Urteil des BPatG vom 09.12.2014

Stand der Technik, Übereinstimmung, Patent, Vergleich

BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
12 W (pat) 23/12
_______________________
(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Patentanmeldung 10 2006 010 807.8
hat der 12. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in
der Sitzung am 9. Dezember 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters
Dipl.-Ing. Schneider, der Richterin Bayer, sowie der Richter Dr.-Ing. Krüger und
Dipl.-Ing.Univ. Dipl.-Wirtsch.-Ing. (FH) Ausfelder
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Anmelderin vom 23. März 2011 wird der
Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse F02P des Deutschen
- 2 -
Patent- und Markenamtes vom 26. Januar 2011 aufgehoben und
das Patent mit folgenden Unterlagen erteilt:
- Patentansprüche 1
bis 7 „vom 12. November 2014“, eingereicht
mit Eingabe vom 14. November 2014,
- Beschreibung Seiten 1 bis 39, eingereicht mit Eingabe vom
14. November 2014 sowie
- Figuren 1 bis 14, 15a, 15b, 16a, 16b, 17a, 17b und 18 vom
Anmeldetag, dem 7. März 2006.
I. Tatbestand
Die Beschwerdeführerin ist Anmelderin der am 7. März 2006 beim Deutschen
Patent- und Markenamt eingegangenen Patentanmeldung mit der Bezeichnung
„Schaltung zum Erfassen verbrennungsrelevanter Größen“.
In der Anhörung am 26. Januar 2011 hat die Prüfungsstelle für Klasse F02P des
Deutschen Patent- und Markenamtes die Anmeldung auf Grund § 48 PatG
zurückgewiesen und dabei zur Begründung angegeben, dass der Gegenstand
nach Anspruch 1 in der Fassung vom 29. Oktober 2010 nicht auf erfinderischer
Tätigkeit (§ 4 PatG) beruhte.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 23. März 2011 eingegangene
Beschwerde der Anmelderin.
Mit Eingabe vom 14. November 2014 beantragt sie sinngemäß,
den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse F02P des Deutschen
Patent- und Markenamtes vom 26. Januar 2011 aufzuheben und
ein Patent auf Basis der folgenden Unterlagen zu erteilen:
- 3 -
-
Patentansprüche 1 bis 7 „vom 12. November 2014“, eingereicht
mit Eingabe vom 14. November 2014,
- Beschreibung Seiten 1 bis 39, eingereicht mit Eingabe vom
14. November 2014 sowie
- Figuren 1 bis 14, 15a, 15b, 16a, 16b, 17a, 17b und 18 vom
Anmeldetag, dem 7. März 2006.
Der geltende Anspruch 1 lautet:
Die nebengeordneten Ansprüche 4 und 5 (letzterer ist rückbezogen auf An-
spruch 4) lauten:
- 4 -
- 5 -
Im Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt sind als Stand der
Technik die folgenden Druckschriften berücksichtigt worden:
D1)
EP 0 801 226 A2
D8)
DE 10 2005 027 396 A1
D2)
DE 196 49 278 A1
D9)
DE 38 25 749 C2
D3)
DE 10 2005 043 318 A1
D10)
EP 1 091 174 A1
D4)
DE 10 2005 044 030 A1
D11)
EP 0 615 067 A2
D5)
DE 198 39 868 C1
D12)
DE 198 23 021 B4
D6)
DE 196 80 104 T1
D13)
DE 197 80 111 T1
D7)
DE 10 2005 030 481 A1
D14)
EP 1 133 626 B1.
Wegen der Unteransprüche und der weiteren Einzelheiten wird auf den
Akteninhalt verwiesen.
II. Entscheidungsgründe
1)
Die frist- und formgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig und hat auch
Erfolg.
