Urteil des BPatG vom 20.05.2010

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BPatG 154
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
21 W (pat) 334/05
_______________
(Aktenzeichen)
Verkündet am
20. Mai 2010
B E S C H L U S S
In der Einspruchssache
gegen das Patent 103 26 848
hat der 21. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf-
grund der mündlichen Verhandlung vom 20. Mai 2010 unter Mitwirkung des Vorsit-
zenden
Richters
Dipl.-Phys. Dr. Winterfeldt
sowie
der
Richter
Kätker,
Dipl.-Ing. Bernhart und Dipl.-Phys. Dr. Müller
- 2 -
beschlossen:
Das Patent wird widerrufen.
G r ü n d e
I
Gegen das am 14. Juni 2003 angemeldete Patent (Streitpatent), das einen "Opti-
schen Sensor" betrifft und dessen Erteilung am 23. Juni 2005 veröffentlicht wor-
den ist, hat die Fa. S… AG, … Straße in W… am
21. September 2005 Einspruch eingelegt.
Sie ist der Auffassung, dass der Gegenstand des Streitpatents nicht patentfähig
sei. Hierzu verweist sie unter anderem auf die Entgegenhaltungen
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Mit Schriftsatz vom 30. Dezember 2008, eingegangen bei Gericht am
31. Dezember 2008, hat die Einsprechende ihren Einspruch zurückgenommen.
Die Patentinhaberin verfolgt ihr Patent auf der Grundlage des am 19. Mai 2010 bei
Gericht eingegangenen Patentanspruchs 1 sowie der erteilten Patentansprüche 2
bis 19 gemäß Patentschrift weiter und vertritt die Auffassung, dass der Gegen-
stand des Patentanspruchs 1 gegenüber dem nachgewiesenen Stand der Technik
patentfähig sei.
- 3 -
Der Patentanspruch 1 lautet gegliedert:
M1
Optischer Sensor zur Erfassung von Objekten in einem
Überwachungsbereich
M2
mit einem Sendelichtstrahlen emittierenden Sender,
M3
mit einem Empfangslichtstrahlen empfangenden Empfän-
ger,
M4
mit einer diesem zugeordneten Empfangsoptik mit einem
vorgegebenen von den Empfangslichtstrahlen beaufschlag-
ten Sichtfeld,
M5
mit einer Ablenkeinheit zur periodischen Ablenkung der
Sendelichtstrahlen innerhalb eines vorgegebenen, den
Überwachungsbereich definierenden Winkelbereichs und
M6
mit einer Auswerteeinheit, in welcher in Abhängigkeit der
Empfangssignale am Ausgang des Empfängers ein Objekt-
feststellungssignal generierbar ist,
dadurch gekennzeichnet, dass
M7
im Sichtfeld der Empfangsoptik (15) eine Nahbereichsop-
tik (21)
M7.1
M7.2
Empfangsoptik, und
M8
wobei mittels einer Justiereinheit der von der Nahbereichs-
optik (21) umfasste Teil des Sichtfelds der Empfangsop-
tik (15) einstellbar ist.
Hinsichtlich der Unteransprüche 2 bis 19 wird auf die Akte Bezug genommen.
- 4 -
Die Patentinhaberin stellt den Antrag,
das Patent mit dem am 19. Mai 2010 eingegangenen Anspruch 1,
im Übrigen (Ansprüche 2 bis 19, Beschreibung, Zeichnungen) ge-
mäß der Patentschrift beschränkt aufrechtzuerhalten.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II
1. Das Einspruchsverfahren war nach Rücknahme des Einspruchs von Amts we-
gen ohne die Einsprechende fortzusetzen (§ 61 Abs. 1 Satz 2 PatG).
2. Da die Einspruchsfrist im vorliegenden Verfahren nach dem 1. Januar 2002 zu
laufen begonnen hat und der Einspruch vor dem 1. Juli 2006 eingelegt worden ist,
ist das Bundespatentgericht für die Entscheidung gemäß § 147 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1
PatG in der bis einschließlich 30. Juni 2006 gültigen Fassung weiterhin zuständig
(vgl. BGH GRUR 2007, 862 ff. - Informationsübermittlungsverfahren II; BPatG
GRUR 2007, 499 f. - Rundsteckverbinder).
