Urteil des BPatG vom 08.09.2016

Stand der Technik, Patentanspruch, Fig, Erfindung

BPatG 154
05.11
BUNDESPATENTGERICHT
11 W (pat) 40/13
_______________
(Aktenzeichen)
Verkündet am
8. September 2016
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
- 2 -
betreffend das Patent 10 2009 029 814
hat der 11. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 8. September 2016 unter Mitwirkung des Vor-
sitzenden Richters Dr.-Ing. Höchst sowie der Richter v. Zglinitzki, Dr.-Ing. Fritze
und Dipl.-Ing. (Univ.) Wiegele
beschlossen:
1. Auf die Beschwerde wird der Beschluss der Patentabtei-
lung 1.15 des Deutschen Patent- und Markenamts vom
8. Mai 2013 aufgehoben und das Patent DE 10 2009 029 814
mit den Patentansprüchen 1 bis 12 nach Hilfsantrag 1 nebst
der dementsprechend angepassten Beschreibung vom
8. September 2016 sowie der Zeichnung gemäß Patenschrift
beschränkt aufrechterhalten und die Bezeichnung des Patents
wie folgt gefasst: Vorrichtung zur Energieabsorption und Ver-
wendung als Minen-Schutzvorrichtung.
2. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
G r ü n d e
I .
Gegen das am 18. Juni 2009 angemeldete und mit der Bezeichnung
„Vorrichtung
zur Energieabsorption und Verwendung der Vorrichtung als Minen-Schutzvor-
richtung oder Aufpralldämpfer für ein Kraftfahrzeug“ am 5. Januar 2012 veröf-
fentlichte Patent 10 2009 029 814 ist am 3. April 2012 Einspruch erhoben wor-
den.
- 3 -
Die Einsprechende hat die Auffassung vertreten, das Patent sei zu widerrufen,
da der Gegenstand des Streitpatents nicht patentfähig sei (§ 21 (1) Nr. 1 PatG),
da
das
Streitpatent
die
Erfindung
nicht
ausreichend
offenbare
(§ 21 (1) Nr. 2 PatG) und da der Gegenstand des Streitpatents in unzulässiger
Weise erweitert worden sei (§ 21 (1) Nr. 4 PatG).
Zur Begründung hat sie auf folgende Druckschriften verwiesen:
(D07)
(D08)
(D09)
(D10)
(D11)
(D12)
(D13)
(D14)
(D15)
(D16)
D17
(D18)
(D19)
D20
D21
(D22)
(D23)
(D24)
- 4 -
Zudem hat sie noch auf die im Prüfungsverfahren berücksichtigten Druck-
schriften
(D01)
(D02)
(D03)
(D04)
(D05)
(D06)
Die Patentabteilung 15 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat am
8. Mai 2013 den Widerruf des Patents beschlossen mit der Begründung, der
Patentanspruch 1 des angegriffenen Patents habe keinen Bestand, da der
Gegenstand des Patentanspruchs 1 nicht mehr neu sei. Folglich seien die
untergeordneten Ansprüche 2 bis 14 ebenso wie die nebengeordneten
Patentansprüche 15 und 16 nicht rechtsbeständig.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Patentinhaberin.
Die Beschwerdeführerin beantragt,
den angefochtenen Beschluss des Patentamts aufzuheben und
das Patent aufrechtzuerhalten,
hilfsweise das Patent mit den Patentansprüchen 1 bis 12 nach
Hilfsantrag 1 oder Hilfsantrag 2 nebst jeweils angepasster Be-
schreibung vom 8. September 2016 sowie der Zeichnung gemäß
Patentschrift beschränkt aufrechtzuerhalten.
- 5 -
Die Einsprechende beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Beschwerdegegnerin vertritt zum Hauptantrag die Auffassung, das Patent sei
zu widerrufen, da der beanspruchte Gegenstand nicht patentfähig und der
Gegenstand des Streitpatents in unzulässiger Weise erweitert worden sei. Die
nach den Hilfsanträgen geltenden Patentansprüche sieht sie als unzulässig an,
da deren Schutzbereiche nicht klar definiert seien, auch fehle den
Anspruchsgegenständen weiterhin die Patentfähigkeit.
