Urteil des BPatG vom 18.06.2015

Stand der Technik, Luft, Auflage, Fig

BPatG 154
05.11
BUNDESPATENTGERICHT
11 W (pat) 15/11
_______________
(Aktenzeichen)
Verkündet am
18. Juni 2015
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
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betreffend das Patent 10 2005 029 907
hat der 11. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 18. Juni 2015 unter Mitwirkung des Vorsitzenden
Richters Dr.-Ing. Höchst sowie der Richter v. Zglinitzki, Dipl.-Ing. Fetterroll und
Dipl.-Ing. Wiegele
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Einsprechenden wird der Beschluss der
Patentabteilung 23 des Deutschen Patent- und Markenamts vom
6. März 2009 abgeändert und das Patent DE 10 2005 029 907 mit
den Patentansprüchen 1 bis 7 vom 18. Juni 2015 sowie der Be-
schreibung und der Zeichnung gemäß Patentschrift beschränkt
aufrechterhalten.
- 3 -
G r ü n d e
I.
Auf die am 26. Juni 2005 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereichte
Patentanmeldung ist die Erteilung des Patents 10 2005 029 907 mit der Bezeich-
nung
am 30. August 2007 veröffentlicht worden.
Gegen das Patent ist Einspruch erhoben worden, worauf die Patentabteilung 23
des Deutschen Patent- und Markenamts das Patent durch Beschluss vom
6. März 2009 aufrechterhalten hat.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Einsprechenden. Die
Beschwerdeführerin ist der Auffassung, der Gegenstand des erteilten Patentan-
spruchs 1 beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Eine erfinderische Tätig-
keit des streitigen Gegenstands sei nur dann zu unterstellen, wenn sie sich für den
Fachmann in nicht naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergebe, wo-
bei Naheliegen dann gegeben sei, wenn sich der Gegenstand der Erfindung ohne
eine das durchschnittliche Wissen und Können überschreitende Leistung ergebe,
und zwar einschließlich etwaiger Routineversuche. Letzteres sei bei vorliegender
Sache in hohem Maße aber der Fall, da die vermeintliche Erfindung letztlich nur
darin bestehe, gemessen am nachgewiesenen Stand der Technik, statt der dort
ganz allgemein angesprochenen Ventilatoren, Lüfter oder Gebläse einen Quer-
stromventilator zu verwenden, dessen Verfügbarkeit einschließlich seiner speziel-
len Eigenschaften und Verwendungsbereiche wohl unbestreitbar zum Fachwissen
des hier einschlägigen Durchschnittsfachmannes gehöre.
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Zur Stützung ihres Vortrags bezieht sich die Beschwerdeführerin auf folgende
Druckschriften:
E1
EP 1 475 589 A2
E2
DE 199 62 258 A1
E3
DE 7326519 U1
E4
US 4,021,213
E5
DE 42 19 269 A1
E6
Behr's Verlag, 2003. S. 73
– 83, ISBN: 3-89947-028-1.
Der Senat hat zudem auf folgendes Dokument hingewiesen:
E7
In der mündlichen Verhandlung am 18. Juni 2015 ist noch das Dokument
E8
Wagner, W.: „Lufttechnische Anlagen“, Vogel Fachbuchverlag, 1. Auflage
1997, S.105
eingeführt worden.
Die
Beschwerdeführerin
und
Einsprechende
hat
mit
Schriftsatz
vom
17. November 2009 beantragt,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das angegriffene
Patent zu widerrufen.
- 5 -
Die Beschwerdegegnerin sowie die Patentinhaberin und Nebenintervenientin be-
antragen übereinstimmend,
den angefochtenen Beschluss des Patentamts abzuändern und
das Patent mit den Patentansprüchen 1 bis 7 vom 18. Juni 2015
sowie der Beschreibung und der Zeichnung beschränkt aufrecht-
erhalten.
Sie tragen vor, dass die Gegenstände der geltenden Patentansprüche neu seien
sowie auch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhten.