2)
Die geltenden unabhängigen Ansprüche 1 und 4 lassen sich wie folgt
gliedern:
1M0
Schaltung zum Auswerten von lonisationssignalverläufen einer Ver-
brennung in einer Verbrennungskraftmaschine,
1M1
mit einer lonisationssignalmesseinheit (802), welche einen lonisations-
signalverlauf misst,
1M2
[mit] mindestens zwei Referenzsignal-Speichereinheiten (803a, 803b,
803c), in welchen vorab aufgezeichnete Referenzsignalverläufe und ein
dem Referenzsignalverlauf zugeordneter Parameterwert gespeichert
sind,
- 6 -
1M3
[mit] mindestens zwei Korrelationseinheiten (804a
– 804c), in welchen
der gemessene lonisationssignalverlauf mit mindestens einem ersten
und zweiten gespeicherten Referenzsignalverlauf (RefA, RefB, RefC)
korreliert wird, indem der Grad der Übereinstimmung zwischen den
Werten des gemessenen Ionisationssignalverlaufs (IO) und den Werten
der gespeicherten Referenzsignalverläufe (RefA, RefB, RefC) für jeden
Wert bestimmt wird, und
1M4
[mit] mindestens zwei Zuordnungseinheiten (805a
– 805d), in welchen
die durch die Korrelationseinheiten (804a
– 804c) berechnete Über-
einstimmung zu den zugeordneten gespeicherten Parameterwerten der
gespeicherten Referenzsignalverläufe (RefA, RefB, RefC) zugeordnet
wird.
4M0
Verfahren zum Auswerten von lonisationssignalverläufen einer Verbren-
nung in einer Verbrennungskraftmaschine mit den Schritten
4M1
Messen eines lonisationssignalverlaufs,
4M2
Speichern von mindestens zwei vorab aufgezeichneten Referenzsignal-
verläufen und eines dem Referenzsignalverlauf zugeordneten Parameter-
werts,
4M3
Korrelieren des gemessenen lonisationssignalverlaufs mit den mindes-
tens zwei gespeicherten Referenzsignalverläufen, indem der Grad der
Übereinstimmung zwischen den Werten des gemessenen lonisationssig-
nalverlaufs (IO) und den Werten der gespeicherten Referenzsignalver-
läufe (RefA, RefB, RefC) für jeden Wert bestimmt wird, und
4M4
Zuordnen der durch die Korrelation berechneten Übereinstimmung zu
den zugeordneten gespeicherten Parameterwerten der gespeicherten
Referenzsignalverläufe (RefA, RefB, RefC).
3)
Als Fachmann ist beim vorliegenden Gegenstand ein Ingenieur des
Maschinenbaus mit vertieften Kenntnissen und mehrjähriger Erfahrung auf dem
Gebiet der Mess- und Regeltechnik bei Verbrennungsmotoren angesprochen.
- 7 -
4)
Die geltenden Ansprüche sind zulässig.
Die geltenden Ansprüche 1 bis 7 basieren auf den ursprünglichen Ansprüchen 42
bis 48.
Dabei wurden die Ansprüche 1 und 4 dahingehend abgeändert, dass die
ursprünglich in den einzelnen Merkmalen angegebenen Zweckangaben, auch als
funktionelle Merkmale bezeichnet,
– hier eingeleitet mit „zum“ – durch ent-
sprechende strukturelle Merkmale ersetzt wurden.
Auch die Klarstellungen in den Merkmalen 1M3 und 4M3, nämlich dass statt des
ursprünglichen im Anspruch 1 angeführten
„gemessenen Ionisationssignals“ nun
der „gemessene Ionisationssignalverlauf“ mit einem ersten und zweiten gespei-
cherten Referenzsignalverlauf korreliert wird, indem der Grad der Überein-
stimmung zwischen den Werten des gemessenen Ionisationssignalverlaufs (IO)
und den Werten der gespeicherten Referenzsignalverläufe (RefA, RefB, RefC) für
jeden Wert bestimmt wird, ist in den Absätzen [0108] ff. der Offenlegungsschrift
Der im geltenden abhängigen Nebenanspruch 5 im Vergleich zum ursprünglichen,
unabhängigen Nebenanspruch 46 ergänzte Rückbezug auf Anspruch 4 findet
seine Offenbarung in den Absätzen [0130] sowie [0022] der OS, gemäß denen die
Motorsteuerung als die das Ionisationssignal weiterverarbeitende Einheit offenbart
ist. Wegen des Kategoriewechsels bleibt der Anspruch 5 im Übrigen ein (nun
jedoch abhängiger) Nebenanspruch (vgl. Schulte, PatG, 9. Aufl., § 34, Rdn.
164 b).
- 8 -
5)
Patentfähigkeit
5.1)
Die ausführbar offenbarten und zweifelsfrei gewerblich anwendbaren
Gegenstände der Ansprüche 1 und 4 sind neu und beruhen auch auf erfin-
derischer Tätigkeit (§§ 3, 4 PatG).
Denn die im Prüfungsverfahren befindlichen Druckschriften D1 bis D14 lehren
weder einzeln noch in Kombination oder in Verbindung mit Fachwissen einen
Gegenstand entsprechend den unabhängigen Ansprüchen 1 und 4 noch regen sie
in Kombination oder in Verbindung mit Fachwissen hierzu an.
