Urteil des BPatG vom 30.06.2014

Werkzeug, Stand der Technik, Patentanspruch, Anteil

BPatG 154
05.11
BUNDESPATENTGERICHT
11 W (pat) 5/10
_______________
(Aktenzeichen)
Verkündet am
30. Juni 2014
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend das Patent 10 2004 020 364
hat der 11. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 30. Juni 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden
Richters Dr.-Ing. Höchst sowie der Richter v. Zglinitzki, Dip.-Ing. (Univ.) Rothe und
Dipl.-Ing. (Univ.) Wiegele
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
- 2 -
G r ü n d e
I.
Auf die am 23. April 2004 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereichte
Patentanmeldung ist die Erteilung des Patents 10 2004 020 364 mit der Bezeich-
nung
am 3. Juli 2008 veröffentlicht worden.
Gegen das Patent sind zwei Einsprüche erhoben worden.
Die Einsprechenden I und II haben den Einspruch unter anderem auf die Druck-
schriften
E3
E8
gestützt.
Die Patentabteilung 14 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat das Patent
durch Beschluss vom 14. Oktober 2009 mangels Neuheit seines Gegenstands
widerrufen.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Patentinhaberin.
Die Beschwerdeführerin hat neue Patentansprüche 1 bis 4 gemäß Hauptantrag
sowie Patentansprüche 1 bis 2 gemäß Hilfsantrag eingereicht und vorgetragen,
- 3 -
dass der Gegenstand des nunmehr geltenden Patentanspruchs 1 neu sei und
auch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
Die Beschwerdeführerin und Patentinhaberin beantragt,
den angefochtenen Beschluss des Patentamts aufzuheben und
das Patent mit den Patentansprüchen 1 bis 4 sowie der Beschrei-
bung vom 18. Dezember 2009 und der Zeichnung gemäß Patent-
schrift, hilfsweise mit den Patentansprüchen 1 und 2 nach Hilfsan-
trag vom 18. Dezember 2009, beschränkt aufrechtzuerhalten.
Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird von der Beschwerdefüh-
rerin nicht mehr aufrechterhalten.
Die Einsprechenden haben bereits im Jahr 2011 ihre Einsprüche zurückgenom-
men.
Der geltende Patentanspruch 1 nach Hauptantrag lautet in gegliederter Fassung:
1
Werkzeug für die Schleifbearbeitung,
2
umfassend zumindest einen Schleifkörper,
3
wobei zumindest zwei verschiedenartige Bereiche des Schleifkörpers,
insbesondere für zwei verschiedene Bearbeitungstypen, vorgesehen sind,
4
wobei die Bereiche als separate Schleifschnecken ausgeführt sind und auf
einen Dorn (3) aufgespannt und verspannt sind,
5
wobei der Schleifkörper aus keramisch gebundenen Teilchen besteht,
6
wobei zumindest ein Anteil der Teilchen hart und abrichtbar vorgesehen ist,
7
wobei die Schleifschnecken in einem Zug abrichtbar sind.
- 4 -
Der mit dem Hilfsantrag verteidigte Patentanspruch 1 lautet in gegliederter Fas-
sung:
1
Werkzeug für die Schleifbearbeitung,
2
umfassend zumindest einen Schleifkörper,
3
wobei zumindest zwei verschiedenartige Bereiche des Schleifkörpers,
insbesondere für zwei verschiedene Bearbeitungstypen, vorgesehen sind,
4
wobei die Bereiche als separate Schleifschnecken ausgeführt sind und auf
einen Dorn (3) aufgespannt und verspannt sind,
5
wobei der Schleifkörper aus keramisch gebundenen Teilchen besteht,
6
wobei zumindest ein Anteil der Teilchen hart und abrichtbar vorgesehen ist,
7
wobei die Schleifschnecken in einem Zug abgerichtet sind,
8
wobei in den mindestens zwei Bereichen die Körnung der Teilchen und/oder
das keramische Bindungsmittel und/oder mindestens eine physikalische oder
chemische Eigenschaft des Bindemittels verschieden ist,
9
wobei in einem ersten Bereich Körnung und Bindungsmittel optimiert sind fürs
Schlichten und in einem zweiten Bereich fürs Schruppen.
Zu den nachgeordneten Patentansprüchen und wegen der weiteren Einzelheiten
des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
Das Streitpatent betrifft ein Werkzeug für die Schleifbearbeitung.
