Urteil des BPatG vom 18.03.2008

BPatG: stand der technik, lagerung, anschluss, ausbildung, gebrauchsmuster, erfindung, spiegel, entlastung, patent, beschränkung

BPatG 154
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
_______________
(Aktenzeichen)
18. März 2008
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
5 W (pat) 424/07
Verkündet am
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betreffend das Gebrauchsmuster 297 13 984
hier: Löschungsantrag
hat der 5. Senat (Gebrauchsmuster-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 18. März 2008 durch den Vorsitzenden Rich-
ter Müllner sowie die Richter Dipl.-Ing. Dr. Pösentrup und Dipl.-Ing. Schlenk
beschlossen:
1. Die Beschwerde der Antragsgegnerin wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragsgeg-
nerin.
G r ü n d e
I
Die Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin ist Inhaberin des am 5. August 1997
angemeldeten und am 2.
Oktober
1997 in das Register eingetragenen
Gebrauchsmusters 297 13 984 mit der Bezeichnung „Flüssiggastank“ (Streit-
gebrauchsmuster). Das Streitgebrauchsmuster umfasst vier Schutzansprüche, die
wie folgt lauten:
1. Flüssiggastank,
insbesondere
für die unterirdische Lagerung,
mit einer Mehrzahl von Anschlüssen, die
einen Anschluss (4, 5) zum Befüllen mit Gas und Entnehmen
von Gas,
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einen Anschluss für eine Einrichtung (3) zur Inhaltsanzeige
aufweisen,
wobei einer der Anschlüsse zum Einführen eines Prüfgerä-
tes (9) zu Zwecken der Inspektion des Tankinneren ausgebil-
det ist.
2. Flüssiggastank nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet,
dass ein in das Tankinnere reichendes Endoskop vorgesehen
ist.
3.
Flüssiggastank nach Anspruch
1 oder
2, dadurch
gekennzeichnet, dass oberhalb des Anschlusses
(8) zum
Einführen des Prüfgerätes ein Schacht (12) vorgesehen ist.
4. Flüssiggastank nach Anspruch 3, dadurch gekennzeichnet,
dass der Tank (1) auf seiner Oberfläche Stege (11) aufweist,
an denen der Schacht (12) mit dem Tank (1) verbunden ist.
Die Antragstellerin hat am 23. Juni 2005 die Löschung des Streitgebrauchsmus-
ters mit der Begründung beantragt, dass sein Gegenstand nicht schutzfähig sei.
Sie hat zum Stand der Technik folgende Druckschriften genannt:
D1
DE 81 29 365 U1
D2
DIN 4681, Jan. 1988, (auszugsweise)
D3a
AD-Merkblatt A5, Juli 1995, S. 113
D3b
Technische Regeln Druckbehälter, Ausrüstung der Druckbehälter,
Mai 1997, Abschn. 2.2
D4
US 5 604 532
D5
DE 31 51 572 A1
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Die Antragsgegnerin hat dem Löschungsantrag widersprochen. Sie hat dabei auf
folgende Druckschriften hingewiesen:
G1 TRB 801
G2 TRB 514
Mit einem Zwischenbescheid hat die Gebrauchsmusterabteilung II des Deutschen
Patent- und Markenamts noch die
DE 40 26 101 A1
in das Verfahren eingeführt.
In der mündlichen Verhandlung beim Deutschen Patent- und Markenamt hat die
Antragsgegnerin einen Schutzanspruch 1 nach Hilfsantrag überreicht, für dessen
Wortlaut auf die Akten verwiesen wird.
Das Deutsche Patent- und Markenamt - Gebrauchsmusterabteilung II - hat das
Gebrauchsmuster durch Beschluss vom 1. März 2007 gelöscht.
Gegen diesen Beschluss hat die Antragsgegnerin Beschwerde eingelegt. Sie hat
im Beschwerdeverfahren noch folgende Druckschriften benannt:
Anlage 2
DIN 4680 Teil 1
Anlage 3
DIN 4680 Teil 2
Anlage 4
DIN 4681
Anlage 5
DVFG- Prüfungsgrundlage, November 1994,
Anlage 6
TRB 402, Sept. 1995, 2.2 und 2.3
Anlage 7
Druckbehälterverordnung,
21. April 1989,
geändert
12. Dezember 1996
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Anlage 8
Stellungnahme
zum
Behälter- und Prüfkonzept für
Flüssiggasbehälter, ..., TÜV Süd, April 1999
Anlage 12 Schreiben TÜV Nord an Bagom Industrie v. 3. März 2008
Das Streitgebrauchsmuster ist nach mehrfacher Verlängerung seiner Schutzdauer
am 31. August 2007 erloschen.