So offenbart keine der Entgegenhaltungen ein Korrelieren des gemessenen
lonisationssignalverlaufs mit den mindestens zwei gespeicherten Referenzsig-
nalverläufen, indem der Grad der Übereinstimmung zwischen den Werten des
gemessenen Ionisationssignalverlaufs (IO) und den Werten der gespeicherten
Referenzsignalverläufe (RefA, RefB, RefC) für jeden Wert bestimmt wird
(Merkmale 1M3 und 4M3).
D6 (DE 196 80 104 T1)
Schaltung entsprechend Merkmal 1M0 und 1M1 bzw. ein Verfahren entsprechend
4M0 und 4M1 hervor, jedoch wird nach D6 kein gemessener Referenz-
signalverlauf mit mindestens zwei gespeicherten Referenzsignalverläufen korre-
liert, indem der Grad der Übereinstimmung zwischen den Werten des
gemessenen Ionisationssignalverlaufs (IO) und den Werten der gespeicherten
Referenzsignalverläufe (RefA, RefB, RefC) für jeden Wert bestimmt wird (1M3
bzw. 4M3). Zwar gibt die D6 an, dass der gemessene Ionisationsstromsignal-
verlauf durch offensichtlich kontinuierliches Bestimmen des Differentialquotienten
in seine Verlaufsabschnitte (Spitzenwert, Übergang Flammen-Ionisationsphase
und Nach-Ionisationsphase, Spitzenwert PP) eingeteilt werden kann (S. 13,
Abs. 2). Sie lehrt insbesondere auch, dass der Frequenzhub während der
Flammen-Ionisationsphase, die vom Kurbelwellenwinkel zwischen 5° vor dem
- 9 -
oberen Totpunkt ÖD bis zum ersten Spitzenwert PF dauert, mit fetteren Kraftstoff-
/Luftverhältnissen (S. 13, Abs. 3 bis S. 15, Abs. 1) zunimmt und charakteristisch ist
für ein kleineres Luftverhältnis
. Zentrale Lehre der D6 ist dabei die Auswertung
des charakteristischen Frequenzhubs (s. S. 14, Abs. 3), also des Ansteigens der
Ionisationssignalflanke. Der Fachmann wird aus dieser Lehre der D6 ein Ver-
fahren ableiten, bei der er den Anstieg der gemessenen Flanke, also den
Differentialquotienten, mit den Anstiegsflanken von Referenzverläufen für charak-
teristische, bekannte Luftverhältnisse ins Verhältnis setzt und daraus dann das
Luftverhältnis für den vorliegenden Ionisationssignalverlauf bestimmt. Ein Korre-
lieren mit den gespeicherten Referenzsignalverläufen, indem der Grad der
Übereinstimmung zwischen den Werten des gemessenen Ionisationssignalver-
laufs (IO) und den Werten der gespeicherten Referenzsignalverläufe (RefA, RefB,
RefC) für jeden Wert bestimmt wird (1M3, 4M3) erfolgt dabei jedoch nicht.
D9 (DE 38 25 749 C2)
wenn er diese Entgegenhaltung berücksichtigen sollte, bei der zwar keine
Ionisationssignalverläufe ausgewertet werden, doch zumindest das Ausgangs-
signal von Lambdasonden (D9: Sp. 12, Z. 55 ff.). Denn in dieser Druckschrift
werden zwar Parameter für Betriebspunkte in Kennfeldern interpoliert (D9: Sp. 10,
Z. 56-60; Sp. 11, Z. 9-15; Sp. 20, Z. 4-6; Sp. 21, Z. 6-14), jedoch nur für einzelne
Betriebspunkte. Eine darauf folgende Ermittlung eines Grads der Überein-
stimmung von Signalverläufen wie nach Merkmalen 1M3 und 4M3 wird nicht
angewendet.
D1 (EP 0 801 226 A2)
eines gemessenen Verlaufs mit einem ersten und zweiten Referenzsignalverlauf
ermittelt, sondern es werden lediglich diskrete Einzelwerte für a) eine integrierte
Messsignalfläche über eine bestimmte Zeit (D1, Sp. 5, Z. 9-21), b) eine
Messsignalhöhe nach einer bestimmten Zeit (Z. 22-42), c) die Zeitdauer bis zum
Erreichen eines Schwellwerts mit dem entsprechenden Wert (Z. 43-50) oder d)
eine nach Erreichen eines Schwellwerts integrierte Messsignalfläche mit einem
- 10 -
Vergleichswert für eine Referenzkurve verglichen (D1: Sp. 5, Z. 58-Sp. 6, Z. 5).
