Urteil des BPatG vom 16.10.2001

BPatG (Marke, Verwechslungsgefahr, Verhältnis Zu, Klasse, Beschwerde, Annahme, Bestandteil, Benutzung, Kennzeichnungskraft, Unternehmen)

BUNDESPATENTGERICHT
24 W (pat) 153/99
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(Aktenzeichen)
Verkündet am
16. Oktober 2001
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
BPatG 154
6.70
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betreffend die Marke 2 909 410
hat der 24. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 16. Oktober 2001 unter Mitwirkung des Richters
Dr. Hacker als Vorsitzenden sowie des Richters Dr. Schmitt und der Richterin
Werner
beschlossen:
Auf die Beschwerde der aus der Marke 671 672 Widersprechen-
den wird der Beschluß der Markenstelle für Klasse 3 des Deut-
schen Patentamts vom 26. Oktober 1998 aufgehoben, soweit für
die Waren "Elektroartikel (soweit in Klasse 9 enthalten), Radios,
Kassettenrekorder, Magnettonbänder, Videobänder, Bildplatten,
CDs, Schallplatten, Rechenmaschinen" der Widerspruch aus der
Marke 671 672 zurückgewiesen worden ist.
Insoweit wird die Löschung der angegriffenen Marke 2 909 410
angeordnet.
Im übrigen wird die Beschwerde der Widersprechenden zurück-
gewiesen.
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Gründe
I.
Die Marke
siehe Abb. 1 am Ende
ist unter der Nummer 2 909 410 für die Waren und Dienstleistungen
"Seifen, Haarwaschmittel, Haarwässer, Mittel zur Körper- und
Schönheitspflege, Zahnputzmittel; Schlüsselbehälter aus Metall,
Schlüsselringe; Elektroartikel (soweit in Klasse 9 enthalten), Ra-
dios, Kassettenrekorder, Trockenbatterien, Magnettonbänder, Vi-
deobänder, Bildplatten, CDs, Schallplatten, Brillen, Sonnenbrillen,
Rechenmaschinen; Zigarettenetuis, Aschenbecher und
(Trink)becher aus Edelmetall; Manschettenknöpfe, Anstecker und
Abzeichen, Anstecknadeln; Taschen- und Armbanduhren, Wand-,
Turm- und Standuhren; Schreibwaren, Kugelschreiber, Füllfeder-
halter; Blei- und Buntstifte, Notizbücher, Notizblöcke, Radierer,
Verpackungsmaterial aus Kunststoff, nämlich Hüllen, Beutel und
Folien und Kunststofftafeln, Kartons und Pappen, Bleistiftspitzer,
Kärtchenhalter, Dokumentenmappen, Büroartikel, Spielkarten,
Siegel, Aufklebe-, Anhängeschildchen, Aufkleber, Seidenpapier,
Papierwaren (soweit in Klasse 16 enthalten), Druckereierzeug-
nisse, Bücher, Druckschriften, Telefonkarten, Postkarten, An-
sichtskarten, Poster, Papiertüten, Künstlerbedarfsartikel, Papier-
messer und Brieföffner; Leder und Lederimitationen sowie Waren
daraus (soweit in Klasse 18 enthalten), Brieftaschen, Taschen,
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Einkaufstaschen, Handkoffer, Geldbeutel, Halter und Hüllen für
Monats-, Wochen- und Zeitkarten, Gürtel, Regenschirme, Son-
nenschirme; Behälter für Haushalt und Küche (nicht aus Edelme-
tall oder plattiert), Becher und Tassen, Kämme, Glaswaren, Por-
zellan, Steingut, Keramikwaren (soweit in Klasse 21 enthalten);
Tafelgeschirr; Säcke (soweit in Klasse 22 enthalten); feine Ge-
webe; Bett- und Tischdecken, Textilwaren, Handtücher, Taschen-
tücher, Tischsets, Servietten; Bekleidungsstücke, Parkas, Ano-
raks, Jogginganzüge, Sporttrikots, Jacken und Jackets, Sweat-
shirts, T-Shirts, Poloshirts; (ärmellose) Pullover, Trägerkleider und
Trägerröcke, (Kinder)spielhosen; Stiefel, Schuhe, Pantoffeln, Un-
