Urteil des BPatG vom 28.04.2016

Stand der Technik, Technische Spezifikation, Geheimhaltung, Neuheit

BPatG 154
05.11
BUNDESPATENTGERICHT
10 W (pat) 110/14
_______________
(Aktenzeichen)
Verkündet am
28. April 2016
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend das Patent 10 2008 060 342
- 2 -
hat der 10. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 28. April 2016 unter Mitwirkung des Vorsitzenden
Richters Dr.-Ing. Lischke sowie der Richter Eisenrauch, Dipl.-Ing. Küest und
Dipl.-Ing. Univ. Richter
beschlossen:
1.
Auf die Beschwerde der Einsprechenden I wird der Be-
schluss der Patentabteilung 12 vom 24. April 2013, mit Gründen
versehene Fassung vom 29. August 2013, aufgehoben und das
Patent wird widerrufen.
2.
Die Beschwerde der Patentinhaberin wird zurückgewiesen.
- 3 -
G r ü n d e
I.
Gegen das am 3. September 2008 angemeldete Patent 10 2008 060 342, dessen
Erteilung am 15. Juli 2010 veröffentlicht worden ist, ist am 14. sowie am
15. Oktober 2010 Einspruch erhoben worden. Die Patentabteilung 12 des Deut-
schen Patent- und Markenamtes hat auf Grund der Anhörung vom 24. April 2013
beschlossen, das Patent beschränkt aufrechtzuerhalten.
Die Patentabteilung hat ihren Beschluss damit begründet, dass der Gegenstand
des Anspruchs 1 in der erteilten sowie in der Fassung des damaligen Hilfsan-
trags 1 sich in naheliegender Weise aus der Zusammenschau der beiden Druck-
schriften EP 1 192 378 B1 (E7) und JP 2004-263756 A (E15) ergebe. Der Gegen-
stand des Anspruchs 1 nach damaligem Hilfsantrag 2 sei jedoch patentfähig, da
weder die vorgenannte Kombination noch der weitere entgegengehaltene Stand
der Technik Anregungen in Richtung der erfindungsgemäßen Ventilanordnung
lieferten, bei der die Ventileinheiten selbst fluidisch miteinander verbunden seien.
Dies gelte auch für die behaupteten Vorbenutzungen, da auch diesen keine dies-
bezüglichen Hinweise entnehmbar seien.
Im Einspruchs- und Beschwerdeverfahren sind von der Einsprechenden I (nach-
folgend mit „E“ bezeichnet) und der Einsprechenden II (nachfolgend mit „D“ be-
zeichnet) folgende Druckschriften angeführt worden:
E1:
WO 2005/102807 A1
E2:
DE 44 13 657 C1 (aus dem Prüfungsverfahren)
E3:
DE 195 15 286 A1
E4:
DE 196 32 552 C1
E5:
DE 43 05 987 C1
E7:
EP 1 192 378 B1
- 4 -
E15: JP 2004
– 263756 A (mit Übersetzung aus Espacenet)
E16: JP 2002
– 188746 A (mit Übersetzung aus Espacenet)
E17: US 2001/0037832 A1 (im Beschwerdeverfahren eingereicht)
E18: DE 10 2006 046 825 A1
E19: JP 62
– 149683 U (ursprünglich als E17 ins Verfahren eingeführt)
bzw.
D5:
GB 2 301 167 A
D6:
DE 44 13 657 C1 (= E2)
D7:
EP 0 955 473 A1 (Prüfungsverfahren)
Des Weiteren haben die beiden Einsprechenden auch noch zahlreiche offenkun-
dige Vorbenutzungen geltend gemacht:
E6:
Auszug aus einem Produktkatalog (Prospekt) der Fa. N
… (2 Blatt)
E8:
Präsentationsunterlagen vom 26.11.2008
E9:
Anlagenkonvolut zur Präsentation vom 28.11.2008
E10: Präsentationsunterlagen vom 05.05.2008
E11: Präsentationsunterlagen vom 26.05.2008
E12: Präsentationsunterlagen vom 29.05.2008
E13: Anlagenkonvolut zur Präsentation vom 11.06.2008
E14: Anlagenkonvolut zur Präsentation vom 11.09.2008
bzw.
D1:
Präsentationsunterlagen vom 28.11.2008 (4 Blatt) der Fa. K
… (EI)
für das VW/Tuareg Projekt
D2:
Montagezeichnung (1 Blatt) der Fa. K
… (EI)
D3:
Auszug aus einem Produktkatalog (Prospekt) N
… (4 Blatt),
s.a. E6
D4:
Dokumente (D4-1 bis D4-11) zur Vorbenutzung durch L
Gegen den oben genannten Beschluss richten sich die Beschwerden der Patent-
inhaberin und der Einsprechenden I. Dabei hat die Patentinhaberin ihre ursprüng-
- 5 -
lich vertretene Auffassung, dass die Beschwerde der Einsprechenden I als unzu-
lässig zu verwerfen sei, nach Erörterung in der mündlichen Verhandlung vom
24. November 2015 aufgegeben.
In der Sache hat die Beschwerdeführerin 1 und Patentinhaberin den Hauptantrag
aus der Beschwerdeschrift vom 30. September 2013 gestellt,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das deutsche Pa-
tent 10 2008 060 342 in vollem Umfang aufrechtzuerhalten.
Ferner hat sie die Hilfsanträge 1 bis 4 aus ihren Schriftsätzen vom
4. November 2015 (Patentansprüche) und 16. Oktober 2015 (Beschreibung und
Zeichnungen) gestellt sowie den (dem Hilfsantrag 1 nachgeordneten) Hilfsan-
trag 1a aus dem Schriftsatz vom 29. März 2016.
Die Patentinhaberin ist der Ansicht, dass der Gegenstand des Streitpatents in sei-
ner erteilten Fassung weder durch die Zusammenschau von E7 mit E15 noch E15
mit E16 nahegelegt sei und auch die offenkundigen Vorbenutzungen diesem nicht
patenthindernd entgegen stünden, da diese nicht offenkundig geworden seien.