Wie einleitend in der Patentschrift dargelegt, seien als Werkzeuge Schleifkörper
wie Schleifscheiben oder Schleifschnecken aus abrichtbarem Schleifmittel be-
kannt. Diese seien zum Schleifen von Werkstücken vorgesehen und bestünden
- 5 -
aus keramisch gebundenen Korundteilchen oder anderen zur Schleifbearbeitung
verwendbaren harten Teilchen. Der Schleifkörper werde bei der Schleifbearbei-
tung in regelmäßigen Abständen mit einem Diamant-Werkzeug abgerichtet um ihn
mit einer geometrisch gewünschten Form zu versehen.
Unterschieden werde beim Schleifen zwischen dem Schruppen mit großer Zu-
stellung zum Werkstück hin, und somit mit hohem Materialabtrag und dem
Schlichten mit kleiner Zustellung und endsprechend kleinem Materialabtrag
(Abs. [0002] und [0003] der Patentschrift). Nachteilig sei bei der Schleifbearbei-
tung, dass mit ein und demselben Werkzeug zunächst in zumindest einem Ar-
beitsgang das Schruppen und zuletzt das Schlichten ausgeführt werden. Da aber
die Körnung und das Bindungsmaterial für die Körnung nicht für alle verschiedene
Bearbeitungstypen optimal geeignet seien, sei die Standzeit des Werkzeugs ge-
ring und somit die Fertigungskosten hoch. Weiter nachteilig sei, dass eine erhöhte
Schleifbrandgefahr bestehe (Abs. [0006] der Patentschrift).
Es sei zwar denkbar, Shiftstrategien anzuwenden, bei denen ein jeweils neuwerti-
ges oder frisch abgerichtetes Schleifkörpersegment die Endbearbeitung ausführe,
jedoch seien diese Shiftstrategien aufwendig und könnten die Standzeit nur ein
wenig verbessern sowie die Gefahr des Schleifbrandes nur geringfügig reduzieren
(Abs. [0008] der Patentschrift).
Bekannt seien auch galvanisch gebundene Werkzeuge wie beispielsweise CBN-
Scheiben, mit denen höhere Standzeiten erreichbar seien. Diese Werkzeuge
müssten jedoch aufwendig in ihrer Position und Orientierung in der Bearbeitungs-
maschine eingestellt werden, so dass sich dieser Aufwand von zwei solchen
Werkzeugen für das Schruppen und das anschließende Schlichten verdoppele
(Abs. [0009] der Patentschrift).
Die Aufgabe soll darin bestehen, ein Werkzeug für die Schleifbearbeitung mit einer
hohen Standzeit und geringem Bedienungsaufwand auszubilden.
- 6 -
Als der mit der Lösung dieser Aufgabe betraute Fachmann ist ein Fachhoch-
schulingenieur oder Hochschulabsolvent mit vergleichbarem akademischem Grad
der Fachrichtung Maschinenbau anzusehen, mit mehrjähriger Erfahrung in der
Entwicklung von Schleifwerkzeugen zur Herstellung von Zahnrädern.
Die Zulässigkeit der Patentansprüche nach Haupt- und Hilfsantrag wird unterstellt.
A.
Hauptantrag
Ebenfalls wird unterstellt, dass der offensichtlich gewerblich anwendbare Gegen-
stand gemäß Patentanspruch 1 nach Hauptantrag neu ist. Jedenfalls beruht er
nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
E3
Zahnflanken von vorverzahnten Zahnrädern mittels einer Schleifbearbeitung, vgl.
Sp. 1, Z. 35 bis 39, (Merkmal 1). Als Werkzeug zum Bearbeiten der Zahnflanken
ist ein Schleifkörper beschrieben, der sich aus zwei verschiedenartigen Bereichen,
einer starren Schleifschnecke 10 und einer Polierschnecke 12 zusammensetzt,
vgl. Sp. 4, Z. 21 bis 28, (Merkmal 2). Die Polierschnecke 12 besteht aus einer
metallischen Büchse, auf der die Schneckenwindungen angeordnet sind, die aus
einem elastischen Kunststoffmaterial bestehen, in das das Schleifmittel eingebet-
tet ist, vgl. Sp. 3, Z. 28 bis 36 sowie Fig. 2. Zur Befestigung auf der Werk-
zeugspindel ist zwischen den beiden Schnecken eine Distanzbüchse vorgesehen,
so dass die beiden Bereiche separat ausgeführt sind und in dieser Anordnung fest
zwischen dem Haupt- und dem Gegenlager auf der Werkzeugspindel verspannt
werden, vgl. Sp. 4, Z. 21 bis 28, (Merkmale 3 und 4).