terwäsche, Socken, Hüte, Mützen und Kappen, Hals-, Kopf- und
Schultertücher und Schals, Krawatten und Schlipse, Gürtel,
Schürzen; Spiele, Spielzeug, Spielwaren, Turn- und Sportartikel
(soweit in Klasse 28 enthalten), Ornamente, Verzierungen und
Schmuck, Puppen, ausgestopftes Spielzeug, Modelle; Kaffee,
Tee, Kakao, Zucker, Brot, Kekse, Kuchen, feine Backwaren, Kon-
ditorwaren, Speiseeis, Schokolade, Kaugummis, Getränke mit
Tee, Kaffee, Kakao oder Schokolade; Bier, alkoholfreie Getränke,
Mineralwasser und kohlensäurehaltiges Wasser, Fruchtgetränke,
Fruchtsäfte, Präparate für die Zubereitung von Getränken;
Aschenbecher, Feuerzeuge, Zigarettenetuis; Filmproduktion, Pro-
duktion von Videofilmaufnahmen, Filmvermietung, Videofilmver-
mietung, Lieferung, Beschaffung und Bereitstellung von Filmen,
Produktion von Fernsehprogrammen"
in das Register eingetragen worden. Die Eintragung wurde am
30. November 1995 veröffentlicht.
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Widerspruch ist erhoben von der Inhaberin der Marke 671 672
Boy
die seit 18. Februar 1955 für
"tragbare Rundfunkempfänger"
eingetragen ist.
Die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke ist von der Markeninha-
berin bestritten worden.
Die mit einer Beamtin des höheren Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 3
des Deutschen Patentamts hat den Widerspruch wegen fehlender Verwechs-
lungsgefahr zurückgewiesen. Zwar könnten sich die gegenüberstehenden Marken
auf identischen Waren begegnen, die angegriffene Marke halte jedoch den erfor-
derlichen Abstand zu der über eine normale Kennzeichnungskraft verfügenden
Widerspruchsmarke ein. Der Bestandteil "ASTRO" stelle neben dem weiteren Be-
standteil "BOY" ein gleichgewichtiges Element in der angegriffenen Marke dar, so
daß unmittelbare Verwechslungen nicht zu befürchten seien. Ein gedankliches In-
verbindungbringen der Marken in Form der mittelbaren Verwechslungsgefahr
scheide ebenfalls aus, weil im Register auf dem betreffenden Warengebiet zahl-
reiche "Boy"-Marken für Dritte eingetragen seien, so daß in dem in der angegriffe-
nen Marke enthaltenen Bestandteil "Boy" kein Hinweis auf das Unternehmen der
Widersprechenden gesehen werden könne.
Gegen diese Beurteilung richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Zur
Glaubhaftmachung einer rechtserhaltenden Benutzung hat sie eidesstattliche Ver-
sicherungen vom 5. Oktober und vom 9. Oktober 2001 sowie Prospektmaterial mit
Warendarstellungen aus dem Zeitraum von 1991 bis 2001 zu den Akten gereicht.
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Des weiteren trägt die Widersprechende vor, daß die Widerspruchsmarke seit
vielen Jahren sowohl in Alleinstellung als auch als gleichbleibender Stammbe-
standteil einer Markenserie in großem Umfang insbesondere für tragbare Rund-
funkempfänger verwendet werde. Vor diesem Hintergrund erscheine die ange-
griffene Marke als ein weiteres "Boy"-Zeichen der Widersprechenden, so daß je-
denfalls eine mittelbare Verwechslungsgefahr gegeben sei. Warenähnlichkeit be-
stehe zumindest im Hinblick auf die von der angegriffenen Marke erfaßten Waren
der Klasse 9, hinsichtlich der Druckereierzeugnisse, Bücher und Druckschriften,
bezüglich Leder und Lederimitationen, Spielen, Spielzeug und Spielwaren sowie
im Verhältnis zu den Dienstleistungen der angegriffenen Marke.