Dies gelte auch für die Gegenstände in den Fassungen der Hilfsanträge 1 bis 4,
die im Übrigen nicht unzulässig erweitert seien.
Die Beschwerdeführerin 2 und Einsprechende I stellt dagegen den Antrag aus ih-
rer Beschwerdeschrift vom 2. Oktober 2013, der sinngemäß lautet,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das deutsche Pa-
tent 10 2008 060 342 zu widerrufen.
Die Einsprechende I vertritt die Auffassung, dass sich der Patentgegenstand aus
der vorgenannten Zusammenschau von E7 mit E15 ergebe und auch in den Fas-
sungen der Hilfsanträge 1 bis 4 durch den Stand der Technik, insbesondere in
- 6 -
Verbindung mit der E17, nahegelegt sei. Des Weiteren stünden dem Gegenstand
des Streitpatents die offenkundigen Vorbenutzungen neuheitsschädlich entgegen
und legten den Gegenstand auch in den Fassungen nach den weiteren Hilfsanträ-
gen nahe.
Die Beschwerdegegnerin zu 1 und Einsprechende II, die wie angekündigt nicht an
der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, hat mit Schriftsatz vom
26. April 2016 beantragt,
die Beschwerde der Patentinhaberin zurückzuweisen.
Der erteilte Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut:
„Ventilanordnung mit mindestens einer Ventileinheit (6), die einen
von Ventilkanälen (8) durchsetzten Kanalkörper (12) und zwei zur
Steuerung der Fluidströmung in den Ventilkanälen (8) dienende
Magnetventile (13) aufweist, wobei die Magnetventile (13) jeweils
einen an dem Kanalkörper (12) angeordneten Ventilsitz (22) und
eine an dem Kanalkörper (12) fixierte elektromagnetische Betäti-
gungseinheit (26) mit einem ein mit dem Ventilsitz (22) kooperie-
rendes Ventilglied (18) bildenden oder antreibenden beweglichen
Magnetanker (17) umfassen, wobei die beiden Betätigungsein-
heiten (26) auf einander entgegengesetzten Seiten eines zwi-
schen sie eingreifenden Zwischenabschnittes (16) des Kanalkör-
pers (12) angeordnet sind, dadurch gekennzeichnet, dass die bei-
den Ventilsitze (22) mit voneinander weg weisender Orientierung
an dem Zwischenabschnitt (16) angeordnet sind und dass die bei-
den Betätigungseinheiten (26) jeweils einen eine Spulenanord-
nung (14) umgreifenden Rückschlusskörper (27) aufweisen, der
zu seiner Fixierung mit einem als Befestigungsschenkel (32) fun-
gierenden Schenkel in den Zwischenabschnitt (16) eingreift.
- 7 -
Ausgehend von der erteilten Fassung sind im Hilfsantrag 1 folgende Merkmale
bzw. Merkmalsgruppen ergänzt worden (Änderungen kursiv hervorgehoben),
nämlich
-
dass die beiden Ventilsitze (22) mit
voneinander weg wei-
sender Orientierung an dem Zwischenabschnitt (16) ange-
ordnet sind,
-
dass die beiden Betätigungseinheiten (26) jeweils einen eine
Spulenanordnung (14) umgreifenden,
Rückschlusskörper (27) aufweisen,
-
der zu seiner Fixierung mit einem als Befestigungsschenkel
(32) fungierenden Schenkel
in den Zwischenab-
schnitt (16) eingreift,
-
-
und
Der nachgeordnete Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1a unterscheidet sich von der
Fassung des Hilfsantrags 1 nur dadurch, dass der Zwischenabschnitt (16) eindeu-
tig als „ Zwischenabschnitt (16)“ festgelegt ist.
- 8 -
In die Fassung nach Hilfsantrag 2 sind in den Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 drei
weitere Merkmalskomplexe betreffend die Aneinanderreihung mehrerer Ventilein-
heiten aufgenommen worden, nämlich
-
dass die Ventilanordnung (1) mehrere Ventileinheiten (6) mit
jeweils einer den Zwischenabschnitt (16) und die Betäti-
gungseinheiten (26) durchsetzenden Längsachse beinhaltet,
die mit zueinander parallelen Längsachsen (7) in einer zu
den Längsachsen (7) rechtwinkligen Aufreihungsrichtung (5)
aneinander gereiht sind, so dass benachbarte Ventileinheiten
(6) jeweils durch mindestens einen Ventilkanal (8) fluidisch
miteinander verbunden sind,
-
wobei die Ventileinheiten (6) an ihren Kanalkörpern (12) auf
einer in der Aufreihungsrichtung (5) orientierten Seite min-
destens einen Anschlussstutzen (52) und auf der entgegen-
gesetzten Seite mindestens eine Anschlussöffnung (57) auf-
weisen, wobei einander zugewandte Anschlussstutzen (52)
und Anschlussöffnungen (57) benachbarter Ventileinheiten
(6) zur fluidischen Verbindung ineinander eingesteckt sind,
und
-
wobei die sich aus den aneinandergereihten Ventileinheiten
(6) zusammensetzende Ventilbatterie (3) auf einer als Leiter-
platte ausgebildeten Platine (2) befestigt ist.
Die Kontaktierung mit der Leiterplatte ist in der Fassung nach Hilfsantrag 3 noch in
der Weise konkretisiert worden,
-
dass der Spulendraht der Spulenanordnungen (14) an die
der elektrischen Kontaktierung der zugeordneten Spulenano-
rdnung (14) dienenden Kontaktelemente (43) angeschlossen
- 9 -
und auf diese Weise mit elektrischen Leitern der Platine (2)
kontaktiert ist.
In der Ausgestaltung gemäß Hilfsantrag 4 wird schließlich noch die Anordnung der
Rückschlusskörper festgelegt,
-
wobei die Rückschlusskörper (27) so installiert sind, dass
ihre beiden Schenkel (32, 33) wie die nach unten vom Ka-
nalkörper (12) wegragenden Anschlusskontaktelemente (43)
nach unten zur Platine (2) weisen und die jeweils zugeord-
nete Spulenanordnung (14) an der der Platine (2) entgegen-
gesetzten Oberseite vom Verbindungssteg (34) des Rück-
schlusskörpers (27) überbrückt ist.