E3
beschriebenen Schnecken die Auffassung, dass die Polierschnecke aufgrund ih-
res elastischen Kunststoffmaterials zu weich sei, um fest eingespannt zu sein.
Gemäß dem Gegenstand des Streitpatents sei diese Verspannung jedoch zwin-
- 7 -
gend notwendig, da dadurch eine Relativdrehung der beiden Schnecken verhin-
dert werde, wodurch eine Abrichtung in einem Zug erst möglich sei.
E3
aufgespannte und verspannte Polierschnecke im Sinne des Streitpatents, siehe
die Sp. 3, Z. 28 bis 30 sowie Sp. 4, Z. 21 bis 28 beschrieben. Durch die metalli-
sche Hülse der Polierschnecke wird eine feste Auf- und Einspannung, zusammen
mit der Distanzbüchse und der Schleifschnecke, auf dem Werkzeugdorn ermög-
licht. Dadurch wird gewährleistet, dass die Schleif- und Polierschnecke, wenn sie
einmal synchronisiert sind, hintereinander in Eingriff mit dem zu bearbeitenden
Zahnrad kommen, ohne dass erneut eingefädelt werden muss (vgl. Sp. 3, Z. 1 bis
E3
wegung zwischen der Polierschnecke und der Schleifschnecke im eingespannten
Zustand möglich ist.
E3
bearbeitung hintereinander mit axialem Abstand auf ein und derselben Werk-
zeugspindel unterschiedliche Schleifschnecken für unterschiedliche Bearbei-
tungstypen, hier Schleifen und Polieren, vorzusehen, deren Zahnprofile sich im
Wesentlichen entsprechen und deren Windungen entlang einer gemeinsamen,
nicht unterbrochenen Schraubenlinie verlaufen, vgl. Sp. 2, Z. 60 bis Sp. 3, Z. 5.
Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag unterscheidet sich
E3
per aus keramisch gebundenen Teilchen besteht, wobei zumindest ein Anteil der
Teilchen hart und abrichtbar vorgesehen ist und die Schleifschnecken in einem
Zug abrichtbar sind.
E8
fassend zumindest einen Schleifkörper 24, mit zumindest zwei verschiedenartigen
Bereichen 29 des Schleifkörpers, die zur festen Aufnahme auf einem Trägerring
- 8 -
mittels Klebstellen 14 fixiert sind. Die beiden Bereiche 29 sind für zwei verschie-
dene Bearbeitungstypen, hier Schruppen und Schlichten, vorgesehen, vgl. Sp. 4,
Z. 62 bis 68 i. V. m. Sp. 3, Z. 48 bis 55 sowie Fig. 5, und bestehen aus kerami-
schen Teilchen, wobei zumindest ein Anteil an Teilchen hart und abrichtbar vorge-
sehen ist, vgl. die Sp. 3, Z. 55 bis 58. Wie der Fig. 5 zu entnehmen, sind die bei-
den durch eine Blindscheibe 25 getrennten Bereiche 29 geometrisch so ausge-
staltet, dass sie in einem Zug, zusammen mit einer dazwischen angeordneten
Blindscheibe 25, abrichtbar sind (Sp. 4, Z. 62 bis Sp. 5, Z. 5).
E8
bei dem hintereinander mit axialem Abstand auf ein und derselben Werkzeugspin-
del unterschiedliche Schleifschnecken für unterschiedliche Bearbeitungstypen
vorgesehen sind, deren Zahnprofile sich im Wesentlichen entsprechen und deren
Windungen entlang einer gemeinsamen, nicht unterbrochenen Schraubenlinie
verlaufen.
E3
somit jeweils der Vorteil erzielt, dass ein Werkzeugwechsel und ein erneutes Ein-
fädeln zwischen den durchzuführenden Bearbeitungstypen vermieden, und damit
auch ein geringerer Bedienungsaufwand erreicht wird.
Die offenbarten Werkzeuge unterscheiden sich im Wesentlichen in der Art der
Befestigung der Schleifschnecken auf dem Werkzeug. Während die beiden Berei-
E3
die beiden Schleifschnecken relativ zueinander nicht verdrehen, wird gemäß der
E8
schnecken vermieden.