Die Widersprechende beantragt,
den angefochtenen Beschluß der Markenstelle aufzuheben, die
Löschung der angegriffenen Marke 2 909 410 anzuordnen und der
Markeninhaberin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Die Markeninhaberin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei durch zahlreiche "Boy"-Mar-
ken Dritter im Bereich der Klasse 9 geschwächt. Aus diesem Grund komme eine
mittelbare Verwechslungsgefahr nicht in Betracht. Unmittelbare Verwechslungs-
gefahr bestehe ebenfalls nicht, da in der angegriffenen Marke der Bestandteil
"ASTRO" gleichgewichtig neben den weiteren Bestandteil "BOY" trete.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst
hierzu eingereichten Anlagen sowie auf den angefochtenen Beschluß der Marken-
stelle Bezug genommen.
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II.
Die Beschwerde ist zulässig und zum Teil auch in der Sache begründet.
1. Die Schutzdauer der Widerspruchsmarke ist ausweislich des Registerauszugs
vom 15. Oktober 2001 mit Wirkung vom 21. März 2000 verlängert worden.
Hierauf wurde die Markeninhaberin in der mündlichen Verhandlung hingewie-
sen.
2. Von einer rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke für "tragbare
Rundfunkempfänger" ist auszugehen.
Die Markeninhaberin hat die Benutzung der Widerspruchsmarke in zulässiger
Weise nach § 43 Abs 1 und 2 MarkenG bestritten. Die Widerspruchsmarke war
zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der angegriffenen Marke seit mehr als fünf
Jahren im Register eingetragen (§ 43 Abs 1 Satz 1 MarkenG). Damit sind zu-
gleich die Voraussetzungen der Nichtbenutzungseinrede nach § 43 Abs. 1
Satz 2 MarkenG erfüllt. Da die Vorschriften des § 43 Abs 1 Satz 1 und 2
MarkenG bei einer – wie hier – unbeschränkt erhobenen Nichtbenutzungsein-
rede nebeneinander zur Anwendung kommen (vgl. BGH GRUR 1998, 938,
939 f. "DRAGON"), ergeben sich als relevante Benutzungszeiträume die Zeit
vom 30.
November 1990 bis zum 30. November 1995 sowie vom
16. Oktober 1996 bis zum 16. Oktober 2001 (Zeitpunkt der Entscheidung über
den Widerspruch).
Aus der eidesstattlichen Versicherung des Herrn Werner Pfundt vom
5. Oktober 2001 geht hervor, daß von der Widersprechenden im ersten Benut-
zungszeitraum 147 888 tragbare Rundfunkgeräte unter der Widerspruchs-
marke in Deutschland verkauft wurden. Die Widerspruchsmarke war auf der
Vorderseite der Geräte angebracht, wie z.B. aus den Prospekten "GRUNDIG
REVUE ´91", S 111, oder "GRUNDIG REVUE ´92", S 111, ersichtlich.
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Der eidesstattlichen Versicherung des Herrn Georg Kennemann vom
9. Oktober 2001 ist zu entnehmen, daß im Zeitraum von Januar 1998 bis De-
zember 1999 insgesamt 39 017 tragbare Rundfunkempfänger unter der Wider-
spruchsmarke in Deutschland verkauft wurden. Auch insoweit war die Wider-
spruchsmarke auf der Vorderseite der Geräte angebracht (vgl. "GRUNDIG Ge-
samtprogramm 1998", letzte Seite; "Hauptkatalog 1999/2000", S 116/117).
Gegen die Annahme einer rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchs-
marke bestehen demnach keine Bedenken. Auch die Markeninhaberin hat in-
soweit zuletzt keine durchgreifenden Einwände mehr erhoben.
3. Im Umfang der im Tenor genannten Waren kann die Eintragung der angegriffe-
nen Marke keinen Bestand haben, da insoweit Verwechslungen unter dem Ge-
sichtspunkt des gedanklichen Inverbindungbringens mit der Widerspruchs-
marke zu besorgen sind (§§ 152, 42 Abs 2 Nr. 1 iVm § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG).
Die weitergehende Beschwerde bleibt ohne Erfolg, da insoweit wegen fehlen-
der oder nicht hinreichender Warenähnlichkeit eine Verwechslungsgefahr aus-
scheidet.