Der erkennende Senat hat in der mündlichen Verhandlung vom 28. April 2016 zu
den Dokumenten E8, E9 und E14, die im Zusammenhang mit Präsentationen ste-
hen, die von den Beteiligten als „offenkundige Vorbenutzungen“ bezeichnet wer-
den, Beweis durch die uneidliche Vernehmung der Zeugen
S… und
Z
… erhoben. Auf die Vernehmung der weiteren geladenen Zeu
gen war mit Zustimmung der Einsprechenden I und der Patentinhaberin verzichtet
worden.
Wegen des genauen Wortlauts der beantragten Anspruchsfassungen, der Zeu-
genaussagen sowie der weiteren Einzelheiten wird auf das Protokoll der mündli-
chen Verhandlung vom 28. April 2016 sowie auf den gesamten Akteninhalt ver-
wiesen.
- 10 -
II.
Die form- und fristgerecht eingelegten Beschwerden sind jeweils zulässig und füh-
ren im Ergebnis zum Widerruf des Patents.
1. Die Beschwerde der Einsprechenden I ist zulässig.
Die ursprüngliche Einsprechende I, die K
… GmbH & Co. KG, ist
dadurch erloschen, dass die vorhandenen Kommanditanteile durch Gesellschaf-
terbeschluss als Sacheinlage in die Komplementärin, die K
… mbH, die spätere … GmbH (im Folgenden
„Fa. K…“), vollständig eingebracht worden waren. Diese Veränderung wurde
am 1. Oktober 2013 im Handelsregister bekannt gemacht und ist daher an diesem
Tag wirksam geworden. Dass es sich bei einem derartigen Umwandlungsvorgang
um eine gesellschaftsrechtliche Gesamtrechtsnachfolge handelt, die zum Über-
gang einer Einsprechendenstellung führt, ist in Rechtsprechung und Literatur un-
streitig (vgl. z. B. Benkard//, PatG, 11. Aufl., § 74 Rn. 43).
Gegen die Zulässigkeit der Beschwerde der Einsprechenden I spricht im Übrigen
auch nicht, dass für ihre Rechtvorgängerin, die K
… GmbH & Co.
KG, erst einen Tag nach der Bekanntgabe ihres Erlöschens im Handelsregister,
nämlich am 2. Oktober 2013, Beschwerde beim DPMA eingereicht worden war.
Dies folgt aus § 86 ZPO, wonach eine Vollmacht durch den Tod des Vollmachtge-
bers nicht erlischt. Die Regelung des § 86 ZPO wird auch auf Fälle der vorliegen-
den Art angewandt, bei denen eine parteifähige Personengesellschaft durch eine
übertragende Verschmelzung vollbeendet erloschen ist (vgl. Zöller/,
ZPO, 31. Aufl., § 86 Rn. 8a). Die Fortdauer der Prozessvollmacht führt dazu, dass
eine Klage oder, wie hier, ein Rechtsbehelf ohne weiteres zu Gunsten einer vor-
handenen Rechtsnachfolgerin als eingelegt gelten (vgl. Thomas/Putzo/,
ZPO, 37. Aufl., § 86 Rn. 1; Zöller/, ZPO, 31. Aufl., § 86 Rn. 8).
- 11 -
2. Die Ansprüche nach dem Haupt- und den Hilfsanträgen sind zulässig.
Die Einsprechende I hat bezüglich der Fassung der Hilfsanträge 3 und 4 bean-
standet, dass in dem jeweiligen Anspruch 1 die im Zusammenhang mit den An-
schlusskontaktelementen
43 angeführten Ausgestaltungsmerkmale „stiftförmig“
und
„zwei Stück pro Anschlussplatte“ keinen Eingang gefunden haben und des-
halb der jeweilige Gegenstand unzulässig erweitert sei. Durch den ausdrücklichen
Hinweis in den zugehörigen Beschreibungsabsätzen [0056] und [0057], demnach
die Anschlusskontaktelemente beim Ausführungsbeispiel stiftförmig bzw. zwei
Stück pro Anschlussplatte vorhanden sein sollen, erhält der Fachmann jedoch be-
reits den Hinweis, dass auch andere Ausführungsformen möglich sein können und
das Patent nicht nur auf die Ausführungsformen gemäß dem Ausführungsbeispiel
beschränkt sein soll. Dabei kann der Fachmann zweifelsfrei erkennen, dass die
aus dem detaillierten Ausführungsbeispiel entnommenen Merkmale nicht in en-
gem Zusammenhang mit den übrigen, nicht übernommenen Merkmalen des Bei-
spiels stehen, sondern sich unmittelbar und eindeutig auf einen allgemeineren
Kontext beziehen. Dabei kommt es vorliegend nur auf das Vorhandensein der An-
schlusskontaktelemente an sich an, um eine Kontaktierung bzw. Verbindung mit
der Platine zu ermöglichen, nicht aber darauf, ob der Kontakt über einen stiftförmi-
gen Kontakt oder z. B. über einen Flachkontakt erfolgt.
Und auch das neu in den Hilfsantrag 1a aufgenommene Merkmal, dass der Zwi-
schenabschnitt 16 einstückig ausgestaltet sein soll, ergibt sich zweifelsfrei z. B.
aus den Figuren 3 oder 9 und der zugehörigen Beschreibung. So ist der Zwi-
schenabschnitt bereits in Anspruch 1 als der zwischen den beiden elektromagneti-
schen Betätigungseinheiten liegende Abschnitt definiert und auch in dem Be-
schreibungsabsatz 72 ist von einem Zwischenabschnitt die Rede. Des Weiteren
wird in Absatz 17 sowie in Anspruch 17 der Streitpatentschrift ausgeführt, dass
Anschlussfortsatz 68 und Zwischenabschnitt 16 einstückig miteinander verbunden
werden können. Daraus ergibt sich für den Fachmann, dass der Zwischenab-
schnitt 16 bereits einstückig vorliegen muss.
