Urteil des BPatG vom 05.10.2010

BPatG: stand der technik, patent, aufnehmen, neuheit, glaubhaftmachung, kunststoff, ausbildung, vorbenutzung

BPatG 154
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
6 W (pat) 57/08
_______________
(Aktenzeichen)
Verkündet am
5. Oktober 2010
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend das Patent 10 2005 003 945
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hat der 6. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 5. Oktober 2010 unter Mitwirkung des Vorsitzen-
den Richters Dr.-Ing. Lischke sowie der Richter Guth, Dipl.-Ing. Schneider und
Dipl.-Ing. Hildebrandt
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Patentinhaberin wird der Beschluss der
Patentabteilung 12 des Deutschen Patent- und Markenamts vom
17. Juli 2008
insoweit
aufgehoben,
als
das
Patent
10 2005 003 945 mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechter-
halten wird:
-
Patentansprüche 1 bis 10 vom 5.10.2010,
überreicht in der mündlichen Verhandlung
-
übrige Unterlagen wie erteilt.
G r ü n d e
I.
Die Patentabteilung 12 des Deutschen Patent- und Markenamts hat das am
27. Januar 2005 angemeldete Patent 10 2005 003 945 mit Beschluss vom
17. Juli 2008 widerrufen.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Patentinhaberin. Sie
überreicht in der mündlichen Verhandlung neue Ansprüche 1 bis 10 und führt im
Wesentlichen aus, der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 sei neu und be-
ruhe auf einer erfinderischen Tätigkeit. Sie beantragt,
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den angefochtenen Beschluss insoweit aufzuheben, als das an-
gegriffene Patent mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrecht
erhalten wird:
-
Patentansprüche 1 bis 10 vom 5.10.2010,
überreicht in der mündlichen Verhandlung
-
übrige Unterlagen wie erteilt.
Die Einsprechende beantragt,
die Beschwerde der Patentinhaberin zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 im Hin-
blick auf den Stand der Technik nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
Der geltende Anspruch 1 lautet:
„Buchsenlager, mit in Umfangsrichtung wechselnder radialer Stei-
figkeit, bestehend aus einem Innenteil (1, 1') und einem das In-
nenteil (1, 1') zumindest abschnittsweise umgebenden, zur Auf-
nahme durch eine Außenhülse oder ein Aufnahmeauge (9) aus-
gebildeten elastomeren Lagerkörper (2), mit wenigstens einem
Radialsteg (3, 3') hoher radialer Steifigkeit und einer Niere (4, 4')
in deren Bereich die radiale Steifigkeit niedriger ist als im Bereich
des Radialstegs (3, 3'), wobei im Bereich des Radialstegs (3, 3'),
unter Ausbildung einer radialen Schichtenfolge mit dem Elasto-
mer (6, 6'), Elemente (5, 5') aus Metall oder Kunststoff in den La-
gerkörper (2) eingefügt und an dessen radialen Außenflächen an-
geordnet sind, dadurch gekennzeichnet, dass das Innenteil (1, 1')
aus einer metallischen Innenhülse (1) und einem in die Innen-
hülse (1) eingepressten Lagerkern (1') besteht, wobei an die In-
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nenfläche der Innenhülse (1) eine Elastomerkontur (7) anvulkani-
siert ist und der Lagerkern (1') gegenüber dem Innendurchmesser
der Elastomerkontur (7) mit einem Übermaß ausgebildet ist oder
an die Außenfläche des Lagerkerns (1') eine Elastomerkontur (7)
anvulkanisiert ist und der Lagerkern (1') mit der anvulkanisierten
Elastomerkontur (7) gegenüber dem Innendurchmesser der
Elastomerkontur (7) ein Übermaß aufweist, und dass die Niere
oder Nieren (4, 4') durch mit dem Innenteil (1, 1') verbundene An-
schlagelemente (8, 8') gebildet sind, deren Außenflächen bezogen
auf die Längsachse (x) des Lagers beidseits einer die Längsachse
senkrecht schneidenden Ebene (e) einen keilförmigen Verlauf
aufweisen, durch den sich der Abstand der Anschlagelemente (8,
8') gegenüber der Innenfläche einer das Lager aufnehmen
Außenhülse oder eines Aufnahmeauges (9) in Richtung der axi-
alen Lagerenden vergrößert.“
Hinsichtlich des Wortlauts der Unteransprüche wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Im Prüfungs- und Einspruchsverfahren sind folgende Druckschriften in Betracht
gezogen worden:
(E1) DE 35 36 284 A1
(E2) DE 198 56 694 C2
(E3) US 5 172 894 A
(E4) EP 0 226 702 A1
(E6) US 40 32 125
(E7) US 68 30 492 B1
(E8) DE 35 25 213 A1
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DE 38 07 644 C2
-
DE 696 15 726 T2.
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Außerdem macht die Einsprechende eine offenkundige Vorbenutzung geltend, zu
deren Glaubhaftmachung sie Anlagen E5/1 bis E5/5 vorlegt.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt verwie-
sen.
