Urteil des BPatG vom 23.06.2016

Stand der Technik, Patentanspruch, Fig, Patentfähige Erfindung

BPatG 154
05.11
BUNDESPATENTGERICHT
10 W (pat) 116/14
_______________
(Aktenzeichen)
Verkündet am
23. Juni 2016
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
- 2 -
betreffend das Patent 10 2004 051 942
hat der 10. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
Grund der mündlichen Verhandlung vom 23. Juni 2016 unter Mitwirkung des Vor-
sitzenden Richters Dr.-Ing. Lischke sowie der Richter Eisenrauch, Dipl.-Ing. Küest
und Dr.-Ing. Großmann
beschlossen:
1.
Auf die Beschwerde der Patentinhaberin wird der Beschluss
der Patentabteilung 56 des Deutschen Patent- und Marken-
amts vom 18. März 2010 aufgehoben und das Patent wird
mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:
-
Patentanspruch
gemäß
Hilfsantrag IV
vom
13. Oktober 2015,
-
übrige Unterlagen wie erteilt.
2.
Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
3.
Die Patentinhaberin und Beschwerdeführerin hat die der Ein-
sprechenden durch die weitere mündliche Verhandlung vom
23. Juni 2016 entstandenen außergerichtlichen Kosten zu
tragen. Von den übrigen Kosten des Verfahrens tragen die
Beteiligten jeweils ihre Kosten selbst.
- 3 -
G r ü n d e
I.
Gegen das am 25. Juni 2004 angemeldete Patent 10 2004 051 942, dessen Ertei-
lung am 4. September 2008 veröffentlicht worden ist, ist Einspruch erhoben wor-
den. Die Patentabteilung 1.56 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat auf
Grund der Anhörung vom 18. März 2010 das Patent in vollem Umfang widerrufen.
In dem Beschluss der Patentabteilung sind dabei folgende Druckschriften heran-
gezogen worden:
D1: DE 10 2004 016 610 B3 (ältere Anmeldung, nachveröffentlicht),
D2: DE 10 2004 038 023 A1 (ältere Anmeldung, nachveröffentlicht),
D3: WO 00/15470 A1,
D4: EP 1 350 690 A2.
Gegen diesen Beschluss hat die Patentinhaberin am 20. Mai 2010 Beschwerde
eingelegt. Sie ist der Auffassung, dass der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß
Hauptantrag (Anspruchsfassung des Hauptantrags wurde nicht gesondert einge-
reicht, der Patentanspruch 1 liegt aber gegliedert in der Beschwerdebegründung
vor und stimmt merkmalsmäßig mit der erteilten Fassung überein) nicht nur ge-
genüber der D1, D2, D3 und D4 neu, sondern auch erfinderisch sei, weil auch eine
Kombination der technischen Lehren von D3 und D4 nicht zum Gegenstand des
Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag führe.
In einer am 13. Oktober 2015 durchgeführten, früheren mündlichen Verhandlung
hat die Patentinhaberin ihren Haupt- und Hilfsantrag I aus ihrer Beschwerdebe-
gründung vom 26. Juni 2015 gestellt. Ferner hat sie in dieser mündlichen Ver-
handlung neue Patentansprüche 1 bis 3 gemäß einem neuen Hilfsantrag II sowie
einen Patentanspruch gemäß einem neuen Hilfsantrag III überreicht. Zu dem mit
- 4 -
der Beschwerdebegründung eingereichten Patentanspruch 4 des früheren Hilfs-
antrags II hat sie in der früheren mündlichen Verhandlung vom 13. Oktober 2015
erklärt, dass sie diesen als Hilfsantrag IV weiterverfolge. Da die Einsprechende
offensichtlich nicht in der Lage war, sich aus dem Stand sachlich zu den neuen
Anträgen der Patentinhaberin zu äußern, hat der erkennende Senat die mündli-
che Verhandlung geschlossen und einen Termin zur Fortsetzung der mündlichen
Verhandlung für angezeigt erachtet.
Im Termin vom 23. Juni 2016, in dem die mündliche Verhandlung fortgesetzt
wurde, hat die Einsprechende beantragt,
die Beschwerde der Patentinhaberin zurückzuweisen sowie der
Patentinhaberin die durch die weitere mündliche Verhandlung vom
23. Juni 2016 der Einsprechenden entstandenen Kosten aufzuer-
legen.