3. Der form- und fristgerecht erhobene Einspruch war zulässig, denn die für die
Beurteilung des behaupteten Widerrufsgrundes maßgeblichen tatsächlichen Um-
stände sind von der Einsprechenden innerhalb der gesetzlichen Frist im Einzelnen
so dargelegt worden, dass die Patentinhaberin und der Senat daraus abschließen-
de Folgerungen für das Vorliegen bzw. Nichtvorliegen eines Widerrufsgrundes oh-
ne eigene Ermittlungen ziehen können. Die Zulässigkeit des Einspruchs war von
der Patentinhaberin im Übrigen nicht bestritten worden.
- 5 -
4. Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung erweist sich der Einspruch
auch als begründet, da der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nicht patentfähig
ist. Daher kann es dahinstehen, ob der Patentanspruch 1 durch die ursprüngliche
Offenbarung gedeckt ist und ob sein Gegenstand den Schutzbereich des Streitpa-
tents erweitert.
Nach den Angaben in der Patentschrift betrifft die Erfindung einen optischen Sen-
sor zur Erfassung von Objekten in einem Überwachungsbereich (vgl. Patentschrift,
Absatz [0001]). Derartige als Flächendistanzsensoren bezeichnete Sensoren die-
nen der Ermittlung der Position von Objekten in einem Überwachungsbereich
[0002]. Erschwert wird dabei die Erkennung von Objekten im Nahbereich durch
vom Objekt reflektiertes Licht in einen in der Mitte des Empfängers angeordneten
Sender wegen einer dadurch hervorgerufenen Mittenabschattung [0003]. In den
folgenden Absätzen [0004 bis 0006] der Patentschrift sind bekannte optische Sen-
soren mit der ihnen zugrunde liegenden Problematik erläutert. Zudem ist darge-
legt, dass Formtoleranzen der Empfangsoptik die Objekterfassung im Nahbereich
störanfällig machen [0008].
Daran orientiert sich die dem Patent zugrundeliegende Aufgabe, einen optischen
Sensor der eingangs genannten Art bereitzustellen, mit welchem Objekte sowohl
im Fernbereich als auch im Nahbereich sicher erfassbar sind [0009].
5. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 wird dem Fachmann, einem mit der
Entwicklung von opto-elektronischen Sensoren und Entfernungsmessern befass-
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M1
artigen Sensoren üblichen und notwendigen Baugruppen aufweist: Eine Sende-
lichtstrahlen emittierende Sendeanordnung (Bezugszeichen 16 in der schemati-
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M2
M3
geordnete Empfangsoptik (Empfangslinse 20, Lichtablenkeinrichtung 18 mit Spie-
gel 32) und ein vorgegebenes, von den Empfangslichtstrahlen beaufschlagtes
M4
riodischen Ablenkung der Sendelichtstrahlen innerhalb eines vorgegebenen, den
Überwachungsbereich definierenden Winkelbereichs (Sp. 3, Z. 51 - 57; Motor 34
M5
einheit, die aus den Empfangssignalen des Empfängers ein Objektfeststellungs-
M6
die Empfangslinse 20 eine dem Nahbereich zugeordnete innere Zone 52 (Sp. 4,
Z. 36) und eine äußere Zone 54 für den Fernbereich auf (Sp. 4, Z. 27/28). Somit
M7
Die innere Zone 52 für den Nahbereich wird teilweise vom Kernschatten des eine
Lichtaustrittsöffnung 57 aufweisenden Sendekollimators 28 überdeckt, ragt aber
zudem mit ihrer Kreisfläche über diesen hinaus (vgl. in Figur 4 für die Empfangs-
linse 20 die schraffierten Flächen). Während sich bei diesem Laserscanner für
weiter entfernte Objekte optimale Abbildungsverhältnisse ergeben, kann sich eine
durch Formtoleranzen der Empfangslinse bedingte Überempfindlichkeit im Nahbe-
reich, einhergehend mit einer größeren Signaldynamik (Signalunterschiede) ein-
stellen, womit Verunreinigungen, Staubwolken, Dämpfe oder dgl. ungewollt erfasst
werden (vgl. Abs. [0003]). Zur Kompensation der durch die Formtoleranzen der
Empfangslinse 20 verursachten Signalunterschiede ist vor der inneren Zone 52 ei-
ne (mittels eines Hebels 66) verstellbare Blende 64 vorgesehen, durch die die
Größe des Kernschattens 50, 50 einstellbar ist, womit die Signalunterschiede
kompensiert werden (vgl. Abs. [0044] sowie die Figuren 4 und 5 mit Abs. [0045]).