E3
schrieben, ist es für den Fachmann nahe liegend, die dort offenbarten Werkzeuge
auch mit den Bearbeitungstypen der Schleifschnecken des jeweils anderen Werk-
- 9 -
zeugs auszuführen. Er wird daher bei Bedarf auch eine Schrupp- und eine
Schlichtschnecke für ein Werkzeug zur Schleifbehandlung wie in der Druckschrift
E3
mann erkennt, dass die Befestigung der Schleifschnecken durch Auf- und Ver-
E3
E8
E3
E8
spruchs 1 nach Hauptantrag, der folglich mangels erfinderischer Tätigkeit nicht
patentfähig ist.
B.
Hilfsantrag
Es kann dahingestellt bleiben, ob der offensichtlich gewerblich anwendbare Ge-
genstand gemäß Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag neu ist, da er jedenfalls nicht
auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag unterscheidet sich vom Anspruch 1 gemäß
Hauptantrag darin, dass die Schleifschnecken in einem Zug abgerichtet sind
(Merkmal 7), wobei in den mindestens zwei Bereichen die Körnung der Teilchen
und/oder das keramische Bindungsmittel und/oder mindestens eine physikalische
oder chemische Eigenschaft des Bindemittels verschieden ist (Merkmal 8), und
wobei in einem ersten Bereich Körnung und Bindungsmittel optimiert sind fürs
Schlichten und in einem zweiten Bereich fürs Schruppen (Merkmal 9).
E3
mäß Anspruch 1 des Hauptantrags nahe gelegt, bei dem die beiden Schleif-
schnecken in einem Zug abrichtbar sind, vgl. die Ausführungen zum Hauptantrag.
Ausgehend von diesen Druckschriften sind jedoch auch die weiteren Merkmale
des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag nahe gelegt.
- 10 -
E3
einander angeordnet, dass sich die Zahnprofile im Wesentlichen entsprechen und
deren Windungen entlang einer gemeinsamen nicht unterbrochenen Schraubenli-
nie verlaufen, so dass diese synchronisiert sind, vgl. Sp. 2, Z. 63 bis Sp. 3, Z. 1.
Um die beim Schleifen von Zahnrädern geforderten hohen Genauigkeiten zu er-
reichen, ist die beschriebene Synchronisation der Schleifschnecken entsprechend
präzise auszuführen, was jedoch alleine durch das Verspannen der Schleif-
schnecken nicht erreicht werden kann. Es ist daher für den Fachmann eine zwin-
gende und somit nahe liegende Maßnahme, die beiden hintereinander angeord-
neten Schleifschnecken in einem Zug abzurichten, wie in Merkmal 7 beschrieben,
um dadurch die Synchronisation der Schraubenlinien der beiden Schleifschnecken
sicherzustellen.
E8
Schleifschnecke in zwei Bereiche 29 geteilt ist, die eine unterschiedliche Schei-
benspezifikation besitzen, um damit ein Schruppen bzw. Schlichten eines Zahnra-
des durchzuführen. Es entspricht dem üblichen fachmännischen Handeln, für die
E8
geeignete Spezifikationen der Schleifmittel für den spezifischen Anwendungsfall
vorzusehen: Auswahl des Schleifmittels, seiner Körnung und Härte, die Art der
Bindung oder die Struktur. Die Merkmale 8 und 9 ergeben sich daher in nahe lie-
E8
erwähnt (vgl. Abs. [0004]), gehört es zum Stand der Technik, die Körnung und die
Bindung der Teilchen in Abhängigkeit vom Bearbeitungstyp optimiert zu wählen.
Diese Optimierung kann schon daher nicht eine Erfindung darstellen.
E3
E8
spruchs 1 nach Hilfsantrag, der folglich mangels erfinderischer Tätigkeit nicht pa-
tentfähig ist.
- 11 -
Im Rahmen der Antragsgesamtheit sind auch die Unteransprüche gemäß dem
Haupt- und Hilfsantrag nicht patentfähig (BGH, GRUR 1997, 20
– Elektrisches
Speicherheizgerät).
III.
Rechtsmittelbelehrung
Dieser Beschluss kann mit der Rechtsbeschwerde nur dann angefochten werden,
wenn einer der in § 100 Absatz 3 PatG aufgeführten Mängel des Verfahrens ge-
rügt wird. Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung die-
ses Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45 a, 76133 Karlsruhe,
durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmäch-
tigten schriftlich einzulegen.
Dr. Höchst
v. Zglinitzki
Rothe
Wiegele
Bb