Der erteilte Patentanspruch 1 lautet nach Merkmalen gegliedert:
„Vorrichtung (1) zur Energieabsorption von einer, insbesondere durch
Minen, ausgelösten Druckwelle und/oder einen Crash, mit den
Merkmalen
(A) Mittel (2, 3) zur Aufnahme eines Mediums/Füllmaterials (13),
(B) das Mittel (2, 3) verfügt über
(B1) eine verformbare Fläche (2) und
(B2) eine der verformbaren Fläche (2) gegenüberliegende biegesteife
Fläche (3) sowie
(B3) wenigstens eine Austrittsöffnung (10, 11) zwischen diesen
Flächen (2, 3),
(C) bei Eintreten eines Ereignisses in Form einer Druckwelle wird die
verformbare Fläche (2) des Mittels (2, 3) gegen die andere biegesteife
Fläche (3) gedrückt, sodass
(C1) das
Füllmaterial (13)
mindestens
teilweise
durch
die
Ausströmöffnung (10, 11) gedrückt wird und
(C2) durch den Strömungswiderstand des Füllmaterials (13) im Bereich
der Ausströmöffnung (10, 11)
die Energieabsorption erfolgt.“
- 6 -
Die erteilten nebengeordneten Ansprüche 15 und 16 lauten:
„Verwendung der Vorrichtung (1) nach einem der Ansprüche 1 bis 14 als
Minen-Schutzvorrichtung,
die im Bodenbereich eines Fahrzeugs anordenbar ist,
wobei die erste Platte (2) der Vorrichtung erdbodenseitig angeordnet und
die fahrzeugseitig angeordnete zweite biegesteife Platte (3) als
biegesteifer Innenboden des Fahrzeugs ausgebildet ist.
„Verwendung der Vorrichtung (1) nach einem der Ansprüche 1 bis 14 als
Aufpralldämpfer
für
ein
Kraftfahrzeug,
wie
auch
Rad-
und
Kettenfahrzeug.
Zu den nachgeordneten nach dem Hauptantrag geltenden erteilten Ansprüchen
wird auf die Patentschrift verwiesen.
Der Patentanspruch 1 nach dem Hilfsantrag 1 lautet (Änderungen gegenüber der
erteilten Fassung sind hier fett hervorgehoben):
„Vorrichtung (1) zur Energieabsorption von einer, insbesondere durch
Minen, ausgelösten Druckwelle
[…]
(A) Mittel (2, 3) zur Aufnahme eines Mediums/Füllmaterials (13),
(B) das Mittel (2, 3) verfügt über
Platte
Platte
Platte
(B3) wenigstens eine Austrittsöffnung (10, 11) zwischen diesen
Platten
(C) bei Eintreten eines Ereignisses in Form einer Druckwelle wird die
Platte
Platte
- 7 -
(C1) das Füllmaterial (13) mindestens teilweise durch die Aus-
strömöffnung (10, 11) gedrückt wird und
(C2) durch den Strömungswiderstand des Füllmaterials (13) im Bereich
wobei
(D) die beiden Platten (2,3) über Seitenwände (4,5) miteinander
verbunden sind, und
(D1) dass sich mindestens in einer der Seitenwände (4,5) die
Ausströmöffnung (10, 11) befindet.
Der nebengeordnete Anspruch 12 nach Hilfsantrag 1 lautet:
„Verwendung der Vorrichtung (1) nach einem der Ansprüche 1 bis 11 als
Minen-Schutzvorrichtung,
die im Bodenbereich eines Fahrzeugs anordenbar ist,
wobei die erste Platte (2) der Vorrichtung erdbodenseitig angeordnet und
die fahrzeugseitig angeordnete zweite biegesteife Platte (3) als
biegesteifer Innenboden des Fahrzeugs ausgebildet ist.“
Wegen der nach dem Hilfsantrag 1 geltenden nachgeordneten Ansprüche sowie
der nach dem Hilfsantrag 2 geltenden Ansprüche, der jeweils geänderten Be-
schreibungen sowie zu den weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Be-
teiligten wird auf die Akten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde führt zur beschränkten Aufrechterhaltung des Patents.
