Urteil des BPatG vom 08.06.2010

BPatG: stand der technik, luft, wasser, patentanspruch, erfindung, zeichnung, versorgung, rückführung, zusammenwirken, neuheit

BPatG 154
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
23 W (pat) 62/05
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(Aktenzeichen)
Verkündet am
8. Juni 2010
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Patentanmeldung 10 2004 012 978.9-34
hat der 23. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 8. Juni 2010 unter Mitwirkung des Richters Lokys
als Vorsitzendem, der Richterin Dr. Hock sowie der Richter Brandt und Maile
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beschlossen:
Der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts vom
15. April 2005 wird aufgehoben und das Patent mit folgenden Un-
terlagen erteilt:
Patentansprüche 1 bis 5, eingereicht in der mündlichen Verhand-
lung vom 8. Juni 2010, Beschreibung, Seiten 1 bis 6, eingereicht
in der mündlichen Verhandlung vom 8. Juni 2010 und ursprüngli-
che Zeichnung (2 Figuren).
Bezeichnung der Erfindung:
Anmeldetag:
G r ü n d e
I
Die Prüfungsstelle für Klasse H05K des Deutschen Patent- und Markenamts hat
die am 16. März 2004 eingereichte Patentanmeldung 10 2004 012 978.9-34 mit
der Bezeichnung „Kondensatabführung mittels integrierter Kondensatpumpe bei
Luft-Wasser-Wärmetauschern“ durch Beschluss vom 15. April 2005
zurückgewiesen.
Im vorausgegangenen, einzigen Prüfungsbescheid vom 12. November 2004
wurde von der Prüfungsstelle unter Nennung eines Standes der Technik nach den
Druckschriften
D1
DE 43 30 924 C1, und
D2
DE 102 05 654 A1
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ausgeführt, dass der Anmeldegegenstand nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit
des zuständigen Fachmanns beruhe. Auch den abhängigen Ansprüchen sei nichts
Patentfähiges zu entnehmen.
In Erwiderung zum Erstbescheid reichte die Anmelderin mit Schriftsatz vom
17. März 2005 neue Patentansprüche 1 bis 7 ein.
Daraufhin hat die zuständige Prüfungsstelle wies die Patentanmeldung zurückge-
wiesen. In der Beschlussbegründung wurde ausgeführt, dass der geltende An-
spruch 1 zwar zulässig, sein Gegenstand jedoch aufgrund der technischen Lehre
nach Druckschrift D1 in Kombination mit dem routinemäßigen, fachmännischen
Handeln nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Zu den entsprechenden
Merkmalen sei bereits im Erstbescheid ausführlich Stellung genommen worden.
Mit Schriftsatz vom 20. Mai 2005 (per Fax am selben Tag beim Deutschen Patent-
und Markenamt eingegangen) legt die Anmelderin fristgerecht Beschwerde gegen
vorgenannten Zurückweisungsbeschluss ein. Die zugehörige Begründung ist mit
Schriftsatz vom 12. März 2010 nachgereicht.
Mit Zusatz zur Ladung vom 14. April 2010 wird die Anmelderin seitens des Senats
auf die im parallelen US-Verfahren ermittelte Druckschrift
D3
US 3,938,352
hingewiesen, welche in der mündlichen Verhandlung zur Frage der erfinderischen
Tätigkeit zu diskutieren sein werde.
In der mündlichen Verhandlung vom 8. Juni 2010 verteidigt die Anmelderin ihre
Patentanmeldung mit den in der Verhandlung überreichten, beschränkten Patent-
ansprüchen 1 bis 5. Der geltende Anspruch 1 ist dabei auf ein Kühlgerät für einen
Schaltschrank gerichtet, die Ansprüche 2 bis 5 sind hiervon direkt bzw. indirekt
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abhängig. Die Anmelderin führt aus, dass die jeweiligen Ansprüche zulässig seien.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei darüber hinaus unter Berücksichtigung des
im Verfahren befindlichen Standes der Technik patentfähig.
