Urteil des BPatG vom 08.07.2014

Rechtliches Gehör, Rückzahlung, Anhörung, Billigkeit

BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
10 W (pat) 32/14
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Patentanmeldung 10 2006 046 331.5-25
wegen Rückzahlung der Beschwerdegebühr
hat der 10. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
8. Juli 2014 durch den Vorsitzenden Richter Dr.-Ing. Lischke sowie die Richter
Dipl.-Ing. Hildebrandt, Eisenrauch und Dipl.-Ing. Küest
beschlossen:
Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.
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G r ü n d e
I.
Die Rechtsvorgängerin der Antragstellerin hatte am 28. September 2006 beim
Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) eine Patentanmeldung mit der Be-
zeichnung
„Fugenband für Arbeits- und/oder Dehnfugen“ eingereicht, die das
Aktenzeichen 10 2006 046 331 erhalten hat und zu der diese auch Prüfungsantrag
gestellt hatte. Die Prüfungsstelle für Klasse E 04 B des DPMA hat der Rechtsvor-
gängerin der Antragstellerin sodann mit Prüfungsbescheid vom 11. Juli 2007 mit-
geteilt, dass der Gegenstand des geltenden Hauptanspruchs vor dem Hintergrund
des von ihr ermittelten Standes der Technik, nämlich den Druckschriften E1 bis
E6, mangels Neuheit nicht patentfähig sei. Auch die Übrigen Unterlagen ließen
keinen patentfähigen Gegenstand erkennen. Der Bescheid schloss mit dem Hin-
weis, dass bei dieser Sachlage nicht mit der Erteilung eines Patents gerechnet
werden könne.
Die Rechtvorgängerin der Antragstellerin hat hierauf mit anwaltlicher Eingabe vom
27. November 2007 neue Patentansprüche und Beschreibungsteile vorgelegt und
sich im Einzelnen mit den Druckschriften E1 bis E6 auseinandergesetzt. Hierbei
hat sie die neuen
Unterlagen ausdrücklich als „Diskussionsvorschlag“ bezeichnet
und um entsprechende Fortsetzung des Prüfungsverfahrens gebeten. Ferner hat
sie bei der Prüfungsstelle angeregt, weiterhin vorhandene Meinungsverschieden-
heiten gegebenenfalls auf telefonischem Wege zu klären.
Mit Beschluss vom 17. März 2010 hat die zuständige Prüfungsstelle die zwischen-
zeitlich auf die Antragstellerin umgeschriebene Patentanmeldung zurückgewiesen.
Die Begründung des Beschlusses enthält zum einen eine Bezugnahme auf den
Prüfungsbescheid von 11. Juli 2007, zum anderen aber auch für die Antragstelle-
rin neue Ausführungen, die sich auf die mit Eingabe vom 27. November 2007 ein-
gereichten, geänderten Patentansprüche beziehen.
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Gegen diesen Beschluss, der am 13. April 2010 dem anwaltlichen Vertreter der
Antragstellerin zugestellt worden ist, hat die Antragstellerin rechtzeitig Beschwerde
eingelegt und ordnungsgemäß die Beschwerdegebühr in Höhe von 200,--
€ ent-
richtet. Sie hat die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und die Erteilung
des Patents beantragt sowie einen Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdege-
bühr gestellt. Mit Eingabe vom 12. Mai 2014 hat die Antragstellerin ihre Be-
schwerde schließlich zurückgenommen. An dem Antrag auf Erstattung der Be-
schwerdegebühr hält sie jedoch fest.
Den Erstattungsantrag begründet die Antragstellerin damit, dass ihr rechtliches
Gehör nicht in ausreichendem Umfang gewährt worden sei. Die Anmeldung sei
zurückgewiesen worden, ohne dass ihr zuvor Gelegenheit gegeben worden sei, zu
den bei der Prüfungsstelle offenbar gegen die Gewährbarkeit der neuen Patentan-
sprüche bestehenden Bedenken Stellung zu nehmen. Die Prüfungsstelle habe
ferner nicht berücksichtigt, dass die neuen Patentansprüche ausdrücklich
als „Dis-
kussions
vorschlag“ bezeichnet worden seien. Unter den gegebenen Umständen
hätte die Bitte ihrer Rechtsvorgängerin um telefonische Kontaktaufnahme von der
Prüfungsstelle nicht ignoriert werden dürfen.