Auch die Mittelwertbildung nach D1, Sp. 2, Z. 32 ff. ermittelt keinen Grad der
Übereinstimmung mit mehreren Referenzverläufen, indem der Grad der Überein-
stimmung zwischen den Werten des gemessenen Ionisationssignalverlaufs (IO)
und den Werten der gespeicherten Referenzsignalverläufe (RefA, RefB, RefC) für
jeden Wert bestimmt wird.
D2 (DE 196 49 278 A1)
Ionenstroms an einer Zündkerze auf, offenbart jedoch keine weitere Auswertung
dieses Signals.
Wie die D2 gibt auch die vom Zeitrang ältere, jedoch nachveröffentlichte und somit
D3 (DE
10 2005 043 318 A1)
keine weitere Auswertung dieses Signals an. Damit fehlen auch bereits die Merk-
male 1M3 und 4M3.
D4 (DE 10 2005 044 030 A1)
ein Hinweis insbesondere auf die Merkmale 1M3 und 4M3, nämlich wie die
gemessenen Ionisationssignale zur Bestimmung von Verbrennungsparametern,
insbesondere der Luftzahl der Verbrennung, weiter verarbeitet werden (D4:
Abs. [0001], letzter Satz; Abs. [0003], letzter Satz; Abs. [0028]; Anspruch 20).
D5 (DE 198 39 868 C1)
die Erfassbarkeit des Ionisationssignals verbessert und verfälschende Einflüsse
von Betriebs-Parametern des Motors auf das Ionisationssignal kompensiert
werden (Sp. 1 Z. 51, Sp. 2, Z. 1-11). Auch hier fehlen Angaben zu einer weiteren
Auswertung des Ionisationssignals.
D7 (DE 10 2005 030 481 A1)
Zeitrang gibt lediglich an, dass als Bewertungsgrundlage der Vergleich des
- 11 -
gemessenen Ionisationssignals nach Beendigung des Funkenüberschlags an der
Zündkerze mit Ionisationssollwerten erfolgt und abhängig von der Differenz oder
wenn die Ionisation einen unzulässigen Verlauf aufweist, weitere Maßnahmen
entschieden werden (Abs. [0009] bzw. Abs. [0007], Z. 5-12; Abs. [0008], Z. 9;
Abs. [0014], Z. 21-28; Ansprüche 4, 6). Wie dabei die durch die Messung zu
erfassenden Motorparameter wie Klopfen und Lambda-Wert [Abs. [0009]) ermittelt
werden oder wie der Vergleich mit vorgegebenen Werten erfolgt, ist nicht
angegeben. Somit geht auch hieraus keine Korrelation des Ionisationssignal-
verlaufs mit zwei Referenzsignalverläufen hervor.
D8 (DE 10 2005 027 396 A1)
Hinweis, wie das gemessene Ionisationssignal weiter ausgewertet wird.
D10 (EP 1 091 174 A1), D11 (EP 0 615 067 A2), D12 (DE 198
23 021 B4), D13 (DE 197 80 111 T1), D14 (DE 197 80 111 T1)
Hinweis auf eine Korrelation von Messsignalen mit gespeicherten Referenz-
signalverläufen wie nach den Merkmalen 1M3 und 4M3.
Die obigen Gegenstände mit den Merkmalen nach dem geltenden Anspruch 1
bzw. 4 nach einzigem Antrag werden daher weder durch eine Zusammenschau
der im Verfahren befindlichen Druckschriften noch durch eine Kombination mit
dem Fachwissen und -können nahegelegt.
5.2)
Bei der Vorrichtung zum Erfassen von Ionisationssignalen nach dem
Nebenanspruch 5
wird die Erfassungseinheit jeweils mit einer Ionisationssignal-Übertragungsleitung
gekoppelt und über eine Ionisationssignal-Übertragungsleitung mit einer Motor-
steuerung verbunden, die eine Auswertung gemäß dem Verfahren nach An-
spruch 4 ausführt. Die Vorrichtung zum Erfassen von Ionisationssignalen ist schon
von daher ebenfalls neu und beruht auf erfinderischer Tätigkeit.
- 12 -
5.3)
Unteransprüche 2
sprüche
III. Rechtsmittelbelehrung
Schneider
Bayer
Krüger
Ausfelder
Me