- 12 -
Somit sind die neu in die Ansprüche der jeweiligen Fassungen aufgenommenen
Merkmale sowohl den erteilten als auch den ursprünglich eingereichten Unterla-
gen entnehmbar und der damit beanspruchte Gegenstand wird hierdurch in zuläs-
siger Weise beschränkt.
3. Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hauptantrag ist nicht patentfähig.
Der erteilte Anspruch 1 lässt sich entsprechend der Merkmalsgliederung im an-
gefochtenen Beschluss in folgende Merkmale untergliedern:
Ventilanordnung
a) mit mindestens einer Ventileinheit (6), die einen von Ventilkanälen (8)
durchsetzten Kanalkörper (12) und
b) zwei zur Steuerung der Fluidströmung in den Ventilkanälen (8) dienende
Magnetventile (13) aufweist,
c) wobei die Magnetventile (13) jeweils einen an dem Kanalkörper angeord-
neten Ventilsitz (22),
d) und eine an dem Kanalkörper (12) fixierte elektromagnetische
Betätigungseinheit (26),
e) mit einem ein mit dem Ventilsitz (22) kooperierendes Ventilglied (18) bil-
denden oder antreibenden beweglichen Magnetanker (17) umfassen,
f) wobei
die
beiden
Betätigungseinheiten
(26)
auf
einander
entgegengesetzten Seiten eines zwischen sie eingreifenden Zwischen-
abschnittes (16) des Kanalkörpers (12) angeordnet sind
dadurch gekennzeichnet, dass
g) die beiden Ventilsitze (22) mit voneinander weg weisender Orientierung
an dem Zwischenabschnitt (16) angeordnet sind,
h) und dass die beiden Betätigungseinheiten (26) jeweils einen eine
Spulenanordnung (14) umgreifenden Rückschlusskörper (27) aufweisen,
i)
der zu seiner Fixierung mit einem als Befestigungsschenkel (32)
fungierenden Schenkel in den Zwischenabschnitt (16) eingreift.
- 13 -
Diesem Patentgegenstand liegt gemäß Abs. [0004] der Patentschrift die Aufgabe
zugrunde, eine Ventilanordnung mit mindestens einer Ventileinheit zu schaffen,
die unter anderem einen kostengünstigen und montagefreundlichen Aufbau be-
sitzt.
Als Fachmann wird im vorliegenden Fall ein Diplom-Ingenieur (FH) der Fachrich-
tung Maschinenbau mit mehrjähriger Erfahrung auf dem Gebiet der Entwicklung
und Herstellung von Magnetventilen, die auch die Mehrfachanordnung von derar-
3.1. Zur Neuheit des Gegenstands des erteilten Anspruchs 1
Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist gegenüber den entgegengehaltenen Druck-
schriften unbestritten neu, da keine alle Details der beanspruchten Ventilanord-
nung zeigt:
Die E7 zeigt in Figur 39 eine Ventileinheit mit einem einzigen Magnetventil bzw.
magnetischen Betätigungseinheit, so dass diese die auf zwei Magnetventile aus-
gerichteten Anordnungsmerkmale gemäß den Merkmalen b, f und g nicht vorwei-
sen kann.
Die E15 betrifft ein Doppelmagnetventil mit zwei elektromagnetischen Betäti-
gungseinheiten, deren Ventilsitze in der Ausführungsform gemäß Figur 3 mit von-
einander weg weisender Orientierung an dem Zwischenabschnitt angeordnet sind
(Merkmale a bis h). Dem Gegenstand der E15 fehlt es jedoch an einem patentge-
mäß ausgestalteten und befestigten Rückflusskörper gemäß Merkmal i, da bei der
E15 die komplette Betätigungseinheit zusammen mit dem - soweit erkenn-
bar - topfförmig ausgestalteten Rückflusskörper an den Zwischenabschnitt 2 an-
geschraubt ist (vgl. Abs. 19 und 20, jeweils erster Satz, der englischen Überset-
zung).
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Die weiteren Druckschriften liegen noch weiter ab und wurden hinsichtlich der
Neuheit auch nicht von den Einsprechenden herangezogen.
Von den behaupteten offenkundigen Vorbenutzungen E8 bis E14 zeigt lediglich
E13 auf Blatt 1 den Innenaufbau der Ventileinheit. Hierbei ist die Ventileinheit mo-
dular aus zwei magnetischen Betätigungseinheiten und einem zentralen Kanal-
körper aufgebaut und offenbart alle Merkmale a bis i. Insbesondere weist der
Rückflusskörper einen Schenkel auf, an dem ein rohrförmiger Fortsatz ausgebildet
ist, der zur Befestigung des Rückflusskörpers in den Zwischenabschnitt eingreift.
Somit fungiert dieser Schenkel als patentgemäßer Befestigungsschenkel im Sinne
des Merkmals i. Der in E13 dargestellte Gegenstand offenbart somit alle Merkmale
des Gegenstands nach dem erteilten Anspruch 1. Da sich der Streitgegenstand
jedoch wie nachfolgend ausgeführt auch ausgehend von einem anderen Stand der
Technik ergibt, kommt es auf die E13 bzw. deren Offenkundigkeit nicht an. Die
E14 zeigt den äußeren Aufbau eines Doppelmagnetventils mit allen diesbezügli-
chen Merkmalen der patentgemäßen Ventilanordnung, jedoch nicht die ebenfalls
beanspruchten Merkmale betreffend die Ventilsitze, Magnetanker und deren An-
ordnung innerhalb der Ventileinheit (fehlende Merkmale c, e und g).
E8 und E9 betreffen ein Ventil, das im Wesentlichen dem Ventil der E14 ent-
spricht. Hinsichtlich des Innenaufbaus werden jedoch ebenfalls keine Details ge-
zeigt, so dass hier das zur E14 Ausgeführte gilt.
