Urteil des BPatG vom 28.11.2016

Klagerücknahme, Nichtigkeitsgrund, Nichtigkeitsklage, Hauptsache

BPatG 253
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
1 Ni 16/11 (EP)
verbunden mit
1 Ni 18/11 (EP)
(Aktenzeichen)
SCHLUSSURTEIL
An Verkündungs Statt
zugestellt am:
28.11.2016
In der Patentnichtigkeitssache
- 2 -
betreffend das europäische Patent 1 389 274
(DE 602 07 239)
hat der 1. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts im schriftlichen
Verfahren mit Schriftsatzfrist bis 9. September 2016 durch die Präsidentin Schmidt
und die Richterin Grote-Bittner sowie die Richter Dipl.-Ing. Schlenk,
für Recht erkannt:
Von den Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des
Berufungsverfahrens tragen die Klägerinnen 25 % und die Be-
klagte 75 %.
T a t b e s t a n d
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für das Gebiet der
Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 389 274 mit der
- 3 -
Bezeichnung „Directly Actuated Injection Valve“ („Direkt betätigtes Einspritz-
ventil“), dessen Erteilung, u. a. mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland,
am 9. November 2005 bekannt gemacht wurde, und das vom Deutschen Patent-
und Markenamt unter der Nummer 602 07 239 geführt wird.
Das Streitpatent, das in seiner erteilten Fassung 42 Patentansprüche umfasste,
war in vollem Umfang von den zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung
verbundenen Nichtigkeitsklagen der Klägerinnen angegriffen worden. Mit Schrift-
satz vom 25. Oktober 2012 hatte allein die Klägerin zu 1. vor dem Bundespatent-
gericht den Nichtigkeitsgrund der nicht ausführbaren Offenbarung geltend
gemacht.
Das Bundespatentgericht hat mit Urteil vom 20. November 2012, berichtigt durch
Beschluss vom 22. März 2013, unter Klageabweisung im Übrigen das Streitpatent
mit Änderungen der Fassung der Ansprüche 1 bis 37 gemäß Hilfsantrag 4 der
Beklagten teilweise für nichtig erklärt und die Kosten des Rechtsstreits zu 25 %
den Klägerinnen und zu 75 % der Beklagten auferlegt.
Gegen das Urteil des Bundespatentgerichts haben die Klägerin zu 2. und die
Beklagte Berufung sowie die Klägerin zu 1. Anschlussberufung eingelegt. Mit ihren
Rechtsmitteln haben die Klägerinnen die vollständige Nichtigkeitserklärung des
Streitpatents weiterverfolgt und die Beklagte in erster Linie weiterhin die vollum-
fängliche Klageabweisung angestrebt. Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom
9. Juni 2015 unter Zurückweisung der Rechtsmittel der Parteien im Übrigen auf
die Anschlussberufung der Klägerin zu 1. das erstinstanzliche Urteil im Kosten-
punkt und insoweit aufgehoben sowie zur erneuten Verhandlung und Ent-
scheidung an das Bundespatentgericht zurückverwiesen, als die Klage der
Klägerin zu 1. mit dem Nichtigkeitsgrund der mangelnden ausführbaren Offenba-
rung abgewiesen worden ist. Das Berufungsgericht hat dem Bundespatentgericht
zugleich aufgegeben, über die Kosten des Nichtigkeitsverfahrens einschließlich
der Kosten des Berufungsverfahrens zu entscheiden.
- 4 -
Mit Schriftsatz vom 25. Juli 2016 hat die Klägerin zu 1. die Rücknahme der Nich-
tigkeitsklage im noch anhängigen Umfang (Nichtigkeitsgrund der mangelnden
ausführbaren Offenbarung) erklärt.
Die Klägerin zu 1. und die Beklagte stellen ausdrücklich keinen Kostenantrag. Die
Beklagte führt hierzu aus, dass sie sich mit der Klägerin zu 1. vollumfänglich
außergerichtlich geeinigt habe und daher eine Kostenentscheidung zwischen
diesen Parteien nicht zu treffen sei. Die Kosten des Berufungsverfahrens wären
gegeneinander aufzuheben, da sämtliche Berufungen zurückgewiesen worden
seien.