1.
mit mindestens zwei voneinander durch Abstandsteile beabstandeten Platten.
- 8 -
Alternativ könne die Vorrichtung auch durch ein Rohr bzw. eine rohrartige Form
geschaffen werden (Patentschrift, Abs. [0001]).
In der Beschreibung ist ausgeführt, aus dem Stand der Technik bekannte, leicht
gepanzerte Fahrzeuge hätten häufig keinen oder nur unzureichenden Schutz vor
in Bodennähe durch Minen ausgelöste Druckwellen, weil die Verwendung einer
entsprechend starken bodenseitigen Panzerung aus Gewichtsgründen nicht
möglich sei. Aus der Druckschrift DE 197 40 103 A1 sei eine Vorrichtung
bestehend aus zwei voneinander beabstandeten Platten bekannt. Die erste sei
aus Leichtmetall und die zweite Platte aus Panzerstahl, was zu einer Ge-
wichtserhöhung
führe.
Beispielsweise
seien
aus
den
Druckschriften
DE 10 2005 013 660 A1, DE 10 2005 050 981 A1 und DE 10 2007 022 143 A1
Verbundplatten bekannt. Aus den Druckschriften DE 198 10 706 C2 und
DE 102 50 132 B4 seien Schutzmodule für gepanzerte Fahrzeuge bekannt,
deren Wirksamkeit durch das Füllmaterial zwischen zwei Lagen bestimmt werde
(Abs. [0003] bis [0006]).
Vor diesem Hintergrund bestehe die Aufgabe, eine Vorrichtung anzugeben, die
ein relativ geringes Gewicht aufweise und trotzdem auf einfache Weise eine
hohe Energieabsorption bewirke. Außerdem sollten bevorzugte Verwendungen
dieser Vorrichtung insbesondere bei Kraftfahrzeugen offenbart werden
(Abs. [0007]).
2.
In der erteilten Fassung hat das angegriffene Patent keinen Bestand, denn
der Gegenstand seines Patentanspruchs 1 ist nicht mehr neu. Daher kann auch
dahin gestellt bleiben, ob
– wie es die Einsprechende vertritt – eine unzulässig
vorgenommene Zwischenverallgemeinerung des Anspruchswortlauts im Zuge
der Prüfung auf Patentfähigkeit schon zur Unzulässigkeit des erteilten Patentan-
spruchs geführt haben könnte.
- 9 -
Unstreitig ist, dass Druckschrift D10 die Merkmale (A), (B/B3) und (C1) gemäß
dem erteilten Patentanspruch 1 offenbart. Die daraus bekannten druckwellenver-
ringernden Strukturen (blast reducing structures 10) weisen Mittel zur Aufnahme
eines Mediums auf, nämlich mit Stoffen gefüllte trichterförmige Raumbereiche
(funnel shaped volumes 34 filled with materials 36) gebildet aus Stegen
(webs 16) zwischen einer unteren und einer oberen Fläche (bottom face 14 bzw.
top face 12). Fig. 3 zeigt, dass in den Sektionen (sections 20, 22 und 24) der
Stege 16 sich zumindest eine Öffnung (apertures 200) befindet, durch die ein
Füllstoff
mindestens
teilweise
hindurchgedrückt
wird
(materials
flow
through…apertures 200) (vgl. Abs. [0040] und [0044]). Der Aufbau der Struktur
und deren Funktionsweise werden beispielsweise in den Abs. [0045] und [0048]
in Verbindung mit den Fig. 3, 4B sowie den Fig. 12A bis 12J dargelegt.
