Ansprüche herstellbar ist.
12. Keramisches Material auf Aluminiumoxid-/silikatbasis mit
gerichteter offener oder geschlossener Porenstruktur, dadurch
gekennzeichnet, dass in der schlickerförmigen Masse zur Herstel-
lung des Materials
γ-Al
2
O
3
eingesetzt wird.
14. Verwendung des keramischen Materials nach Anspruch 12
oder 13 zur Fertigung von feuerfesten Materialien und Brennhilfs-
mitteln, feuerfesten Leichtbauteilen, Formteilen sowie zur Herstel-
lung von Filtermaterialien und Katalysatorträgern.
15. Verwendung von schickerförmigen Massen auf Aluminium-
oxid-/silikatbasis unter Verwendung von Tonerde in
γ-Al
2
O
3
Form
in der Herstellung von keramischen Formteilen.
In oben genanntem Bescheid ist im Wesentlichen ausgeführt, dass abgesehen
davon, dass die vorliegenden Patentansprüche formale Mängel, insbesondere
Unklarheiten aufwiesen, die Bereitstellung des Verfahrens gemäß Patentan-
spruch 1 im Hinblick auf die Entgegenhaltungen
(1) DE 101 34 524 A1 und
(2) AT 2 33 851 B
nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Bis auf die Verwendung der
γ-Al
2
O
3
gingen alle Merkmale des Anspruches 1 aus dem Anspruch 3 der Entge-
genhaltung (1) hervor. Darüber hinaus ergebe sich aus dem Beispiel 2 dieses
Dokumentes in Verbindung mit Absatz [0023], dass in der schlickerförmigen
Masse zusätzlich Tonerde (Al
2
O
3
) zum Einsatz komme. Al
2
O
3
werde in der Tech-
nik im Wesentlichen in den Modifikationen α- und γ-Al
2
O
3
eingesetzt; ferner sei
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dem Fachmann bekannt, dass γ-Al
2
O
3
infolge thermischer Aktivierung reaktiver
sei. Da die Druckschrift (1) den Einsatz von Al
2
O
3
jedoch nicht auf eine bestimmte
Modifikation beschränke,
werde der Fachmann die Verwendung beider Modifika-
tionen in Betracht ziehen. Dies gelte umso mehr, als aus (2) die Herstellung kera-
mischer Formkörper unter Verwendung von γ-Al
2
O
3
bekannt sei.
Nachdem die Anmelderin innerhalb der Frist nicht Stellung genommen hat, erging
der Zurückweisungsbeschluss.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie
ihr Patentbegehren mit den Patentansprüchen 1 bis 15 gemäß Hauptantrag und 1
bis 14 gemäß 1. Hilfsantrag weiterverfolgt.
Die Anspruchsfassung gemäß Hauptantrag entspricht der ursprünglich einge-
reichten Anspruchsfassung. Der Patentanspruch 1 gemäß 1. Hilfsantrag hat fol-
genden Wortlaut:
„Verfahren zur Herstellung von keramischen Formteilen mit gra-
dienter, offener oder geschlossener Porenstruktur,
dadurch gekennzeichnet, dass
a) schickerförmige Massen hergestellt werden, bestehend aus
Trockensubstanz und Wasser, wobei die Trockensubstanz Ton-
erde und Verflüssigung-, Modifizierungs- und Bindemittel umfasst,
und wobei die in der schlickerförmigen Masse enthaltene Trocken-
substanz 10-90
Masse% γ-Al
2
O
3
enthält,
b) die schlickerförmigen Massen auf einen Temperaturbereich
von Raumtemperatur bis 100 °C und auf pH Werte von 5 bis 10
eingestellt und mit Metallpasten oder -pulvern gemischt werden,
und
c) das entstehende Gemisch unter diesen Bedingungen in For-
men eingebracht wird, wobei
poröse Formteile gebildet werden.“
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Sie bestreitet das Vorliegen der von der Prüfungsstelle geltend gemachten forma-
len Mängel. Auch die erfinderische Tätigkeit sei gegeben. Denn in der Entgegen-
haltung (1) werde weder das anmeldungsgemäße Verfahren zur Herstellung eines
porösen keramischen Materials mit besonderen Eigenschaften, wie einer speziell
eingestellten Porenstruktur, Druckerweichung und Thermoschockbeständigkeit,
noch die Verwendung von Schlickermassen mit einer Viskosität, wie sie z. B. im
Kernguss von Formteilen benötigt werden, beschrieben. Diese Entgegenhaltung
mache nämlich keinerlei Angaben über die Art der eingesetzten Tonerde, d. h. bei-
spielswei
se über das Vorhandensein von α- oder γ-Al
2
O
3
. Nachdem (1) somit an
keiner Stelle zu entnehmen sei, dass
γ-Al
2
O
3
als Tonerde-Modifikation verwendet
werden solle, stelle sich die Frage, ob dieses Dokument dem Fachmann eine aus-
reichende Motivation gebe,
γ-Al
2
O
3
im angegebenen Verfahren zu verwenden.
Die Anmelderin beantragt,
den Beschluss vom 14. August 2013 aufzuheben und die Erteilung
der Patentanmeldung im Rahmen der Ansprüche gemäß Haupt-
antrag, hilfsweise gemäß 1. Hilfsantrag zu beschließen.
Mit Schriftsatz vom 25. August 2014 nimmt sie den Antrag mündlich angehört zu
werden vom 28. Januar 2014 zurück und bittet um Entscheidung nach Aktenlage.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die Beschwerde der Anmelderin ist zulässig; sie ist aber nicht begründet.