Ob Verwechslungsgefahr besteht, hängt nach § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG ab von
der Identität oder Ähnlichkeit der gegenüberstehenden Marken einerseits und
andererseits von der Identität oder Ähnlichkeit der von den beiden Marken er-
faßten Waren und Dienstleistungen. Darüber hinaus sind auch alle weiteren
Umstände zu berücksichtigen, die sich auf die Verwechslungsgefahr auswirken
können, insbesondere die Kennzeichnungskraft der älteren Marke, wobei die
verschiedenen für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr heranzuziehenden
Faktoren in einer Wechselwirkung stehen (st. Rspr.; BGH GRUR 2001, 507,
508 "EVIAN/REVIAN"; GRUR 2000, 506, 508 "ATTACHÉ/TISSERAND, jew
mwN). Dies impliziert einen im Einzelfall auszufüllenden Wertungsspielraum,
so daß auch bei (noch) gegebener Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistun-
gen einerseits und einer gewissen Zeichenähnlichkeit andererseits nicht zwin-
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gend auf das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr geschlossen werden kann
(vgl. BGH GRUR 2000, 608, 610 "ARD-1"). Nach § 9 Abs 1 Nr 2, 2. Halbsatz
MarkenG schließt der Begriff der Verwechslungsgefahr die Gefahr ein, daß die
Vergleichsmarken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden
können.
a) Nach diesen Grundsätzen kann eine Verwechslungsgefahr im Hinblick auf
die im Tenor aufgeführten Waren der Klasse 9 nicht verneint werden.
aa) Die genannten Waren sind teilweise identisch, im übrigen unproblematisch
ähnlich mit den auf Seiten der Widerspruchsmarke zu berücksichtigenden
tragbaren Rundfunkempfängern (vgl. Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Wa-
ren und Dienstleistungen, 11. Aufl 1999, S 283).
bb) Die Widerspruchsmarke wird, wie aus den oben 2. erwähnten eidesstattli-
chen Versicherungen sowie darüber hinaus aus den mit Schriftsatz vom
9.
Oktober
2001 übergebenen eidesstattlichen Versicherungen vom
7. Mai 1991 und vom 8. August 1975 hervorgeht, seit Jahrzehnten für tragbare
Rundfunkempfänger eingesetzt. Auch wenn die insoweit erzielten Umsätze
nicht hinreichen mögen, um von einer überdurchschnittlichen Kennzeich-
nungskraft sprechen zu können, muß doch jedenfalls von einer fest im Markt
verankerten Marke ausgegangen werden, deren Kennzeichnungskraft sich im
oberen durchschnittlichen Bereich bewegt. Eine Schwächung durch Drittzei-
chen kann nicht festgestellt werden (s dazu nachfolgend cc).
cc) Bei dieser Sachlage hat die angegriffene Marke einen deutlichen Abstand
zur Widerspruchsmarke einzuhalten. Diesen Anforderungen wird sie nicht ge-
recht.
Der Markenstelle ist allerdings darin beizutreten, daß die Vergleichsmarken
nicht unmittelbar miteinander verwechselt werden können. Der Gesamtein-
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druck der angegriffenen wird durch ihre beiden Wortbestandteile "ASTRO" und
"BOY" gleichermaßen geprägt. Die Auffassung der Widersprechenden, der Be-
standteil "ASTRO" weise einen beschreibenden Sinngehalt auf und trete daher
im Gesamteindruck zurück, wird durch nichts gestützt. Auch die Widerspre-
chende hat dafür nichts dartun können.
Nicht auszuschließen ist demgegenüber, daß die Vergleichsmarken gedanklich
miteinander in Verbindung gebracht werden können (§ 9 Abs 1 Nr 2,
2. Halbsatz MarkenG). Der Tatbestand des gedanklichen Inverbindungbrin-
gens stellt eine besondere Fallgruppe der Verwechslungsgefahr dar (vgl.