Die Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin hat in der mündlichen Verhandlung
am 18. März 2008 Schutzansprüche 1 bis 5 überreicht, die wie folgt lauten:
1. Flüssiggastank für die unterirdische Lagerung, mit einem
Einfüllstutzen (2), einem Inhaltsanzeiger (3) , einem Anschluss
für die Gasentnahme (4) und einer verschließbaren Tanköff-
nung (8) für eine in das Innere des Tanks (1) reichenden In-
spektionseinrichtung (9), wobei die Inspektionseinrichtung (9)
zum Untersuchen des Tankinneren herausnehmbar ausgebil-
det und in den Tank (1) einsetzbar ist, wenn eine konkrete In-
spektion abzunehmen ist, zum Untersuchen des Tankinneren,
so dass bei dem Tank (1) auf seiner in Betriebs-Stellung oben
liegenden Seite kein Mannloch erforderlich ist.
2. Lagertank nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass
die Tanköffnung (8) für eine Inhaltsanzeige (3) die Öffnung
zum Einführen des Prüfgerätes (9) zu Zwecken der Inspektion
des Tankinneren ist.
3. Lagertank nach Anspruch
1 und 2, dadurch gekennzeichnet,
dass die Inspektionseinrichtung (9) zu Zwecken der Inspektion
des Tankinneren als ein in das Tankinnere reichendes Endo-
skop ausgebildet ist.
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4. Lagertank nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet,
dass oberhalb der Tanköffnung (8) zum Einführen der Inspek-
tionseinrichtung (9) ein Schacht (12) vorgesehen ist.
5. Lagertank nach Anspruch 4, dadurch gekennzeichnet, dass
der Tank (1) auf seiner Oberfläche Stege (11) auf weist, an
denen der Schacht (12) mit dem Tank (1) verbunden ist.
Sie macht geltend, dass der Gegenstand des Streitgebrauchsmusters in der Fas-
sung dieser Schutzansprüche schutzfähig sei, und beantragt,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben und den Feststellungs-
antrag im Umfang der in der mündlichen Verhandlung übergebe-
nen Schutzansprüche 1 bis 5 zurückzuweisen.
Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie vertritt die Auffassung, dass der Gegenstand des Gebrauchsmusters auch in
der nunmehr verteidigten Fassung nicht schutzfähig sei.
Für weitere Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II
1.
Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin ist nicht begründet.
Wegen des zwischen den Beteiligten anhängigen Verletzungsstreits ist ein
Rechtsschutzinteresse der Antragstellerin an der Fortsetzung des Beschwerde-
verfahrens nach dem Erlöschen des Streitgebrauchsmusters zu bejahen.
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2.
Soweit das Streitgebrauchsmuster nicht mehr verteidigt wird, bleibt es ohne
weiteres bei der im angefochten Beschluss ausgesprochenen Löschung.
3.
Der Gegenstand der in der mündlichen Verhandlung vor dem Beschwerdese-
nat überreichten Schutzansprüche ist nicht schutzfähig. Es kann daher dahinge-
stellt bleiben, ob diese Schutzansprüche letztlich zulässig sind.
Als Fachmann ist im vorliegenden Fall ein Fachhochschul-Ingenieur des Maschi-
nenbaus mit Erfahrungen in der Konstruktion von Flüssiggastanks anzusehen, der
auch die für solche Tanks geltenden Vorschriften und Normen kennt.
3.1 In der Beschreibung des Streitgebrauchsmusters ist ausgeführt, dass
Flüssiggastanks für die unterirdische Lagerung an ihrer Oberseite ein Mannloch,
d. h. einen am Tank eingeschweißten Flansch mit einem verschraubten Deckel
aufwiesen, das zu vorgeschriebenen Inspektionszwecken diene. Es sei Aufgabe
der Erfindung, einen Flüssiggastank zu schaffen, der bei kostengünstigerer Bau-
weise ebenfalls eine Inspektion des Tankinneren ermögliche (Streitgebrauchs-
musterschrift S. 1).