Die Patentinhaberin und Beschwerdeführerin, die zur Fortsetzung der mündlichen
Verhandlung am 23. Juni 2016 nicht mehr erschienen ist, beantragt nach wie vor
(sinngemäß),
den Beschluss der Patentabteilung 56 des Deutschen Patent- und
Markenamts vom 18. März 2010 aufzuheben und das Patent im
Umfang ihres Haupt- oder ihres Hilfsantrags I aus der Beschwer-
debegründung vom 26. Juni 2015, im Umfang der in der mündli-
chen Verhandlung vom 13. Oktober 2015 überreichten, neuen
Patentansprüche 1 bis 3 gemäß einem neuen Hilfsantrag II bzw.
im Umfang eines dort überreichten neuen Patentanspruchs 1 ge-
mäß einem neuen Hilfsantrag III und höchsthilfsweise im Umfang
des Patentanspruchs 4 (Hilfsantrag IV) aus dem früheren Hilfsan-
trags II aus der Beschwerdebegründung aufrechtzuerhalten bzw.
beschränkt aufrechtzuerhalten.
- 5 -
Der geltende Patentanspruch 1 nach Hauptantrag lautet:
„Trägerelement (51", 5"') zur elastischen Verbindung zumindest
eines Schwingungen und/oder Vibrationen ausgesetzten Teils ei-
nes ersten Airbagmoduls (95"') eines Kraftfahrzeugs mit einem als
Tilgermasse wirkenden Gasgenerator (97"') des ersten Airbagmo-
duls,
mittels zumindest eines mit dem Trägerelement (51"') in Wirkver-
bindung stehenden elastischen Kopplungselements (71"')
oder zur elastischen Verbindung zumindest eines Schwingungen
und/oder Vibrationen ausgesetzten Lenkrads (93") eines Kraft-
fahrzeugs mit einem als Tilgermasse wirkenden zweiten Airbag-
modul,
mittels zumindest eines mit dem Trägerelement (51") in Wirkver-
bindung stehenden elastischen Kopplungselementes, wobei das
Trägerelement (51", 51"') einen Kunststoff umfasst und an das
Trägerelement (51", 51"') zum einen zumindest ein Zusatzele-
ment,
ausgewählt aus einem Dichtungsrand (57), einem Versteifungs-
element, einem ersten Befestigungselement (53"), einem Ab-
standselement (55"), einem Positionierelement (109"') und/oder
einem Kraftableitelement angeformt ist, und zusätzlich zum ande-
ren mittels Umspritzung das Kopplungselement (71"'), zumindest
ein Anschlagelement (103"') und/oder zumindest ein Dichtungs-
element (105"'), jeweils umfassend zumindest ein elastisches
Material, angeformt ist bzw. sind.“
- 6 -
Der geltende Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag I lautet:
„Trägerelement (51", 51"') zur elastischen Verbindung zumindest
eines Schwingungen und/oder Vibrationen ausgesetzten Teils ei-
nes ersten Airbagmoduls (95") eines Kraftfahrzeugs mit einem als
Tilgermasse wirkenden Gasgenerator (97"') des ersten Airbagmo-
duls, mittels zumindest eines mit dem Trägerelement (51"') in
Wirkverbindung stehenden elastischen Kopplungselements (71"')
oder zur elastischen Verbindung zumindest eines Schwingungen
und/oder Vibrationen ausgesetzten Lenkrads (93") eines Kraft-
fahrzeugs mit einem als Tilgermasse wirkenden zweiten Airbag-
modul, mittels zumindest eines mit dem Trägerelement (51") in
Wirkverbindung stehenden elastischen Kopplungselementes, wo-
bei das Trägerelement (51", 51"') einen Kunststoff umfasst und an
das Trägerelement (51", 51"') zum einen zumindest ein Zusatze-
lement, ausgewählt aus einem Dichtungsrand (57), einem Ver-
steifungselement, einem ersten Befestigungselement (53"), einem
Abstandselement (55"), einem Positionierelement (109"') und/oder
einem Kraftableitelement angeformt ist, und zusätzlich zum ande-
ren mittels Umspritzung das Kopplungselement (71"'), zumindest
ein Anschlagelement (103"') und/oder zumindest ein Dichtungs-
element (105"'), jeweils umfassend zumindest ein elastisches
Material, ohne Vulkanisation oder Klebung angeformt ist bzw.