EuGH GRUR Int. 2000, 899, 901 Rdn 34 "Marca/Adidas"; GRUR 1998, 387,
389 "Springende Raubkatze"), die sich dadurch auszeichnet, daß zwei Marken
zwar nicht füreinander gehalten und insoweit unmittelbar verwechselt werden
können, jedoch Gemeinsamkeiten aufweisen, die im Publikum Anlaß zu der
Annahme geben können, daß es sich bei der angegriffenen Marke um ein Zei-
chen des Inhabers der älteren Marke handle. Damit sind nicht nur, aber doch
im wesentlichen die Fälle der mittelbaren Verwechslungsgefahr unter dem Ge-
sichtspunkt des Serienzeichens erfaßt (vgl. BGH GRUR 2000, 886, 887
"Bayer/BeiChem"; GRUR 1999, 587, 589 "Cefallone"). Voraussetzung für die
Annahme einer Verwechslungsgefahr ist insoweit, daß die Vergleichsmarken
einen identischen (oder zumindest wesensgleichen) Bestandteil aufweisen, der
bei einer Zusammenschau der beiden Marken als gemeinsamer Stammbe-
standteil erscheint, während die Abweichungen lediglich den Eindruck einer
besonderen Einzelproduktkennzeichnung erwecken. Dieser Eindruck wird häu-
fig dadurch gefördert, daß die abweichenden Bestandteile einen mehr oder
weniger stark hervortretenden warenbeschreibenden Sinngehalt aufweisen
(vgl. Althammer/Ströbele, Markengesetz, 6. Aufl 2000, § 9 Rdn 221). Dies ist
aber keine zwingende Voraussetzung für die Annahme einer mittelbaren Ver-
wechslungsgefahr. Es kommt vielmehr auf die Umstände des Einzelfalles an.
Dabei nimmt die Gefahr mittelbarer Verwechslungen regelmäßig zu, wenn der
Inhaber der Widerspruchsmarke bereits eine Markenserie benutzt, in die sich
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die angegriffene Marke einreiht (BGH aaO "Cefallone"; GRUR 1975, 312, 313
"BiBA"). Das ist hier der Fall.
Die Widersprechende hat im einzelnen dargelegt, daß sie seit langem tragbare
Rundfunkempfänger nicht nur unter der Widerspruchsmarke, sondern daneben
verschiedene andere Typen solcher Geräte unter den Bezeichnungen "Con-
cert-Boy", "Music-Boy", "City-Boy", "Ocean-Boy", "Prima-Boy" und "Yacht-Boy"
vertreibt (vgl. hierzu die Kataloge 1991 bis 2001/2002 sowie die eidesstattli-
chen Versicherungen vom 7.
Mai
1991 sowie vom 5.
Oktober und vom
9. Oktober 2001). Die Zusätze zu dem gleichbleibenden Stammbestandteil
"Boy" sind dabei teilweise beschreibender Natur (z.B. "Concert" oder "Music"),
teils kann ein unmittelbar beschreibender Sinngehalt nicht ohne weiteres fest-
gestellt werden, so etwa bei den Zusätzen "City" oder "Ocean". Bei dieser
Sachlage erscheint es naheliegend, daß die angegriffene Marke
"ASTRO BOY" vom Verkehr als eine weitere "Boy"-Marke der Widersprechen-
den erachtet wird.
Dem steht nicht entgegen, daß im Register eine Reihe von "Boy"-Marken für
Dritte im Bereich der Klasse 9 eingetragen sind. Solche Drittzeichen können
zwar grundsätzlich dem Eindruck entgegenwirken, daß es sich bei dem gleich-
bleibenden Stammbestandteil (hier: "Boy") um einen besonderen Hinweis auf
das Unternehmen der Widersprechenden handelt. Eine solche gegenläufige
Wirkung setzt aber jedenfalls in dem hier vorliegenden Fall einer seit langem
benutzten Markenserie grundsätzlich voraus, daß auch die Drittzeichen im
Verkehr tatsächlich benutzt werden. Eine benutzte und im Markt etablierte
Markenserie stellt einen materiellen wettbewerblichen Besitzstand dar, der
durch bloß formale Umstände wie den Registerstand grundsätzlich nicht ernst-
haft in Frage gestellt werden kann. Über die Benutzung der anderen "Boy"-
Marken ist indessen nichts vorgetragen worden.
