Urteil des BPatG vom 29.09.2014

Magnetismus, Patentanspruch, Erfindung, Auflage

BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
14 W (pat) 14/13
_______________________
(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Patentanmeldung 10 2010 048 113.0
hat der 14. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in
der Sitzung vom 29. September 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters
Dr. Maksymiw, der Richterin Dr. Proksch-Ledig, des Richters Schell sowie der
Richterin Dr. Wagner
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
- 2 -
G r ü n d e
I.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 8. April 2013 hat die Prüfungsstelle für
Klasse C 02 F des Deutschen Patent- und Markenamtes die Patentanmeldung
10 2010 048 113.0-41 mit der Bezeichnung
„Trinkwassergewinnung aus Meerwasser mittels Magnetismus“
zurückgewiesen.
Dem Beschluss liegt der der am 9. Oktober 2010 ursprünglich eingereichten Fas-
sung entsprechende und nochmals am 20. August 2012 eingereichte Patentan-
spruch 1 zugrunde, der folgenden Wortlaut hat:
„Die Trinkwassergewinnung aus Meerwasser mittels Magnetismus
wird dadurch gekennzeichnet, dass sie mittels folgender Techni-
ken und Verfahren realisiert werden kann:
1. Die Trinkwassergewinnung aus Meerwasser basiert auf der
Technologie der Diamagnetismus, Paramagnetismus, Ferromag-
netismus, Antiferromagnetismus, Amagnetismus und Metamagne-
tismus.
Mittels aller hier aufgezeigten Formen des Magnetismus lassen
sich zukünftig folgende Elemente aus dem Meerwasser binden:
- NaCI Natriumchlorid
- NaBr Natriumbromid
- NaJ Natriumjodit
- MgCI Magnesiumchlorid
- 3 -
- CaCI Kalziumchlorid
- zusätzlich weitere Elemente wie:
Chlor (CI), Magnesium (Mg), Schwefel (S), Kalzium (Ca), Kalium
(K), Brom (Br), Bor (B), Silizium (Si), Fluor (F), Argon (Ar), Lithium
(Li), Rubidium (Rb), Phosphor (P), Jod (I), Barium (Ba), Molybdän
(Mo) und weitere Elemente, wie Metalle und Edelmetalle.
Die einzelnen Magnetismustechnologien sind in der Beschreibung
beschrieben.“
Die Zurückweisung ist im Wesentlichen damit begründet, dass die technische
Erfindung an keiner Stelle der Anmeldeunterlagen so deutlich und vollständig
offenbart sei, dass ein Fachmann diese ausführen und nacharbeiten könne (vgl.
§ 34 Abs. 4 PatG). Die Unterlagen erschöpften sich weitgehend in einer ausführli-
chen Erläuterung des Magnetismus und seiner Erscheinungsformen auf molekula-
rer Ebene. Darüber hinaus beinhalte sie Angaben, welche Vorteile mit der Anwen-
dung der Lehre der vorliegenden Patentanmeldung verbunden seien. Wie die
Lehre der Patentanmeldung, d. h. mit welchen technischen Merkmalen und Maß-
nahmen diese konkret umsetzbar sei, werde in den vorliegenden Anmeldungsun-
terlagen nicht offenbart. Des Weiteren enthielten die geltenden Unterlagen vom
20. August 2012 Passagen, die in den ursprünglichen Anmeldeunterlagen vom
9. Oktober 2012 nicht offenbart seien. Die vorliegende Patentanmeldung sei folg-
lich unzulässig erweitert (vgl. § 38 PatG).
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Anmelders. Er macht im
Wesentlichen geltend, dass das beanspruchte Verfahren zur Trinkwassergewin-
nung aus Meerwasser mittels Magnetismus ausführbar sei. Als Beleg hierfür ver-
weist der Anmelder auf Titan- und Kupferexperimente bei 15 Tesla, die an der
„Akademie der Wissenschaften“ in Moskau vom 26. bis 28. Februar 2012 erfolg-
reich durchgeführt worden seien. Auch Goldpartikel und weitere Klein- und Nano-
partikel der Elemente hätten den Test erfolgreich bestanden. Soweit die Elemente
leitfähig bzw. diamagnetisch seien, sei auch deren Magnetisierung in Abhängigkeit
- 4 -
von der Vorrichtung und der Feldstärke möglich. Folglich sollten alle Elemente des
Meerwassers bzw. deren Nanopartikel mittels Magnetismus zumindest teilweise
zu binden sein.
Der Anmelder beantragt sinngemäß,
den Zurückweisungsbeschluss aufzuheben.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die Beschwerde des Anmelders ist zulässig; sie führt jedoch nicht zum Erfolg.