Die Anmelderin stellt den Antrag:
den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H05K des Deutschen
Patent- und Markenamts vom 15. April 2005 aufzuheben und das
Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:
Patentansprüche 1 bis 5, eingereicht in der mündlichen Verhand-
lung vom 8. Juni 2010, Beschreibung, Seiten 1 bis 6, eingereicht
in der mündlichen Verhandlung vom 8. Juni 2010 und ursprüngli-
che Zeichnung (2 Figuren).
Hierbei lautet der geltende Anspruch 1:
„1. Kühlgerät für einen Schaltschrank (10) mit einem von Kühlluft
durchströmten Luftführungskanal (12), in dem ein Luft/Wasser-
Wärmetauscher (14) angeordnet ist, welchem ein Kondensat-
Sammelbehälter (16) zum Auffangen von anfallendem Konden-
sat (18) zugeordnet ist,
wobei der Luft/Wasser-Wärmetauscher (14) mit einer externen
Kühleinrichtung (22) über eine Kühlwasser-Vorlaufleitung (24) zur
Versorgung mit gekühltem Kühlwasser und über eine Kühlwasser-
Rücklaufleitung (26) zur Rückführung von erwärmtem Kühlwasser
verbunden ist,
wobei eine Pumpeinrichtung (20) zum Abführen von Konden-
sat (18) aus dem Kondensat-Sammelbehälter (16) vorgesehen ist,
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welche mit der Kühlwasser-Rücklaufleitung (26) verbunden ist und
das Kondensat (18) aus dem Kondensat-Sammelbehälter (16) in
die Kühlwasser-Rücklaufleitung (26) hineinpumpt,
wobei an dem Kondensat-Sammelbehälter (16) eine Sensorein-
richtung (28) zur Ermittlung des Kondensatstandes im Kondensat-
Sammelbehälter (16) angeordnet ist, und
wobei die Sensoreinrichtung (28) derart mit der Pumpeinrich-
tung (20) verbunden ist, dass die Pumpeinrichtung (20) bei Errei-
chen eines vorbestimmten Kondensatstandes Kondensat (18) för-
dert.“
Die Ansprüche 2 bis 5 entsprechen - bis auf Änderungen im Rückbezug - in dieser
Reihenfolge den ursprünglichen Ansprüchen 5 bis 8. Wegen des Wortlauts der
Ansprüche 2 bis 5 sowie weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die form- und fristgerecht erhobene Beschwerde ist zulässig; sie hat nach dem
Ergebnis der mündlichen Verhandlung insoweit Erfolg, als sie zur Aufhebung des
angefochtenen Beschlusses und zur Erteilung des Patents entsprechend dem An-
trag der Anmelderin führt.
a) Laut geltender Beschreibung betrifft die vorliegende Patentanmeldung ein
Kühlgerät für einen Schaltschrank mit einem von Kühlluft durchströmten Luftfüh-
rungskanal, in dem ein Luft/Wasser-Wärmetauscher angeordnet ist, welchem ein
Kondensat-Sammelbehälter zum Auffangen von anfallendem Kondensat zugeord-
net ist .
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Derartige bekannte Kühlgeräte finden beispielsweise in Schaltschränken zum
Unterbringen elektrischer Komponenten mit hoher Verlustleistung Anwendung.
Um die anfallende Wärme abzuführen, werden Luft/Wasser-Wärmetauscher im
Schaltschrank eingesetzt, welche die im Schaltschrank vorhandene Wärme auf-
nehmen und an ein aus dem Schaltschrank abzuführendes Kühlwasser übertra-
gen. Das wärmeführende Kühlwasser wird über eine Kühlwasser-Rücklaufleitung
abgeführt .
Aufgrund der im Schaltschrank herrschenden Luftfeuchtigkeit fällt am schalt-
schrankseitigen Luft/Wasser-Wärmetauscher Kondensat an, das abtropft und in
einem Kondensat-Sammelbehälter aufgefangen wird. Über einen Ablaufschlauch
wird das Kondensat aus dem Schaltschrank befördert. Hier tropft die Flüssigkeit
dann auf den Boden oder wird in einem externen Behälter aufgefangen.