- 15 -
3.2.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 wird durch den vorliegenden Stand der
Technik nahegelegt.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hauptantrag (und der nachfolgenden
Hilfsanträge 1 bis 4) ergibt sich insbesondere ausgehend von E14 in Verbindung
mit dem Fachwissen eines durchschnittlichen Fachmanns (vgl. oben). Deshalb
kommt es vorliegend nicht mehr in entscheidungserheblicher Weise darauf an, ob
der Streitgegenstand bereits durch die Zusammenschau von der E7 und der E15
oder auch der E15 mit der E16 nahegelegt (oder durch die E13 neuheitsschädlich
vorweggenommen) worden ist.
Ausgehend von dem in der E14 dargestellten Gegenstand gelangt der Fachmann,
ohne erfinderisch tätig werden zu müssen, zu einem Gegenstand, der alle Merk-
male des erteilten Anspruchs 1 aufweist. Hierbei ist es - anders als die Patentin-
haberin meint - unerheblich, dass es sich beim Gegenstand der E14 um ein Ventil
gehandelt hat, das zum Zeitpunkt der am 11. September 2008 durchgeführten
Präsentation offensichtlich noch nicht lieferfertig vorhanden war. Auch wenn des-
halb im eigentlichen Sinne von k
einer offenkundigen „Vorbenutzung“ ausgegan-
gen werden dürfte, handelte es sich bei der Präsentation dennoch um einen tat-
sächliches Geschehen, das ausreichend war, schriftliche und mündliche Be-
schreibungen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen und damit eine technische
Lehre zum Stand der Technik im Sinne von § 3 Abs. 1 PatG werden zu lassen.
(vgl. Benkard/, PatG, 11. Aufl., § 3 Rn. 56; Schulte/, PatG, 9. Aufl.,
§ 3 Rn. 14).
3.2.1. Der Gegenstand der Präsentationsunterlagen gemäß der E14 ist ein 3/3-
Wege-Magnetventil der Fa. K
…, dessen Aufbau und technische Spezifikation
auf Seite 1 dargestellt bzw. angegeben ist. Rein äußerlich ist bereits erkennbar,
dass in der Mitte des Doppelmagnetventils ein olivgrün kolorierter Kanalkörper
vorhanden ist, der von drei Ventilkanälen 1 bis 3 (Druck-, Arbeits- und Entlüf-
tungsanschluss) durchsetzt ist (Merkmal a). Die beiden elektromagnetischen Be-
- 16 -
tätigungseinheiten bzw. Magnetventile sind dabei an entgegengesetzten Seiten
eines zwischen sie eingreifenden Zwischenabschnitts des Kanalkörpers angeord-
net bzw. fixiert (Merkmale b, d und f). Die beiden Betätigungseinheiten weisen je-
weils einen die rot dargestellte Spulenanordnung umgreifenden Rückschlusskör-
per in Form eines blauen, U-förmigen Teiles auf (Merkmal h). Der Rückschluss-
körper greift zu seiner Fixierung mit einem als Befestigungsschenkel fungierenden
Schenkel in den Zwischenabschnitt des Kanalkörpers ein. Dies ergibt sich daraus,
dass der besagte Schenkel in eine Aussparung des materialeinheitlich in olivgrün
dargestellten Zwischenabschnitts eingeschoben ist (Merkmal i). Im Übrigen ist
eine derartige Befestigungsweise des Rückschlusskörpers dem Fachmann im
Stand der Technik hinlänglich bekannt, siehe z. B. Figur 39 in Verbindung mit Fi-
guren 24 bis 28 der E7.
In der E14 werden zwar keine näheren Einzelheiten hinsichtlich des Innenaufbaus
des Ventils dargestellt, jedoch ergeben sich diese für den einschlägig tätigen
Fachmann ohne weiteres aus dem äußerlich erkennbaren Aufbau des dort darge-
stellten Ventils. So weist ein solches Magnetventil üblicherweise innerhalb der zy-
linderförmigen, hier rot dargestellten, Spule einen in Längsachse des zylindrischen
Spulenkörpers verschieblichen Magnetanker auf. Dieser trägt oder betätigt zumin-
dest ein Ventilglied, das wiederum mit einem am Ventilgehäuse eingearbeiteten
Ventilsitz zum Schließen bzw. Öffnen des Ventilkanals kooperiert (Merkmale c, e).
In Verbindung mit der Ventilfunktion, bei der das Ventilglied in Richtung auf den
am Kanalkörper angeordneten Ventilsitz bewegt wird, ergibt sich bei der in E14
vorliegenden, gegenüberliegenden Anordnung der elektromagnetischen Betäti-
gungseinheiten zwangsläufig auch die entsprechende Anordnung der Ventilsitze
gemäß Merkmal g. Als Beleg für dieses Fachwissen wird zudem auch noch auf die
E15 verwiesen, die in Figur 3 einen entsprechenden Innenaufbau bei einem Dop-
pelmagnetventil mit der patentgemäßen Anordnung der elektromagnetischen Be-
tätigungseinheiten am Kanalkörper zeigt.
- 17 -
Der mit dem Streitpatent beanspruchte Innenaufbau geht damit nicht über den
bekannten Aufbau derartiger Magnetventile hinaus.
3.2.2. Der Gegenstand der E14 ist auch offenkundig geworden.
α) Zur entscheidungserheblichen Frage, ob und wann der Inhalt der Präsentation
der E14 offenkundig geworden ist, hat der erkennende Senat auf Antrag der Ein-
sprechenden I Zeugenbeweis erhoben. Hiernach ist davon auszugehen, dass die
vorgenannten Unterlagen, konkret das Deckblatt und die erste Seite der E14,
spätestens am 12. September 2008 mehreren Mitarbeitern der Fa. C
vorgelegen haben, die zu diesem Zeitpunkt nicht zur Geheimhaltung verpflichtet
waren. Deshalb muss zu Gunsten der Einsprechenden I der Nachweis als er-
bracht angesehen werden, dass der Gegenstand des Streitpatents vor dessen
Anmeldetag, dem 3. Dezember 2008, offenkundig geworden bzw. nahegelegt war.