Zu den weiteren Einzelheiten des Vorbringens wird auf die Gerichtsakten verwie-
sen.
II.
Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr ist gemäß § 80 Abs. 3 PatG
statthaft. Er ist auch begründet, da die Rückzahlung dieser Gebühr vorliegend der
Billigkeit entspricht.
Der Umstand, dass die Anmelderin die Beschwerde zurückgenommen hat, steht
der Rückzahlung der Beschwerdegebühr nicht im Wege (vgl. § 80 Abs. 4 PatG).
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Nach ständiger Rechtsprechung ist die Rückzahlung der Beschwerdegebühr ge-
mäß § 80 Abs. 3 PatG dann als billig anzusehen, wenn bei ordnungsgemäßer und
angemessener Sachbehandlung der Erlass eines (Zurückweisungs-)Beschlusses
nicht in Betracht gekommen wäre und damit die Beschwerde sowie die Einzahlung
der Beschwerdegebühr hätten vermieden werden können (vgl. Schulte/,
PatG, 9. Aufl., § 73 Rn. 132 - m. w. N.). Die Billigkeit einer Erstattung kann in sol-
chen Fällen zu bejahen sein, in denen die angefochtene Entscheidung unter Ver-
letzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ergangen ist (vgl. Busse/,
PatG, 7. Aufl., § 80 Rn. 98, 105 - m. w. N.). Im vorliegenden Fall muss zu Gunsten
der Antragstellerin von einer derartigen Sachlage ausgegangen werden.
Der Zurückweisungsbeschluss vom 17. März 2010 leidet an dem Mangel, dass die
Prüfungsstelle mit ihm die im November 2007 von der Rechtsvorgängerin der An-
tragstellerin eingereichten, neuen Patentansprüchen 1 bis 8 als nicht gewährbar
verworfen hat, ohne hierzu der Antragstellerin zuvor Gelegenheit zu einer
Stellungnahme gegeben zu haben. Der Prüfungsbescheid vom 11. Juli 2007
reichte als Begründung für die später erfolgte Zurückweisung der Anmeldung nicht
aus, da der Bescheid sich nur mit den zum Anmeldezeitpunkt geltenden Patentan-
sprüchen 1 bis 11 befasst hatte und die Zurückweisung der Anmeldung in diesem
Bescheid auch nicht explizit angedroht worden war.
Der Antragstellerin muss ferner in der Einschätzung gefolgt werden, dass die
Nichtberücksichtigung der Bitte ihrer Rechtsvorgängerin um telefonische Anhö-
rung eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör darstellt. Die Durch-
führung einer Anhörung ist in jedem Patenterteilungsverfahren grundsätzlich ein-
mal sachdienlich, sofern vorhandene Meinungsverschiedenheiten mit der Prü-
fungsstelle bisher nicht ausgeräumt werden konnten (vgl. BPatGE 49, 111,
112 -
„Anhörung im Prüfungsverfahren“ und BPatGE 52, 113, 114 - „Dünnfilm-
magnet
speichervorrichtung“; Busse/, PatG, 7. Aufl., § 80 Rn. 102 und § 79
Rn. 80 - jeweils m. w. N.). Eine solche Sachlage war aber hier offensichtlich
gegeben. Die Prüfungsstelle hätte erkennen müssen, dass sie auf die Eingabe der
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Rechtvorgängerin der Antragstellerin vom 27. November 2007, in der diese um
Fortsetzung des Prüfungsverfahrens auf der Grundlage neuer Patentansprüchen
bat, nicht einfach mit der Zurückweisung der Anmeldung reagieren durfte. Dabei
spricht Vieles - unter anderem auch der Umstand, dass die Antragstellerin ihre
Beschwerde in der Sache zurückgenommen hat - dafür, dass das vorliegende
Beschwerdeverfahren vermieden worden wäre, wenn die Prüfungsstelle, wie von
der Rechtsvorgängerin der Antragstellerin angeregt, eine (zumindest telefonische)
Anhörung durchgeführt und/oder die Antragstellerin nochmals beschieden hätte.
Dr. Lischke
Hildebrandt
Eisenrauch
Küest
Cl