sind.“
Der geltende Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag II lautet:
„Trägerelement (51) zur elastischen Verbindung zumindest eines
Schwingungen und/oder Vibrationen ausgesetzten Teils eines
ersten Airbagmoduls (95) eines Kraftfahrzeugs mit einem als Til-
germasse wirkenden Gasgenerator (97) des ersten Airbagmoduls,
- 7 -
mittels zumindest eines mit dem Trägerelement (51) in Wirkver-
bindung stehenden elastischen Kopplungselements (71) oder zur
elastischen Verbindung zumindest eines Schwingungen und/oder
Vibrationen ausgesetzten Lenkrads (93) eines Kraftfahrzeugs mit
einem als Tilgermasse wirkenden zweiten Airbagmodul, mittels
zumindest eines mit dem Trägerelement (51) in Wirkverbindung
stehenden elastischen Kopplungselementes, wobei das Trä-
gerelement (51) einen Kunststoff umfasst und an das Trägerele-
ment (51) zum einen umlaufender zumindest ein Zusatzelement,
ausgewählt aus einem Dichtungsrand (57) zur Abdichtung eines
Airbagraums bei einer Zündung des Gasgenerators des Airbag-
moduls , einem Versteifungselement, einem ersten Befestigungs-
element (53), einem Abstandselement (55), einem Positionierele-
ment und/oder einem Kraftableitelement angeformt ist, und zu-
sätzlich zum anderen mittels Umspritzung das Kopplungselement
(71), zumindest ein Anschlagelement (103) und/oder zumindest
ein Dichtungselement (59), jeweils umfassend zumindest ein elas-
tisches Material, ohne Anvulkanisation oder Anklebung angeformt
ist bzw. sind,
wobei in dem Bereich zumindest eindes mittels Umspritzung an-
geformten Kopplungselementes (71) Anschlagelementes und/oder
Dichtungselementes zumindest eine Öffnung ein Durchbruch (75,
77, 79) in dem Trägerelement (51) bereitgestellt ist, wobei die Öff-
nung der Durchbruch (75, 77, 79) bei der Umspritzung zumindest
bereichsweise mit dem elastischen Material ausgefüllt ist, um das
Kopplungselement (71) an dem Trägerelement (51) zu verankern.
Der geltende Patentanspruch nach Hilfsantrag III lautet:
„Trägerelement (51) zur elastischen Verbindung zumindest eines
Schwingungen und/oder Vibrationen ausgesetzten Teils eines
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ersten Airbagmoduls (95) eines Kraftfahrzeugs mit einem als Til-
germasse wirkenden Gasgenerator (97) des ersten Airbagmoduls,
mittels zumindest eines mit dem Trägerelement (51) in Wirkver-
bindung stehenden elastischen Kopplungselements (71) oder zur
elastischen Verbindung zumindest eines Schwingungen und/oder
Vibrationen ausgesetzten Lenkrads (93) eines Kraftfahrzeugs mit
einem als Tilgermasse wirkenden zweiten Airbagmodul, mittels
zumindest eines mit dem Trägerelement (51) in Wirkverbindung
stehenden elastischen Kopplungselementes, wobei das Trä-
gerelement (51) einen Kunststoff umfasst und an das Trägerele-
ment (51) zum einen umlaufender zumindest ein Zusatzelement,
ausgewählt aus einem Dichtungsrand (57) zur Abdichtung eines
Airbagraums bei einer Zündung des Gasgenerators eines Airbag-
moduls , einem Versteifungselement, einem ersten Befestigungs-
element (53), einem Abstandselement (55), einem Positionierele-
ment und/oder einem Kratableitelement angeformt ist, und zusätz-
lich zum anderen mittels Umspritzung das Kopplungselement (71),
zumindest ein Anschlagelement (103) und/oder zumindest ein
Dichtungselement (59), jeweils umfassend zumindest ein elasti-
sches Material, ohne Anvulkanisation oder Anklebung angeformt