3.2 Der Gegenstand des in der mündlichen Verhandlung überreichten Schutzan-
spruchs 1 weist folgende Merkmale auf:
1. Flüssiggastank
für
die unterirdische Lagerung
2. mit einem Einfüllstutzen (2), einem Inhaltsanzeiger (3), einem
Anschluss für die Gasentnahme (4) und
3. mit einer verschließbaren Tanköffnung (8) für eine in das In-
nere des Tanks (1) reichende Inspektionseinrichtung (9) zum
Untersuchen des Tankinneren, so dass bei dem Tank (1) auf
seiner in Betriebsstellung oben liegenden Seite kein Mannloch
erforderlich ist,
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4. wobei die Inspektionseinrichtung (9) herausnehmbar ausgebil-
det ist und in den Tank (1) einsetzbar ist, wenn eine konkrete
Inspektion abzunehmen ist,
Die DIN 4681 (D2 und Anlage 4) spezifiziert für Flüssiggastanks für erdgedeckte
Aufstellung, d. h. für die unterirdische Lagerung, Mannlochstutzen mit Deckel an
der Oberseite der Flüssiggastanks. Durch die verschließbare Öffnung für eine in
das Innere des Tanks reichende Inspektionseinrichtung soll beim Gegenstand des
Streitgebrauchsmusters das Mannloch überflüssig werden. Der Wortlaut des
Schutzanspruchs 1 schließt jedoch ein Mannloch nicht definitiv aus.
Der Zweck der verschließbaren Tanköffnung 8 - für eine in das Innere des Tanks
reichende Inspektionseinrichtung - bedingt keine besondere Ausbildung dieser
Öffnung. Jedenfalls lässt sich den Gebrauchsmusterunterlagen diesbezüglich
nichts entnehmen. Selbstverständlich muss die Öffnung einen ausreichenden
Durchmesser aufweisen. Weitere Anforderungen sind nicht ersichtlich. Gemäß
Schutzanspruch 2 und Beschreibung Seite 2 Zeilen 23 bis 25 kann z. B. auch die
Öffnung für den Inhaltsanzeiger - nach dessen Entfernung - zur Einführung einer
Inspektionseinrichtung in den Tank dienen. Hieraus ergibt sich ebenfalls, dass die
Öffnung für die Inspektionseinrichtung keine spezielle Ausbildung bedingt.
3.3 Für Flüssiggastanks und deren Überwachung gelten zahlreiche Normen und
Vorschriften, von denen die Beteiligten einige in Auszügen vorgelegt haben. Ge-
mäß DIN 4680 und DIN 4681, jeweils Teil 1 Abschnitt 3, müssen sowohl Druckbe-
hälter für oberirdische Aufstellung als auch Druckbehälter für erdgedeckte Auf-
stellung mindestens Anschlüsse für die Füllung, für die Entnahme (Gas und Flüs-
siggas) und für die Inhaltsanzeiger aufweisen. Für Tanks zur erdgedeckten Auf-
stellung spezifiziert die DIN 4681 Mannlochstutzen mit Deckel, während die
DIN 4680 für Tanks zur oberirdischen Aufstellung bis zu einem Nennvolumen von
6700 Litern eine bzw. zwei Besichtigungsöffnungen und für ein Nennvolumen von
11.000 Litern eine Mannlochöffnung vorschreibt (Abschn. 3.1 Tabelle 2 Spalte 8).
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Da die Inspektionseinrichtung selber nicht zum Tank gehört sondern nur zur In-
spektion, d. h. normalerweise im Abstand von Jahren für einige Stunden in den
Tank eingesetzt wird, spricht viel dafür, dass der Flüssiggastank nach Schutzan-
spruch 1, der das Vorhandensein eines Mannlochs nicht ausschließt, nicht neu ist.
Das kann aber dahingestellt bleiben, da der Flüssiggastank nach Schutzan-
spruch 1 jedenfalls nicht auf einem erfinderischen Schritt beruht, und zwar auch
dann nicht, wenn unterstellt wird, dass ein Mannloch nicht vorhanden ist.