M8
mit der der von der Nahbereichsoptik umfasste Teil des Sichtfelds der Empfangs-
D1
Kompensation von Fertigungstoleranzen gedacht ist, sie gewährleistet jedoch
- 7 -
ebenso wie der Patentgegenstand das sichere Erfassen von Objekten im Nahbe-
reich.
Wie aus den Figuren 4 und 5 ohne Weiteres ersichtlich ist, ist die innere Zone 52
der Nahbereichsoptik "erheblich" kleiner als die äußere Zone 54 für den Fernbe-
M7.2
M7.1
satzelement zur Empfangsoptik" angeordnet ist, zu bewerten ist. Sofern sich in
D1
der Empfangslinse 20 mit ihrer (erheblich größeren) Zone 54 für den Fernbereich
versteht, stellt sich durchaus schon die Frage der Neuheit des Gegenstandes des
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Bewertung kann jedoch dahinstehen, da der Gegenstand des Patentanspruchs 1
D7
kannten Vorrichtung zur Distanzmessung nahegelegt ist.
D7
zum Detektieren von Objekten im Nahbereich gemäß dem Ausführungsbeispiel
der Figur 3 ein im Sichtfeld der Empfangsoptik (Empfangsobjektiv 15) - außerhalb
der optischen Achse - angeordnetes Prisma 37 als Zusatzelement zur Empfangs-
optik zu verwenden, um von nahen Objekten reflektierte Strahlen, die in Bezug auf
die optische Achse 14 des Empfangsobjektivs 15 unter einem größeren Einfalls-
winkel einfallen, auf die Lichtleitereintrittsfläche 17 zu lenken (vgl. auch den An-
spruch 2). Das Prisma 37 ist als separates, von der Empfangsoptik (Empfangsob-
jektiv 15) unabhängiges Zusatzelement gestaltet (vgl. auch den Anspruch 2), so,
wie nach der Sichtweise der Patentinhaberin auch die im Sichtfeld der Empfangs-
optik als Zusatzelement angeordnete Nahbereichsoptik gemäß den Merkma-
M7, M7.1
nun - wie es Aufgabe des Streitpatents ist - die Detektion des Nahbereichs verbes-
D7
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Fachmann in naheliegender Weise zu einem optischen Sensor gelangt, der alle
Merkmale des strittigen Anspruchs 1 aufweist.
6. Die Patentinhaberin hat beantragt, das Patent auf der Grundlage des am
19. Mai 2010 eingegangenen Patentanspruchs 1 aufrecht zuerhalten. Dass sie da-
neben auch eine Aufrechtrechterhaltung des Streitpatents im Umfang der Unteran-
sprüche 2 bis 19 gemäß der Patentschrift begehrt, hat sie weder ausdrücklich
noch stillschweigend zu erkennen gegeben. Darüber hinaus lassen diese Unteran-
sprüche keine patentbegründenden Merkmale erkennen, was die Patentinhaberin
im Übrigen auch nicht geltend gemacht hat (vgl. dazu BGH GRUR 2007, 862 ff.
- Informationsübermittlungsverfahren II in Fortführung von BGH GRUR 1997,
120 ff. -elektrisches Speicherheizgerät).
Dr. Winterfeldt
Kätker
Bernhart
Dr. Müller