ist bzw. sind,
wobei in dem Bereich zumindest eindes mittels Umspritzung an-
geformten Kopplungselementes (71) Anschlagelementes und/oder
Dichtungselementes zumindest eine Öffnung Durchbruch (75, 77,
79) in dem Trägerelement (51) bereitgestellt ist, wobei die Öff-
nung der Durchbruch (75, 77, 79) bei der Umspritzung zumindest
bereichsweise mit dem elastischen Material ausgefüllt ist, um das
Kopplungselement (71) an dem Trägerelement zu verankern, und
wobei in dem Dichtungsrand (57)- Bereich des mittels Umsprit-
zung angeformten Dichtungselementes (59) zumindest bereichs-
weise eine Oberflächenstruktur umfassend zumindest eine Nut
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und/oder zumindest eine Erhebung auf dem Dichtungsrand (59)
aufgebracht ist, wobei die Oberflächenstruktur zumindest be-
reichsweise von dem elastischen Material des Dichtungselemen-
tes (59) bedeckt ist.“
Der geltende Patentanspruch nach Hilfsantrag IV lautet:
„Trägerelement (51"') zur elastischen Verbindung zumindest eines
Schwingungen und/oder Vibrationen ausgesetzten Teils eines
ersten Airbagmoduls (95"') eines Kraftfahrzeugs mit einem als Til-
germasse wirkenden Gasgenerator (97"') des ersten Airbagmo-
duls, mittels zumindest eines mit dem Trägerelement (51"') in
Wirkverbindung stehenden elastischen Kopplungselements (71"')
oder
zur elastischen Verbindung zumindest eines Schwingungen
und/oder Vibrationen ausgesetzten Lenkrads eines Kraftfahrzeugs
mit einem als Tilgermasse wirkenden zweiten Airbagmodul, mittels
zumindest eines mit dem Trägerelement in Wirkverbindung ste-
henden elastischen Kopplungselementes,
wobei das Trägerelement (51"') einen Kunststoff umfasst und an
das Trägerelement (51"') zum einen zumindest ein Zusatzelement,
ausgewählt aus einem Dichtungsrand, einem Versteifungsele-
ment, einem ersten Befestigungselement, einem Abstandsele-
ment, einem Positionierelement (109"') und/oder einem Kraftab-
leitelement angeformt ist, und zusätzlich zum anderen mittels Um-
spritzung das Kopplungselement (71"'), zumindest ein Anschla-
gelement (103"') und/oder zumindest ein Dichtungselement
(105"'), jeweils umfassend zumindest ein elastisches Material, an-
geformt ist bzw. sind,
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wobei der Teil des ersten Airbagmoduls oder das Lenkrad reib-
schlüssig über eine Presspassung mit dem Kopplungselement
verbunden ist,
wobei das Kopplungselement vorzugsweise zumindest ein Pres-
selement zur Erzeugung einer Pressspannung zwischen dem Teil
des ersten Airbagmoduls bzw. dem Lenkrad und dem Kopplungs-
element umfasst oder der Gasgenerator (97"') des ersten Airbag-
moduls oder das zweite Airbagmodul reibschlüssig über eine
Presspassung mit dem Kopplungselement (71"') verbunden ist,
wobei das Kopplungselement (71"') vorzugsweise zumindest ein
Presselement (99"') zur Erzeugung einer Pressspannung zwi-
schen dem Gasgenerator (97"') des ersten Airbagmoduls bzw.
dem zweiten Airbagmodul und dem Kopplungselement (71"') um-
fasst.
Änderungen in den Hilfsanträgen im Vergleich zum Hauptantrag sind durch Strei-
chung bzw. Unterstreichung für neu hinzugenommene Merkmale kenntlich ge-
macht.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt verwie-
sen.
II.
1. Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig.
2. In der Sache hat die Beschwerde der Patentinhaberin jedoch nur im Umfang
des Hilfsantrags IV Erfolg.