Die Beschwerdeführerin macht geltend, im Unterschied zu ihrer Vorrichtung zur
Energieabsorption besitze die aus der Druckschrift D10 bekannte Vorrichtung
zwei sich gegenüberliegende Flächen aus dem gleichen Material. Entweder
seien dort beide verformbar oder beide biegesteif. Somit seien die Merkmale (B1)
und (B2) gemäß Anspruch 1 nicht gezeigt.
Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden, denn die Druckschrift D10 macht
zu Verformungseigenschaften der dortigen Flächen nähere Angaben, aus denen
der Fachmann - ein Hochschulabsolvent des Maschinenbaus, der über mehrjäh-
rige Berufserfahrung in der Konstruktion und Entwicklung von energieabsorbie-
renden Strukturelementen verfügt
– unmittelbar und eindeutig entnehmen kann,
dass die bekannte Vorrichtung Flächen nicht gleicher sondern unterschiedlicher
Festigkeiten insoweit aufweist, als die erste Fläche ebenfalls verformbar und die
andere
– im Vergleich zur ersten Fläche - ebenfalls biegesteif ist.
Die erste Fläche ist dort die der Druckwelle direkt ausgesetzte Fläche 14. Sie
unterliegt im Falle einer auftreffenden Druckwelle als
„Opferfläche“ (sacrificial
layer) einer plastischen Verformung (Abs. [0050], layer subjected to direct blast
- 10 -
undergoes plastic deformation) und erfüllt somit schon wörtlich das Merk-
mal (B1).
Aufgrund ihrer Verformbarkeit sollte die Fläche 14,
„...letztlich den Impuls zu
weiteren
„Nicht-Opferflächen“ leiten …“ (the sacrificial layer… should transfer
…the least impulse to non-sacrificial layers…, vgl. S. 14, Z. 1 bis 13). „Nicht-Op-
ferfläche“ ist dort die gegenüberliegend zur verformbaren Fläche 14 angeordnete
Fläche 12. Wie deren Bezeichnung unschwer erkennen lässt, soll diese bei Ein-
treten des Ereignisses nicht geopfert werden, sondern vielmehr unversehrt blei-
ben, sodass sie auch weiterhin das zu schützende Objekt vor Beschädigung be-
wahren kann. Die Fläche der patentgemäßen Vorrichtung unterschei-
det sich demnach hinsichtlich Anordnung und Eigenschaften nicht von der Flä-
che 12, welche offenkundig das Merkmal (B2) gemäß dem Patentanspruch 1
erfüllt.
In der Folge trifft - entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin - für die be-
kannte Vorrichtung auch das Merkmal (C) zu. Bei der Ausführungsform der aus
Druckschrift D10 bekannten Vorrichtung mit den Flächen 12 und 14, den trich-
terförmigen mit verformbarem Material 36 gefüllten Volumina
34‘ zwischen den
Stegen
16‘ mit ihren seitlichen Öffnungen 200 in den Sektionen 20‘, 22‘ und/oder
24‘ kollabiert während eines Druckstoßes die Sektion 20‘ in Richtung der Flä-
che
12 ([…] during a blast impulse the present embodiment causes […] sec-
tion
20‘ to collapse toward top face 12, Absatz [0045], S. 11, Z. 6 bis 8, i. V. m.
den Fig. 3 und 4B). Dass bei Eintreten eines Ereignisses in Form einer Druck-
welle eine verformbare Fläche, die deren Einwirkung direkt ausgesetzt ist, wie es
das angegriffene Patent vorsieht, gegen eine andere, biegesteife Fläche ge-
drückt wird, und wie sich das typischerweise auf eine druckwellenverringernde
Struktur auswirkt, illustrieren die Figuren 10a bis 10f.
- 11 -
Die Beschwerdeführerin ist letztlich der Auffassung, die mit dem Merkmal (C2) im
erteilten Patentanspruch 1 zum Ausdruck kommende Wirkung, wonach die Ener-
gieabsorption durch den Strömungswiderstand des Füllmaterials im Bereich der
Ausströmöffnung erfolgt, trete bei der bekannten Vorrichtung nicht ein. Die be-
kannte Struktur weise keine Ausöffnung auf, sondern Ausöffnungen.