Der Zeuge S
…, an dessen Glaubwürdigkeit keine Zweifel bestehen, hat aus
gesagt, dass es sich bei der E14 um eine Zusammenstellung handelte, die auf
Grund einer unverbind
lichen Anfrage seitens der Fa.… erstellt worden
war, ohne dass bereits eine Zusammenarbeit konkret in Aussicht gestanden hätte.
Zu den Gegenständen der E14 sei mit der Fa. C
… anfänglich keine Ver
einbarung über Geheimhaltung geschlossen worden. Vertraulich seien grundsätz-
lich die Dokumente E8 und E9 vom 26. November 2008 bzw. 28. November 2008
gewesen. Diese Dokumente hätten eine spezielle Anordnung der Druckan-
schlüsse und den Aufbau auf einer Steuerplatine betroffen, die exklusiv für die Fa.
L
… entwickelt worden seien. Auf Nachfragen hat der Zeuge S…
sodann ebenfalls glaubhaft versichert, dass erst die kundenspezifische Variante
auf Seite 2 der E9 der Geheimhaltung unterlag, nicht aber bereits das in der E8
dargestellte „Ausgangsventil“, das dem Ventil aus dem Dokument E14 entsprach
(vgl. Seite 4 der E8).
- 18 -
Diese Aussage deckt sich mit den Ausführungen des Zeugen Z
…, dessen
Glaubwürdigkeit ebenfalls nicht in Frage steht, dass er am 25. Juli 2008 bei der
Fa. K
… und außerdem noch bei weiteren Firmen, u. a. auch bei der Fa. F…,
angefragt habe, ob sie seinem Unternehmen, der Fa. C
…, ein Pneumatik
ventil für Sitzfunktionen anbieten könnten. Der Zeuge Z
… hat hierzu
glaubhaft bezeugt, dass es auf Grund dieser Anfrage zu einem Gespräch am
22. September 2008 zwischen Vertretern der Fa. K
… und der Fa. C…
gekommen war, in dessen Verlauf die Unterlagen der E14 erörtert wurden. Er
selbst habe zwar an einer Präsentation am 11. September 2008 nicht teilgenom-
men, doch habe er am 12. September 2008, also einen Tag später, die Unterlagen
der E14 per E-Mail vom Zeugen S
… übermittelt bekommen.
Hinsichtlich des genauen Ortes der Präsentation und der dort unmittelbar anwe-
send gewesenen Personen gibt es zwar geringe Abweichungen zwischen der
Aussage des Zeugen S
… und der des Zeugen Z…; angesichts des
relativ weit in der Vergangenheit liegenden Zeitraumes sind diese aber nicht ver-
wunderlich. Hierdurch wird nach Ansicht des erkennenden Senats nicht in Frage
gestellt, dass es auf der Grundlage des Dokuments E14 noch deutlich vor dem
Anmeldetag des Streitpatents, nämlich vor dem 3. Dezember 2008, zu einem In-
formationsaustausch zwischen den beteiligten Firmen bzw. den befragten Zeugen
gekommen war, der hinsichtlich einer Geheimhaltung keinen Beschränkungen
unterlag.
β) Die Bewertung des Dokuments E14 und die in diesem Zusammenhang
stehenden Informationen als öffentlich zugänglich, steht nicht in Widerspruch zur
BGH-
Entscheidung „Presszange“ (GRUR 2015, 463 ff.), wonach bestimmte Ange-
bote nach allgemeiner Lebenserfahren vertraulich behandelt und nur dann als
„offenkundig“ zu bewerten seien, wenn ein konkreter Kommunikationsakt mit Drit-
ten nachweisbar sei. Nach diesseitiger Auffassung trifft diese Aussage auf das
Dokument E9 zu, das ein exklusives Angebot speziell gerichtet an die Fa. L
… enthielt und sich auf die Herstellung eines im Wesentlichen noch zu
- 19 -
entwickelnden Gegenstands mit einer neuen Anordnung der Druckanschlüsse
usw. bezog. Das Dokument E14 betraf dagegen nur eine Standardinformation im
Vorfeld einer sich anbahnenden Zusammenarbeit, die jeder Dritte hätte erhalten
können. In diesem Zusammenhang muss berücksichtigt werden, dass bei der
Automobil- bzw. deren Zulieferindustrie davon ausgegangen werden kann, dass
die von Zulieferern übermittelten Angebote bzw. technischen Details auf Grund
der Lebenserfahrung an die Mitbewerber der Zulieferer weitergegeben werden,
um Vergleichsangebote zu erhalten. Auch wenn der Zeuge Z
… es ver
neint hat, dass von ihm persönlich technischen Details aus entsprechenden Ange-
boten an Dritte weitergegeben würden, so hatten aber gemäß seiner Aussage
auch weitere Herren aus dem Lager der Fa. C
…l (B…, K… und
B
…) durch ihre Teilnahme an den im September 2008 mit der Fa. K…
geführten Gesprächen Kenntnis von technischen Details. Damit bestand jedenfalls
in dieser Hinsicht die nicht nur entfernt liegende Möglichkeit der Weitergabe von
technischen Informationen an Dritte, insbesondere an die Fa. D
…, die unstrei
tig zum Kreis der Auftraggeber der Fa. C
… zählte.
Gemäß dem ermittelten Sachverhalt ergibt sich somit, dass das Ventil der E14
jedenfalls durch die vorbehaltlose Übermittlung an einen Interessenten, hier die
Fa. C
…, am 12. September 2014 offenkundig geworden ist und damit für
das vorliegende Streitpatent als ein relevanter Stand der Technik heranzuziehen
ist.
4.
Auch in den Fassungen der Hilfsanträge 1, 1a und 2 bis 4 erweist sich der
Gegenstand des Patentanspruchs 1 als nicht patentfähig.
4.1.
Zum Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 und 1a
Der Fachmann kann der Darstellung in E14 auf Grund der Anordnung der beiden
magnetischen Betätigungseinheiten unmittelbar die Merkmale ableiten, dass die
beiden Ventilsitze mit voneinan-
- 20 -
der weg weisender Orientierung an dem Zwischenabschnitt angeordnet sind. Des
Weiteren ist eindeutig erkennbar, dass der blau dargestellte Rückschlusskörper
mit einem Befestigungsschenkel, einem und einem
ausgestaltet ist, wobei der Befestigungsschenkel rechtwinklig zu der
Längsachse der Ventileinheit in den Zwischenabschnitt eingreift (siehe hierzu
auch die Ausführungen unter Punkt 3.2.1.).