Von Nachteil ist hierbei, dass die Auffangbehälter regelmäßig manuell entleert
werden müssen, was erhöhte Wartungskosten mit sich bringt oder das Kondensat
durch Verdunstung wieder in die Umgebung zu bringen ist, wobei der Verdunster
aufgrund des beschränkten Bauraumes nur eine geringe Baugröße aufweisen
darf. Daher ist die Verdunstungsleistung gering, was bei einem hohen Kondensat-
anfall dazu führt, dass Kondensat über einen vorgesehenen Sicherheitsüberlauf
austritt und wiederum auf den Boden tropft
.
Vor diesem Hintergrund liegt dem Anmeldungsgegenstand als technisches Prob-
lem die Aufgabe zugrunde, ein Kühlgerät für einen Schaltschrank anzugeben,
welches ein wirkungsvolles Abführen von anfallendem Kondensat nicht nur aus
dem Schaltschrank selbst sondern darüber hinaus aus dem Schaltschrankumfeld
ermöglicht .
Diese Aufgabe wird durch ein Kühlgerät mit den Merkmalen des geltenden An-
spruchs 1 gelöst, wobei in vorteilhafter Weise beim vorstehend beschriebenen
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gattungsgemäßen Kühlgerät eine Pumpeinrichtung am Kondensat-Sammelbehäl-
ter vorgesehen ist, welche mit der Kühlwasser-Rücklaufleitung verbunden ist und
das Kondensat aus dem Sammelbehälter in die Rücklaufleitung hineinpumpt. Zur
Automatisierung des Abpumpvorgangs ist am Kondensat-Sammelbehälter eine
Sensoreinrichtung zur Ermittlung des Kondensatstandes angeordnet, welche der-
art mit der Pumpeinrichtung verbunden ist, dass die Pumpeinrichtung bei Errei-
chen eines vorbestimmten Kondensatstandes Kondensat fördert.
b) Die geltenden Patentansprüche 1 bis 5 sind zulässig, denn der geltende An-
spruch 1 setzt sich aus den Merkmalen der ursprünglichen Ansprüche 1 bis 4 zu-
sammen. Die Ansprüche 2 bis 5 entsprechen - bis auf angepasste Rückbezüge -
den ursprünglichen Ansprüchen 5 bis 8.
c)
Das - zweifellos gewerblich anwendbare - Kühlgerät für einen Schaltschrank
nach dem geltenden Patentanspruch 1 ist gegenüber dem im Verfahren befindli-
chen Stand der Technik neu und beruht diesem gegenüber auch auf einer erfinde-
rischen Tätigkeit des zuständigen Durchschnittsfachmanns, der hier als ein be-
rufserfahrener, mit der Konstruktion und Entwicklung von Kühlgeräten für einen
Schaltschrank vertrauter, berufserfahrener Maschinenbauingenieur mit Fachhoch-
schulabschluss zu definieren ist.
aa) Die Neuheit des Gegenstands des geltenden Patentanspruchs 1 gegenüber
dem nachgewiesenen Stand der Technik ergibt sich daraus, dass keine der
Druckschriften D1 bis D3 ein Kühlgerät für einen Schaltschrank offenbart, dessen
Pumpeinrichtung zum Abführen von Kondensat aus dem Kondensat-Sammelbe-
hälter mit der Kühlwasser-Rücklaufleitung verbunden ist und das Kondensat aus
dem Kondensat-Sammelbehälter in die Kühlwasser-Rücklaufleitung hineinpumpt.
Die Lehren der Druckschriften D1 und D2 offenbaren jeweils Kühlgeräte mit Kon-
densatauffangwanne, wobei das Kondensat aus der Wanne durch das Vorsehen
eines Ablaufs, das Vernebeln des Kondensats mit einem Lüfter bzw. durch Mittel
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zur Kondensatverdunstung abgeführt wird
. Das Einleiten bzw. Hineinpumpen des Konden-
sats in die Kühlwasser-Rücklaufleitung ist keiner der beiden Druckschriften zu
entnehmen.