II.
Die Beschwerde der Patentinhaberin ist zulässig, sie hat in der Sache auch inso-
weit Erfolg, als das Patent beschränkt aufrecht erhalten wird.
1.
Die geltenden Ansprüche sind zulässig.
Der geltende Anspruch 1 ergibt sich aus den erteilten bzw. ursprünglichen An-
sprüchen 1 und 8. Die geltenden Ansprüche 2 bis 10 ergeben sich aus den erteil-
ten bzw. ursprünglichen Ansprüchen 2 bis 7 und 9 bis 11.
Die Zulässigkeit der Ansprüche ist im Übrigen auch nicht streitig.
2.
Der Patentgegenstand nach den geltenden Ansprüchen erweist sich als
patentfähig.
a.
Der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 ist neu.
Die Neuheit des Gegenstandes des geltenden Anspruchs 1 wurde seitens der
Einsprechenden nicht bestritten, sie ist auch gegeben, wie eine Überprüfung durch
den Senat im Rahmen der Amtsermittlung ergeben hat.
b.
Der zweifelsfrei gewerblich anwendbare Gegenstand des geltenden An-
spruchs 1 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
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Aus der (E1) DE 35 36 284 A1 ist ein Buchsenlager nach dem Oberbegriff des
geltenden Anspruchs 1 bekannt (Streitpatentschrift Abs. [0002]. Weitere Merkmale
des geltenden Anspruchs 1 sind dieser Druckschrift nicht zu entnehmen, insbe-
sondere fehlen dort die Merkmale des kennzeichnenden Teils.
Im kennzeichnenden Teil des geltenden Anspruchs 1 ist u. a. angegeben,
dass die Niere oder Nieren (4, 4') durch mit dem Innenteil (1, 1')
verbundene Anschlagelemente (8, 8') gebildet sind, deren Außen-
flächen bezogen auf die Längsachse (x) des Lagers beidseits ei-
ner die Längsachse senkrecht schneidenden Ebene (e) einen
keilförmigen Verlauf aufweisen, durch den sich der Abstand der
Anschlagelemente (8, 8') gegenüber der Innenfläche einer das
Lager aufnehmen Außenhülse oder eines Aufnahmeauges (9) in
Richtung der axialen Lagerenden vergrößert.
Eine derartige Ausgestaltung ist durch den gesamten nachgewiesenen Stand der
Technik weder bekannt noch vorweggenommen.
Die einzige Druckschrift, welche - wenn überhaupt - einen im weitesten Sinne
„keilförmigen“ Verlauf der Anschlagelemente zeigt, ist die (E6) US 40 32 125 (Fi-
gur 3). Dort sind als Anschlagelemente dienende Gummistopper 36, 38 vorgese-
hen, deren Außenflächen im Bereich ihrer axialen Enden abgeschrägt ausgebildet
sind.
Wie sich jedoch aus dem Wortlaut des geltenden Anspruchs 1 i. V. m. Figur 3 der
Streitpatentschrift ergibt, sind erfindungsgemäß die Außenflächen der Anschlag-
elemente nicht nur im Bereich ihrer axialen Enden abgeschrägt, sondern die
Außenflächen nehmen - beginnend an der die Längsachse senkrecht schneiden-
den Ebene „e“ - keilförmig zu den axialen Lagerenden hin ab.
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Eine derartige Ausgestaltung ist der (E6) US 40 32 125 aber gerade nicht zu ent-
nehmen, wie ein einfacher Blick auf die Figur 3 zeigt. Da auch über Sinn und
Zweck dieser Abschrägungen nichts ausgesagt ist, kann der Fachmann aus dieser
Druckschrift auch keine Anregung zu der beanspruchten keilförmigen Ausgestal-
tung der Außenflächen erhalten, durch die nicht nur in das Lager eindringende
Verunreinigungen aus der Außenhülse bzw. dem Aufnahmeauge herausgedrückt
werden, sondern auch in vorteilhafter Weise ein progressiver Anlauf der Lager-
kennlinie hinsichtlich der radialen Steifigkeit im Bereich der Niere erreicht wird
(Abs. [0010] der Streitpatentschrift).
Da somit der Stand der Technik die im kennzeichnenden Teil des geltenden An-
spruchs 1 beanspruchte spezielle Ausgestaltung der Anschlagelemente nicht of-
fenbart oder nahe legt, kann von dort auch keine Anregung in diese Richtung aus-
gehen.
Der geltende Anspruch 1 ist somit gewährbar.
c)
Unteransprüche
Zusammen mit dem Anspruch 1 sind auch die auf ihn unmittelbar oder mittelbar
rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 10 gewährbar, da sie nicht platt selbstver-
ständliche Ausgestaltungen des Gegenstandes nach Anspruch 1 betreffen.
Lischke
Guth
Schneider
Hildebrandt
Cl