Der geltende Anspruch 1 lautet in gegliederter Fassung:
1
Umluftkühlmaschine für eutektische Platten mit gezielter und
gerichteter Luftführung, dadurch gekennzeichnet, dass
2
die Umluftkühlmaschine ein eigenes Kälteaggregat (3) mit ei-
nem Verdampfer (4) und
3
einen Querstromventilator (2) umfasst,
4
wobei der Querstromventilator (2) einen Luftstrom erzeugen
kann, der an den eutektischen Platten vorbeiströmt, und
5
wobei der Verdampfer (4) während des Betriebs vor den
eutektischen Platten in dem Luftstrom angeordnet ist,
6
dass die Umluftkühlmaschine eine Stellklappe (7) umfasst, die
für eine Trocknungsphase der eutektischen Platten die Luft
freiblasend nach außen leiten kann.
Zu den diesem Anspruch nachgeordneten Ansprüchen 2 bis 7 und wegen der
weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akten verwie-
sen.
- 6 -
II.
Die zulässige Beschwerde ist nur insoweit erfolgreich, als sie zur Beschränkung
des Patents führt.
Die Nebenintervention ist gemäß § 66 ZPO i. V. m. § 99 Abs. 1 PatG zulässig,
weil die Beschwerdeführerin nicht gemäß § 265 Abs. 2 ZPO zugestimmt hat, dass
die neue Patentinhaberin die Stellung der Beschwerdegegnerin übernimmt.
Der Einspruch ist zulässig.
Die geltenden Patentanspruch 1 bis 7 sind zulässig. Ihre Merkmale ergeben sich
aus den erteilten Ansprüchen 1 bis 8.
A.
ten (vgl. Abs. [0001] der Patentschrift).
In der Beschreibung wird ausgeführt, es sei bekannt, dass eutektische Platten
(Kühlakkus) eine bestimmte Zeit bräuchten, um in kalter Umgebungstemperatur
ihre volle Kältespeicherkapazität zu erreichen. Zudem seien die Platten nach dem
Rücklauf aus dem Versand an der Oberfläche feucht, diese Oberflächenfeuchtig-
keit könne die Einfrierzeit einer Platte verzögern (vgl. Abs. [0002] der Patent-
schrift).
Eine Umluftkühlmaschine der eingangs genannten Art sei aus der EP 1 475 589
A2 (E1) bekannt, bei der eutektische Platten in vorhandene Tiefkühlräume oder
Kühlräume gestellt würden. Dort finde ein Wärmeaustausch über die Luft statt,
wobei die benötigten Anströmgeschwindigkeiten der Luft durch Axialventilatoren
oder statische Einwirkung der Luft erreicht würden. Dieses bedeute aber einen je
nach Ausführung des Eutektikums bestimmten Zeitfaktor X, der von den Faktoren
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einer gleichmäßigen und schnellen Umspülung mit der entsprechenden geforder-
ten Lufttemperatur abhänge (vgl. Abs. [0003] der Patentschrift).
Dem angegriffenen Patent liege deshalb die Aufgabe zugrunde, mit geringstem
Energieaufwand und Platzbedarf eine schnellere Abkühlung der Platten oder
Stoffe zu erzielen (vgl. Abs. [0006] der Patentschrift).
Der mit der Lösung dieser Aufgaben betraute Fachmann ist ein Hochschulabsol-
vent der Fachrichtung Maschinenbau oder Verfahrenstechnik mit mehrjähriger
Erfahrung in der Konstruktion von kältetechnischen Anlagen, insbesondere Um-
luftkühlgeräten.
B.
neu, dies ist auch unstreitig.
Keine der Druckschriften E1 bis E6 weist eine Umluftkühlmaschine mit einem
Querstromventilator auf. Die Dokumente E7 und E8 beinhalten hingegen keine
Umluftkühlmaschine.
C.
anwendbar und beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Die konstruktive Gestaltung der Umluftkühlmaschine des angegriffenen Patents
geht von der Überlegung aus, dass es energetisch günstiger sei, Regale mit
eutektischen Platten statt mit aus einem großen Tiefkühlraum angesaugter und
über die eutektischen Platten geblasenen Kühlluft, wie in der EP 1 475 589 A2
(E1) vorgeschlagen, vielmehr in einem verschließbaren Schrank, der mit einem
eigenem Kühlaggregat mit innenliegendem Verdampfer und Lüfter versehen ist, zu
kühlen (vgl. Patenschrift Abs. [0004] bis [0009]). Darüber hinaus sieht die Patent-
inhaberin einen weiteren Vorteil ihrer Vorrichtung darin, dass vor dem eigentlichen
- 8 -
Kühlschritt ein Trocknungsschritt vorgesehen ist (vgl. Patenschrift Abs. [0008]).