Der Senat vermag dazwischen keinen Unterschied zu erkennen, zumal auch im
angegriffenen Patent, insbesondere seinem Anspruch 1, für den einen wie den
anderen Begriff dieselben Bezugszeichen verwendet werden und somit diese ein
und dasselbe bedeuten. Davon abgesehen ist hier die Funktion der patentge-
mäßen Vorrichtung maßgebend, wonach das Medium durch die Öffnung hin-
durchgelangen muss, und dass dabei ein Strömungswiderstand auftritt - die Er-
findung beruht ja zufolge Abs. [0009] der Beschreibung im Wesentlichen auf dem
Gedanken, unter Anwendung einer Viskositäts-, Fließ- oder Strömungsbremse
o. ä., die durch den Strömungswiderstand des Mediums/Materials (Füllmaterial)
an einem definierten Querschnitt zur Energieaufnahme bzw. Energieabsorption
oder Energieumwandlung dient, das Gefahrenpotential dieser Ereignisse zu mi-
nimieren.
Die Beschwerdeführerin räumt zwar ein, dass im Stand der Technik gemäß der
Druckschrift D10 Austrittsöffnungen für ein Füllmaterial existieren, trotzdem meint
sie, dort erfolge die Energieabsorption innerhalb der Struktur aufgrund der De-
formation der Flächen und Ebenen und nicht durch den Strömungswiderstand
des Füllmaterials im Bereich der Ausströmöffnungen.
Zutreffend ist, dass Druckschrift D10 zwar eine Vielzahl von Mechanismen auf-
zeigt, die eine Absorption oder Ableitung (dissipation) der Energie der auftreffen-
den Druckwelle bewirken. Neben anderen lehrt sie aber, dass das Fließen der
viskosen Flüssigkeit durch die in die leeren Räume zwischen den befüllten Räu-
men führenden Öffnungen 200 eine dissipative Kraft hervorruft (Abs. [0048],
Z. 10-14, dissi
pative forces include …the flow of the viscous liquid through aper-
- 12 -
tures 200). Somit war der im Merkmal (C2) zum Ausdruck kommende Gedanke
und eine entsprechende gegenständliche Ausgestaltung zur Umsetzung dieses
Effekts bereits bekannt.
Druckschrift D10 offenbart demnach bereits eine Vorrichtung zur Energieabsorp-
tion mit allen im erteilten Anspruch 1 angegebenen Merkmalen.
3.
In der Fassung nach dem Hilfsantrag 1 und mit dem beschränkten Patent-
anspruch 1 erweist sich das angegriffene Patent als rechtsbeständig.
3.1
Die Zulässigkeit des neuen Anspruchs 1 ist - entgegen der von der Be-
schwerdegegnerin vertretenen Auffassung, wonach dessen Schutzbereich nicht
klar definiert sei - gegeben.
Im ersten Anspruch nach dem Hilfsantrag 1 sind gegenüber der erteilten Fas-
sung die Wörter gestrichen. Unterschiedlich zum erteilten
Anspruch, der alternativ oder in Kombination mit einer Vorrichtung zur Energie-
absorption einer Druckwelle auch auf eine Vorrichtung zur Energieabsorption aus
einer Kollision mit einem anderen Körper gerichtet ist, betrifft der neue An-
spruch 1 somit nunmehr ausschließlich eine Vorrichtung zur Energieabsorption
von einer Druckwelle. Unter einer ist in diesem Zusammenhang eine
in Gasen und Flüssigkeiten infolge plötzlicher einmaliger Druckänderung entste-
hende Welle zu verstehen, dagegen unter einer der Zusammenprall von
Körpern.