Mit Beschluss vom 22. August 2016 hat der Senat für eine im schriftlichen Ver-
fahren zu treffende Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits einschließlich
der Kosten des Berufungsverfahrens als Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze einge-
reicht werden können, den 9. September 2016 bestimmt.
Die Klägerin zu 1. und die Beklagte haben sich daraufhin nicht mehr schriftsätzlich
geäußert. Die Klägerin zu 2. hat in ihrem Schriftsatz vom 20. September 2016 die
Auffassung vertreten, dass ihr wegen der Geltendmachung des Nichtigkeitsgrun-
des der mangelnden Ausführbarkeit ausschließlich durch die Klägerin zu 1. keine
Kosten und zwar auch nicht anteilig auferlegt werden könnten. Wegen der unter-
schiedlichen Berufungsstreitwerte dürfe nicht eine Kostenentscheidung mit dem
Inhalt getroffen werden, dass die Kosten des Berufungsverfahrens gegeneinander
aufgehoben werden. Sie hält eine Kostenverteilung gemäß dem erstinstanzlichen
Urteil vom 20. November 2012 für sachgerecht mit Ausnahme der möglicherweise
durch die Aufhebung und Zurückverweisung an das Bundespatentgericht zusätz-
lich entstandenen Kosten, die allein von der Klägerin zu 1. und der Beklagten zu
tragen seien. Da sie nicht mehr Partei dieses fortgeführten Verfahrens gewesen
sei, könne sie auch keine Kostentragungspflicht treffen.
- 5 -
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwi-
schen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und den weiteren
Akteninhalt Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Im vorliegenden Nichtigkeitsverfahren hat der Senat, nachdem die Klägerin zu 1.
nach Durchführung des Berufungsverfahrens vor dem Bundesgerichtshof und der
teilweisen Zurückverweisung an das Bundespatentgericht die Nichtigkeitsklage im
noch rechtshängigen Umfang zurückgenommen hat, eine Entscheidung nur noch
über die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des Berufungsver-
fahrens und nicht mehr in der Hauptsache zu treffen.
Die Klägerin zu 1. hat mit Schriftsatz vom 25. Juli 2016 die Rücknahme der Nich-
tigkeitsklage im noch rechtshängigen Umfang (Nichtigkeitsgrund der ausführbaren
Offenbarung) erklärt. Die (teilweise) Klagerücknahme durch die Klägerin zu 1. war
zulässig. Eine rechtskräftige Entscheidung lag insoweit nicht vor, nachdem der
Bundesgerichtshof hinsichtlich des Nichtigkeitsgrundes der fehlenden ausführba-
ren Offenbarung über die Anschlussberufung der Klägerin zu 1. nicht abschlie-
ßend entschieden, sondern das Urteil des Bundespatentgerichts vom 20. Novem-
ber 2012 insoweit aufgehoben und zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen
hatte. Einer Zustimmung der Beklagten zur Klagerücknahme bedurfte es nicht, da
abweichend von § 269 Abs. 2 ZPO die Klagerücknahme der Nichtigkeitsklage als
Popularrechtsbehelf in jeder Lage des Verfahrens bis zur Rechtskraft der Ent-
scheidung möglich ist (vgl. BGH GRUR 1964, 18
– Konditioniereinrichtung; GRUR
1993, 895
– Hartschaumplatten).
Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 128 Abs. 3
ZPO im schriftlichen Verfahren durch Schlussurteil, nachdem das Urteil des
Senats vom 20. November 2012 teilweise aufgehoben und der Rechtsstreit an das
Bundespatentgericht zur erneuten Entscheidung in der Hauptsache über den
- 6 -
Nichtigkeitsgrund der fehlenden ausführbaren Offenbarung und über die Kosten
des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des Berufungsverfahrens zurückver-
wiesen worden war. Hierbei waren die Ausführungen der Klägerin zu 2. in ihrem
Schriftsatz vom 20. September 2016 zu berücksichtigen, obwohl er nach dem
Zeitpunkt eingegangen ist, bis zu dem die Parteien nach dem Beschluss vom
22. August 2016 Schriftsätze gemäß § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 128 Abs. 2 ZPO
einreichen konnten. Der Schriftsatz vom 20. September 2016 enthält nämlich aus-
schließlich rechtliche Ausführungen, die von den Parteien bis zur Urteilsverkün-
dung jederzeit vorgebracht werden können.