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Im übrigen deckt die Klasse 9 ein breites Warengebiet ab. Die Widerspre-
chende hat insoweit – von der Markeninhaberin unbeanstandet – deutlich ge-
macht, daß sich zumindest einige der von der Markeninhaberin aufgelisteten
Drittzeichen auf Waren beziehen, die den Besitzstand der Widersprechenden
an ihrer Zeichenserie nicht wesentlich tangieren, z.B. Meßgeräte für den
Stromverbrauch ("CHECK BOY"), Vorrichtungen zum Erleichtern des Einpar-
kens ("Park Boy") oder Warenverkaufsautomaten ("Pausen-Boy").
Mittelbare Verwechslungsgefahr kann schließlich auch nicht unter dem Ge-
sichtspunkt eines gesamtbegrifflichen Charakters der angegriffenen Marke
ausgeschlossen werden (vgl. hierzu Althammer/Ströbele, aaO, § 9 Rdn 222).
In diese Richtung könnte zwar der Vortrag der Markeninhaberin zu werten
sein, daß es sich bei "ASTRO BOY" um den Namen einer japanischen Comic-
Figur (Roboterjunge) handelt. Es ist jedoch nichts dafür ersichtlich, daß diese
Comic-Figur in Deutschland so große Verbreitung gefunden hat, daß die Be-
zeichnung "ASTRO
BOY" ganz überwiegend als Name dieser Figur
verstanden wird und nur noch unerhebliche Teile des Verkehrs mittelbaren
Verwechslungen mit der Widerspruchsmarke erliegen.
Nach alledem war der Beschwerde in dem angegebenen Umfang der Erfolg
nicht zu versagen.
b) Die weitergehende Beschwerde war dagegen zurückzuweisen, da die inso-
weit fehlende oder doch nicht hinreichende Warenähnlichkeit der Annahme ei-
ner mittelbaren Verwechslungsgefahr entgegensteht.
aa) Die Ähnlichkeit der von den Vergleichsmarken erfaßten Waren und
Dienstleistungen ist, wie ausgeführt, eines von mehreren Kriterien für die Be-
urteilung der Verwechslungsgefahr. Der Begriff der Verwechslungsgefahr ist
seinerseits allein im Hinblick auf die Herkunftsfunktion der Marke auszulegen
(EuGH GRUR 2001, 1148, 1149 Rdn 22 "Bravo"; GRUR 1998, 922, 924
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Rn. 26 ff. "Canon"). Für die Annahme von Warenähnlichkeit kommt es daher
darauf an, ob die Waren (und Dienstleistungen) von den angesprochenen Ver-
kehrskreisen demselben Unternehmen zugeordnet werden. Von vornherein
ausgeschlossen werden kann dies nur bei absolut unähnlichen Waren und
Dienstleistungen (BGH GRUR 1999, 731, 732 "Canon II"), d.h. bei solchen, die
vom Publikum auch bei großer Bekanntheit der älteren Marke und bei unter-
stellter Zeichenidentität unterschiedlichen und auch nicht miteinander verbun-
denen Unternehmen zugeordnet werden (BGH GRUR 2001, 507, 508
"EVIAN/REVIAN"). Die Auffassung der angesprochenen Verkehrskreise wird
dabei teilweise durch die regelmäßigen tatsächlichen Herkunftsstätten der Wa-
ren und Dienstleistungen geprägt (vgl. BGH aaO "EVIAN/REVIAN"), teilweise
durch die Faktoren, die das Verhältnis zwischen den einander gegenüberste-
henden Waren und Dienstleistungen selbst kennzeichnen. Zu diesen Faktoren
gehören insbesondere deren Art, Verwendungszweck und Nutzung sowie ihre
Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren
oder Dienstleistungen (EuGH GRUR 1998, 922, 923 Rdn 23 "Canon").
bb) Nach diesen Grundsätzen scheidet eine Ähnlichkeit zwischen den "tragba-
ren Rundfunkempfängern" der Widerspruchsmarke einerseits und dem Groß-
teil der von der angegriffenen Marke erfaßten Waren andererseits ohne weite-
res aus. Dies gilt insbesondere auch für die von der angegriffenen Marke er-
faßten Druckereierzeugnisse, Bücher und Druckschriften. Als Waren betrach-
tet, lassen sich diese unter keinem Gesichtspunkt in Verbindung mit einem
Unternehmen bringen das sich mit der Herstellung von Rundfunkgeräten be-
faßt (offenlassend insoweit BPatG, Beschl. v. 26.