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Der Gegenstand des Streitpatents ist in der Fassung des Hilfsantrags IV patentfä-
hig (§§ 1 bis 5 PatG), weshalb der angegriffene Beschluss insoweit aufzuheben
und das Streitpatent auf die Beschwerde entsprechend beschränkt aufrechtzuer-
halten ist (§ 61 Abs. 1 PatG).
3. Der Einspruch ist gemäß § 59 Abs. 1 Satz 4 PatG form- und fristgerecht erho-
ben, er ist auch ausreichend substantiiert und somit zulässig.
4. Der Durchschnittsfachmann, auf dessen Wissen und Können es insbesondere
für die Auslegung der Merkmale des Streitpatents ankommt, ist hier ein Maschi-
nenbauingenieur mit Fach- oder Hochschulabschluss und mehrjähriger Erfahrung
in der Entwicklung und Fertigung auf dem Gebiet der Kfz-Sicherheitstechnik.
5.
Die Ansprüche nach Hauptantrag und Hilfsanträgen I, II, III und IV sind zuläs-
sig, da sie sich unmittelbar aus der Patentschrift ergeben. Im Patentanspruch 1
des Hilfsantrags II sind Merkmale aus dem erteilten Anspruch 16 aufgenommen
und Angaben aus den Absätzen [0028], [0011] und [0030] der Patentschrift er-
gänzt worden. Im Patentanspruch 1 des Hilfsantrags III sind Merkmale aus dem
erteilten Patentanspruch 17 hinzugekommen. Der Patentanspruch 1 des Hilfsan-
trags IV ist eine Zusammenfassung der Patentansprüche 1 und 24 der erteilten
Fassung.
Sowohl der Hauptantrag als auch die Hilfsanträge vermittelt dem Fachmann eine
klare Lehre zum technischen Handeln.
6.
Der Gegenstand des angefochtenen Patents stellt sowohl im Umfang des
Hauptantrages als auch im Umfang eines der Hilfsanträge I, II oder III keine pa-
tentfähige Erfindung im Sinne der §§ 1 bis 5 PatG dar.
Der Gegenstand des Patentanspruchs nach Hilfsantrag IV ist patentfähig.
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Das Patent bezieht sich auf ein Trägerelement zur elastischen Verbindung zumin-
dest eines Schwingungen und/oder Vibrationen ausgesetzten Teils eines ersten
Airbagmoduls eines Kraftfahrzeugs mit einem als Tilgermasse wirkenden Gasge-
nerator des ersten Airbagmoduls oder zur elastischen Verbindung zumindest ei-
nes Schwingungen und/oder Vibrationen ausgesetzten Lenkrads eines Kraftfahr-
zeugs mit einem als Tilgermasse wirkenden zweiten Airbagmodul gemäß den
Merkmalen des erteilten Patentanspruchs 1.
Ausgehend vom in der Patentschrift zitierten Stand der Technik ist die in Abs.
[0017] angegebene Aufgabe, ein Trägerelement zur elastischen Verbindung
zweier Bauteile bereitzustellen, welches die aus dem Stand der Technik bekann-
ten Nachteile überwindet, insbesondere einfach herstellbar sowie montierbar ist.
Die Lösung dieser Aufgabe ist ein Trägerelement mit den eingangs angeführten
Merkmalen nach Patentanspruch 1.
a)
Hauptantrag
Der unstreitig gewerblich anwendbare Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß
Hauptantrag ist neu, er beruht jedoch nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
Die D1 zeigt ein Airbagmodul mit einem Kunststoff überspritzten elastomeren
Schwingungsdämpfer. Ein Trägerelement mit Zusatzelement bestehend u. a. aus
einem Dichtungsrand ist beim Airbagmodul in der D1 nicht verwirklicht.
Die D2 zeigt einen Schwingungstilger für ein schwingendes Maschinenelement.
Ein Trägerelement mit Zusatzelement bestehend u. a. aus einem Dichtungsrand
und einem Versteifungselement hat dieser Schwingungstilger nicht.
Die D3 offenbart ein Lenkrad mit einem Airbagmodul. Explizit ist der D3 nicht zu
entnehmen, dass das dort als elastisch verformbares Element 19 bezeichnete
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Kopplungselement mittels Umspritzung an das dort als ringförmiges Bauteil 21
bezeichnete Trägerelement 21 angeformt ist (vgl. Fig. 3, Beschreibung S. 7,
2. Abs.).
Die D4 zeigt kein Bauteil, das mit dem Trägerelement vergleichbar wäre und an
das ein Zusatzelement angeformt ist.