In der Fassung des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 ist nunmehr an die
Stelle des Begriffs , für ein abstraktes zweidimensionales Gebilde, der
engere Ausdruck gesetzt. Darunter stellt sich der Fachmann ein steifes,
hier nicht unbedingt ebenes, sondern auch schalenförmiges aber in seiner Breite
und Länge im Vergleich zu seiner Dicke erheblich ausgedehntes Bauteil vor.
Diese bevorzugte Ausgestaltung ist ursprünglich im Anspruch 2 als zur Erfindung
- 13 -
gehörig offenbart. Die Figur und Abs. [0015] illustrieren bzw. beschreiben sie als
Teile eines im Querschnitt wannenartig ausgebildeten Fahrzeugbodens.
Die noch zusätzlich hinzugefügten Merkmale (D) und (D1), wonach die beiden
Platten über Seitenwände miteinander verbunden sind und wonach sich min-
destens in einer der Seitenwände die Ausströmöffnung befindet, sind ursprüng-
lich im Anspruch 6 als zur Erfindung gehörig offenbart. Mit dem Ausdruck
sind dabei offensichtlich die Komponenten gemeint, welche - wie die
Bezeichnung aus sich heraus schon erkennen lässt - die Vorrichtung seitlich
nach außen hin begrenzen. Sie unterscheiden sich demnach von ,
die zufolge Abs. [0023] der Beschreibung und der Figur, Bz. 2 und 3 bzw. 4 und
5, im Inneren der Vorrichtung angeordnet sind.
3.2
Die Auffassung der Beschwerdegegnerin, der nunmehr beanspruchte Ge-
genstand sei ebenfalls aus der Druckschrift D10 bekannt, ist unzutreffend. Zwar
können zufolge der Figuren 1, 4B und 6, die die Beschwerdegegnerin in Bezug
genommen hat, die Stege 16, welche dort die Platten 12 und 14 miteinander ver-
binden, auch Seitenwände darstellen. Ausströmöffnungen befinden sich jedoch
nicht darin. Vielmehr sind dort Öffnungen lediglich in den Stegen, die im Inneren
der bekannten druckwellenverringernden Strukturen angeordnet sind. Das er-
schließt sich auch aus der Beschreibung, wonach viskose Flüssigkeit durch Öff-
nungen fließt, die zu leeren Zwischenräumen führen, die zwischen den flüssig-
keitsgefüllten Höhlungen angeordnet sind (vgl. Abs. [0048], Zeilen 12 bis 14,
…flow of the viscous liquid through apertures 200 that lead to empty interstitial
spaces located between the liquid loaded cavities.).
Mangelnde Neuheit des beanspruchten Gegenstands hat die Beschwerdegegne-
rin zudem gegenüber aus der Druckschrift D12 bekannten Strukturelementen
geltend gemacht. Sie sieht sämtliche Merkmale der Vorrichtung gemäß dem Pa-
tentanspruch 1 nach dem Hilfsantrag 1 bei den Ausführungsformen offenbart, die
dort die Fig. 5 oder 7 zeigen.
- 14 -
Dies trifft schon deswegen nicht zu, weil eine gattungsgemäße Vorrichtung nicht
Gegenstand der Druckschrift D12 ist. Sie befasst sich nicht mit Vorrichtungen zur
Energieabsorption von einer Druckwelle im Sinne des ersten Merkmals im Pa-
tentanspruch 1, sondern ausschließlich mit Absorptionselementen in Fahr-
zeugstrukturen, auf die ein Kollisionsereignis einwirkt. Mit Blick auf die von der
Beschwerdegegnerin in Bezug genommenen Beispiele aber auch auf sämtliche
andere in der Druckschrift D12 offenbarten Strukturelemente, dort an einer Fahr-
gastzelle angelenkte Motorträger, ist festzustellen, dass zudem Angaben zu den
Eigenschaften der Flächen fehlen, die deren vordere Enden 10 und die gegen-
überliegende Wand 2 bilden. Somit sind der in der Gruppe B angegebenen ent-
sprechende Merkmale nicht vollständig aus Druckschrift D12 entnehmbar.