Bei der instanzabschließenden Entscheidung hat der Senat über die Kosten des
Rechtsstreits von Amts wegen ohne Antrag der Parteien gemäß § 84 Abs. 2
Satz 1 PatG zu entscheiden. Nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Kosten-
entscheidung war des Weiteren vom Senat eine Entscheidung über die gesamten
Kosten des Rechtsstreits zu treffen, weshalb einzelne Kostenteile wie die der Klä-
gerin zu 1. und der Beklagten trotz ihres außergerichtlichen Vergleichs nicht aus-
genommen werden konnten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 Satz 2 PatG i. V. m. §§ 92 Abs. 1
2. Halbsatz, 100 Abs. 1, 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Da der Bundesgerichtshof die
Sache zurückverwiesen hat, richtet sich die Kostenentscheidung nach §§ 91 ff.
ZPO und obliegt dem unteren Gericht (Zöller-Herget, ZPO, 31. Aufl., Rdn. 7 zu
§ 97). Die Kosten waren auf die Parteien zu verteilen, wie aus dem Tenor ersicht-
lich. Das Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens der Parteien ist unter Be-
rücksichtigung der teilweisen Klagerücknahme mit 25 % zu 75 % angemessen
bewertet. Diese Kostenquotelung entspricht der bereits im Urteil des Senats vom
20. November 2012 ausgesprochenen Kostenverteilung, nach dem die Klägerin
zu 1. im später zurückgenommenen Umfang der Nichtigkeitsklage bereits ohne
Erfolg geblieben war. Es liegen keine Gründe dafür vor, eine anderslautende
Kostenentscheidung zu treffen, nachdem das Urteil des Senats vom 20. Novem-
ber 2012 zu Ziffer I. im Ausspruch der teilweisen Nichtigkeitserklärung des
Streitpatents nach der Klagerücknahme der Klägerin zu 1. und Zurückweisung der
- 7 -
Rechtsmittel der Parteien im Übrigen rechtskräftig geworden ist. Die Quotelung
entspricht auch dem Obsiegen und Unterliegen der Parteien im Berufungsver-
fahren, nachdem alle drei Parteien letztlich
– nach teilweiser Klagerücknahme
auch die Klägerin zu 1. - erfolglose Rechtsmittel eingelegt haben und es daher bei
dem Ausspruch des erstinstanzlichen Urteils geblieben ist. Der zwischen der Klä-
gerin zu 1. und der Beklagten geschlossene außergerichtliche Vergleich konnte
ebenfalls nicht zu einer anderen Kostenverteilung führen. Diese Parteien haben
den Inhalt ihrer vereinbarten Kostenregelung dem Gericht nicht einmal mitgeteilt.
Für eine unterschiedliche Kostenbelastung der Klägerinnen nach § 100 Abs. 2
ZPO ist kein Raum, nachdem beide Klägerinnen mit ihren Nichtigkeitsklagen und
ihren Rechtsmitteln die vollumfängliche Nichtigkeitserklärung des Streitpatents
verfolgt und sie mit den von ihnen identisch geltend gemachten Nichtigkeits-
gründen nur teilweise Erfolg hatten. Mithin waren die Klägerinnen an den erst- und
zweitinstanzlichen Verfahren nicht im Sinne dieser Vorschrift erheblich unter-
schiedlich beteiligt.
Da das vorliegende Schlussurteil mit der isolierten Kostenentscheidung im Hin-
blick auf die rechtskräftig gewordene Entscheidung des Senats in der Hauptsache
gemäß § 84 Abs. 2 Satz 2 PatG i. V. m. § 99 Abs.1 ZPO nicht selbständig
anfechtbar ist, ist eine Rechtsbehelfsbelehrung nicht veranlasst. Aus demselben
Grund hat auch ein Ausspruch über eine vorläufige Vollstreckbarkeit des Schluss-
urteils zu unterbleiben.
Schmidt
Grote-Bittner
Schlenk
Dr. Krüger
Ausfelder
Ko