Das Trägerelement nach Anspruch 1 des Hauptantrags ist damit sowohl gegen-
über dem Stand der Technik nach der D1 bzw. D2, der gem. § 3, Abs. 2 PatG bei
der Neuheitsprüfung zu berücksichtigen ist, als auch gegenüber dem vorveröffent-
lichten Stand der Technik nach der D3 und der D4 neu.
Die Neuheit des Trägerelements nach Anspruch 1 des Hauptantrags ist gegen-
über dem weiteren Stand der Technik nicht in Frage gestellt worden. Demgegen-
über ist dieses Trägerelement neu, wie eine Überprüfung durch den Senat erge-
ben hat.
Die D3 zeigt in Fig. 3 und 4 ein dort als ringförmiges Bauteil 21 bezeichnetes Trä-
gerelement zur elastischen Verbindung eines Schwingungen und Vibrationen
ausgesetzten Bauteils eines Airbagmoduls eines Kraftfahrzeuges mit einem als
Tilgermasse wirkenden Gasgenerator 6 des Airbagmoduls, das über ein elasti-
sches Kopplungselement 19 mit dem Trägerelement 21 in Wirkverbindung steht
(vgl. u. a. S. 6, 2. Abs., S. 7, 2. Abs., Fig. 3 und 4).
Dieses in der D3 als ringförmiges Bauteil 21 bezeichnete Trägerelement dient dort
auch zur elastischen Verbindung eines Schwingungen und Vibrationen ausge-
setzten Lenkrads eines Kraftfahrzeugs mit einem als Tilgermasse wirkenden
zweiten Airbagmodul 6, das über ein elastisches Kopplungselement 19 mit dem
Trägerelement 21 in Wirkverbindung steht (vgl. u. a. S. 7, 2. Abs. und Fig. 4).
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Das Trägerelement 21 ist in Abs. 2, S. 7, als z. B. aus Blech bestehend beschrie-
ben, kann aber, weil nur beispielsweise Blech angegeben ist, für den Fachmann
durchaus auch aus Kunststoff bestehen (vgl. S. 3, 4. Abs.).
An das Trägerelement 21 ist zumindest ein Zusatzelement, z. B. ein Dichtungs-
rand 26, angeformt, (vgl. S. 7, 2. Abs. bis S. 8, 2. Abs. und Fig. 3, 4).
Zusätzlich sind an dem Trägerelement 21 ein in der D3 als Zapfen 20 bezeichne-
tes Kopplungselement, zumindest ein Anschlagelement 26 und ein Dichtungsele-
ment 26, jeweils aus einem elastischen Material, angeformt.
Wie das als ringförmiges Bauteil 21 bezeichnete Trägerelement mit dem Kopp-
lungselement 19 verbunden ist, ist in der D3 nicht ausdrücklich angegeben. Aus
Fig. 3 ist jedoch ersichtlich, dass die Verbindung von Trägerelement 21 und
Kopplungselement 19 und auch Dichtungselement 26 ohne erkennbare Verbin-
dungsmittel erfolgt.
Gängiges Verbinden für derartige Bauteile ist das direkte Anspritzen bzw. Um-
spritzen, wie es der Fachmann naheliegend auch für das Kopplungselement 19 an
das Trägerelement 21 in Betracht ziehen würde. Das Dichtungselement 26 ist of-
fensichtlich aus dem gleichen Material wie das Kopplungselement 19, wobei auch
hier ein Anspritzen bzw. Umspritzen des Dichtungselements 26 an dem Kopp-
lungselement naheliegend ist.
Denn der Fachmann kennt das Verbinden durch Anspritzen bzw. Umspritzen so-
wie die Materialwahl wie z. B. Kautschuk oder Silikon aus der D4, die sich eben-
falls auf ein Airbagmodul mit elastisch gelagertem Gasgenerator bezieht und das
Verbinden durch Anspritzen bzw. Umspritzen im Absatz [0018] in Verbindung mit
Absatz [0023] sowie in den Fig. 1 und 2 offenbart.