Als wesentliches neues Merkmal weist der Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 das
Merkmal auf, dass der rohrförmige Spulenträger jeder Betätigungseinheit, der die
Spulenanordnung trägt und den Magnetanker aufnimmt, an den Zwi-
schenkörper angeformt ist. Hierbei handelt es sich um ein Merkmal, das zwar nicht
unmittelbar und unzweideutig aus der Darstellung in der E14 hervorgeht, dass
aber aus Sicht des Fachmanns dennoch ein notwendiger Bestandteil der dort
vermittelten, technischen Lehre ist. Auch das Fachwissen, über das der durch-
schnittliche Fachmann nach seinem Ausbildungsgang zur sachgerechten Aus-
übung seines Berufes verfügt, gehört zum Stand der Technik (Benkard/,
PatG, 11. Aufl., § 3 Rn. 57). Hierbei gilt, dass auch dasjenige als Teil einer techni-
schen Lehre beschrieben sein kann, was zwar nicht ausdrücklich einer Entgegen-
haltung zu entnehmen ist, das aber aus Sicht des Fachmanns selbstverständlich
ist und daher „mitgelesen“ wird (vgl. hierzu: BGH GRUR 2009, 382,
383 -
„Olanzapin“). So liegt der Fall auch hier.
Auf eine Einstückigkeit weist bereits die einheitliche, olivgrüne Farbgebung hin, die
sich vom Kanalkörper/Zwischenabschnitt bis zur Abschlussplatte am Ende des
Spulenträgers, aus der die Anschlusskontakte herausragen, fortsetzt und lediglich
äußerlich durch den eingeschobenen Befestigungsschenkel des (blauen) Befesti-
gungsschenkels des Rückschlusskörpers und den (roten) Spulenkörper unterbro-
chen wird. Im Hinblick auf eine möglichst aussagekräftige Darstellung der zu Prä-
sentationszwecken erstellten 3D-Darstellung ist für den Fachmann offensichtlich,
dass durch die Farbgebung die unterschiedlichen Bauteile des Ventils hervorge-
hoben bzw. gekennzeichnet werden sollen. In diesem Zusammenhang ist auch
- 21 -
beachtlich, dass beispielsweise der Anschlussstutzen 2, der erkennbar einstückig
am Kanalkörper angespritzt ist, olivgrün dargestellt ist; im Gegensatz hierzu sind
die Anschlussstutzen 1 und 3 in einer anderen, nämlich dunkelroten, Farbe abge-
setzt, was auf separate Bauteile hinweist. Dies legt auch der weitere, entgegenge-
haltene Stand der Technik nahe: So ist im Hinblick auf eine kostengünstige Ferti-
gung bei der E7 der Kanal- und Spulenträger bewusst als einstückiger Ventilkör-
per ausgeführt worden (vgl. E7, Figur 39, i. V. m. Absatz 12, Zeilen 17 bis 29).
Im vorliegenden Fall bestehen hinsichtlich des einschlägigen Fachwissens auch
keine Nachweisprobleme (vgl. hierzu: Benkard/, PatG, 11. Aufl., § 3
Rn. 57). Der Zeuge Z
…, der auch als Fachmann im Sinne von § 4 PatG
angesehen werden kann, hat glaubhaft bekundet, dass ihm in dem Moment, als
er das in der E14 abgebildete Ventil sah, von Anfang an klar war, dass es sich bei
dem olivgrün eingefärbten Kanal- und Spulenkörper um ein einstückiges Teil han-
delte. Der einstückige Aufbau sei für die Fa. C
… wesentlich gewesen, da
hierdurch eine Reduzierung der Produktionskosten zu erwarten war. Diese Aus-
sage ist auch ohne weiteres glaubhaft, entspricht sie doch dem fachmännischen
Wissen, dass bei Massenproduktion bzw. großen Stückzahlen eine Verringerung
der Bauteilezahl und eine damit erzielte Reduzierung des Montageaufwands ein
bewährtes Mittel zur Kostenreduzierung darstellt.
Daraus ergibt sich, dass auch die zusätzlichen Maßnahmen des Anspruchs 1
nach Hilfsantrag 1 keinen erfinderischen Überschuss begründen können.
Gleiches gilt für den Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 1a, da das
zusätzliche Merkmal eines einstückigen Zwischenabschnitts bereits durch den in
E14 dargestellten Gegenstand, der einen Zwischenabschnitt auf-
weist, vorweggenommen ist.
- 22 -
4.2. Zum Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2
Aus Seite
1 der E14 geht bereits auf Grund des Hinweises „modularer Aufbau“
hervor, dass die links auf Seite 1 dargestellte Ventileinheit so konzipiert ist, dass
mehrere solcher Ventileinheiten zu einer gemeinsamen Anordnung bzw. Ventil-
batterie zusammengefasst werden können. Eine derartige Anordnung aus drei
Ventileinheiten ist rechts unten auf derselben Seite dargestellt. Hierbei ist für den
Fachmann offensichtlich, dass durch die herausragenden Anschlussstutzen für
den Druckanschluss 1 und den Entlüftungsanschluss 3 beim abstandslosen Zu-
sammenfügen eine fluidische Verbindung geschaffen wird, indem die Anschluss-
stutzen 1, 3 in entsprechende komplementäre Öffnungen der benachbarten Ven-
tileinheit hineingesteckt werden (siehe hierzu auch E17, Figuren 48 und 49, Bez.
451
– 453, i. V. m. Abs. [0082], erster Satz).