Entsprechend gilt dies mit Blick auf die weiteren in der mündlichen Verhandlung
diskutierten Druckschriften D02 und D09. Beide offenbaren zwar Vorrichtungen
zur Energieabsorption von einer Druckwelle, jedoch nicht mit sämtlichen Merk-
malen, die gemäß dem Patentanspruch 1 nach dem Hilfsantrag 1 vorgesehen
sind. So offenbart die Druckschrift D02, welche Schutzmodule für gepanzerte
Fahrzeuge betrifft, nicht, welche Eigenschaften die die Schutzmodule 6 bilden-
den Flächen haben, so dass wiederum die in Gruppe B des Patentanspruchs 1
genannten Merkmale nicht daraus hervorgehen. Dies gilt auch für die aus Druck-
schrift D09 bekannte Explosionsbarriere. Darin sind zu den Eigenschaften einer
ersten Platte, dort die Außentafel 16, ebenso wie zu denen der ihr gegenüberlie-
genden zweiten Platte, dort die Trägertafel 12, keine Angaben enthalten, die den
Merkmalen (B1) bzw. (B2) entsprechen.
- 15 -
Auf weitere Unterschiede, welche die aus den Druckschriften D02 und D09 be-
kannten Vorrichtungen gegenüber der Vorrichtung gemäß dem nach dem Hilfs-
antrag 1 geltenden Anspruch 1 aufweisen, wird im folgenden Abschnitt einge-
gangen.
3.3
Die Vorrichtung gemäß dem Patentanspruch 1 nach dem Hilfsantrag 1
beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Die Beschwerdegegnerin hat geltend gemacht, einem Fachmann sei bereits auf-
grund seines Fachwissens ausgehend von der aus Druckschrift D10 bekannten
druckwellenverringernden Struktur der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1
nahe gelegt.
Ein Fachmann, der vor der Aufgabe steht, eine Vorrichtung dieser Art anzuge-
ben, die ein relativ geringes Gewicht aufweist und trotzdem auf einfache Weise
eine hohe Energieabsorption bewirkt, hat jedoch keinen Anlass, in einer der Sei-
tenwände der Vorrichtung eine Ausströmöffnung anzuordnen. Der Lehre der
Druckschrift D10 zufolge wird das Problem dort gelöst, indem die Masse der
Struktur durch Füllen der Vielzahl trichterförmiger Volumina mit Flüssigkeit erhöht
und als zusätzlicher Beitrag zur Dissipation der Druckwellenenergie die Flüssig-
keit innerhalb der Struktur in leere Volumina umgelenkt wird. Durch seitliche,
nach außen führende Öffnungen ginge Flüssigkeit unweigerlich verloren und
damit auch deren vorteilhafte Wirkungen, die allein ihre Anwesenheit in der
Struktur mit sich bringt. Der Fachmann zieht diese Maßnahme daher nicht in Er-
wägung.
Auch die Kenntnis von den aus der Druckschrift D02 bekannten Vorrichtungen
legt die Merkmale (D) und (D1) dem Fachmann nicht nahe. Dort sind, wie die
Beschwerdeführerin unter Bezugnahme auf die Fig. 7 und den zugehörigen
Abs. [0059] ausgeführt hat, streifen- oder kastenförmige Module 6 offen ange-
ordnet, die außerdem Ausblasöffnungen 115 besitzen. Einen Hinweis darauf,
- 16 -
dass durch einen Strömungswiderstand im Bereich dieser Ausströmöffnung eine
Energieabsorption erfolgen könnte, enthält Druckschrift D02 jedoch nicht. Deren
Zweck ist vielmehr eine dynamische Druckentlastung im Falle einer Beaufschla-
gung, woraus der Fachmann folgert, dass die Öffnungen entgegen der Lehre des
angegriffenen Patents gerade nicht dazu vorgesehen sind, dem Ausströmen ei-
nes eventuell in dem Modul befindlichen fließfähigen Mediums im Sinne des
Merkmals (C2) einen nennenswerten Widerstand entgegenzusetzen.