- 15 -
Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag beruht somit nicht auf
erfinderischer Tätigkeit.
Der Hauptantrag ist daher nicht gewährbar.
b)
Hilfsantrag I
Für den Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag I gilt ebenfalls das, was zum Hauptan-
trag ausgeführt worden ist.
Mit der im Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag I angefügten Ergänzung, dass das
dem Hauptantrag keine auf erfinderische Tätigkeit beruhende Maßnahme hinzu-
gekommen, weil der Fachmann das Anformen durch Anspritzen, also ohne Vulka-
nisation oder Klebung, aus der D4, Abs. [0018], als gängige Methode kennt, um
elastische Baugruppen aus Kautschuk und Silikon am Gasgenerator oder einem
damit verbundenen Flansch zu verbinden.
Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag I beruht somit nicht auf
erfinderischer Tätigkeit.
Der Hilfsantrag I ist daher nicht gewährbar.
c)
Hilfsantrag II
Im Hilfsantrag II sind neben zwei Wirkungsangaben - zur Abdichtung eines Air-
bags bei einer Zündung des Gasgenerators des Airbag und um das Kopplungs-
element (71) an dem Tragelement (51) zu verankern - im Vergleich zum Patentan-
spruch 1 des Hilfsantrags I zusätzlich vorgesehen, dass der Dichtungsrand 57
umlaufend ist und dass im Bereich zumindest eines mittels Umspritzung ange-
formten Kopplungselementes 71, Anschlagelementes und/oder Dichtungsele-
- 16 -
mentes zumindest ein Durchbruch 75, 77, 79 in dem Trägerelement 51 bereitge-
stellt ist, wobei der Durchbruch 75, 77, 79 bei der Umspritzung zumindest be-
reichsweise mit dem elastischen Material ausgefüllt ist.
Das in der D3 in Fig. 3, 4 gezeigte, dort als ringförmiges Bauteil 21 bezeichnete
Trägerelement hat im Bereich zumindest eines angeformten Kopplungselementes,
Anschlagelementes und/oder Dichtungselementes zumindest eine Öffnung/
Durchbruch, die bzw. der zumindest bereichsweise mit elastischem Material aus-
gefüllt ist, wie in Fig. 3 ersichtlich.
Auch hier bietet sich naheliegend die Herstellung des Verbindens mittels Umsprit-
zung an, weil der Fachmann das Verbinden, wie unter a) im Einzelnen erläutert,
mittels Anspritzen bzw. Umspritzen mit Kautschuk oder Silikon aus der D4 kennt.
Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag II beruht somit nicht auf
erfinderischer Tätigkeit.
Der Hilfsantrag II ist daher nicht gewährbar.
d)
Hilfsantrag III
Im Patentanspruch 1 des Hilfsantrags III ist im Vergleich zum Patentanspruch 1
des Hilfsantrags II noch vorgesehen, dass in den Dichtungsrand 57 im Bereich
des mittels Umspritzung angeformten Dichtungselementes 59 zumindest be-
reichsweise eine Oberflächenstruktur umfassend zumindest eine Nut und/oder
eine Erhebung auf dem Dichtungsrand 59 aufgebracht ist, wobei die Oberflächen-
struktur zumindest bereichsweise von dem elastischen Material des Dichtungs-
elementes 59 bedeckt ist.
Auch diese Maßnahme kann die erfinderische Tätigkeit und damit die Patentfähig-
keit nicht begründen, weil dem Fachmann hinreichend bekannt ist, dass eine Ver-
- 17 -
ankerung von elastischem Material mit z. B. einem Dichtungsrand wesentlich ver-
bessert wird, wenn der Dichtungsrand eine Oberflächenstruktur hat, die in nahe-
liegender Weise nutförmig sein, aber auch aus Erhebungen bestehen kann.
Der Gegenstand des Patentanspruchs nach Hilfsantrag III beruht somit nicht auf
erfinderischer Tätigkeit.