In der von der Antragsgegnerin vorgelegten TRB 402 (Anlage 6) ist ohne Be-
schränkung auf unterirdische oder oberirdische Aufstellung ausgeführt, dass
Mannlöcher und Besichtigungsöffnungen nicht erforderlich sind, wenn die Prüfun-
gen auf andere Weise, z. B. über Stutzen, Rohranschlüsse oder andere lösbare
Teile, möglich sind. In der Druckbehälterverordnung (Anlage 7) und in der
TRB 801 Nr. 25 (Anlage G1) ist jeweils in Bezug auf erdgedeckte Druckbehälter
für Gase und Gasgemische ausgeführt, dass diese den Druckbehältern für nicht
erdgedeckte Aufstellung gleichgestellt sind (Anlage 7 Abschn. 25 „Druckbehälter
für nicht korrodierende wirkende Gase oder Gasgemische“ Abschn. 7 i. V. m.
Abschn. 1 und 3; Anlage G1 Abschn. 2.7 i. V. m. Abschn. 2.1 und 2.3). Die in den
vorgenannten Unterlagen angesprochene innere Prüfung kann erforderlichenfalls
mit einfachen Hilfsmitteln, wie z. B. Spiegel, durchgeführt werden (Anlage G2,
TRB 514 Abschn. 5.1 und 1). In der DE 40 26 101 A1 wird für die innere Prüfung
von Flüssiggastanks gemäß DIN 4680 die Einführung eines Endoskops durch ei-
nen normalerweise eine eingeschraubte Armatur aufnehmenden Anschluss am
Tank vorgeschlagen (Anspruch 6). Nach alledem ist es für den Fachmann unmit-
telbar naheliegend, an einem Flüssiggastank für die unterirdische Lagerung einen
für die Einführung einer Inspektionseinrichtung in den Tank geeigneten Anschluss
vorzusehen und die innere Inspektion des Tanks mit dieser Inspektionseinrichtung
durchzuführen. Es liegt auf der Hand, dass dann jedenfalls zur inneren Inspektion
des Tanks, ein Mannloch nicht mehr erforderlich ist.
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Dass in der DIN 4681 für Flüssiggastanks zur erdgedeckten Aufstellung Mannlö-
cher vorgeschrieben sind, steht dem nicht entgegen. Die DIN-Normen dienen der
Rationalisierung, der Qualitätssicherung, der Sicherheit, der Standardisierung so-
wie der Entlastung der staatlichen Regulierung und ähnlichen Zielen. Sie schrän-
ken jedoch das technisch Machbare nicht ein und belegen keine technischen Vor-
urteile gegen nicht normgerechte Ausführungen. Aber selbst wenn unterstellt wird,
dass zum Zeitpunkt der Anmeldung des Streitgebrauchsmusters Flüssiggastanks
für die unterirdische Lagerung ohne Mannloch, das einen Einstieg zur inneren In-
spektion der Tanks ermöglicht, nicht für hinreichend sicher gehalten wurden, liefert
die streitpatengemäße Lehre keine neue und erfinderische technische Lösung zur
Überwindung eines solchen Vorurteils, denn die vorgeschlagenen technischen
Maßnahmen waren allesamt bekannt. Es bedurfte somit keiner technischen Erfin-
dung, die gegebenenfalls einem Gebrauchsmusterschutz zugänglich wäre, son-
dern allenfalls einer Änderung der Sicherheitsphilosophie und der Lockerung
überstrenger Regulierungen. Aus dem als Anlage 12 vorgelegten Schreiben des
TÜV-Nord an die Antragsgegnerin ergibt sich nichts anderes.
Dass die in den Schutzansprüchen 3 bis 5 vorgeschlagenen Ausgestaltungen eine
Schutzfähigkeit begründen können, hat der Senat nicht erkennen können und ist
auch von der Antragsgegnerin nicht vorgebracht worden.
Bei dieser Sachlage war die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen die vom
Deutschen Patent- und Markenamt beschlossen Löschung des Gebrauchsmusters
zurückzuweisen.
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III
Die Kostenentscheidung beruht auf § 18 Abs. 2 Satz 2 GebrMG i. V. m. § 84
Abs. 2 PatG und § 97 Abs. 1 ZPO.
Müllner Dr.
Pösentrup Schlenk
Pr