Somit kann der Fachmann der in E14 dargestellten Anordnung die nachfolgenden
Merkmale des Hilfsantrags 2 entnehmen, nämlich dass
-
die Ventilanordnung mehrere Ventileinheiten mit jeweils einer den
Zwischenabschnitt und die Betätigungseinheiten durchsetzenden Längsachse
beinhaltet, die mit zueinander parallelen Längsachsen in einer zu den Längs-
achsen rechtwinkligen Aufreihungsrichtung aneinander gereiht sind, so dass
benachbarte Ventileinheiten jeweils durch zwei Ventilkanäle (1, 3) fluidisch
miteinander verbunden sind, und
-
wobei die Ventileinheiten an ihren Kanalkörpern auf einer in der Aufreihungs-
richtung orientierten Seite zwei Anschlussstutzen (1, 3) und auf der entgegen-
gesetzten Seite zwei Anschlussöffnungen (komplementäre Aufnahmeöffnung
für die Anschlussstutzen 1, 3) aufweisen, wobei einander zugewandte An-
schlussstutzen und Anschlussöffnungen benachbarter Ventileinheiten zur flui-
dischen Verbindung ineinander eingesteckt sind.
- 23 -
Bei den weiteren Merkmalen, dass die sich aus den aneinandergereihten Venti-
leinheiten zusammensetzende Ventilbatterie auf einer als Leiterplatte ausgebilde-
ten Platine befestigt ist, handelt es sich ebenfalls um eine im einschlägigen Stand
der Technik bekannte Maßnahme. So wird in der E7 in Figur 8 gezeigt und im zu-
gehörigen Abs. [0027] beschrieben, dass sich das Ventil 100 der E7, vgl. Figur 1,
besonders für
die Montage auf einer Leiterplatte 150 („printed circuit board“) eig-
net. Zu den Voraussetzungen zählen hierzu insbesondere die nach unten abste-
henden Stiftelemente
304, die als „terminal pins“, d. h. Anschluss-Stifte“ bezeich-
net sind und sowohl zur Befestigung auf der Leiterplatte als auch zur Kontaktie-
rung mit der Leiterplatte dienen (siehe hierzu auch Abs. [0047], letzter Satz der
E7). Da somit die Maßnahme an sich bekannt ist und auch das Ventil der E14 die
vorgenannten baulichen Voraussetzungen hierfür offensichtlich aufweist, wird in
der Befestigung einer Ventileinheit bzw. einer aus einer solchen Ventileinheit auf-
gebauten Ventilanordnung auf einer Leiterplatte eine naheliegende Maßnahme
gesehen (siehe auch Figur 10 der E7).
Damit ist der Gegenstand des Anspruchs 1 in der Fassung des Hilfsantrags 2
ebenfalls nicht patentfähig.
4.3. Zum Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3
In Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 wird zusätzlich gefordert, dass der Spulendraht
der Spulenanordnungen an die der elektrischen Kontaktierung der zugeordneten
Spulenanordnung dienenden Kontaktelemente angeschlossen und auf diese
Weise mit elektrischen Leitern der Platine kontaktiert ist. Hierbei wird es als für
den Fachmann selbstverständlich angesehen, dass die zwei am Spulenende der
Ventileinheit der E14 herausragenden Stifte der Stromversorgung der Spule die-
nen, ohne dass es hierzu eines besonderen Hinweises bedarf (siehe auch Ausfüh-
rungen unter Punkt 4.2., vorletzter Absatz). Lediglich der Vollständigkeit halber
wird auf die E7 verwiesen, die eine ausführliche Erläuterung hinsichtlich der Be-
festigung der Anschlusskontaktelemente 304 im Ventilkörper (siehe Figur 23
- 24 -
i. V. m. Abs. [0039], 1. Satz) sowie deren Anschluss an den Spulendraht enthält
(siehe Abs. [0047], letzter Satz).
Damit ist auch Anspruch 1 in der Fassung nach Hilfsantrag 3 nicht gewährbar.
4.4. Zum Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4
Die zusätzlich in den Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 aufgenommenen Merkmale
betreffen die Anordnung des U-förmigen Rückschlusskörpers relativ zu den An-
schlusskontaktelementen und der Befestigungsseite. Diese Merkmale ergeben
sich ebenfalls aus der E14, da bei dessen Ventil die (blau dargestellten) Rück-
schlusskörper ebenfalls so installiert sind, dass ihre beiden Schenkel wie die nach
unten vom Kanalkörper wegragenden Anschlusskontaktelemente nach unten wei-
sen. Die Befestigung auf einer Leiterplatte/Platine, die wie unter Punkt 4.2. aus-
geführt über die nach unten wegragenden Anschlusskontaktelemente erfolgt, führt
ausgehend von der Ventileinheit der E14 zwangsläufig zu der Ausgestaltung, bei
der der Verbindungssteg des Rückschlusskörpers die zugeordnete Spulenanord-
nung an der der Platine entgegengesetzten Oberseite überbrückt. Damit gelangt
der Fachmann ausgehend von dem in E14 präsentierten Ventil schließlich auch in
naheliegender Weise zum Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 4.
Somit ist letztendlich auch der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4 nicht gewährbar.
5.
Mit den nicht gewährbaren Ansprüchen 1 nach Haupt- und Hilfsanträgen sind
auch die jeweils hierauf rückbezogenen Unteransprüche nicht gewährbar. Sie sind
zusammen mit dem jeweiligen Anspruch 1 Gegenstand desselben Antrags auf
Aufrechterhaltung bzw. beschränkte Aufrechterhaltung des Streitpatents und teilen
daher mangels gesonderter Prüfungsnotwendigkeit das Rechtsschicksal des je-
weiligen nicht patentfähigen Anspruchs 1 (vgl. BGH GRUR 2012, 149 ff. -
„Sensor-
anordnung“; BGH GRUR 1997, 120 - „Elektrisches Speicherheizgerät“ in Verbin-
dung mit BGH GRUR 1980, 716, 718 -
„Schlackenbad“).
- 25 -
III.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das
Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht
zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass
1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des
Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis
der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4 . ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertre-
ten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder
stillschweigend zugestimmt hat,
5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist,
bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt
worden sind, oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlus-
ses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen
beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schrift-
lich einzulegen.
Dr. Lischke
Eisenrauch
Küest
Richter
prö