Druckschrift D3 offenbart als einzige der im Verfahren befindlichen Druckschriften
ein Kühlgerät, bei welchem das anfallende Kondensat kontinuierlich in die Kühl-
wasser-Leitung hineingepumpt wird. Jedoch wird gemäß dortiger Lehre - im Un-
terschied zur Lehre des geltenden Anspruchs 1 - das Kondensat gezielt in die
Kühlwasser-Vorlaufleitung hineingepumpt.
bb) Die Druckschrift D3, welche nach vorstehenden Ausführungen den
nächstliegenden Stand der Technik darstellt, vermag dem vorstehend definierten
zuständigen Durchschnittsfachmann den Gegenstand des geltenden Patentan-
spruchs 1 weder für sich noch in einer Zusammenschau mit den übrigen Entge-
genhaltungen nahezulegen.
Druckschrift D3 offenbart ein Kühlgerät, hier eine zweistufig aufgebaute Wasser-
/Luft-Wärmepumpe , bei der das in dem
System zirkulierende Wärmeaustauschmittel in einem von Kühlwasser einer ex-
ternen Kühlung durchflossenen Wärmetauscher verflüssigt und in einem von der
abzukühlenden Luft umströmten weiteren Wärmetauscher verdampft wird, wel-
chem ein Kondensat-Sammelbehälter zum Auffangen von anfallendem
Kondensat zugeordnet ist. Das Kühlgerät weist damit eine externe Kühleinrichtung
auf
mit der der erste Wärmetauscher über eine Kühlwasser-Vor-
laufleitung zur Versorgung mit gekühltem Kühlwasser und über eine
Kühlwasser-Rücklaufleitung zur Rückführung von erwärmtem
Kühlwasser verbunden ist. Weiter weist das Kühlgerät der Druckschrift D3 eine
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Pumpeinrichtung zum Abführen von Kondensat aus dem Kondensat-
Sammelbehälter in die Kühlwasserleitung auf.
Wie sich aus diesen Darlegungen ergibt, weist das Kühlgerät nach Druckschrift D3
keinen Luft/Wasser-Wärmetauscher auf. Denn unter dem Fachbegriff Luft/Wasser-
Wärmetauscher versteht der Fachmann eine wassergekühlte einstufige Kühlvor-
richtung, bei welcher die erwärmte Luft in den Wärmetauscher geführt, die Wärme
vom Wasser als Kühlmedium aufgenommen und durch eine Wasserrücklauflei-
tung nach außen transportiert wird.
Darüber hinaus enthält keine der im Verfahren befindlichen Druckschriften D1 bis
D3 eine Anregung, das kalte Kondensat gezielt in den Kühlwasser-Rücklauf ein-
zuleiten. Hierdurch ist es im Vergleich zur Lehre der D3 in vorteilhafter Weise
möglich, eine wesentlich konstantere Kühlwasservorlauftemperatur zu erzielen,
insbesondere im Zusammenwirken mit dem letzten Merkmal des geltenden An-
spruchs 1, wonach die Pumpeinrichtung nur bei Erreichen eines vorbestimmten
Kondensatstandes Kondensat fördert.
Ausgehend vom nächstliegenden Stand der Technik nach Druckschrift D3 sind für
den Fachmann somit, auch in Zusammenschau mit den entsprechenden Lehren
der Druckschriften D1 und D2 in nicht naheliegender Weise mehrere Schritte, ein-
schließlich umfangreicher konstruktiver Überlegungen notwendig, um zum Ge-
genstand des geltenden Patentanspruchs 1 zu gelangen.
Das Kühlgerät für einen Schaltschrank nach dem geltenden Patentanspruch 1 ist
demnach patentfähig.
d) An den geltenden unabhängigen Patentanspruch 1 können sich die darauf zu-
rückbezogenen geltenden Unteransprüche 2 bis 5 anschließen, die vorteilhafte
und nicht selbstverständliche Ausführungsarten des Kühlgeräts nach dem Patent-
anspruch 1 betreffen.
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e) In der geltenden Beschreibung ist der Stand der Technik, von dem die Erfin-
dung ausgeht, angegeben und die Erfindung anhand der Zeichnung ausreichend
erläutert.
f) Bei der Sachlage war der Beschwerde der Anmelderin stattzugeben und das
Patent wie beantragt zu erteilen.
Lokys
Dr. Hock
Brandt
Maile
Pr