1.
Es kann dahingestellt bleiben, inwiefern die ursprünglich eingereichten
Patentansprüche gemäß Hauptantrag bzw. die Patentansprüche gemäß 1. Hilfs-
- 6 -
antrag formale Mängel aufweisen. Das Verfahren zur Herstellung von kerami-
schen Formteilen gemäß den Patentansprüchen 1 gemäß Hauptantrag und
1. Hilfsantrag beruht jedenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
2.
Der angefochtene Beschluss lässt keine formalen oder sachlichen Mängel
erkennen. Der Senat macht sich die Begründung des angefochtenen Zurückwei-
sungsbeschlusses zu eigen. Die Bereitstellung eines Verfahrens zur Herstellung
keramischer Formteile, wie es mit dem Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag
beansprucht wird, wird auch nach Auffassung des Senates mit den Entgegenhal-
tungen (1) und (2) nahe gelegt.
Das Argument der Anmelderin, es stehe infrage, ob die Druckschrift (1) dem Fach-
mann eine ausreichende Motivation gebe, die Modifikation
γ-Al
2
O
3
in dem dort
beschriebenen Verfahren zu verwenden, kann zu keiner anderen Beurteilung füh-
ren. Eine Veranlassung, im Verfahren gemäß Dokument (1) anstelle der hinsicht-
lich der Modifikation nicht charakterisierten Tonerde - somit des dort verwendeten,
hinsichtlich der Modifikation nicht charakterisierten Al
2
O
3
(vgl. (1) Beschreibung
Abs. [0022] und [0023] i. V. m. Beispielen 1 bis 3) - zur Porosierung gezielt
γ-Al
2
O
3
einzusetzen, erhält der Fachmann mit der österreichischen Patentschrift (2). Die-
ses Dokument vermittelt ihm nämlich die Lehre, dass die Anwesenheit von
γ-Al
2
O
3
in Gegenwart von Aluminiumpulver in keramischen Massen zu porösen Formkör-
pern führt (vgl. (2) Patentanspruch 1 i. V. m. Beschreibung S. 1 Z. 22 bis 26 und
Z. 30 bis 35 sowie S. 2 Z. 1 bis 7). Sollte der Fachmann daher mit dem in der Ent-
gegenhaltung (1) beschriebenen Verfahren nicht die gewünschte Porosität erzie-
len, so musste er lediglich dem mit der Druckschrift (2) gegebenen Hinweis folgen
und den Anteil von
γ-Al
2
O
3
in der im Dokument (1) genannten Tonerde entspre-
chend einstellen. Dazu erforderliche Versuche, die ihm einen Überblick geben,
inwiefern er mit dieser Maßnahme die angestrebten Eigenschaften erzielen kann,
bedürfen keine, das fachmännische Können übersteigende Überlegungen (vgl.
auch (1) Beschreibung Abs. [0014] sowie (2) S. 2 Z. 1 bis 5). Auch die von der
Anmelderin geltend gemachten Vorteile können keinen Beitrag zur Begründung
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der erfinderischen Tätigkeit leisten, denn sie sind die Folge eines mit den Doku-
menten (1) und (2) nahe gelegten Handelns.
3.
Für das Verfahren nach Patentanspruch 1 gemäß 1. Hilfsantrag gelten diese
Ausführungen sinngemäß.
Die Beschränkung des Gehaltes von
γ-Al
2
O
3
auf 10-90 Masse% in der schlicker-
förmigen Masse enthaltenden Trockensubstanz aus Tonerde und Verflüssigungs-,
Modifizierungs- und Bindemittel führt zu keinem anderen Sachverhalt. Denn die
Entgegenhaltung (2) lehrt hinsichtlich der Verwendung von
γ-Al
2
O
3
zur Herstellung
von keramischen Formkörpern ferner, dass sich die zuzugebende Menge nach
dem Verwendungszweck der Formkörper richte (vgl. S. 2 Z. 1 bis 5). Den sodann
erforderlichen Anteil an
γ-Al
2
O
3
in einem Verfahren wie es in der Druckschrift (1)
beschrieben ist, den Zielsetzungen entsprechend einzustellen, ist aber - wie vor-
stehend bereits ausgeführt - der Routinetätigkeit des Fachmannes zuzurechnen.
4.
Die Patentansprüche 1 gemäß Haupt- und 1. Hilfsantrag sind somit nicht
gewährbar. Mit ihnen fallen die Patentansprüche 2 bis 15 gemäß Hauptantrag
bzw. 2 bis 14 gemäß 1. Hilfsantrag, da über den Antrag der Anmelderin nicht in
Teilen entschieden werden kann.
5.
Für den Senat sind daher keine Gründe ersichtlich, die zur Aufhebung des
angefochtenen Beschlusses führen könnten.
III.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde gegeben,
wenn gerügt wird, dass
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1.
das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2.
bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des
Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der
Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3.
einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4.
ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten
war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder still-
schweigend zugestimmt hat,
5.
der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei
der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden
sind, oder
6.
der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
Die Rechtsbeschwerdeschrift muss von einer beim Bundesgerichtshof zugelasse-
nen Rechtsanwältin oder von einem beim Bundesgerichtshof zugelassenen
Rechtsanwalt unterzeichnet und innerhalb eines Monats nach Zustellung des
Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe einge-
reicht werden.
Maksymiw
Proksch-Ledig
Schell
Wagner