Januar
1998,
30 W (pat) 155/95 "Soundboy/Boy", Umdr. S 13). Ebenso liegt es im Hinblick
auf Leder und Lederimitationen einschließlich daraus gefertigter Waren. Der
von der Widersprechenden hervorgehobene Umstand, daß es sich dabei u.a.
um Umhüllungen für tragbare Rundfunkempfänger handeln kann, führt zu kei-
ner anderen Beurteilung. Zwar können sich die Waren insoweit ergänzen. Das
alleine kann aber eine Warenähnlichkeit nicht begründen. Es kommt insoweit
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vielmehr auf eine gegenseitige Ergänzung in dem Sinne an, daß dadurch die
Annahme gemeinsamer oder doch miteinander verbundener Herstellungsstät-
ten nahegelegt wird. Das kann hier ausgeschlossen werden. Dasselbe gilt für
die von der angegriffenen Marke erfaßten Trockenbatterien (vgl. Rich-
ter/Stoppel, aaO S 283).
Auch im Verhältnis zu den Dienstleistungen der angegriffenen Marke kann eine
Ähnlichkeit nicht festgestellt werden. Insoweit ist davon auszugehen, daß eine
Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen zwar grundsätzlich in Betracht
kommt (vgl. BGH GRUR 1998, 731, 733 "Canon II"), daß sie sich aber in der
Regel eher fern stehen. Es bedarf besonderer Umstände, um eine Ähnlichkeit
im Einzelfall bejahen zu können (BGH aaO "Canon II"). Solche Umstände sind
im vorliegenden Fall nicht ersichtlich. Soweit die Widersprechende darauf hin-
weist, daß die Dienstleistung "Videofilmvermietung" eine Ähnlichkeit mit Video-
bändern und Bildplatten aufweise, mag dies nicht gänzlich auszuschließen sein
(vgl. BGH aaO "Canon II"). Maßgeblich ist aber, ob eine Ähnlichkeit zu den von
der Widerspruchsmarke allein erfaßten tragbaren Rundfunkempfängern be-
steht. Dafür bestehen keine Anhaltspunkte.
Was schließlich die Waren "Spiele, Spielzeug, Spielwaren" der angegriffenen
Marke angeht, weist die Widersprechende im Ansatz zutreffend darauf hin, daß
der Spielesektor mit dem Bereich der traditionellen Unterhaltungselektronik in
den letzten Jahren mehr und mehr zusammengewachsen ist. Indessen darf
nicht übersehen werden, daß die Widerspruchsmarke nicht etwa Schutz für
den gesamten Bereich der traditionellen Unterhaltungselektronik genießt, son-
dern nur für das eng begrenzte Gebiet der tragbaren Rundfunkempfänger. In-
soweit kann jedenfalls von einer engeren Warenähnlichkeit nicht ausgegangen
werden. Vor diesem Hintergrund erscheint die Überlegung fernliegend, daß der
Verkehr die angegriffene Marke, für ein (auch elektronisches) Spiel verwendet,
in die für tragbare Rundfunkgeräte gebildete Markenserie der Widersprechen-
den einordnet.
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4. Zu einer Auferlegung der Kosten des Verfahrens bestand kein Anlaß (§ 71
Abs 1 MarkenG). Im markenrechtlichen Widerspruchsverfahren trägt jeder
Beteiligte unabhängig von Obsiegen oder Unterliegen seine Kosten grundsätz-
lich selbst. Es bedarf besonderer Umstände, die eine Kostenauferlegung aus
Gründen der Billigkeit geboten erscheinen lassen. Solche Umstände sind we-
der ersichtlich noch von der Widersprechenden aufgezeigt worden.
Hacker Schmitt Werner
prö
Abb. 1