Damit soll einerseits erreicht werden, dass die eutektische Platten
schneller verwendungsfähig sind (vgl. Patenschrift Abs. [0008]) und anderer-
seits - wie die Patentinhaberin mündlich vorgetragen hat
– eine Vereisung des
Ventilators vermieden wird. Für den Trocknungsschritt ist vorgesehen, Umge-
bungsluft über die noch feuchten eutektischen Platten zu blasen und die so bela-
dene Luft über eine Klappe 7 aus dem Innenraum der Umluftkühlmaschine abzu-
führen (Merkmal 6 des geltenden Anspruchs 1).
Das Problem der Vereisung von Ventilatoren in Umluftkühlmaschinen ist dem
Fachmann bewusst, wie insbesondere die Druckschrift E2, Spalte 1, Zeilen 21 bis
27 zeigt. Zur Lösung dieses Problems ist dort jedoch vorgeschlagen, den Ventila-
tor 20 im Strömungsrichtung direkt nach dem Verdampfer 19 anzuordnen (vgl.
Fig.), um so die Feuchtigkeit, welche z. B. durch feuchtehaltiges Lagergut in den
Kühlraum eingebracht wird, sicher an dem Verdampfer niederzuschlagen, bevor
diese an den Ventilator gelangen kann (vgl. Spalte 1, Zeilen 45 bis 52).
Die Druckschrift E2 legt daher aus sich heraus dem Fachmann die wesentlichen
konstruktiven Merkmale der Umluftkühlmaschine gemäß geltendem Anspruch 1
des angegriffenen Patents nicht nahe. Gegenteiliges wurde von der Beschwerde-
führerin hierzu auch nicht vorgetragen.
Die Druckschriften E3 (vgl. Fig.) und E6 (vgl. Abb. 2.21, Seite 78) zeigen Anord-
nungen von Ventilator und Verdampfer in einer Umluftkühlmaschine, die der in der
Druckschrift E2 vergleichbar sind, sodass ein mögliches Vereisungsproblem auch
hier auf eine andere als der patentgemäßen gelöst wäre.
Da die Umluftkühlmaschinen dieser Druckschriften keine Klappe aufweisen, die
einen dem Kühlungsschritt vorgeschalteten Trocknungsschritt ermöglichen, kön-
nen ihnen daher ebenfalls keine Hinweise auf alle konstruktiven Merkmale der
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streitigen Vorrichtung entnommen werden. Die Umluftkühlmaschine gemäß gel-
tendem Anspruch 1 des angegriffenen Patents ist somit nicht nahe gelegt.
Da die Umluftkühlmaschinen der Druckschriften E4 und E5 ebenfalls keine Klap-
pen aufweisen, ist auch hier ein Trockenblasen der eutektischen Platten vor deren
Kühlung nicht gegeben. Der Fachmann kann daher diesen Druckschriften nichts
entnehmen was ihn zur vollständigen Lehre des geltenden Patentanspruchs 1 füh-
ren würde.
Die Druckschriften E1, E7 und E8 liegen auf Grund einer fehlenden streitpatent-
gemäßen Umluftkühlmaschine noch weiter ab und können so keinen Beitrag zur
Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit leisten.
Damit ist eine erfinderische Tätigkeit festzustellen.
Die rückbezogenen Ansprüche 2 bis 7 haben auf der Grundlage des geltenden,
patentfähigen Anspruchs 1 ebenfalls Bestand, zumal sie keine selbstverständli-
chen Merkmale zum Inhalt haben.
Das Patent ist somit antragsgemäß beschränkt aufrecht zu erhalten.
III.
Rechtsmittelbelehrung
Dieser Beschluss kann mit der Rechtsbeschwerde nur dann angefochten werden,
wenn einer der in § 100 Absatz 3 PatG aufgeführten Mängel des Verfahrens ge-
rügt wird. Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung die-
ses Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45 a, 76133 Karlsruhe,
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durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmäch-
tigten schriftlich einzulegen.
Dr. Höchst
v. Zglinitzki
Fetterroll
Wiegele
Bb