Berücksichtigte der Fachmann zusätzlich die Druckschrift D09, gelangte er
gleichfalls nicht zu einer Vorrichtung mit den im geltenden Patentanspruch 1 ge-
nannten Merkmalen. Dort fehlen abgesehen von den zur Neuheit bereits aufge-
zeigten weitere Merkmale, nämlich unter anderem das Merkmal (C), denn gemäß
diesem Stand der Technik soll im Falle der Einwirkung von Explosionen oder
dergleichen die Außentafel 16 so aufgebaut sein, dass sie zerfällt oder sich von
Polyederelementen 14 löst, um diese freizulegen (vgl. S. 3, Abs. [0017] i. V. m.
den Fig. 1 und 2). Die patentgemäße Wirkung, wonach durch die Druckwelle eine
verformbare Platte gegen eine andere biegesteife Platte gedrückt wird, kann also
nicht eintreten. Die Merkmale der Gruppe D fehlen beim Gegenstand der Druck-
schrift D09 vollständig, denn Seitenwände, um die Trägertafel 12 und die Au-
ßentafel 16 miteinander zu verbinden, sind nicht vorgesehen.
Letztlich die Druckschrift D12 zu beachten, hat der Fachmann schon keine Ver-
anlassung, denn ein Fachmann greift in erster Linie auf Kenntnisse zurück, die
einen direkten Bezug zur Aufgabenstellung haben. Hier steht aber die Druck-
schrift D12 nicht im Vordergrund, weil sie die Weiterbildung von Absorptionsele-
menten in Fahrzeugstrukturen betrifft, auf die ein Kollisionsereignis einwirkt, wo-
gegen das angegriffene Patent sich Vorrichtungen zur Energieabsorption einer
Druckwelle zuwendet.
3.4
Da der Gegenstand des Anspruchs 1 in der beschränkten Fassung
zweifellos gewerblich anwendbar ist, erfüllt er mit Blick auf die in der mündlichen
- 17 -
Verhandlung diskutierten Druckschriften D02, D09, D10 und D12 sämtliche Krite-
rien der Patentfähigkeit. An diesem Ergebnis ändert auch die Berücksichtigung
der übrigen von der Beschwerdegegnerin zu ihrem Einspruch herangezogenen
Druckschriften D07, D08, D11 und D13 bis D24 sowie des Standes der Technik
aus den Druckschriften D01 und D03 bis D06 im Prüfungsverfahren nichts, da sie
noch weiter vom Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 des angefochtenen
Patents entfernt liegen.
Der geltende Patentanspruch 1 stützt die geltenden Unteransprüche 2 bis 11,
welche keine selbstverständlichen Ausgestaltungen der Vorrichtung nach An-
spruch 1 betreffen, sowie den geltenden Anspruch 12, der auf eine Verwendung
als Minenschutzvorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 11 gerichtet ist. Die
entsprechend erfolgten Anpassungen der Beschreibung und der Bezeichnung
tragen den geänderten Ansprüchen Rechnung und sind ebenfalls zulässig, so
dass das angegriffene Patent mit nach dem Hilfsantrag 1 beschränkten Schutz-
umfang Bestand hat.
Bei dieser Sachlage erübrigt es sich, auf den Hilfsantrag 2 einzugehen.
III.
Rechtsmittelbelehrung
Dieser Beschluss kann mit der Rechtsbeschwerde nur dann angefochten wer-
den, wenn einer der in § 100 Absatz 3 PatG aufgeführten Mängel des Verfahrens
gerügt wird. Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung
dieses
Beschlusses
beim
Bundesgerichtshof,
Herrenstraße 45a,
- 18 -
76133 Karlsruhe, durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsan-
walt als Bevollmächtigten schriftlich einzulegen.
Dr. Höchst
Richter v. Zglinitzki
kann wegen Krank-
heit
nicht
unter-
schreiben.
Dr. Höchst
Dr. Fritze
Wiegele
Bb