Der Hilfsantrag III ist daher nicht gewährbar.
e)
Hilfsantrag IV
Im Patentanspruch des Hilfsantrag IV ist im Vergleich zum Patentanspruch 1 des
Hauptantrages im Weiteren vorgesehen, dass der Teil des ersten Airbagmoduls
oder das Lenkrad reibschlüssig über eine Presspassung mit dem Kopplungsele-
ment verbunden ist, wobei das Kopplungselement vorzugsweise zumindest ein
Presselement zur Erzeugung einer Pressspannung zwischen dem Teil des ersten
Airbagmoduls bzw. dem Lenkrad und dem Kopplungselement umfasst oder der
Gasgenerator 97"' des ersten Airbagmoduls oder das zweite Airbagmodul reib-
schlüssig über eine Presspassung mit dem Kopplungselement 71"' verbunden ist,
wobei das Kopplungselement 71"' vorzugsweise zumindest ein Presselement 99"'
zur Erzeugung einer Pressspannung zwischen dem Gasgenerator 97"' des ersten
Airbagmoduls bzw. dem zweiten Airbagmodul und dem Kopplungselement 71"'
umfasst.
Eine Verbindung über eine Presspassung mit einem Kopplungselement zu ver-
wirklichen, ist aus der D3 weder bekannt noch sind dort Hinweise, die den Fach-
mann veranlassen könnten, eine derartige Festlegung von z. B. Airbagteilen vor-
zusehen.
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Die D4 zeigt in Figur 5 zwar eine elastische Baugruppe 18, die die Form einer
Haube hat, aber auch dort ist keine Offenbarung entnehmbar, die in Richtung des
Festlegens von z. B. Airbagteilen über Presspassungen weist.
Damit vermag der aufgezeigte Stand der Technik, insbesondere die D3 und D4,
weder für sich allein betrachtet, noch in einer Zusammenschau eine Anregung zur
erfindungsgemäßen Lehre gemäß dem Patentanspruch des Hilfsantrags IV zu
geben.
Der Patentanspruch des Hilfsantrages IV ist damit gewährbar.
III.
Die Auferlegung der Kosten für die Durchführung der mündlichen Verhandlung am
23. Juni 2016 zu Lasten der Patentinhaberin folgt aus § 80 Abs. 1 PatG. Grund-
sätzlich trägt im Beschwerdeverfahren vor dem Bundespatentgericht jeder Betei-
ligter seine Kosten selbst. Von diesem Grundsatz ist dann abzuweichen, wenn
Billigkeitsgründe dies erfordern. Ein solcher Fall liegt hier vor. Die Patentinhaberin
hat in der ersten mündlichen Verhandlung vom 13. Oktober 2015, ohne dass dies
durch den Vortrag der Einsprechenden oder einen konkreten Hinweis des erken-
nenden Senats veranlasst war, neue Patentansprüche gemäß einem neuen Hilfs-
antrag II und einem neuen Hilfsantrag III vorgelegt. Mit Rücksicht auf die dort vor-
genommenen, zahlreichen Änderungen war es der Einsprechenden weder zuzu-
muten noch möglich, sich zu diesen aus dem Stand fundiert und sachgerecht zu
äußern, was die Durchführung einer weiteren mündlichen Verhandlung am
23. Juni 2016 notwendig gemacht hat (vgl. BGH GRUR 2004, 354,
355 -
„Vertagung“). Es oblag der Patentinhaberin, frühzeitig prozessfördernd wei-
tere aus ihrer Sicht brauchbare Hilfsanträge in das Verfahren einzubringen. Dies
geschah offensichtlich nicht. Daher ist es billig, der Patentinhaberin insoweit die
außergerichtlichen Kosten der Einsprechenden aufzuerlegen, als diese die
- 19 -
Durchführung der zweiten mündlichen Verhandlung verursacht hat. Im Zivilpro-
zessrecht ist diese Billigkeitserwägung ausdrücklich in § 95 ZPO festgeschrieben,
auf die über § 99 Abs. 1 PatG auch hier zurückgegriffen werden kann.
IV.
Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das
Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht
zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass
1.
das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2.
bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des
Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der
Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3.
einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4 .
ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war,
sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend
zugestimmt hat,
5.
der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der
die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind,
oder
6.
der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlus-
ses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen
beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schrift-
lich einzulegen.
Dr. Lischke
Eisenrauch
Küest
Dr. Großmann
prö