Es kann dahingestellt bleiben, ob die am 20. August 2012 eingereichten Unterla-
gen gegenüber den ursprünglichen Anmeldeunterlagen Änderungen aufweisen,
die den Gegenstand der Anmeldung erweitern. Denn das im Patentanspruch 1
beanspruchte Verfahren zur Trinkwassergewinnung aus Meerwasser mittels Mag-
netismus ist nicht so deutlich und vollständig i. S. von § 34 IV PatG offenbart, dass
ein Fachmann es am Anmeldetag hätte ausführen können (vgl. Schulte, PatG,
9. Auflage, § 34 PatG, Rdn. 338, 349, 352).
Geltender Rechtsprechung folgend, ist bei der Bewertung, inwiefern eine Erfin-
dung ausführbar offenbart ist, zunächst zu klären, ob die in der Patentanmeldung
enthaltenen Angaben dem fachmännischen Leser so viel an technischer Informa-
tion vermitteln, dass er mit seinem Wissen und seinem Können in der Lage ist, die
Erfindung erfolgreich auszuführen (BGH, GRUR 2010, 916 -
„Klammernahtgerät“).
Diesen Anforderungen genügen die Angaben in den Anmeldeunterlagen jedoch
nicht.
- 5 -
Die Erfindung betrifft eine Trinkwassergewinnung aus Meerwasser mittels Magne-
tismus, die dadurch gekennzeichnet ist, dass sie auf Basis der Technologien des
Diamagnetismus, Paramagnetismus, Ferromagnetismus, Antiferromagnetismus,
Amagnetismus und Metamagnetismus Elemente aus Meerwasser zu binden ver-
mag (vgl. Patentanspruch 1 und Beschreibungsseite 4 und 5 der Erstunterlagen).
Folgende Stoffe sollen mittels der aufgezeigten Formen des Magnetismus aus
Meerwasser gebunden werden:
- NaCI Natriumchlorid
- NaBr Natriumbromid
- NaJ Natriumjodit
- MgCI Magnesiumchlorid
- CaCI Kalziumchlorid
- zusätzlich weitere Elemente wie:
Chlor (CI), Magnesium (Mg), Schwefel (S), Kalzium (Ca), Kalium (K), Brom (Br),
Bor (B), Silizium (Si), Fluor (F), Argon (Ar), Lithium (Li), Rubidium (Rb), Phosphor
(P), Jod (I), Barium (Ba), Molybdän (Mo) und weitere Elemente, wie Metalle und
Edelmetalle (vgl. Patentanspruch 1, Beschreibungsseite 5, 3. Absatz der Erstun-
terlagen).
Damit liefern aber die Anmeldeunterlagen dem Fachmann, einem Diplomingenieur
auf dem Gebiet der Umwelttechnik mit Kenntnissen der Wasseraufbereitung, kei-
nerlei technische Hinweise oder Anregungen, welche konkreten Verfahrensmaß-
nahmen zu ergreifen sind, um mit seinem Können und Wissen das Verfahren zur
Trinkwasseraufbereitung aus Meerwasser erfolgreich auszuführen. Auf Grund
dessen ist der Fachmann vorliegend nicht in die Lage versetzt, das angestrebte
Ergebnis ohne unzumutbaren Aufwand zu erreichen. Vielmehr musste er dazu
erst selbst erfinderisch tätig werden, denn mangels konkreter Hinweise in den
Anmeldeunterlagen sieht sich der Fachmann zur Durchführung eines Forschungs-
auftrags aufgefordert, der ein übliches Maß an Versuchen überschreitet (vgl.
Schulte, PatG, 9. Auflage, § 34 PatG, Rdn. 355, 359 b) und c), 401).
- 6 -
Die Ausführbarkeit der vorliegend beanspruchten technischen Lehre ist damit nicht
gegeben.
Auch das Argument des Anmelders, dass Experimente mit Titan, Kupfer und Gold
bei 15 Tesla erfolgreich verlaufen seien, kann nicht durchgreifen. Zum einen lagen
die Experimente nicht am Anmeldetag vor (vgl. Schulte PatG, 9. Auflage, § 34
PatG, Rdn. 360) und zum anderen ist auch anhand der eingereichten Unterlagen
nicht nachvollziehbar, welche genauen Versuchsbedingungen vorlagen und ob
überhaupt eine Trinkwasserbehandlung vorgenommen wurde.
Der Patentanspruch 1 ist daher mangels Ausführbarkeit nicht gewährbar.
Bei dieser Sachlage war die Beschwerde zurückzuweisen.
Diese Entscheidung konnte im schriftlichen Verfahren ergehen, da der Beschwer-
deführer im vorliegenden Fall keinen Antrag auf Durchführung einer mündlichen
Verhandlung gestellt und auch der Senat eine solche nicht für sachdienlich erach-
tet hat (§ 78 PatG).
III.
Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde gegeben,
wenn gerügt wird, dass
1.
das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2.
bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des
Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der
Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3.
einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4.
ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten
war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder still-
schweigend zugestimmt hat,
- 7 -
5.
der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei
der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden
sind, oder
6.
der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
Die Rechtsbeschwerdeschrift muss von einer beim Bundesgerichtshof zugelasse-
nen Rechtsanwältin oder von einem beim Bundesgerichtshof zugelassenen
Rechtsanwalt unterzeichnet und innerhalb eines Monats nach Zustellung des
Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe einge-
reicht werden.
Maksymiw
Proksch-Ledig
Schell
Wagner
Fa